Der Hunger im Sahel, die fast alltägliche Wirklichkeit
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Der Hunger im Sahel, die fast alltägliche Wirklichkeit
August 2 0 01 N r. 16 0 Hilfswerk für die Sahelzone Der Hunger im Sahel, die fast alltägliche Wirklichkeit In dieser Ausgabe ✦ Periode zwischen den Ernten, ein hohler Bauch ✦ Die Kinder, Opfer des Hungers ✦ Die Ernährungszentren, eine Antwort auf die Unterernährung uf a a j ori et: M u: ern rg Ne Int rija.o dem .mo w ww Inhalt Editorial: Der Wohlgeruch der Ferien Die Zeit bis zur nächsten Ernte, eine sehr harte Jahreszeit (Seite 3) D ie Sonne ist zurückgekehrt. Auf den Balkonen und Terrassen erscheinen wieder Sonnenschirme und Badeanzüge; die Sonnenschutzcrème und die blühenden Bäume duften gut. Am Abend kitzeln die Räuchlein der Grilladen unsere Nasen und Gaumen. Es riecht wirklich nach «Ferien». Plötzlich bereitet man sich schon weit im Voraus vor: man durchstöbert die Angebote der Reisebüros und träumt von den einen oder anderen exotischen Reisezielen. Weit weg fahren, sicher, aber einige Kriterien müssen zu einem vernünftigen Preis erfüllt sein: das Hotel muss komfortabel sein, das Essen angenehm, denn man ist ja nicht von so weit hergereist, um krank zu werden! Trotzdem ist auf der Kehrseite des Traumes die Wirklichkeit oft ganz anders, sei es auf den Karibischen Inseln, in Afrika oder Asien. Die Besuchten haben oft keine Möglichkeit zu einem Tapetenwechsel. Einige leben irgendwie, versuchen so gut es geht zurecht zu kommen um ihre Familie zu ernähren, weil ihre Arbeit oft schlecht Die Unterernährung bekämpfen, eine dauernde Herausforderung (Seite 5) entlohnt und mühsam ist. Zu den prekären Lebensbedingungen hinzu kommt noch das Riesenproblem der Unterernährung hinzu, speziell aktuell in einigen afrikanischen Ländern. Denn parallel zu den herrlichen Safaris in Kenya, zum Tauchen auf Sansibar und zu den Trecks mit einem 4x 4 durch die Dünen der Sahara sind im Tschad ein Viertel der Bevölkerung und in Burkina Faso ein Zehntel von einer Hungersnot bedroht. Niemand hat gern, sich vom Leiden der anderen erschüttern zu lassen, vor allem nicht in den Ferien, diesem so sehr erwarteten Moment zum Abschalten der Alltagssorgen. Im Blick auf das türkisblaue Wasser, auf ein üppiges Buffet sind die Touristen gekommen, um von ihrem Traum zu profitieren und HILFSWERK FÜR DIE SAHELZONE En Reutet 1868 Collombey-le-Grand Tel. 024 / 472.80.70 Fax 024 / 472.80.93 E-Mail : [email protected] PC 19-10365-8 nicht, um sich traurig stimmen zu lassen von den Nöten in einem Land, in welchem sie sich nur vorübergehend aufhalten. Einige haben ein gutes Gewissen, denn sie sagen sich, sie unterstützen die Wirtschaft des Landes, bevor sie sich erneut in einen Sommerroman vertiefen. Andere unternehmen einen Ausflug, riskieren, sich für das andere Gesicht ihres Ferienortes zu interessieren. Nicht notwendigerweise mit dem Gedanken Wohltäter zu spielen, sondern einfach um sich zu informieren und eine Geste der Solidarität zu machen: in Burkina Faso reichen CHF 30.– monatlich während eines Jahres aus, um ein unterernährtes Kind zu retten. Das Morija-Team Ziel : Ziel ist die Hilfeleistung an die am stärksten Benachteiligten in Afrika, besonders in der Sahelzone. Die Hilfe wird unabhängig von Rasse oder Religion geleistet. Sitz : Collombey-le-Grand (VS) Revisoren : Treuhandbüro R. Künzlé SA – Monthey Redaktion : L’Avènement Romanel-sur-Lausanne Graphik : Zion Design Druck : Jordi AG Papier : chlorfrei und umweltfreundlich Das Hilfswerk Morija wurde 1979 gegründet und ist ein Verein ohne Gewinnabsichten gemäss § 60 ff. des ZGB Damit sie leben – Monatliche Zeitschrift des Hilfswerkes Morija Abonnement: CHF 25.