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Ein Mühlen-Denkmal als Lebensaufgabe - Praxisbeispiel
Liebesgeschichte zu Dritt: Ein Mann, eine
Frau, eine Mühle.
Stephan Onnen zeigt jede Menge Handwerk
und eine stille Tugend. Im Making of erzählt er,
wie das Mühlen-Denkmal zu ihm kam. Und wie
das so geht, zwei Seiten Hude, täglich.
Nordwest-Zeitung Oldenburg 3. August 2013
Kampf auch ohne Windmühlenflügel
Dauer-Projekt - Cathrin Eßbach und Jan Lange erfüllen Holler Mühlen-Denkmal mit
neuem Leben
Das Paar hat die Mühle vor zwei Jahren gekauft. Zuvor haben beide eine
Müller-Ausbildung absolviert.
Von Stephan Onnen
Holle - Nein, an Zufälle glaubt Cathrin Eßbach nicht. Irgendwie scheinen sich im Leben alle
Puzzleteile zu einem großen Ganzen zu fügen *1. Wie ist es sonst zu erklären, dass sie
gemeinsam mit ihrem Freund Jan Lange vor vier Jahren eine Ausbildung als „Freiwillige
Müllerin“ absolviert hat. Ein Jahr lang war das Paar alle vier Wochen in einer anderen Mühle,
hat Mahlsteine geschärft, sich in engen Mühlenkappen die Köpfe gestoßen und die Segel der
Flügel gesetzt. Und jetzt *2 leben Eßbach und Lange selber in einer Mühle, einem Denkmal.
Seit dem 1. Juli 2011 sind sie in dem 1887 erbauten Galerieholländer an der Holler Landstraße
114a zuhause. „Ein Reihenhaus passt nicht zu uns. Wir werkeln gerne und brauchen Platz um
uns herum. Und Mittagsruhe von eins bis drei gibt’s bei uns auch nicht“, lacht Cathrin Eßbach
*3 .
Gebäude mit „Seele“
Auf die Holler Kornmühle waren sie schon während ihres Müller-Lehrgangs aufmerksam
geworden. Als sie Jahre später auf der Suche nach einer ländlichen Immobilie, einem Resthof,
waren, stießen sie in einem Inserat wieder auf Holler Mühle. „Als wir sie live gesehen haben,
war es Liebe auf den ersten Blick *4“, sagt Cathrin Eßbach. „Da hat das Schicksal *5 Regie
geführt.“
Das Backsteingebäude nennt die 46-Jährige „unser Baby“ *6. Und in der Tat braucht das
historische Gemäuer, das relativ günstig erworben werden konnte, viel Fürsorge und macht
eine Menge Mühe *7 . Der Mühle bescheinigt sie eine „Seele“. Als das Gebäude anfangs von
Styroporplatten, die ihm als Dämmung die Luft genommen hätten, befreit wurde, habe es
regelrecht aufgeatmet, so Eßbach *8.
Lebenslanges Projekt
Um ein schleichendes Absacken zu verhindern, hat Jan Lange das Haus als erstes über eine
nachträgliche Pfahlgründung stabilisiert. In der oberen Etage hat der 33-Jährige ein Zimmer für
seine Tochter Lena hergerichtet. Die Achtjährige *9 ist auch jetzt in den Sommerferien zu
Besuch. In der Mühle fühlt sie sich pudelwohl.
Um die Tür zum Mühlenraum wieder in ihrer ursprünglichen Breite herzustellen, musste eine
Wand herausgerissen werden. Neue Fenster wurden eingesetzt, die Heizung wurde erneuert
und ans Abwärmenetz der benachbarten Biogasanlage angeschlossen. Dass sich im Winter
trotzdem Eisblumen an den Fenstern bilden, findet Cathrin toll. „Das bringt uns unsere Kindheit
zurück.“ „Wir sind nie fertig“, sagt Jan achselzuckend. Die Windmühle sei ein lebenslanges
Projekt – ob es 38 oder 42 Jahre dauere, sei egal. „Wir wollen uns nicht zu Sklaven unseres
Hauses machen, sondern nehmen uns auch Zeit für andere Dinge“, sagt Cathrin. Zum
Verzweifeln bleibe keine Zeit, auch dann nicht, wenn mal Wasser aus der Wand tropft *10.
