Inserat BSR

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Inserat BSR
Gerald Leinius
Inserat
BSR
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
Gerald Leinius
1.
Die Berliner Stadtreinigung heute................................................................... 839
1.1.
Strategie der BSR................................................................................................ 840
1.2.
Gewährleistung der Entsorgungssicherheit für das Land Berlin................. 840
2.
Zukunft der Abfallwirtschaft............................................................................ 841
2.1.
Abfall als Wertstoff............................................................................................. 841
2.2.
Rahmenbedingungen für die Ableitung
der Verwertungsstrategie.................................................................................. 842
3.
Die Verwertungsstrategie der BSR................................................................... 843
3.1.
Das Entsorgungssystem.................................................................................... 844
3.2.
Die Wertstofftonne – Orange Box................................................................... 845
3.3.
Implementierung neuer Produkte und Techniken........................................ 848
4.Ausblick............................................................................................................... 850
5.Quellen................................................................................................................ 851
1. Die Berliner Stadtreinigung heute
Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (nachfolgend BSR) sind eine Beteiligung des Landes Berlin und seit 1994 gemäß den Regelungen des Berliner Betriebe-Gesetzes in der
Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts organisiert. Das Land Berlin hat mit dem
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Berlin und dem Straßenreinigungsgesetz des Landes
Berlin die hoheitlichen Schwerpunktaufgaben im Bereich der Abfallwirtschaft und Straßenreinigung auf die BSR übertragen. Hierzu zählen die Sammlung und die Entsorgung
von Siedlungsabfällen sowie die Straßenreinigung und der Winterdienst im öffentlichen
Straßenland. Die BSR zählt heute mit 5.379 Beschäftigten und einem Umsatz von 575 Millionen Euro (Angaben Konzern für 2010) europaweit zu den größten kommunalen Unternehmen der Entsorgungsbranche.
Die BSR verantwortet im Land Berlin eine Fläche von insgesamt etwa 890 km², auf der
etwa 3,4 Millionen Einwohner leben. Sie erbringt dabei Entsorgungsdienstleistungen für
insgesamt etwa 1.800.000 Haushalte mit mehr als 420.000 ausgestellten Abfallbehältern. Im
Rahmen der haushaltsnahen Sammlung erfolgen jährlich etwa 18,5 Millionen Entleerungen im Bereich Restabfall und etwa 3,1 Millionen Entleerungen im Bereich Biogut-Tonne.
Hierzu sind im gesamten Stadtgebiet für den Restabfall etwa 340.000 Abfallbehälter und
für die Bioabfallsammlung etwa 78.000 Behälter ausgestellt. Über das Sperrmüll-Holsystem
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werden jährlich etwa 11.000 Tonnen Sperrmüll gesammelt und der Verwertung zugeführt.
Die Leistungserbringung der Müllabfuhr erfolgt durch etwa 1.560 Mitarbeiter mit etwa
400 Fahrzeugen.
Für die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Reinigung von Fahrbahnen und Gehwegen
wird eine Reinigungsleistung von etwa 1,2 Millionen Straßenkilometer erbracht. Zusätzlich
werden jährlich etwa 4,6 Millionen Papierkorbentleerungen durchgeführt, etwa 160.000
Gullyreinigungen vorgenommen und etwa 87.000 m3 Laub eingesammelt. Im Bereich der
Reinigung sind etwa 2.050 Mitarbeiter tätig und es werden etwa 850 Fahrzeuge eingesetzt.
Im Rahmen der Abfall- und Wertstoffwirtschaft und des Umweltschutzes kann die BSR nach
Maßgabe des Berliner Betriebe-Gesetzes sowohl selbst als auch mit ihren Tochter- und Beteiligungsunternehmen in gewerblichen Geschäftsfeldern aktiv werden. Die Schwerpunkte
im gewerblichen Bereich der Tochter- und Beteiligungsunternehmen liegen gegenwärtig
in der Logistik wertstoffhaltiger Abfälle, insbesondere Papier und Glas, der Verwertung
von Bio-, Speisen- und Elektroabfällen sowie der Bodenreinigung. Die gewerblichen Geschäftsfelder haben innerhalb der BSR-Gruppe eine finanziell und prozessual unterstützende
Funktion und tragen zur Steigerung des gesamten Unternehmenswertes bei.
1.1. Strategie der BSR
Als Unternehmen, das mit seinen Dienstleistungen im umweltpolitischen und gesellschaftlichen Fokus steht, sind die Grundsätze einer nachhaltigen Unternehmensführung
von großer Bedeutung. Dies spiegelt sich auch in der Unternehmensstrategie wider, die
auf den drei Säulen Umweltschutz, Qualität und soziale Verantwortung aufbaut. Zentrales
Ziel der Strategie ist die dauerhafte Sicherung des Leistungsauftrages als kommunales
Vorzeigeunternehmen. Dies kann nur gelingen, wenn das Land Berlin als Eigentümer und
die Berliner Bürgerinnen und Bürger von den Vorzügen der BSR überzeugt sind. Nachhaltigkeit hat insoweit neben den genannten ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten
auch eine ökonomische Dimension, nämlich die Gewährleistung niedriger Gebühren und
Tarifstetigkeit. Nur die gemeinsame Berücksichtigung aller genannten Ziele gewährleistet
eine stabile und ausbalancierte Basis für einen dauerhaften Unternehmenserfolg.