–. Alassane’s Geschichte (Seite 7) Wenn Sie mehr über Morija, seine Projekte und die Aktualitäten des Vereins wissen möchten, dann können Sie unsere neue Homepage besuchen: www.morija.org Der Preis des Jahresabonnements (25 CHF) stellt ein Minimum dar. Es versteht sich von selbst, dass jede zusätzliche Spende willkommen ist. Der Entscheid liegt bei Ihnen! Zum Voraus besten Dank für Ihre Grosszügigkeit. Die Zeit bis zur nächsten Ernte, eine sehr harte Jahreszeit In der Region Kaya mit dem Übernamen «Türe des Sahels» beginnt die Regenzeit im Allgemeinen im Juni und endet im September. Damit ist der Monat Oktober der Erntemonat, wenn Frau Natur ihr Spiel richtig spielt. Im Juni säen die Landwirte und entfernen das Unkraut bis im August, der der regenreichste Monat ist. Die Zeit bis zur nächsten Ernte dauert also von der Aussaat bis zu den ersten Erntemöglichkeiten. Sehr oft haben die Landwirte nicht genug Getreide um sich zu versorgen und die Felder zu bestellen. Und sobald die ersten Pflanzen sprossen, ernähren sie sich davon. Gerade während der Zeit bis zur nächsten Ernte ist die grösste Anstrengung nötig um die Felder umzugraben und gerade während dieser Zeit herrscht der dramatischste Nahrungsmangel. Oft verzögert sich der Regen oder er stellt sich gar nicht ein, was die Bauern dazu zwingt geduldig zu säen und erneut zu säen. Dieses Jahr begann die Zeit bis zur nächsten Ernte bereits im April, weil die Ernten im letzten Jahr so schlecht waren. Die Verhältnisse sind in diesem Jahr 2001 entscheidend, weil die Ernte 2000 in Burkina Faso so katastrophal war, dass landesweit 442 000 Tonnen Getreide fehlen. Auf einigen Feldern konnte man nicht einmal eine einzige Ähre Hirse ernten. Der Staat, die NGO’s, Privatpersonen, alle lassen ein SOS für die am meisten betroffenen Völker, zu denen auch Kaya gehört, ertönen. Dank Ihrer Hilfe kann das HZW Morija während dieser Zeit bis zur nächsten Ernte 9 Tonnen Hirse, das sind 16 200 Personenportionen, an die Bedürftigsten verteilen. Das mag gering erscheinen, aber dies rettet Leben: während dieser Zeit begnügt sich die Mehrheit der Bevölkerung mit einer Mahlzeit pro Tag. Auf einigen Feldern konnte man nicht einmal eine einzige Ähre Hirse ernten. Ein ungewöhnlicher Tag im HZW von Kaya Vor dem HZW hat es viele Menschen Der April, der Monat der grossen Hitze, hat sich angekündigt. Nach einer solchen warmen Nacht wird das HZW frühmorgens von einer Menschenflut überschwemmt, wobei Frauen und Kinder zahlreicher als Männer sind. Es ist kein Tag der Verteilung, aber der Hunger quält sie. Einige Frauen nützen noch das Licht des Sonnenaufgan- ges aus, um in die Stadt zu gehen mit einem Bündel Holz oder einem Heuballen, die sie zu verkaufen versuchen. Einige ziehen umher, um ihre Dienste als Haushalthilfen anzubieten. Es ist 9 Uhr. Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich die gleiche Litanei: «ray-raado» (Kauft Holz); «Ray-yamdo» (Kauft Heu): und dies bis ein Abnehmer gefunden ist. Jeden Tag wiederholt sich dieselbe Geschichte. Erschüttert durch diese dramatische Situation haben wir fast eine Tonne Hirse hervorgeholt, um sie an die 124 anwesenden Personen zu verteilen. Alle erwiderten: «wênna yao» (Vergelt’s Gott). Guétaouendé Sawadogo, Burkina Faso Der Nahrungsmangel während der Zeit bis zur nächsten Ernte am AEZ von Nobéré (Burkina Faso) Die Landwirte verbrauchen während dieser Zeit viel Energie und arbeiten oft 10 bis 12 Stunden täglich auf den Feldern. Aber sie haben für die Erneuerung ihrer Kräfte keine genügende Nahrungsaufnahme. Die für die Gesundheit schädlichen Folgen machen sich speziell bei den