Der Schatz in tönernen Gefäßen

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Der Schatz in tönernen Gefäßen
„Vom ganz großen Glück“
Matthäus 13,34-36
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,
am Samstagabend nach dem Fernsehkrimi sitzen Millionen von
Zuschauern ganz gebannt da und schauen auf den Bildschirm.
Nicht, weil dann das Wort zum Sonntag übertragen wird, beim
Wort zum Sonntag steigt nur der Wasserverbrauchmessbar. Aber
eine halbe Stunde vorher werden die Lottozahlen gezogen, und
sitzen Millionen vor der Mattscheibe und verfolgen gebannt, wie
die Kugeln fallen. Sechs Richtige, und das Leben würde sich
schlagartig ändern. Das wäre das ganz große Glück.
Um diesen Traum vom ganz großen Glück geht es auch in einer
Geschichte, die Jesus erzählt, genauer gesagt sind es sogar zwei
Gleichnisse. Sie stehen im Matthäusevangelium Kapitel 13, die
Verse 44-46:
„Jesus sagte: Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Schatz,
verborgen im Acker, den ein Mensch fand und wieder verbarg;
und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte,
und kaufte den Acker.
Wiederum ist es mit dem Reich Gottes wie mit einem Kaufmann,
der gute Perlen sammelte, und als er eine besonders kostbare
Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und
kaufte die Perle.“
Was für ein faszinierender Gedanke! Als Kinder haben wir
manchmal davon geträumt, dass da irgendwo ein Schatz sein
könnte. Vielleicht oben auf dem Speicher, in einer der alten
Truhen, oder in der Erde vergraben. Das gibt es ja bis heute, dass
Menschen mit so einem Metalldetektor am Strand oder im Wald
rumlaufen und nach Münzen suchen. Obwohl: dass man dabei
reich wird, ist sehr unwahrscheinlich.
Anders war das zur Zeit, als Jesus lebte. Da kam es tatsächlich
häufiger vor, dass jemand einen Schatz im Acker fand. Es gab
schließlich noch keine Bank, auf der man sein Geld deponieren
konnte, und in unruhigen Zeiten, z.B. im Krieg, wenn etwa eine
feindliche Armee näher rückte, gab es viele, die ihr Geld und ihre
Kostbarkeiten vergruben. Also in Tonkrüge oder Kisten steckten
unter dem Haus oder im eigenen Acker eingruben. Das galt
damals als die sicherste Methode, seine Wertsachen
aufzubewahren. Es konnte aber natürlich passieren, dass der
Besitzer im Krieg umkam oder verschleppt wurde, also nicht nach
Haus zurückkehrte, und dann blieb der Schatz da liegen, solange
bis irgendein Glückspilz ihn entdeckte und ausgrub.
Um so einen Fall geht es in der Geschichte vom Schatz im Acker,
die Jesus erzählt. Vielleicht war so was gerade passiert und alle
redeten darüber, und Jesus greift nun den Fall auf. Allerdings
nicht um sich an der Gerüchteküche zu beteiligen, sondern er
möchte damit etwas deutlich machen. Er macht daraus ein
Gleichnis dafür, wie es mit dem Reich Gottes ist. Anders gesagt:
wie das ist, wenn man es ist Gott zu tun bekommt, mit dem
Glauben.
„Mit dem Reich Gottes, mit dem Glauben ist es wie mit einem
solchen Schatz im Acker, den ein Mensch fand.“ Das ist ein
Glücksfall. Das ganze große Glück, sagt Jesus. Das mag mancher
anders sehen. Was ist da schon Besonderes dran, wenn man an
Gott glaubt? Das tun ja viele, ohne dass sie sich deswegen schon
gleich großartig von anderen Menschen unterscheiden. Sechs
Richtige im Lotto, das würde das Leben schon eher ändern.