Keinen Tag bereut
Die Entscheidung, in einem Denkmal zu wohnen, haben beide „noch keinen Tag bereut.“ „Ich
kann mir nichts anderes mehr vorstellen“, sagt Cathrin Eßbach. „Dabei sind wir eigentlich
Stadtmenschen.“ Und eigentlich ist Eßbach Architektin. Die 46-Jährige hatte bis dato ihren
Lebensmittelpunkt in Osnabrück. Sie betreibt dort seit zwölf Jahren das „Penthouse
Backpackers“-Hostel. Lange stammt aus Zschopau bei Chemnitz, ist gelernter Bäcker und
Krankenpfleger, hat sein Geld als Dachdecker und Isolierer verdient. Jetzt arbeitet er als
Lagerist beim Monumentendienst, der das Ziel hat, den Bestand an historischen Gebäuden im
Weser-Ems-Gebiet zu erhalten *11. Auch das ist wieder so ein Puzzleteil *12, das genau
passt: Denn den historischen Bestand ihrer Mühle wollen auch Eßbach und Lange sichern.
Hier wird zwar nie mehr Korn gemahlen, aber die vorhandene Mühltechnik mit Mahlstein,
Mahlgang, Kammrad, Drehkranz und Flügelwelle soll erhalten *13 bleiben.
Kran nimmt Kappe ab
An diesem Sonnabend folgt ein weiterer Meilenstein bei der Instandsetzung: Per Kran wird ab
10 Uhr die tonnenschwere Mühlenkappe abgenommen *14. Das von Schädlingen befallene
Holz muss saniert werden. Während der „kopflosen“ Zeit, erhält die Mühle ein provisorisches
Dach. Für die Kappensanierung in Eigenregie veranschlagt Jan Lange etwa fünf Jahre. In
Panik verfällt er deswegen nicht: „Es geht in kleinen Schritten in die richtige Richtung *15.“ Und
das ist garantiert kein Zufall *16.
Infobox
Mühle 1887 erbaut – Flügel gestutzt
Seit 1584 ist der Platz, an dem die Holler Windmühle steht, als Mühlenstandort bekannt. Die
Windmühle wurde 1887 in Köterende, wo sie als Wasserschöpfmühle zur Polderentwässerung
genutzt wurde, abgebaut und nach Holle versetzt. In Holle war sie als Kornmühle in Betrieb
und galt mit ihren 18 Meter langen Flügeln als Wahrzeichen des Ortes.
1950 wurde die Mühle stillgelegt. Das Bild zeigt den Zustand Anfang der 60er Jahre.
1977 kaufte der Oldenburger Horst Ribken die Mühle. Er erweiterte das Mühlengebäude 1978
um einen Anbau und baute die beiden unteren Geschosse zu Wohnräumen um. Die Flügel
mussten Anfang der 80er Jahre auf Geheiß des Denkmalschutzes demontiert werden. 1986
ließ er die Galerie neu installieren. 1989 zog er nach Hessen und vermietete die
Räumlichkeiten.
Die Holler Mühle ist Teil der Niedersächsischen Mühlenstraße.
Wir danken Stephan Onnen und der Nordwest-Zeitung für das kostenfreie Überlassen der
Rechte.
Ein Mühlen-Denkmal als Lebensaufgabe - Fußnoten
*1) Das Leitmotiv „Schicksal“ wird eingeführt.
*2) Das Vorher-Nachher ist etabliert.
*3) Am Ende des Absatzes sind die Protagonisten charakterisiert.
*4) Schlüsselerlebnis
*5) Das Leitmotiv erscheint zum zweiten Mal.
*6) Das Bild wirkt übertrieben und macht neugierig.
*7) Der Autor bestätigt und deutet die Metapher.
*8) Der Absatz könnte überschrieben sein: Die Liebe zum Baby.
*9) Geschickt eingebunden: die Nebenfigur Lena, die auf dem Foto auftaucht und deshalb
erläutert werden muss.
*10) Der Absatz könnte überschrieben sein: Die Mühsal mit dem Baby.