Frauen und Kindern stark bemerkbar. Der Nahrungsmangel bewirkt bei einigen Frauen Hypogalaxien (Milchmangel), die bei den Säuglingen schreckliches Leiden verursachen. Der gleiche Mangel verursacht wegen des Eiweissund Kalorienmangels beim Kind pathologische Erscheinungen: es ist die EiweissKalorien-Unterernährung. Zwei Situationen können sich zeigen: wenn die Ernährung generell kalorienarm ist, führt sie zum Marasmus, der durch ein geringes Wachstum, den Verlust des Fettgewebes, von einer extremen Abmagerung gekennzeichnet ist; wenn die Tagesportion ausreichende Kalorien zuführt, aber eiweissarm ist, führt dies zum Kwashiorkor, eine Erkrankung, die durch Wachstumsrückstand und Ödeme gekennzeichnet ist. Wir treffen in unserem Zentrum beide an, wobei die erste häufiger auftritt. Die akutesten Fälle dieser Formen von Unterernährung zeigen sich während der Zeit 3 bis zur nächsten Ernte, Die akutesten Fälle dieser Formen von Unterernährung zeigen sich während der Zeit bis zur nächsten Ernte, weil zum Nahrungsmangel noch der Zeitmangel der Eltern hinzukommt. weil zum Nahrungsmangel noch der Zeitmangel der Eltern hinzukommt; viele von ihnen bevorzugen nämlich, die landwirtschaftlichen Arbeiten zu erledigen als sich um die Ernährung und Gesundheit ihrer Nachkommen zu kümmern. Wir nehmen also schon schwer betroffene Kinder auf. Die meisten leiden an Anämie, ein sehr kritischer Zustand für ganz junge Kinder. Die Folge davon ist, dass die Sterberate während dieser Zeit eine der höchsten des Jahres ist. Unser Aufnahme- und Ernährungszentrum (AEZ) nimmt im besten Falle unterernährte Kinder im Alter von 4 Mona- ten bis 5 Jahren für 2 bis 3 Wochen auf, sowie Waisenkinder und Säuglinge, deren Mütter keine Milch mehr haben. Der Aufenthalt kann bis zu 2 Monate dauern. Unsere Unterstützung im AEZ besteht aus folgenden Tätigkeiten: Pflege (Medikamente gratis); Organisation der Nahrungsaufnahme mit einer angepassten Nahrung; Erziehung der Mutter oder Amme auf verschiedenen Gebieten wie ausgewogene Ernährung der stillenden oder schwangeren Frau, das Abstillen des Kindes, die Impfung, die Körperhygiene usw.; Abgabe von Lebensmitteln an Kinder, die für die monatliche Kontrolle Bilgo, fünf Jahre alt: er starb fünf Stunden nach seiner Ankunft im AEZ von Nobéré ins Zentrum kommen sowie an die Bedürftigsten (Waisen, Behinderte). Bei den Kindern des Mutter/ Kind-Schutz-Zentrums (MKS) ist das Problem Mangel an Muttermilch (Zwillinge, Drillinge, Waisenkinder). Die Milch für Säuglinge ist für die Mehrheit der Familien unerschwinglich, wir geben sie gegen eine bescheidene Kostenbeteiligung ab. Die Ergänzung ihrer Nahrung liefert die Pulvermilch, die von der schweizerischen Eidgenossenschaft geschenkt wurde und gratis an die Mütter abgegeben wird. Gédéon Kaboré AEZ von Nobéré Ein Waisenmädchen ist zufrieden mit einem Teller Mais Warum hatte das Kind einen so grossen Bauch? 4 Aufgrund der Veröffentlichung eines Fotos auf der Seite 11 in unserer Zeitung 158 wurde uns folgende Frage gestellt: «Warum haben die Kinder so grosse Bäuche?» Diese Erscheinung hat verschiedene Ursachen: erstens haben die Kinder oft Parasiten und Würmer und zweitens verdauen unterernährte Kinder schlecht. In den Zentren von Morija werden sie gegen Parasiten und Würmer behandelt. Ausserdem ist, damit alles wieder gut funktioniert, zur Genesung und Wiederanpassung an die Nahrung auch eine Weiterbehandlung erforderlich. Aber trotz allem behalten sie einen etwas grösseren Bauch als die Kleinkinder bei uns. Die Unterernährung bekämpfen, eine dauernde Herausforderung Die ErnährungsZentren von Morija: AEZ; MKS oder MKG In den sechziger bis achziger Jahren