Nun muss man unsere Geschichte aber noch weiterlesen. Denn die
hat eine etwas überraschende Fortsetzung: „Mit dem Reich Gottes
ist es wie mit einem verborgenen Schatz im Acker, den ein
Mensch fand und wieder verbarg.“ Das heißt: der holt den Schatz
da nicht gleich raus, sondern der verbuddelt ihn wieder. Warum
eigentlich? Das hat einen ganz einfachen Grund: das ist nicht sein
Acker, er hat ihn wohl nur gepachtet. Also gehört ihm der Schatz
noch nicht. Er hat ihn zwar gefunden, aber wenn er ihn jetzt
mitnehmen würde, wäre das Diebstahl. Also macht er etwas ganz
Schlaues: er geht zuerst hin und kauft den Acker. Nun gehört ihm
der Schatz auch rechtmäßig. Nur: dieser Acker ist teuer. Er kostet
seinen ganzen Besitz. Der Mann muss also alles verkaufen, was er
vorher hatte. Aber dafür bekommt er einen kostbaren Schatz.
So ist das, wenn man es mit Gott zu tun kriegt, sagt Jesus. Das
macht das Leben kostbar. Aber es kostet auch etwas. Man kann
nicht einfach weiterleben wie bisher, sondern muss das alte Leben
aufgeben. Viele Gewohnheiten und Bequemlichkeiten muss man
aufgeben, um zu diesem neuen Leben zu kommen.
Und deutlich zu machen, was gemeint ist, erzählt Jesus gleich
noch ein zweites Gleichnis: da geht’s um einen Kaufmann, der
mit Perlen handelt und davon auch ganz gut lebt. Bis ihm eines
Tages eine ganz besondere Perle angeboten wird, groß und
wunderschön. Die kann er aber noch oben drauf bekommen,
zusätzlich zu den anderen. Sondern muss er all die anderen
kleinen Perlen verkaufen, um diese eine große Perle kaufen zu
können.
Also: das Glück kommt nicht von allein. Wer auf sechs Richtige
im Lotto wartet, der kann lange warten. Aber normalerweise muss
man dafür etwas tun. Man muss Entscheidungen treffen. Man
muss man sich überlegen, was einem wichtig ist und was nicht so
wichtig ist. Denn man kann nicht alles haben.
Und das gilt auch für den Glauben. Natürlich kann man den lieben
Gott einen guten Mann sein lassen nach dem Motto „Ich tu ihm
nichts, dann tut er mir auch nichts“. Man kann sich auch
zurücklehnen und sagen „Wie schön ist es, als Christ zu leben“,
aber im Grunde genommen hat man mit diesem Glauben nicht
viel tun, denn er verändert das Leben nicht, man lebt wie bisher.
Man weiß zwar, wo der Schatz liegt oder liegen könnte, aber man
lässt ihn da liegen, man hebt ihn nicht.
Das ist die Entscheidung, vor der ihr als Konfirmanden steht. Ihr
werdet heute gefragt, ob ihr eure Taufe „konfirmieren“ wollt,
also: ob ihr bestätigen wollt, was bei den meisten von euch die
Eltern entschieden haben, nämlich dass ihr als Christen leben
solltet. Heute sollt ihr selbst darüber entscheiden, ob ihr diesen
Weg auch selbst weitergehen wollt. Natürlich kann man dazu
leicht „Ja“ sagen. Es kann auch kein anderer nachprüfen, ob das
ernst gemeint ist. Erst mal ist ja der Konfer vorbei. Wenn ihr jetzt
zur Kirche gehe, steht da keine Kerze, die ihr anzünden könnt.
Und niemand wird vorbeikommen und fragen, warum ihr nicht
mehr kommt. Ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig darüber,
was ihr aus eurem Versprechen macht, euch weiter „zur
Gemeinde zu halten“. Außer euch selbst. Wollt ihr das ernst
nehmen, was ihr versprecht? Oder wollt ihr die Laufbahn der UBoot-Christen einschlagen?
Wisst ihr, was ein U-Boot-Christ ist? Wissen Sie’s? Es gibt ein
Gedicht darüber, das geht so:
„Bei meiner Taufe tauch ich auf,
der Pastor gibt den Segen drauf.
Wie man sieht, bin ich recht munter,
und dann tauch ich wieder unter.
Beim Konfer tauch ich wieder auf.
Der Pastor gibt den Segen drauf.
Ich bin immer noch recht munter,
und schon tauch ich wieder unter.
Zur Trauung tauch ich wieder auf,
der Pastor gibt den Segen drauf.
