Predigt über Matthäus 13,44-46: Ein kostbarer Schatz

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Predigt über Matthäus 13,44-46: Ein kostbarer Schatz
Evang.-ref. Kirchgemeinde St. Gallen C
Kirchkreis Linsebühl
Predigt über Matthäus 13,44-46: Ein kostbarer Schatz
Linsebühl, 23. März 2014; von Pfr. Stefan Lippuner
Lesung: Sprüche 2,1-12a
(Auch wenn die Anrede, wie oftmals in den Sprüchen, "mein Sohn" lautet, gehen diese Worte doch uns alle an.)
Mein Sohn, nimm meine Worte in dich auf! Verwahre sie wie einen Schatz.
Verschliess die Ohren nicht für die Lehren der Weisheit, und bemühe dich, alles zu verstehen!
Rufe Verstand und Einsicht zu Hilfe!
Suche nach der Weisheit wie nach Silber, wie nach vergrabenen Schätzen.
Wenn du das alles tust, wirst du auch lernen, Gott zu erkennen und ihn ernst zu nehmen.
Der Herr ist es, der Weisheit gibt, von ihm kommen Wissen und Verständnis.
Menschen, die ihm mit redlichem Herzen folgen, finden bei ihm Schutz und Hilfe.
Er bewahrt alle, die auf dem rechten Weg bleiben und ihm die Treue halten.
Wenn du auf mich hörst, wirst du erkennen, was vor Gott recht und gut und geradlinig ist.
Dann wirst du ein Leben führen können, das er gutheisst.
Du erlangst Weisheit und Erfahrung und hast deine Freude daran.
Einsicht und Besonnenheit beschützen dich,
sie bewahren dich davor, etwas Falsches zu tun.
Der Jodlerclub singt uns jetzt das Lied "Bärgkristall". Darin geht es, wie im Bibeltext, um
verborgene Schätze.
Liebe Gemeinde.
Von einem Bergkristall hat der Jodlerclub gesungen; von einem wunderschönen Bergkristall, der tief im Boden, in einer dunklen Kluft verborgen war und dann als kostbarer Schatz
gefunden wurde. Etwas Faszinierendes; und so besonders und wertvoll, weil er nicht einfach so herumlag, sondern gesucht und aus dem Verborgenen hervorgeholt werden musste. – Das ist ja so mit allen Schätzen, seien es Kristalle, Edelsteine, Edelmetalle wie Gold
und Silber oder seien es Perlen oder alte Münzen: Sie sind nicht ohne weiteres sichtbar, sie
sind versteckt und müssen gesucht werden, müssen aus ihrem Versteck hervorgeholt werden, aus der Erde, aus den Felsen, aus einem geheimen Hohlraum oder aus den Austern.
Meist braucht es dazu einiges an Aufwand, aber gerade diese Verborgenheit macht einen
Schatz so wertvoll. Und die Freude ist umso grösser, wenn er tatsächlich gefunden wird.
Wer träumte nicht als Kind davon, auch einmal einen solchen verborgenen Schatz zu finden, im Garten, auf dem Estrich, unter einem doppelten Boden oder gar in einer Räuberhöhle oder auf einer Schatzinsel. Es gibt sogar Menschen, die haben die Suche nach verborgenen Schätzen regelrecht zu ihrem Beruf gemacht.
Ich möchte Ihnen einen kurzen Bibeltext vorlesen, der von zwei Schatzsuchern und Schatzfindern erzählt: Matthäus 13,44-46:
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"Das Reich der Himmel ist gleich einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand
und wieder verbarg. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und
kauft jenen Acker.
Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als
er aber eine kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin, verkaufte alles, was er hatte, und
kaufte sie."
Zwei Menschen, die einen kostbaren Schatz gefunden haben. Der erste fand ihn eher zufällig; ich denke nicht, dass er auf einem fremden Acker bewusst auf Schatzsuche ging. Vermutlich war er als angestellter Landarbeiter am Pflügen, als er darauf stiess. Geistesgegenwärtig liess er diesen Schatz aber in seinem Versteck, bis er ihn rechtmässig und ungefährdet heben konnte. – Der zweite Schatzsucher, der Kaufmann dagegen war systematisch auf
der Suche nach kostbaren Perlen, bis er eine fand, von der er sofort wusste: "Das ist die allerschönste; eine wertvollere kann ich nicht mehr finden." Beide Männer fanden also einen
kostbaren Schatz und setzten sofort alles dafür ein, um ihn in Besitz nehmen zu können.