gab es in der Sahara aufeinander folgende Dürren. Die Ernten waren sehr schlecht und ein grosser Teil des Viehs wurde dezimiert. Innerhalb von zwanzig Jahren vergrösserte sich die Sahara um 600 000 km2. In den neunziger Jahren fiel der Regen reichlicher und man dachte, dass sich die Bedingungen verbessern würden. Aber im Jahre 2000 wurden alle Hoffnungen zerstört. Im Tschad ist nahezu ein Viertel der Bevölkerung von einer Hungersnot bedroht, in Burkina Faso ein Zehntel. Der Kampf gegen die Unterernährung im Sahel ist also dringender denn je. Die Unterernährung beeinträchtigt die physische und geistige Entwicklung; sie vermindert die Resistenz gegen Krankheiten, tötet, verstümmelt und behindert. Mehr als ein Medikament bleibt eine gesunde und regelmässige Nahrung das Pfand für eine gute Gesundheit. Man schätzt die Zahl der unterernährten Kinder unter 5 Jahren weltweit auf 174 Millionen und auf 230 Millionen diejenigen mit einem Wachstumsrückstand. 54% der Kindersterblichkeit in den Entwicklungsländern stehen in einem Zusammenhang mit der Unterernährung. Denn ein unterernährtes Kind besitzt eine reduzierte Widerstandskraft gegen Krankheiten (Durchfall, Masern, Starrkrampf, Keuchhusten, Infektionen der Atemwege); es isst weniger und Ein Kind des AEZ von Ouagadougou verbraucht einen guten Teil seiner Reserven. Wenn nicht energisch eingegriffen wird, entwickelt sich aus Unterernährung und Infektion eine Spirale, die sehr schnell zum Tod führen kann. Jede Region oder jedes Land besitzt für eine ähnliche Arbeit sein Ernährungszentrum: AEZ (Aufnahme- und ErnährungsZentrum); MKS (Mutter/KindSchutz-Zentrum; MKG (Mutter/Kind-Gesundheits-Zentrum). Wen nehmen wir auf? Unterernährte Kinder von unter 6 Monaten bis zu 4 Jahren. Die meisten leiden an Marasmus, Kwashiorkor oder sind von Krankheiten wie Parasitosen, Lungenerkrankungen, akuten Durchfällen oder Malaria geschwächt. Wir nehmen auch Neugeborene und Säuglinge, denen Muttermilch fehlt, und sehr kleine Säuglinge (unter 1,5 kg), die zu früh geboren wurden oder häufiger als Folge von Wachstumsrückständen im Mutterleib. Eine Mutter mit ihrem Kind im MKS von Koumra Wie helfen wir ihnen? Indem wir die Kinder entsprechend behandeln, aber auch indem wir die Begleitperson (Mutter oder andere Frau) instruieren. Der Unterricht besteht aus Fragen und Antworten, damit die Frauen, die meistens Analphabeten sind, den Unterricht besser behalten. Das Kind verlässt das Zentrum nicht, bevor es in bester Form ist und seine Begleiterin genügend befähigt ist, sich seiner anzunehmen. Eine Kontrolluntersuchung, genannt «die grosse Wägung» wird jeden Monat organisiert. Bei dieser Gelegenheit kommen die Kinder ins Zentrum zurück, um gewogen, gemessen, untersucht und wenn nötig, geimpft zu werden. Die Ergebnisse werden in ihrem Gesundheitsheft aufgeschrieben. Dies ermöglicht es, jedes Kind regelmässig zu begleiten. Diejenigen, die es nötig haben, erhalten ebenfalls einen weiteren Milchvorrat oder Medikamente. Mehr als ein Medikament bleibt eine gesunde und regelmässige Nahrung das Pfand für eine gute Gesundheit. 5 Im Tschad machen sich die Auswirkungen der Hungersnot seit Januar bemerkbar Die Tschader gehen sogar so weit, Termitenbauten auszugraben, um sich ein bisschen Nahrung zu beschaffen. In Abéché beginnt die neue Ernte im Laufe des Monats Oktober. Je nach der Regenmenge reichen die Vorräte bis Ende Juni, anfangs Juli. Die Folgen für die Bevölkerung sind klar: im besten Fall sind drei Sommer-Monate zu überbrücken, im schlimmsten Falle sind es sechs Monate oder mehr. Während dieser Zeit erhalten wir mehr und mehr Unterernährte. Wir begegnen ebenfalls viel mehr Frauen