Die Berliner Stadtreinigung
sichert sich als kommunales Vorzeigeunternehmen
dauerhaft den Leistungsauftrag
Gewährleistung von niedrigen Gebühren und Tarifstetigkeit
Ausbau des
ökologischen Profils
Bild 1:
Sicherstellung einer
hohen Qualität der Leistung
Erfüllen der sozialen
Verantwortung
für die Mitarbeiter
und das Land Berlin
Die grundlegenden Säulen der Strategie
1.2. Gewährleistung der Entsorgungssicherheit für das Land Berlin
In einer modernen und zukunftsgerichteten Abfallwirtschaft, die zunehmend auf Klimaund Ressourcenschutz setzen wird, kommt den kommunalen Unternehmen eine besondere
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
Bedeutung zur Gewährleistung einer hochwertigen Entsorgung zu. Die Schaffung einer
langfristigen Entsorgungssicherheit durch vorausschauende Planung und verantwortungsbewusste Investitionen ist eine besondere Verpflichtung und Stärke der kommunalen
Abfallwirtschaft. Die BSR steht dabei für eine geordnete, umweltgerechte Entsorgung auf
hohem technischem Niveau und erfüllt damit eine wichtige Gewährleistungsfunktion der
Daseinsvorsorge.
Eine der wesentlichen Säulen im Anlagenportfolio zur Gewährleistung der Entsorgungssicherheit für Berlin ist das Müllheizkraftwerk Ruhleben (MHKW Ruhleben) mit einer
Jahreskapazität von etwa 520.000 Tonnen. Hinzu kommen als zwei weitere bedeutende Komponenten die Mechanisch-Physikalischen-Stabilisierungs-Anlagen in Berlin Reinickendorf
und in Berlin Pankow mit einer gemeinsamen Jahreskapazität von etwa 290.000 Tonnen.
2. Zukunft der Abfallwirtschaft
Aus der Prämisse, dass der Verbrauch natürlicher Ressourcen die Tragfähigkeitsgrenzen
der Umwelt nicht übersteigen darf, lässt sich in Bezug auf die Abfallwirtschaft ableiten, dass
das verbleibende Abfallaufkommen weiter gesenkt und die Ressourcen immer effizienter
genutzt werden müssen. Dieses Leitbild der Nachhaltigkeit ist eine der wesentlichen Säulen
für eine zukunftsweisende Abfallwirtschaft. Wirtschaftswachstum, sozialer Fortschritt und
Umweltschutz müssen danach ausgewogen miteinander in Einklang gebracht werden. Nur
eine Gesellschaft in der ökonomische, ökologische und soziale Belange gleichberechtigt und
gleichgewichtig behandelt werden, ist letztlich zukunftsfähig. Zukünftige Preissteigerungen
bei den Rohstoffen sowie die Kosten von durch Umweltzerstörung verursachten Schäden
machen eine hohe Ressourceneffizienz und entsprechende Prozess- und Produktinnovationen auch ökonomisch zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Die Stärkung des Effizienzgedankens ist daher eines der wesentlichen Ziele der Abfallwirtschaft. Dies beinhaltet
die effiziente Nutzung von Energie und von Materialien.
2.1. Abfall als Wertstoff
Heute erleben wir bereits deutlich den Wechsel von der Abfallwirtschaft zum Ressourcenund Stoffstrommanagement. Begrifflich ist aus dem Müll früherer Tage längst ein Wertstoff
geworden, so sind Müllkippen nun Deponieparks, Müllautos heißen Wertstoffsammelfahrzeuge und die Müll- und Abfallwirtschaft nennt sich Umwelttechnologiebranche.
Die Frage, ob es sich bei Abfällen um Abfallstoffe oder um Wertstoffe handelt, kann nur
unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven beantwortet werden. Die erste
Perspektive untersucht die Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftlich ergibt sich ein Wert, wenn
die Erlöse, die mit einem Produkt erzielt werden können, höher sind als die zu seiner Herstellung aufzuwendenden Gesamtkosten. Für die Entsorgungswirtschaft bedeutet dies, dass
die Kosten für Sammlung, Transport, Wiederaufbereitung und Vermarktung niedriger sein
müssen als die Vermarktungserlöse. Wertstoffe im wirtschaftlichen Sinne müssten somit
im Markt rentabel abgesetzt werden können, ohne dass es dafür Subventionen durch den
Steuer- und/oder Gebührenzahler gibt. Der Begriff Wertstoff suggeriert zunächst, dass die
zusätzlich gesammelten Materialien nicht nur für die Produktion wieder verwendbar sind,
sondern auch einen wirtschaftlichen Wert im vorbeschriebenen Sinn haben. Wertstoffe im
wirtschaftlichen Sinn sind auch heute im Siedlungsabfall eher selten. Am Beispiel der in
diesem Zusammenhang viel diskutierten Fraktion der Leichtverpackungen ist exemplarisch aufzuzeigen, wie häufig stoffliche Wiederverwendbarkeit und wirtschaftlicher Wert
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auseinanderfallen. Große Teile der Leichtverpackungen lassen sich zwar in den Produktionsprozess zurückführen, die Erlöse der aufbereiteten Endprodukte sind jedoch in Summe
viel zu gering, um die Sammlung und Sortierung der Materialien finanzieren zu können.