*11) Hintergrund zum Helden-Paar
*12) Das Leitmotiv, dritter Auftritt
*13) Der Bezug zum Anfang, der Müller-Ausbildung, schafft Dichte
*14) Ausblick – und Anlass des Artikels – zum Schluss
*15) Ein Paar wie im wirklichen Leben? Nach sechs Zitaten von Cathrin Eßbach folgt hier der
erste Satz von Jan Lange. Er bestätigt indirekt das Sklaven-Zitat oben.
*16) Das Leitmotiv zum Vierten, und zurück zum Anfang
Ein Mühlen-Denkmal als Lebensaufgabe - Kommentar
Gespür für Liebhaber
Stephan Onnen zeigt jede Menge Handwerk und eine stille Tugend: das
Weglassen-Können.
Ein Leitmotiv als roter Faden
Stephan Onnen grundiert seine Geschichte mit dem Motiv des Schicksals, des
Nicht-Zufälligen. Er steigt ein: „Nein, an Zufälle glaubt Cathrin Eßbach nicht. Irgendwie
scheinen sich im Leben alle Puzzleteile zu einem großen Ganzen zu fügen.“ Jetzt möchte man
natürlich wissen, wie sich die Puzzleteile im Lebens von Cathrin Eßbach zusammenfügen.
Onnen führt das Motiv weiter und variiert dabei die Begriffe „Zufall“, „Schicksal“ und
„Puzzleteil“. Brigitte Seibold zeigt das in ihrer Illustration.
Mit dem Schicksals-Motiv schafft Onnen eine Ebene, auf der die Leser mitdenken und -fühlen
können. Das Deuten des eigenen Lebens, das Einordnen von Ereignissen als Glück, als Pech,
als Zufall – das beschäftigt uns alle, nicht nur Häusle- oder Mühlenbauer. Gibt es das, einen
großen Zusammenhang?
Die Story als Resonanzraum
Auf der Folie der Mühlen-Geschichte läuft der Lebensfilm der Leser mit. Unwillkürlich fragt
man sich: Was ist mit meinen Träumen von einem besonderen, ungewöhnlichen Leben? Wann
habe ich etwas Verrücktes gemacht, wo bin meinem Herzen gefolgt, oder dem Ruf des
Abenteuers? Wollte ich so exotisch wohnen, könnte ich so leben mit Eisblumen und einer
tropfenden Wand? Über die lokale Relevanz hinaus erzählt der Artikel von einer Haltung zum
Leben. Er stellt das Besondere vor, und das Allgemeine zur Diskussion.
Der Fokus, das Weglassen
Zwei Menschen folgen ihrem Traum und räumen dabei Hindernisse aus dem Weg. Stephan
Onnen erzählt die Geschichte von der Liebe eines Paares zu ihrer Mühle stringent und klar.
Was nicht dazugehört, lässt er weg. Klingt simpel, ist es aber nicht. Onnen lässt weg, wie die
beiden sich kennenlernten. Er erzählt nichts über Kaufverhandlungen, Bankkredite, Umzug
und Einzug. Er schweigt über die Zahl der Zimmer, Quadratmeter oder die Raumhöhe. Kein
Wort über die Energieeffizienz des Eisblumen-Raums oder die Auflagen des Amts für
Denkmalpflege. Allein die Geschichte der Mühle darf mit, und das nur im Kasten.
Schillernde Hauptfiguren
Cathrin Eßbach und Jan Lange sind ein ungewöhnliches Paar. Sie Akademikerin, er
Handwerker, sie Wessi, er Ossi, er 13 Jahre jünger als sie. Er, der Bäcker mit
Dachdecker-Erfahrung und sie, die Architektin, sind fasziniert vom Müllerhandwerk, von der
Mühle. Sie sind begeisterte Heimwerker und dabei einig über den Stellenwert ihres
Herzensprojekts: Sie werden sich nicht zu seinem Sklaven machen.
Der Autor beschreibt seine Figuren über Zitate und Handlungen. Er kommt ohne Etiketten
aus. Nirgends stehen Begriffe wie „alternativ leben“ oder „Individualisten“.
Lokal relevant
Spätestens ab jetzt werden die Leser der Nordwest-Zeitung die Augen aufhalten, wenn sie die
Niedersächsische Mühlenstraße entlangfahren: Wo ist sie denn, die Holler Mühle? Und wenn
sie das Behelfsdach, die Ersatzkappe sehen, wissen sie bereits, was da los ist.