Diese beiden kurzen Geschichten sind Gleichnisse. Das heisst: Es geht in ihnen nur vordergründig um materielle Schätze wie Perlen, Bergkristalle, Gold oder Edelsteine. Auf einer tieferen Ebene handeln sie vom "Reich der Himmel", vom Reich Gottes, von der Königsherrschaft Gottes. Damit geht es letztlich um das Suchen und Finden des wahren Lebens in der
Gemeinschaft mit Gott, ja es geht um das Suchen und Finden von Gott selber. Denn Gott
und das Leben mit ihm ist der grösste und kostbarste aller Schätze.
Ich glaube, die allermeisten Menschen suchen nach diesem Schatz. Sie suchen nach einem
erfüllten Leben, nach dem prallen Leben, nach einem Leben, das einen tiefen Sinn hat; sie
suchen nach dem wahren Glück, sie suchen nach der Stillung all ihrer Bedürfnisse und der
Erfüllung all ihrer Wünsche. Sie suchen wirklich danach, denn alle Menschen wissen: Das
Wahre, das Einzigartige, das Wertvolle liegt meist nicht einfach offen zutage, sondern muss
gesucht werden, muss aus seiner Verborgenheit hervorgeholt werden.
Leider allerdings suchen viele Menschen diesen Schatz des wahren Lebens nicht bei Gott
selber, sondern an manchen anderen Orten: bei Menschen, in der Natur, in der Liebe, in einer Weltanschauung und Ähnlichem oder oft doch auch in materiellen Dingen. Und das
macht Gott traurig. – Es ist wie bei jenem Rabbi, der ein Kind weinen sah und es fragte, warum es denn weine. Das Kind antwortete, dass sie Verstecken gespielt hätten, dass es sich
versteckt habe, aber niemand habe es gesucht. Da sagte der Rabbi: "Genau so geht es
auch Gott: Er will von den Menschen gefunden werden, er wartet darauf gefunden zu werden, aber keiner sucht nach ihm."
Warum aber, so könnten wir nun fragen, warum versteckt sich Gott überhaupt? Warum
steht er nicht irgendwo hin und ruft laut: "Hier bin ich! Kommt doch zu mir!" Warum ist der
kostbarste Schatz des wahren Lebens, der Schatz des Reiches Gottes ein verborgener
Schatz? – Ich glaube: Damit er wirklich etwas wert ist. Wie ich schon gesagt habe: Alle
kostbaren Schätze sind irgendwie verborgen; gerade dadurch bekommen sie ihren Wert.
Wenn die Diamanten einfach so auf der Strasse herumliegen würden, wären sie längst nicht
so wertvoll, sondern einfach nur gewöhnlich. Darum sollte man auch nicht Perlen vor die
Säue werfen, wie Jesus selber einmal sagte [Matthäus 7,6].
Ein Schatz ist nur dann wirklich ein Schatz, wenn er mir die Mühe wert ist, ihn zu suchen.
So ist es auch mit Gott, seinem Reich und dem Leben, das er geben will. Gott versteckt sich
aber nicht vor uns, damit wir ihm ja nicht begegnen können, sondern er versteckt sich für
uns, um uns zu animieren, nach ihm zu suchen. Einen Schatz muss man suchen und aufgrund dieser Suche finden; sonst ist es kein Schatz und macht auch keine Freude. Gott will
gesucht werden, und er will sich als kostbarster aller Schätze finden lassen. Er will aber
auch sehen, dass er uns wirklich etwas wert ist.
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In den beiden kurzen Gleichnissen geben die Männer dann alles hin für diesen einzigen und
einzigartigen Schatz. Sie erkennen, dass alles, was sie schon haben, eigentlich viel weniger
wert ist. Darum lassen sie ihren bisherigen Besitz los zugunsten dieses kostbaren Schatzes,
den sie gefunden haben. – Dasselbe gilt nun auch im übertragenen Sinn für das Reich Gottes, für das wahre Leben in der Königsherrschaft Gottes, für das erfüllte Leben in der Gemeinschaft mit Gott: Wenn wir den Wert dieses neuen Lebens mit Gott entdeckt und erkannt
haben, dann wollen wir nicht mehr am alten Leben ohne Gott festhalten, auch wenn es vielleicht durchaus ebenfalls manch Schönes und Erfreuliches beinhaltet. Aber es nicht das
wahre Leben.