So sind gemäß einer Studie des Umweltbundesamts für eine Tonne Leichtverpackungen
gegenwärtig etwa 700,- EUR Lizenzentgelte gegenüber den dualen Systemen zu entrichten
[1]. Die damit verbundenen Aufwendungen fließen in den Kaufpreis der Produkte ein und
werden so im Ergebnis von den Verbrauchern getragen. Berücksichtigt man, dass – bezogen
auf die im Rahmen der Sammlung von Kunststoffverpackungen erfasste Gesamtmenge – die
Recyclingquote im Ergebnis deutlich weniger als 50 % werkstofflicher Verwertung ausweist,
ist der Umgang mit dem Wertstoff Leichtverpackung zudem auch unter ökologischen Gesichtspunkten gegenwärtig wenig überzeugend.
Zu den Fraktionen die ein wirtschaftliches Wertstoffpotential im engeren Sinne haben,
zählen Papier und Schrotte, wobei insbesondere bei Papier auch Volatilitäten zu beachtet
sind. Für den größten Teil der Siedlungsabfälle gilt, dass eine Verwertung ohne Subventionierung (sei es durch Gebühren oder ordnungsrechtlich erzwungene Subventionierung
durch den Verbraucher im Rahmen dualer Systeme) wirtschaftlich nicht darstellbar ist.
Eine subventionsfreie Abfallwirtschaft erscheint zeitnah nicht realistisch, auch wenn sich
die Kosten durch bessere Technik und daraus resultierenden höheren Erlösen vermindern
lassen.
Zusätzlich zu der dargestellten ökonomischen Perspektive muss jedoch die Perspektiven
der Nachhaltigkeit betrachtet werden. Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich. Nach
Schätzungen der UN werden im Jahr 2050 etwa 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben.
Würden all diese Menschen auf dem Wohlstandsniveau der westlichen Industrieländer
leben, würde der globale Ressourcenverbrauch um das 5-fache ansteigen. Die steigende
Nachfrage nach Rohstoffen führt zu einer weltweiten Verknappung und zwingt dazu, neue
Quellen für Rohstoffe zu erschließen. Auch der Abfall ist insofern potentieller Rohstofflieferant. Betrachtet man den Abfall hinsichtlich seines Wertstoffpotentials, stellt sich die
Frage, ob es jeweils eine Möglichkeit der Verwertung gibt, die tatsächlich Nutzen stiftet?
Dies ist in erster Linie bei der stofflichen bzw. im Idealfall der rohstofflichen Wiederverwertung der Fall, schließt aber auch die energetische Nutzung mit ein. So lässt sich bei der
thermischen Behandlung des Abfalls Energie erzeugen oder ein Produkt herstellen wie z.B.
beim Eisen- und Papierrecycling.
Bezieht man die vorgenannten Perspektiven in eine einheitliche Betrachtungsweise ein,
leitet sich die Schlussfolgerung ab, dass alle Abfälle als potentielle Wertstoffe zu betrachten
sind und entsprechend ihrer Zusammensetzung einer optimalen Verwertung/Nutzung
zugeführt werden müssen.
2.2. Rahmenbedingungen für die Ableitung der Verwertungsstrategie
Eine genaue Kenntnis der Zusammensetzung des Abfalls bildet die wesentliche Voraussetzung für die Ableitung der Verwertungsstrategie. Abfallmengen und deren Qualitäten sind
entscheidend für das Stoffstrommanagement und für die Ausgestaltung der Anlagenkonfiguration. Hierzu wurde in 2008 eine Studie zur Analyse des Haus- und Geschäftsmülls
in Berlin in Auftrag gegeben. Der größte Teil des Hausmülls – etwa 42 % – besteht aus
organischem Material. Die weiteren wesentlichen Fraktionen sind Papier/Pappe mit einem
Anteil von 11,4 % und Verbunde, die zu 9,1 % im Abfall enthalten sind. Zwei weitere große
separate Fraktionen sind das Glas mit 6,8 % und die Kunststoffe mit 6,6 % [4].
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
Organik
42,5 %
Papier, Pappe
12,0 %
Verbunde
9,4 %
Glas
6,3 %
Kunststoffe
7,0 %
Textilien
3,3 %
Metalle
2,1 %
Inertes
2,0 %
Holz
0,4 %
Rest
15,0 %
Bild 2:
Zusammensetzung des Berliner
Hausmülls
3. Die Verwertungsstrategie der BSR
Im Rahmen der zukünftigen Verwertungsstrategie werden mehrere Zielsetzungen verfolgt.
Die Sicherung der hoheitlichen Abfallmengen und der im Abfall enthaltenen Wertstoffe ist
Voraussetzung für die Gestaltung eines effizienten, ökologisch hochwertigen und für die
Bürger kostengünstigen Entsorgungssystems. Die Wertstofferlöse sollen dabei zukünftig
einen noch stärkeren Effekt auf die Tarifminderung haben. Von daher ist es von zentraler
Bedeutung, die im Regime der BSR gemanagten Abfälle langfristig zu sichern. Die Verwertungserlöse aus dem Verkauf von Energie und Wertstoffen tragen bereits mit einem
tarifmindernden Effekt von aktuell insgesamt etwa 5,5 % maßgeblich zur Gewährleistung
niedriger Gebühren bei. Den größten Anteil daran haben mit 3,4 % die Dampferlöse aus
dem Müllheizkraftwerk (MHKW) Ruhleben. Die Erlöse aus dem Verkauf von Eisen- und
Nichteisenmetallen führen zu einer weiteren Tarifminderung in Höhe von 1,4 %. Die
Metalle fallen im MHKW-Ruhleben, in der Sperrmüllaufbereitungsanlage und auf den
Recyclinghöfen an. Die Erlöse aus dem Verkauf von Papier, Holz und anderen Fraktionen
haben einen Tarifminderungseffekt von insgesamt 0,6 %. Hinsichtlich des Beitrags zur Tarifminderung wird die optimierte energetische Verwertung des Abfalls im modernisierten
MHKW-Ruhleben auch zukünftig einen hohen Stellenwert haben.