Beide sind wir ziemlich munter,
doch dann tauchen wir schnell unter.
Im Sarge tauch ich noch mal auf.
Der Pastor gibt den Segen drauf.
Alle gucken traurig runter, denn nun tauch ich wirklich unter.“
So kann man leben. Man kann die Kirche als eine Art
Servicestation nutzen, um sich an wichtigen Stellen den Segen
abzuholen. Aber gedacht ist das nicht so. Eigentlich soll
christliches Leben etwas Anderes sein. Nämlich wirklich anders
sein. Das altgriechische Wort für Kirche, „ekklesía“, bedeutet „die
Herausgerufenene“. Christen sind Menschen, die ein besonderes
Leben führen, die „Salz der Erde und Licht der Welt“ sind. Die
daraus etwas Kostbares machen, weil sie wissen: es ist kostbar, es
ist ein Schatz, den Gott mir schenkt. Und weil sie diesen Schatz
nicht irgendwo vergraben liegen lassen, sondern ausgraben und in
kleine Münze umwechseln, in den Alltag übersetzen.
Wie macht man das? Ich habe es am letzten Sonntag schon beim
Gottesdienst am Spring gesagt: Es gehört dazu, dass man sich auf
Gott einlässt. Beten gehört dazu. Es gibt ja Menschen, die ganz
stolz berichten, dass sie auch schon mal gebetet haben. Damals im
Krieg im Schützengraben, oder als sie mal schwerkrank waren.
Das kann man machen, Gott als Nothelfer anrufen; aber besonders
höflich ist das nicht. Mit Gott nur dann zu reden, wenn man ihn
braucht, und ihn anschließend gleich wieder zu vergessen. Stellt
euch vor, ihr würdet mit euren Eltern nur dann reden, wenn ihr
mal wieder Geld braucht. Das ist noch kein richtiges
Familienleben. Nein, Gott möchte Bestandteil unseres Lebens
sein, wir sollen ihn da einbauen. Nur dann werden wir auch
erleben, dass er uns Kraft gibt und Mut macht im Alltag.
Zum christlichen Leben gehört auch, dass man sich auf Christus
einlässt. Und der hat eine Menge darüber gesagt, wie wir leben
sollen. Der hat zum Beispiel gesagt: Wer meine Worte hört und
nicht tut, der ist wie ein Mensch, der sein Haus auf Sand gebaut
hat. Wenn dann die Flut kommt, bricht es schnell zusammen (ein
ganz aktuelles Bild). Also wir sollen tatsächlich so leben, wie
Jesus gesagt hat. Nicht nur für uns selbst da sein, sondern auch für
andere, besonders für die, die Hilfe brauchen. Ehrlich, verlässlich
sein. Immer zuerst nach dem Splitter im eigenen Auge fragen,
bevor ich die Schuld bei anderen suche. Vieles, was man gut im
Neuen Testament nachlesen kann. Die Bibel ist ja kein
nostalgischer Roman, das ist eine sehr praktische
Gebrauchsanleitung für’s Leben. Und wer sich danach richtet, der
baut auf Stein und nicht auf Sand. Das ist kein Billigbau, das
kostet ein bisschen mehr. Und manchmal merkt man erst nach
Jahrzehnten, dass es sich gelohnt hat, weil das hält, auch bei
Sturm.
Nun klingt das vielleicht fordernd, nach dem Motto: „Streng dich
an, dann hast du Gott auf deiner Seite.“ So ist das aber nicht
gemeint. Ich glaube, dass wir Gott immer auf unserer Seite haben.
Wir müssen ihn nicht von unseren Qualitäten überzeugen; er hat
uns schließlich geschaffen, er weiß besser als wir, wer wir sind
und warum wir so sind. Er geht mit, aber er wartet auch darauf,
dass wir mit ihm gehen, in unserem eigenen Interesse, weil es gut
ist für uns. Die wichtigsten Worte in unserer Geschichte heißen:
„in seiner Freude“. „In seiner Freude ging er hin und verkaufte
alles, was er hatte.“ Nicht, weil er das tun musste, sondern weil er
gemerkt hat: es lohnt sich, dieses neue Leben. Es ist ein
Glückstreffer, auch für uns. Amen.