mit Stillproblemen. Dieses Jahr haben wir wegen der schlimmen Regenzeit 2000 die Auswirkungen der Hungersnot seit Januar gespürt. Die seltenen Pflanzer, die eine Eine alte Frau, die im MKG von Abéché ein Kleinkind pflegt nicht allzu katastrophale Ernte einbringen konnten, sahen ihre Arbeit durch Heuschrecken, Termiten und Vögel zunichte gemacht. Der Preis der Hirse verfünffachte sich. Wir hofften, dass die Verteilung von Sorgho und Hirse durch verschiedene NGO’s zu einer Preissenkung führen würde, aber dies war nicht der Fall. Ausserdem findet man kaum mehr Hirse zu kaufen. Die gesamte Bevölkerung ist von der Hungersnot betroffen und die Leute begreifen nicht, dass nur einige (die Ärmsten, die Unterernährten, die Kranken) Hilfe erhalten. Leider hat es nicht genügend Hirse, um alle Bedürfnisse zu stillen und man muss eine sehr frustrierende Auswahl vornehmen. Die Anwesenheit der Hungersnot ist wirklich Realität. Die Tschader gehen sogar so weit, Termitenbauten auszugraben, um sich ein bisschen Nahrung zu beschaffen. Die Stadt Abéché kam nur sehr wenig in den Genuss der Hilfe der Präfektur, weil die Hilfe in erster Linie auf dem Land erbracht wurde, wo zudem einzelne Dörfer gegenüber anderen benachteiligt wurden. Agathe Burrus und Doris Lotz MKG von Abéché. Grosse Hirseverteilung im MKG von Abéché Die 4 Ernährungs-Zentren, die von Morija finanziert werden 6 AEZ und MKS von Nobéré in Burkina Faso, in einem Dorf 100 km von der Hauptstadt Ouagadougou entfernt. AEZ von Ouagadougou. Nur Unterernährte werden aufgenommen. Ein benachbartes Waisenhaus hilft mutterlosen Neugeborenen. MKS von Koumra, im Süden von Tschad. Die Traditionen sind noch stark, und wenige junge Frauen sind einverstanden, sich eines Waisenkindes anzunehmen aus Angst, steril zu werden. Deshalb kümmern sich alte Frauen um die Säuglinge. Bevor sie mit dem Kind in ihre Dörfer abreisen, bleiben sie in der Regel ein Jahr im Zentrum, bis das Kind die Nahrung der Erwachsenen essen kann. MKG von Abéché, im östlichzentralen Teil des Tschad. Es liegt in einer HalbwüstenGegend und deckt einen Aktionsradius von 150 km ab. Die weit entfernten Familien können oft das Kind nicht jeden Monat in die Stadt bringen. Deshalb besuchen die Krankenschwestern die Waisen zwei bis drei Mal im Jahr, um sie zu kontrollieren und sie erneut mit Milch zu versorgen. Zudem wird für die Geburtshelferinnen Ausbildung organisiert, die erlaubt, die Mortalitätsrate der Wöchnerinnen zu senken. Alassane’s Geschichte Alassane zwei Wochen nach seiner Ankunft im AEZ Fast zweijährig, sechs Kilogramm, brandmager, Mund und Lippen blutig, Gesicht ausgemergelt und eckig, zwei Augen für das Leben in einem vom Tod gezeichneten Körper, so begegnen wir Alassane an einem glühendheissen Tag in Juni 2000. Obwohl wir an diesen Anblick von zum Skelett abgemagerten Kindern gewohnt sind, zwang uns Alassane’s Zustand ein schweres Schweigen auf. Wir lassen den Eltern nur geringe Hoffnung mit einem lapidaren: «Wir werden versuchen.» Das Escheinungsbild von Aids im Endstadium lässt uns keine Illusion und entmutigt uns zum vornherein. Nach einer Woche stärkstem Einsatz von Antibiotika, einer progressiven, dann intensiven Wiederernährung nimmt Alassane kein einziges Gramm zu. Gar nicht so erstaunlich, in Anbetracht dessen, was wir befürchten. Noch viel überraschender aber war, dass nach einer Woche Alassane immer noch lebte! Nach zwei Wochen im AEZ zeigt die Waage immer noch dasselbe Gewicht. Aber dieses Mal macht die Skepsis einer winzigen Hoffnung Platz, denn Alassane hatte keine dieser Durchfälle, die für HIV im Endstadium typisch sind. Dieser rettende Auslöser setzt eine verrückte Hoffnung