Durch den Ausbau der Getrenntsammlung sollen zudem die im Siedlungsabfall enthaltenen Wertstofffraktionen sortenreiner erfasst werden. Ziel ist die Gewinnung verwertbarer
Sekundärrohstoffe. Dabei ist sowohl bei der stofflichen als auch bei der energetischen
Verwertung die äußerst heterogene Zusammensetzung des Siedlungsabfalls zu berücksichtigen. Nur wenn es gelingt, Produkte von hoher und gleichbleibender Qualität zu erzeugen,
können diese später auch vermarktet werden. Bereits heute werden durch die BSR jährlich
etwa 450.000 Tonnen an Wertstoffen getrennt erfasst. Diese werden zu 78 % stofflich und zu
22 % energetisch verwertet. An der externen Vergabe von Verwertungsdienstleistungen in
Höhe von etwa 70 Millionen Euro pro Jahr profitieren etwa 80 Unternehmen vorwiegend
in Berlin und Brandenburg.
Die Etablierung innovativer Sammelsysteme zur Gewinnung von Wertstoffen ist ein
weitere Bestandteil der Gesamtkonzeption. Hierzu werden Optionen zur Diversifizierung
und Optimierung des Fuhrpark und aller Logistiksysteme entlang sämtlicher Prozesskette
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umfänglich analysiert, um Verbesserungspotentiale zu generieren. So wurde z.B. mit der
Einführung der Wertstofftonne auch die Logistik an die veränderte Abfallzusammensetzung
in der Orange Box angepasst. Durch die Verringerung des Pressdrucks bei den Sammelfahrzeugen können die enthaltenen Wertstoffe möglichst ohne überproportionale Defekte
in die Sortieranlagen verbracht werden, um so die Basis für die anschließende sortenreine
Trennung in die jeweiligen Wertstofffraktionen zu schaffen.
Sicherung der
hoheitlichen Abfallmengen
und der enthaltenen
Wertstoffe
Gewährleistung einer
ökologisch und ökonomisch optimalen Verwertung
für alle Abfälle
Einsatz innovativer
Sammelsysteme zur Gewinnung
von Wertstoffen
Bild 3:
Optimierung der
stofflichen
Verwertung
Optimierung der
energetischen
Verwertung
Die Verwertungsstrategie der BSR
3.1. Das Entsorgungssystem
Die BSR verfügt über ein sehr ausdifferenziertes Entsorgungssystem. Im haushaltsnahen
Holsystem werden die Graue Tonne, die Biogut-Tonne und die Orange Box angeboten
sowie zusätzlich die Sperrmüllabfuhr für alle Gegenstände, die aufgrund ihrer Größe nicht
tonnengängig sind. Im Rahmen der Sperrmüllabfuhr können private Haushalte gleichzeitig Elektroaltgeräte (weiße oder braune Ware) in haushaltsüblichem Umfang entgeltfrei
entsorgen lassen.
Im Bringsystem können die Berlinerinnen und Berliner auf die 15 Recyclinghöfe mit sechs
stationären Schadstoffsammelstellen zurückgreifen. Die Zahl von etwa 2,6 Millionen Kundenbesuchen im Jahr 2010 ist Ausdruck der hohen Akzeptanz der Recyclinghöfe in der
Bevölkerung. Insgesamt wurden 2010 auf den Recyclinghöfen etwa 150.000 Tonnen Wertstoffe erfasst. Der Schwerpunkt der getrennten Erfassung liegt bei Holz (etwa 50.000 Tonnen), Sperrmüll (etwa 24.000 Tonnen), Laubsäcken (etwa 15.000 Tonnen), Papier (etwa
15.000 Tonnen) und Elektroschrott (etwa 16.000 Tonnen).
Das Entsorgungssystem verbindet Wirtschaftlichkeit und Ökologie. Wer sich ökologisch
verhält spart Geld. Das Tarifsystem ist so gestaltet, dass die Tarife der einzelnen Angebote
– von grauer Tonne bis Recyclinghof – in Abhängigkeit ihrer ökologischen Wirkung abnehmen. Die Tarife für die Biogut-Abfuhr sind daher deutlich günstiger als für die graue
Tonne. So koste eine 120 Liter Biogut-Tonne bei wöchentlicher Entleerung pro Quartal
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
31,40 Euro. Eine 120 Liter Restmülltonne kostet im Vergleich bei wöchentlicher Entleerung
pro Quartal 76,94 Euro. Die Orange Box wird sogar unentgeltlich angeboten und wird
– wie auch die entgeltfreien Recyclinghöfe – über die tariflichen Entgelte der grauen Tonne
finanziert. Das System kann von den Bürgern individuell genutzt und die Behälterkonfiguration aktiv gestaltet werden. Wer das Entsorgungssystem optimal nutzt, zahlt geringere
Entgelte und schützt die Umwelt.