Darum konnte Paulus im Philipperbrief schreiben: "Dies alles, was mir früher als grosser
Vorzug erschien, habe ich durch Christus als Nachteil und Schaden erkannt. Ich betrachte
überhaupt alles andere als Verlust im Vergleich mit dem überwältigenden Gewinn, dass ich
Jesus Christus als meinen Herrn kenne. Durch ihn hat für mich alles andere seinen Wert
verloren, ja, ich halte es für blossen Dreck. Nur noch Christus besitzt für mich einen Wert.
Zu ihm möchte ich um jeden Preis gehören." [Philipper 3,7-9a]
Das Alte, Vertraute und Gewohnte loszulassen, ist allerdings nicht immer so einfach, auch
wenn das Neue als etwas viel Kostbareres verheissen ist. Und doch ist es nötig. Den wertvolleren Schatz kann ich nur ergreifen, wenn ich das weniger Wertvolle loslasse. Vielleicht
haben Sie auch schon von jenem Hund gehört, der mit einem Knochen in der Schnauze
durch eine Strasse lief. Auf einmal lag doch da auf dem Trottoir vor einer Metzgerei ein
wunderschönes, saftiges Kotelett. Da kam der Hund in ein arges Dilemma: Wollte er den
Knochen in der Schnauze behalten, dann entging ihm dieses feine Fleischstück; wollte er
jedoch mit diesem Kotelett weitergehen, dann musste er wohl oder übel den Knochen loslassen und zurücklassen. – Wir müssen das alte, bisherige Leben loslassen, um den kostbaren Schatz des neuen Lebens in der Gemeinschaft mit Gott ergreifen zu können. Oft kein
einfacher Schritt, aber er lohnt sich wirklich!
Ich möchte uns darum ermutigen, diesen kostbaren Schatz zu suchen, den ganz grossen
Schatz des Reiches Gottes, den Schatz des neuen Lebens mit Gott, der Erlösung, Rechtfertigung und Gotteskindschaft beinhaltet, den Schatz des wahren Lebens in der Gemeinschaft
mit dem dreieinigen Gott. Diesen Schatz sollen wir suchen; dieser Schatz will von uns gefunden werden.
Doch auch wenn wir auf diese Weise Gott und das Leben mit ihm gefunden haben, so hört
die Schatzsuche noch lange nicht auf. Gott hat noch viele weitere wertvolle Schätze für uns
verborgen (eben für uns, nicht vor uns), die wir suchen dürfen: Schätze der Erkenntnis und
der Weisheit; ich erinnere an die Lesung aus Sprüche 2, wo es hiess: "Suche nach der
Weisheit wie nach Silber, wie nach vergrabenen Schätzen" [Sprüche 2,4]; und Paulus
schrieb im Kolosserbrief: "In Christus sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen" [Kolosser 2,3]. Nach mehr Weisheit und Erkenntnis Gottes dürfen wir also suchen.
Wir dürfen auch nach mehr Nähe zu unserem himmlischen Vater suchen und nach Begegnungen mit ihm sowie nach den vielen Segnungen, die er für uns bereit hat. Wie gesagt: Es
sind alles Schätze, die ihren Wert gerade darin haben, dass sie nicht einfach auf der Strasse herumliegen und uns auch nicht einfach automatisch zufallen; sie sind verborgen und
müssen von uns gesucht werden (wobei suchen auch bitten bedeutet und nach etwas verlangen). – Diese Suche soll aber keine Mühsal für uns sein, sondern darf uns Freude machen, so wie eine Schatzsuche von Spass, Spannung und Abenteuerlust geprägt ist.
Und das Grossartige daran: Wir haben die Verheissung, dass wir diese verborgenen, kostbaren Schätze Gottes auch wirklich finden dürfen. Denn Gott hat uns durch den Propheten
Jeremia versprochen (ich habe es am Anfang des Gottesdienstes schon genannt): "Wenn
ihr mich ruft, so will ich euch antworten; wenn ihr zu mir betet, will ich auf euch hören. Und
wenn ihr mich sucht, so sollt ihr mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem Herzen, so
werde ich mich von euch finden lassen." [Jeremia 29,12-14a]
AMEN