frei: wenn es nicht Aids ist, sondern eine Tuberkulose? Die Hoffnung gibt die nötige Energie, um der Mutter einen Erkennungstest vorzuschlagen. Der Test ist negativ. Die Aufregung erreicht ihren Höhepunkt, weil wir wissen, dass es jetzt mindestens eine Chance gibt, Alassane zu retten. Schnell eine Röntgenaufnahme, die wenig bringt; schnell eine Konsultation im Nationalen Zentrum gegen die Tuberkulose. Eher aus der Verzweiflung heraus als wegen klaren klinischen Tatsachen beginnt der Arzt eine Behandlung gegen die Tuberkulose. So sind wir nun 2 Wochen nach seinem verzweifelten und entmutigenden Eintritt ins AEZ alle angsterfüllt, kleben an der Waage und am Temperaturblatt, die beide allein die Richtigkeit unserer Diagnose anzeigen werden. Die Antwort brauchte etwa zehn Tage, aber ab dann beginnt die wunderbare Metamorphose von Alassane: die Waage zeigt nun auf die gute Alassane acht Monate später Seite, die Ecken runden sich, die Nachmittagsfieber verschwinden und Alassane will sitzen, essen, vor allem Joghurt, hat Zornesausbrüche, die ziemlich charakteristisch für Kinder sind, die von sehr weit herkommen. Er lebt, man sieht es, und man hört es. Acht Monate nach seiner Entlassung aus dem AEZ ist Alassane ein kleiner, vollständig normaler Knabe von 13 kg geworden, der von seiner Krankheit ein unstillbares Verlangen nach den Milchprodukten von Morija hat, von welchen er jeden Monat erhält. Fast zweijährig, sechs Kilogramm, brandmager, Mund und Lippen blutig, so begegnen wir Alassane an einem glühendheissen Tag in Juni 2000. Gisèle Bellamy, AEZ von Ouagadougou (Burkina Faso). chen, lltägli m A m l, u ll zu Notfa s die Mitte men. Vom m in Sie un zu ko sten für e geben n zu Hilfe o .–; K 0 n CHF 3 treuung tliche ihne f a u n a o e hr. Die m laufen sich Nachb 0.– pro Ja n n e a b F 36 Z, d Kind im AE , ergibt CH t l a h t s Aufen ines Jahre e d n währe 7 Ein Abend im MKS von Koumra Eine von den beiden hält ein kleines Häufchen mit einem Lendenschurz in den Armen . . . 8 I ch habe Abenddienst. Wie bei jedem Besuch schaue ich die hospitalisierten Kinder an, um zu wissen, wer eine Rehydratation, wer eine Überwachung der Temperatur oder wer für die Nacht eine andere Pflege braucht. Diesen Abend fühle ich mich müde. Am wöchentlichen Tag der «Vorsorgeuntersuchung der Kinder» hatten wir 70 Kinder zu wägen, zu impfen, zu beraten. Es ist heiss, die Gewitter umkreisen Koumra, ohne dass ein Tropfen Regen fällt. Ich sehne mich an diesem Abend nach einem Feldbett unter einem Ventilator unter freiem Himmel. Da kommen zwei Frauen an. Besuchen sie wohl ein hospitalisiertes Kind oder ist es... ein «Fall»? Die eine hält eine kleines Häufchen mit einem Lendenschurz in den Armen. Frühgeburt? neugeburtlicher Tetanus? Waisenkind? Ein Stück Fuss schaut hervor. Ich schiebe meine Müdigkeit beiseite. Hier kommt eine Mutter in Not. Hier kommt ein Kind, dem geholfen werden kann. Es ist ein neugeburtlicher Tetanus aus dem Dorf. Gestern war es ein Waisenkind, dessen Mutter nach der Geburt in ein hepatisches Koma fiel. Sie war soeben gestorben. Wer wird sich um das Kind kümmern? Dieses Mal, das ist selten, ist es eine junge Tante, die bereits sieben Kinder hat. Sie kann natürlich nicht im Zentrum bleiben, denn die Familienpflichten ruhen auf ihrer Schulter. Ihr Mann braucht sie. Ich bin beunruhigt. Das Kind wiegt nicht viel. Es hat Fieber. Glücklicherweise wird es gewiss eine «Alte», ein Ausdruck, der hier nicht als abschätzig gilt, in Obhut nehmen. Sie wird gewiss nicht immer sehr schnell unsere Techniken und Ratschläge verstehen, aber sie hat Zeit und Liebe zu geben. Lydie Legrand. Ich schiebe meine Müdigkeit beiseite.