Bild 4:
Das Entsorgungssystem der BSR
Die Öffentlichkeitsarbeit und Abfallberatung zur Förderung der Abfallvermeidung und
Abfalltrennung ist ein integraler Bestandteil des Entsorgungssystems. Im Rahmen der
Initiative Trennstadt Berlin, die gemeinsam mit den Leistungspartnern der dualen Systeme durchgeführt wird, soll das Bewusstsein der Bürger zur Wertstoffhaltigkeit des Abfalls
gestärkt werden. Hierzu werden eine Reihe von Projekten und Maßnahmen durchgeführt
und begleitet:
• Förderfonds Trenntstadt Berlin in Höhe von 2,7 Millionen Euro für innovative und
kreative Abfallprojekte in Zusammenarbeit mit der Stiftung Naturschutz Berlin,
• Trennt-Möbelwettbewerb in Zusammenarbeit mit der Berliner Galerie und Create Berlin,
• Trennt-Konzerte gemeinsam mit P.R. Kantate z.B. auf dem Karneval der Kulturen oder
im Heimathafen Neuköln,
• Trennt-Punkte Kooperationsaktion mit der Supermarktkette Kaiser´s,
• Trennt-Kampagne Start im 2. Halbjahr 2011.
3.2. Die Wertstofftonne – Orange Box
Die Orange Box ist das Angebot der BSR für eine separate Rohstofftonne. Zahlreiche
Abfälle, die auf den Recyclinghöfen abgegeben werden können – oftmals aber trotzdem
aus Bequemlichkeit in die graue Tonne gelangen –, sollen durch die Möglichkeit einer separaten Erfassung vor Ort einer hochwertigen stofflichen Verwertung zugeführt werden.
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Hierzu zählen zum Beispiel Elektrokleingeräte, Kunststoffe, Metalle, Spielzeug, Datenträger,
Alttextilien oder auch Altholz. Nicht in die Wertstofftonne gehören Verpackungen, Batterien, Energiesparlampen und organische Abfälle, da für diese Abfallfraktionen bereits
etablierte Sammelsysteme existieren. Bereits heute werden durch die BSR jährlich etwa
450.000 Tonnen an Wertstoffen getrennt erfasst. Mit der Wertstofftonne wird die Strategie
zur Gewährleistung niedriger Gebühren und Tarifstetigkeit bei gleichzeitigem Ausbau
des ökologischen Profils konsequent weiter verfolgt. Die haushaltsnahe Orange Box wird
zusätzlich zur Hausmülltonne gestellt. Sie ist in den Größen 240, 660 und 1.100 Liter erhältlich. Die Entsorgung wird aktuell 14-täglich und 4-wöchentlich angeboten. Großgeräte
und sperrige Abfälle, die nicht in den Behälter passen, sowie Schadstoffe jeglicher Art
können nicht durch die Orange Box entsorgt werden. Hierfür stehen auch weiterhin die
Recyclinghöfe oder die haushaltsnahe Sperrmüllabfuhr zur Verfügung.
Mit dem Stand Ende Mai 2011 wurden etwa 40.000 von insgesamt 280.000 Ladestellen im
Innenstadtbereich und in Siedlungsgebieten mit einer Orange Box ausgestattet. Das neue
Sammelsystem für Wertstoffe schneidet im direkten Vergleich zu anderen Systemen sowohl
bei der Sammelquote als auch bei der Verwertungsquote sehr positiv ab. In der Wertstofftonne werden jährlich zusätzliche etwa 15 kg Wertstoffe pro Einwohner gesammelt [3]. Damit
wird die Sammelquote anderer Wertstoffsammelsysteme wie z.B. der Gelben Tonneplus, die
jeweils etwa nur 7 kg pro Einwohner und Jahr erreichen, deutlich übertroffen [4].
Bei der Orange Box beträgt der Anteil der stofflichen Verwertung etwa 46 %. Nur etwa
54 % der Inhalte müssen der energetischen Verwertung zugeführt werden. Bei einer aktuellen Auswertung der Gelben Tonneplus wurde lediglich eine stoffliche Verwertungsquote
von etwa 40 % erreicht [5, 6].
Spielzeug
Geschirr
Metalle
Metalle
Alttextilien
Windeln
Datenträger
Kehricht
Kunststoffe
Fotos
Alttextilien
Datenträger
Staubsaugerbeutel
Altholz
bisher
Hausmüll und Wertstoffe
Hausmüll
zukünftig
Altholz
Spielzeug
Bild 5:
Wertstoffe
Geschirr
Windeln
Kehricht
Fotos
Staubsaugerbeutel
Elektrokleingeräte
Spielzeug
Metalle
Datenträger
Kunststoffe
Alttextilien
Altholz
Elektrokleingeräte
Kunststoffe
Das zusätzliche Angebot der BSR für die getrennte Wertstofferfassung
Durch die getrennte Wertstofferfassung werden Rohstoffe substituiert. Darüber hinaus wird
ein wesentlicher Beitrag für die Verbesserung der Klimabilanz der Stadt Berlin geleistet. Das
Mengenpotential durch die getrennte Wertstofferfassung mit Hilfe der Wertstofftonne wird
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
auf Basis der bisherigen Ergebnisse auf etwa 50.000 Tonne pro Jahr prognostiziert. Durch
die gesammelten Wertstoffe können Rohstoffe in folgender Größenordnung ersetzt werden:
Metalle (Eisen, Aluminium, sonstige NE Metalle):
Ersatz von Holz als Grundstoff zur Papiererzeugung:
Ersatz von Rohstoffe zur Glaserzeugung:
Ersatz von Erdöl als Rohstoff zur Kunststofferzeugung:
Ersatz von Steinkohle zur Energieerzeugung:
2.500 t/a
13.000 t/a
1.500 t/a
5.200 t/a
12.000 t/a
Pro Tonne eingesammelter Wertstoffe können etwa 800 Kilogramm CO2 eingespart werden.
