Mehr Autos, mehr Teile, größeres Lager

Transcription

Mehr Autos, mehr Teile, größeres Lager
WIRTSCHAFT
" — NR. 27
SAMSTAG, 1. FEBRUAR 2014
Mehr Autos, mehr Teile, größeres Lager
Die Daimler AG baut ihr Mercedes-Benz Global Logistics Center (GLC) in Germersheim aus. Mehr Modelle,
schnellere Modellwechsel und mehr Teile pro Auto erfordern Platz für die Ersatzteillogistik. Die Verantwortung
dafür trägt seit gut 100 Tagen Eckhart von Sass als Chef des weltweit größten Ersatzteillagers der Autoindustrie.
VON THOMAS FEHR
GERMERSHEIM: Er wird demnächst
55 Jahre alt und will „eine Weile in
Germersheim bleiben“. Eckhart von
Sass, weitgereister Daimler-Manager,
ist neuer Leiter des Mercedes-Benz
Global Logistics Centers (GLC) auf der
Insel Grün. Seine Bilanz der ersten
100 Tage fällt überaus positiv aus. Das
Geschäft mit den Ersatzteilen
brummt, die Läger werden weltweit
mehr und größer.
Es sei klar, dass Mercedes-Teile, die
beispielsweise im US-Werk Tuscaloosa gebaut werden, nicht in Germersheim eingelagert werden, sondern
eben vor Ort in den USA und deshalb
auch dort Läger gebaut werden. „Die
Steuerung des weltweiten Ersatzteilgeschäfts bleibt in Germersheim“, bekräftigt von Sass. Aller Internationalisierung zum Trotz.
Dass auch Germersheim mitwächst, liegt an den wachsenden Volumina der zu bearbeitenden Teile.
Mehr Modelle, kürzere Zeiten zwischen den Modellwechseln und letztlich auch mehr Teile pro Auto beanspruchen Platz in den Lägern. Nach
wie vor gilt die Vorgabe, dass es für jeden Mercedes bis 15 Jahre nach Produktionsende des Modells noch alle
Teile gibt. „Das erfordert Kapazitäten
und ausgeklügelte Logistik“, beschreibt von Sass die Aufgabe.
Bei der aktuellen Erweiterung auf
der Germersheimer Insel Grün und
im Lager in Offenbach/Queich wird
die Fläche um 122.000 Quadratmeter
erweitert, 44.000 davon in Offenbach.
Mehr als 100 Millionen Euro investiert der Konzern in den Logistikausbau. „Wir wollen aber nicht nur mehr
Platz haben“, erläutert der Standortleiter das Geschehen. „Es geht auch
um Optimierung.“
Bei diesem Wort werden Betriebsräte und Gewerkschafter hellhörig.
Von Sass will mit den Mitarbeitern
reden, sagt, es gehe um die Stärkung
Ein Wald aus Betonpfeilern: Über 100 Millionen Euro investiert Mercedes-Benz in sein Zentrallager in Germersheim (Foto) und das Außenlager Offenbach/Queich.
und
Wettbewerbsfähigkeit
des
Standortes. Den Logistik-Haustarifvertrag aus dem Jahr 2005, der noch
ein Jahr läuft, hält er für ein geeignetes Mittel, einerseits wettbewerbsfähig zu sein, andererseits die besten
Eckhart von Sass will Kosten sparen
und gute Bedingungen für gute
Leute schaffen.
FOTO: IVERSEN
Leute der Branche zu Mercedes zu holen. „Einerseits Kosten sparen, andererseits gute Bedingungen für gute
Leute schaffen“, beschreibt er den
Spagat.
Die Zahl der Mitarbeiter wächst
langsam aber kontinuierlich mit dem
Ausbau des GLC. Mehr als 5000 sind
es weltweit, 2800 davon in Germersheim und seinen Außenlägern Wörth,
Offenbach, Ettlingen und Hatten
(Frankreich). Äußerlich dokumentiert sich die steigende Mitarbeiterzahl an neuen Werksparkplätzen, die
ebenfalls gebaut werden.
Optimierung heißt für von Sass
aber in erster Linie, die Stand- und
Wegzeiten der Lastwagen so kurz wie
möglich zu halten; für kaum eine
Branche gilt der Satz „Zeit ist Geld“
mehr als für die Logistik. In den neuen
Hallen werden Lastwagen schneller
abgefertigt, außerdem werden in den
Neubauten sogenannte Sperrigteile
wie Stoßfänger und Kotflügel vorgehalten. Bisher sind solche Großteile
• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • ••
Zur Sache: Global Logistics Center in Zahlen
Das Mercedes-Benz Global Logistics
Center (GLC) in Germersheim strotzt
vor Superlativen. Es ist das größte Ersatzteillager der Automobilindustrie
weltweit. Umsatzzahlen für Germersheim nennt der Konzern nicht,
dafür viele andere Zahlen. Im GLC mit
den Außenstellen Hatten/Elsass, Ettlingen, Wörth und Offenbach arbei-
ten rund 2800 Menschen, 2000 davon