Bei der prognostizierten Sammelmenge von etwa 50.000 Tonnen pro Jahr ergibt sich somit
eine CO2-Einsparung von etwa 40.000 Tonnen pro Jahr.
Wie aufgezeigt, bezieht sich die Zusammensetzung der Orange Box explizit nicht auf
Verkaufsverpackungen, die der Verpackungsverordnung unterliegen und steht somit
zunächst außerhalb der Diskussion über die Einführung einer sogenannten einheitlichen
Wertstofftonne in Deutschland. Hierzu ist in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien auf Bundesebene vorgesehen, eine Überarbeitung der Verpackungsverordnung
mit dem Ziel durchzuführen, diese in Richtung einer allgemeinen Wertstoffverordnung
weiterzuentwickeln. Die deutsche Verpackungsverordnung gibt seit 1991 den rechtlichen
Rahmen für die Produktverantwortung für gebrauchte Verpackungen vor. Von den Herstellern wird über Lizenzentgelte für die von ihnen in Verkehr gebrachten Verpackungen
die Sammlung, Sortierung und Verwertung durch privatwirtschaftliche duale Systeme
finanziert. Der Grundgedanke einer einheitlichen Wertstofftonne geht in Erweiterung des
bisherigen Systems von in einer gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen und
sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen (Metalle und Kunststoffe) aus, die bisher
als Bestandteil des Hausmülls in kommunaler Zuständigkeit gesammelt werden. Obwohl
das Potential für die zusätzliche Wertstofferfassung in einer einheitlichen Tonne mit etwa
7 Kilogramm pro Einwohner und Jahr bei einem jährlichen Gesamtabfallaufkommen
aus privaten Haushalten von etwa 450 Kilogramm pro Einwohner relativ gering ist, wird
die Ausgestaltung der Sammlung von vielen Beobachtern als richtungsweisend für die
zukünftige Abgrenzung zwischen privater und kommunaler Zuständigkeit bei der Entsorgung von verwertbaren Abfällen aus privaten Haushalten gesehen. Wie der Weg zu einer
einheitlichen Wertstofftonne beschritten werden soll, ist gegenwärtig noch weitgehend
ungeklärt. Der Gesetzentwurf der deutschen Bundesregierung zur Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Umsetzung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie trifft keine
Aussage, wer zukünftig die Zuständigkeit für die einheitliche Sammlung haben soll und
wie diese finanziert werden könnte. Diese Festlegungen sollen mittels einer gesonderten
Rechtsverordnung oder eines eigenen Gesetzes erfolgen.
Das Bundesumweltministerium favorisiert im Ergebnis umfangreicher Studien für die
einheitliche Wertstoffsammlung zwei unterschiedliche Modelle: Nach dem ersten Modell
soll das bisherige Lizensierungsmodell für Verpackungen auf bestimmte Produktgruppen,
die in der Regel überwiegend aus Metall und Kunststoffen hergestellt werden, ausgeweitet
werden. Die Finanzierung und Organisation der Sammlung würde in diesem Modell in
Erweiterung der bisherigen Produktverantwortung den privatwirtschaftlich organisierten
dualen Systemen übertragen. Die zweite Modellvariante sieht die Sammlung in kommunaler
Verantwortung vor. Die zusätzlichen Aufwendungen für Sammlung und Verwertung der
stoffgleichen Nichtverpackungen blieben in diesem Modell Bestandteil der Gebührenfinanzierung. In einem sogenannten Planspiel hat das Bundesumweltamt unter Beteiligung von
Vertretern von Kommunen, Entsorgern, Handel, Bundesländer und Verbrauchern diese
beiden Modelle zur Diskussion gestellt.
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Aus Perspektive der Vertreter kommunaler Interessen stoßen beide bisher betrachteten
Modelle auf Bedenken. Durch die Verknüpfung mit dem bestehenden Lizenzierungsmodell für Verpackungen müssten vor der Entscheidung über eine Ausweitung zunächst
die Schwachstellen des bestehenden dualen Systems überwunden werden: Auch nach
zahlreichen Novellierungen der Verpackungsverordnung ist es bisher nicht gelungen, die
sogenannte Trittbrettfahrer-Problematik befriedigend zu lösen. So werden von den tatsächlich in Verkehr gebrachten etwa 1,9 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen nur etwa
1,1 Millionen Tonnen lizenziert. Bezogen auf die im Rahmen der Sammlung von Kunststoffverpackungen erfasste Gesamtmenge ist die Recyclingquote von deutlich weniger als
50 % werkstofflicher Verwertung unter ökologischen Gesichtspunkten gegenwärtig wenig
überzeugend. Soweit im privatwirtschaftlich strukturierten Modell die Ausweitung der Lizenzierungspflicht über Verpackungen hinaus auf Produkte vorgesehen ist, stellt sich zudem
die Frage, ob damit eine sinnvolle ökologische Lenkungswirkung verbunden werden kann.
Würden nur Produkte lizenziert, die recyclingfähig sind, bestünde für die Hersteller ein
Anreiz, zur Vermeidung von Lizenzentgelten auf andere Materialien auszuweichen. Sollten
alle Produkte, unabhängig von der Recyclingfähigkeit lizenziert werden, stünde für einen
erheblichen Teil der lizenzierten Produkte kein adäquater Verwertungsweg zur Verfügung.
Trotz der Erkenntnis, dass beide favorisierten Modelle schwer lösbare Probleme aufwerfen,
lehnt das Bundesumweltministerium die vertiefte Betrachtung eines alternativen Modells
zur vollständigen Integration der Wertstoffsammlung in die bestehende kommunale
Wertstofferfassung bisher ab. Nach Aussagen des Bundesumweltministeriums soll das
Rechtsetzungsverfahren noch in der laufenden Legislaturperiode – also bis 2013 – abgeschlossen werden.
Für die BSR kann folgendes Fazit gezogen werden: Die Wertstofftonne ist zu einem flächendeckenden einheitlichen Wertstofferfassungssystem in kommunaler Verantwortung
auszubauen, mit dem zukünftig Leichtverpackungen und stoffgleiche Materialien eingesammelt werden sollen. Das Land Berlin favorisiert ein System bei dem die stoffgleichen
Nichtverpackungen, die über eine einheitliche Wertstofftonne mengenmäßig über die
bisherige Sammlung der Gelben Tonne hinaus zusätzlich erfasst werden, im Hoheitsbereich
der Kommune verbleiben [7]. Deshalb kommt die BSR der politischen Aufforderung nach,
die Möglichkeiten einer gemeinsamen Wertstofftonne in Berlin zu prüfen und sich dazu
mit den dualen Systemen abzustimmen.
3.3. Implementierung neuer Produkte und Techniken
Wesentliche Maßnahmen im Rahmen der Verwertungsstrategie sind die Steigerung der
Effizienz sowie technische Innovationen im Bereich der Green Technologies. Folgerichtig
hat sich das Unternehmen frühzeitig dem Thema Klimaschutz verschrieben. Im Rahmen
des Landesenergieprogramms unterzeichnete die BSR als erstes kommunales Unternehmen eine Kooperationsvereinbarung mit dem Land Berlin, welche ehrgeizige Ziele zum
Klimaschutz beinhaltete, die allesamt mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wurden. Hierzu
zählten unter anderem die energetische Optimierung des Müllheizkraftwerks (MHKW)
Ruhleben, die Errichtung einer Aufbereitungsanlage für Altholz und Sperrmüll sowie die
Optimierung der Erfassung und Verwertung des Deponiegases. Dies führte insgesamt zu
einer Einsparung von 124.500 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr.
Als kommunales Unternehmen ist die BSR auch bei der Bioabfallbehandlung in der Verantwortung, dem ökologisch-gesellschaftlichen Anspruch auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen und der Notwendigkeit einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft gerecht
zu werden. Das Denken in Kreisläufen ist von elementarer Bedeutung. Am Beispiel der
Neugestaltung der Bioabfallbehandlung lässt sich das sehr gut demonstrieren.
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
Derzeit werden die Berliner Bioabfälle überwiegend in einfachen Kompostierungsanlagen
verwertet. Vor allem offene Kompostierungsanlagen sind jedoch im Rahmen der Klimaschutzdebatte in die Kritik geraten. Das heute noch brachliegende Energiepotential soll
zukünftig durch Biogasanlagen genutzt werden. Bereits 1996 wurde die getrennte Erfassung
von Bioabfällen in Berlin eingeführt. Die Abfälle werden seitdem überwiegend direkt,
teilweise jedoch auch über eine Umladestation, zur Verwertung in mehrere Kompostierungsanlagen und eine Vergärungsanlage nach Brandenburg verbracht. Die Behandlung
und den anschließenden Kompostabsatz übernehmen die Anlagenbetreiber. Die BSR
beginnt nun mit dem Bau einer eigenen Vergärungsanlage. Den Planungen zur Vergärung
vorausgegangen war eine sorgfältige Bestimmung der Eigenschaften des Bioabfalls. Dies
betrifft im Wesentlichen den Anteil an Störstoffen und das energetisch nutzbare Potenzial.
Da die Biogut-Tonne heute sehr bewusst durch die Berliner Bevölkerung genutzt wird,
ist der gesammelte Bioabfall qualitativ für die Vergärung gut geeignet. Nach einer unter
logistischen, genehmigungsrechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführten Abwägung wurde die Errichtung von zunächst einer Bioabfallvergärungsanlage
mit einer Jahreskapazität von etwa 60.000 Tonnen beschlossen. Damit kann die derzeit
anfallende Bioabfall-Menge verarbeitet werden. Das erzeugte Rohbiogas wird auf Erdgasqualität aufbereitet und als Kraftstoff dem eigenen Fuhrpark zur Verfügung gestellt. Hierzu
ist die Einspeisung in das öffentliche Gasnetz vorgesehen. Mit den Bioabfallmengen von
etwa 60.000 Tonnen pro Jahr können etwa 2,5 Millionen Liter Diesel substituiert werden.
Dafür wird ein Teil des Fuhrparks im Rahmen von Ersatzbeschaffungen sukzessive auf
Bio-Erdgas betriebene Abfallsammelfahrzeuge umgestellt. Aus logistischen Gründen soll
an drei Standorten der Müllabfuhr das virtuell durchgeleitete Bio-Erdgas vertankt werden.