in Germersheim. Tendenz steigend.
In Germersheim ist die 1,7 Millionen Quadratmeter große Rheininsel
Grün Industriegebiet und gehört dem
Autokonzern. Das GLC selbst bietet
mehr als eine Million Quadratmeter
Lagerfläche. Dort werden rund
420.000 Teile für Mercedes (Pkw und
Lkw), Maybach, Smart und Mitsubishi-Fuso gelagert.
Das GLC beliefert 280 Standorte in
160 Ländern per Lkw, Zug, Schiff und
Flugzeug. Täglich verlassen mehr als
300 Lkw mit Teilen das Germersheimer Lager. Im Notfall werden Ersatzteile per Flugzeug und Hubschrauber
geliefert. (tom)
auf verschiedene kleine Nachschubläger verteilt, von denen sie nach Anforderung zum GLC gebracht werden.
Es fällt auch das Wort „Transportblindleistung“, die vermieden werden soll. Im Klartext: Mercedes baut
zwar Autos und Lastwagen, aber damit sollen so wenig wie möglich Kilometer gefahren werden, wenn’s im eigenen Auftrag ist. Weil so Geld gespart werden kann und weil die Straßen schon voll genug seien, wie von
Sass anmerkt.
Er muss es wissen. Der neue Chef
wohnt in Stuttgart, pendelt im
Schnitt dreimal pro Woche nach Germersheim. „Der Rest sind Besprechungen und Termine, die sowieso in
der Zentrale in Stuttgart stattfinden.
Fahren muss ich also immer.“ Die A 8
sei auch längst nicht mehr so schlimm
wie früher und bald zwischen Karlsruhe und Stuttgart fertig ausgebaut.
„Das geht schon, die Staus sind immer
in der anderen Richtung“, erzählt von
Sass und lacht.
Staus könnten dem Germersheimer Industriegebiet drohen, wenn
das GLC so weiterwächst. Immerhin
300 Lastwagen verlassen jeden Tag
vollgepackt mit Mercedes-Teilen die
Insel Grün. Von Sass: „Alles, was nach
Übersee geht und nicht zeitkritisch
ist, geht auf dem Seeweg zu seinem
Bestimmungsort, um Straßen zu entlasten.“ Der Seeweg beginnt in den
Rheinhäfen
Germersheim
oder
Wörth. Etwa 14.000 Container mit
Teilen gingen 2013 so auf die Reise,
„die Tendenz ist steigend“.
FOTO: IVERSEN
ZUR PERSON
Eckhart von Sass
Die Steuerung des weltweiten Ersatzteilgeschäftes bleibt in Germersheim, sagt von Sass.
FOTO: IVERSEN
Bei der Fahrt über die Insel zu den
Baustellen fällt auf, wie dicht das GLC
bereits an den Autodienstleister Mosolf herangewachsen ist. Noch gibt es
freie Flächen, doch wenn die verbraucht sind, wird’s eng. Mosolf arbeitet zwar für Mercedes-Benz, ist
auf der Insel aber Mieter und müsste
im Zweifel weichen. „Vom Tisch“
dürften laut Eckhart von Sass Bestrebungen sein, den hinteren Teil des Industriegebietes Insel Grün, der noch
Acker und Wald ist, zu verkaufen. Der
vor Jahren geplante Verkauf an EnBW
für ein Kohlekraftwerk ist Geschichte.
Der Konzern habe eine Vision, wie die
Insel in Jahrzehnten aussehen könnte, sagt der Standortleiter. Darin
spielten andere außer MercedesBenz keine Rolle.
Eckhart von Sass ist weit gereist. Vor
seinem Antritt als Chef des weltgrößten Ersatzteillagers der Automobilindustrie in Germersheim war er für
Mercedes-Benz vier Jahre in Italien,
zuvor Chef von Daimler-Chrysler
Overseas, hatte Stationen in Afrika,
Brasilien, Schweden, Mannheim, Ulm
und natürlich Stuttgart.
Dort im Umland ist von Sass 1959
geboren – und heute ein Schwabe,
der sogar Hochdeutsch kann. Auch
dank der Kindheit im Rheinland und
der Jugend in Spanien. Ein wirtschaftswissenschaftliches Studium,
die Internationalität, in der er aufgewachsen ist, die Sprachkenntnisse –
seit er mit seiner Frau, einer Schwedin, verheiratet ist, auch Schwedisch –
waren ideale Voraussetzung für eine
internationale Karriere im Konzern.
Von Sass hat zwei erwachsene Kinder, liebt italienische Rot- und pfälzische Weißweine. „Die kenne ich seit
meiner Zeit im Lkw-Verkauf in Wörth“,
erzählt er. Deshalb ist die Pfalz auch
durchaus Ziel des Wochenendausfluges, gerne mit dem Motorrad. Lange
habe er sich als Mercedes-Mann geweigert, die Motorräder des bayrischen Konkurrenten zu fahren. Aber
irgendwann musste es ein Boxer sein.
„Motorräder können sie dort schon
bauen“, sagt er mit fast schelmischem
Grinsen. (tom)

Documents pareils