Der CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte lässt sich dadurch um etwa 12.000 Tonnen pro Jahr
senken. Ein vergleichbares Konzept dieser Größenordnung existiert bislang in Deutschland
nicht, so dass die BSR hier eine Vorreiterrolle einnimmt.
BioabfallSammlung
Betankung
eigener
Fahrzeuge
Bioabfallaufbereitung
Einspeisung in
das Erdgasnetz
Garten und
Landschaftsbau
Kompost
Vergärung
Aufbereitung
Gärreststoffe
Bild 6:
Bioerdgas
Aufbereitung
Biogas
Die zukünftige Verwertung biogener Abfälle
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Gerald Leinius
Ein weiterer wesentlicher Ansatzpunkt die Steigerung der Verwertungseffizienz ist die
Erneuerung des Müllheizkraftwerks (MHKW) in Berlin Ruhleben. Im Rahmen der Umsetzung der TASi und des Abfallwirtschaftskonzeptes des Landes Berlin ist die Verbrennung
in Ruhleben als ein wichtiger Baustein der Entsorgungssicherheit ausgewiesen. Als ein Teil
der Anlagenstrategie ist die langfristige Verstetigung und Stabilität der Behandlungskosten
für Hausmüll am Standort des MHKW Ruhleben bei gleichzeitiger Gewährleistung der
Entsorgungssicherheit von essentieller Bedeutung. Daher werden die folgenden Ziele mit
dem Projekt verfolgt:
• Sicherstellung des gesetzlichen Entsorgungsauftrages durch wettbewerbsfähige Behandlungskosten,
• Sicherstellung des Anlagendurchsatzes bis 2030,
• Erhöhung der Flexibilität auf Heizwert- und Mengenschwankungen,
• Reduzierung des Ausfallrisikos,
• Realisierung während des laufenden Betriebes des MHKW.
Die Fertigstellung der Optimierung des MHKW Ruhleben ist für 2012 geplant. Durch die
Inbetriebnahme einer neuen hocheffizienten Kessellinie werden vier alte Kessellinien ersetzt.
Neben den bereits dargestellten Zielen können darüber hinaus noch weitere energetische
Effizienzsteigerungen realisiert werden, die zu einer verbesserten CO2-Bilanz des MHKW
Ruhleben beitragen.
Aufgrund weniger Kesselkaltstarts sinkt der Heizölverbrauch um 75.000 Liter pro Jahr
g spart 200 t CO2-Äquivalente pro Jahr
Wegfall der Rußbläser und besseres Dampfmanagement
g spart 2.300 t CO2-Äquivalente pro Jahr
Durch die Verringerung der Betriebstemperatur der Abgaskatalysatoren lässt sich der
Eigenverbrauch an Dampf reduzieren
g spart 4.000 t CO2-Äquivalente pro Jahr
4. Ausblick
Neue Akzente in der Abfallwirtschaft werden vor allem durch die Überlegungen zur Ressourcenproduktivität gesetzt. Effiziente Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfällen, die
Nutzung der im Abfall enthaltenen Energie sowie die stoffliche und energetische Nutzung
biogener Abfälle sind die Eckpfeiler einer modernen in die Zukunft gerichteten Abfallwirtschaft. Die Abfallwirtschaft kann auf diesem Weg zu einer nachhaltigen die natürlichen
Ressourcen schonenden Stoffstromwirtschaft weiterentwickelt werden. Ansteigende Rohstoffpreise werden hier einen entscheidenden Beitrag leisten, weil es dadurch zukünftig rentabler wird, Rohstoffe im verstärkten Maße zurückzugewinnen. Umwelt- und Klimaschutz
sowie die Ressourcenschonung sind gleichrangige Ziele, die konsequent verfolgt werden
müssen. Die BSR leistet durch die innovative Behandlung von Siedlungsabfällen einen wesentlichen Beitrag zur effizienten stofflichen und energetischen Verwertung. Nachhaltigkeit
beinhaltet dabei neben dem ökologischen Aspekt auch gesellschaftliche und ökonomische
Dimensionen, die auch in Zukunft entscheidend weiterzuentwickeln sind.
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Recyclingstrategie der Berliner Stadtreinigung
5. Quellen
[1] Umweltbundesamt: Planspiel zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung. Texte 08/2011,
Dessau
[2] Argus: Studie im Auftrag der BSR zur Zusammensetzung des Hausmülls in Berlin, 2008
[3] Argus: Wissenschaftlichen Begleitung der Wertstofftonne. Zwischenbericht im Auftrag der BSR,
Projektphase II, Berlin, Februar 2011
[4] HTP; uec: Wissenschaftlichen Begleitung zur Einführung der Gelben Tonneplus. Schlussbericht,
im Auftrag von ALBA, Berlin, 2005
[5] Hasucha, T: Output-Ströme der ALBA-Sortieranlage. Vortrag auf der VfU-Fachtagung Siedlungsabfall = Rohstoffreserve, Berlin, 23.11.2010
[6] Näther, B. – Mitarbeiterin in der Müllsortieranlage Mahlsdorf zu den Mischkunststoffen (MKSFraktion): Die Recyclingstadt Berlin; Flasche auf Abwegen. In: Naturmagazin Berlin – Brandenburg (2011), Berlin
[7] Abfallwirtschaftskonzept für das Land Berlin – Teil 1, S. 69 ff.
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