Möglicherweise können sie auch mit dem Namen „Cathrin Eßbach“ etwas anfangen, der
Betreiberin des „Penthouse-Backpackers“ Hostels in Osnabrück.
Extra-sinnliche Details
Wenige Details genügen, um der Mühle Charakter zu verleihen. Im Winter wachsen
Eisblumen an den Fenstern. Gelegentlich tropft Wasser aus der Wand. Diese sinnlichen
Eindrücke vermittelt Stephan Onnen über Aussprüche seiner Protagonisten. Sie gehen über
das Sehen und Hören hinaus: Der kalte Hauch, den die „Eisblume“ auslöst, spricht den
Temperatursinn an, die Thermorezeption. Die Schmerzempfindung kommt ins Spiel, wenn die
Müllerslehrlinge sich in der Mühlenkappe – im Dach der Mühle – die Köpfe stoßen. Die
Körperempfindung oder Propriozeption wird der Mühle selbst zugesprochen, sie „atmet auf“,
als sie von der Styropor-Dämmung befreit wird. Merke: Es gibt noch weitere Sinne neben den
klassischen fünf. Ihr Einsatz im Text bewirkt, dass Leser die Mühle als lebenden Organismus
spüren und die Leidenschaft der Müllersleut sinnlich erleben.
Leser führen und verführen
Die beiden Fotos signalisieren: Hier wird die Geschichte einer Wandlung erzählt, es geht um
ein Vorher-Nachher. Die Mühle alt – um 1960 im Sepia-Kasten – die Mühle neu – in Farbe mit
Familienidyll. Das bunte Foto wirbt mit sympathischen Figuren und baut subtile Spannung auf.
„Entspannt im Sand“, heißt es in der Bildunterschrift. Man ahnt: Das kann nicht alles sein.
Hinter den Liegestühlen, im Gemäuer der Mühle, lauert Knochenarbeit.
Story-Check
Die Mühle erlebt ein Vorher-Nachher, die Protagonisten erleben es auch. Ihr Weg führt über
den Müller-Freizeit-Kurs zur eigenen Mühle. Der Weg ist gekennzeichnet durch
Schlüsselszenen – Liebe auf den ersten Blick, Entscheidungen – Kaufen und Hindernisse wie
das drohende Absacken des Gebäudes. Genau das sind Charakteristika einer Story. Ein
Vorher (Anfang), ein Nachher (Ende) und eine Mitte, die vom Zusammenhang dazwischen
erzählt.
Ein Mühlen-Denkmal als Lebensaufgabe - Making Of
Hude, zwei Seiten täglich
Wie Stephan Onnen das Mühlen-Thema fand und schrieb. Das Gespräch über Zeitung
machen auf dem platten Land führte Sarah Ritschel.
Herr Onnen, Ihrem Text liegt ein konkreter Termin zugrunde: Das Dach einer alten Mühle wird
abgenommen. Wussten Sie, welche Geschichte sich darunter verbirgt?
Ich hatte zumindest gehofft, auf eine spannende Geschichte zu stoßen. Die Mühle liegt zwölf
Kilometer entfernt von unserer Redaktion, in einer sehr ländlichen Region, wo es mehr Kühe
und Schweine gibt als Menschen. Ich hatte zuvor noch nie von ihr gehört. Die Sekretärin des
Bürgermeisters hier in Hude hatte mir erzählt, dass es Menschen gibt, die diese Mühle
sanieren, und dass ihr Chef eine Einladung zur Demontage des Dachs bekommen hat. Wir
haben dann Kontakt zu Cathrin Eßbach und Jan Lange geknüpft – was nicht einfach war, weil
sie nicht im Telefonbuch stehen. Den Termin hätte eigentlich meine Kollegin übernehmen
sollen. Weil sie verhindert war, bin dann ich relativ spontan losgefahren – und musste die
Mühle erst mal suchen.
Also hatten Sie sich auch keinerlei Fragen überlegt?
Nein. Ich hatte auch kein Zeitlimit eingeplant, sondern einfach die Hoffnung, dass die Besitzer
der Mühle sympathisch sind und sich ein Gespräch ergibt. Tatsächlich hatten wir auch gleich
einen guten Draht zueinander. Ich war etwa zwei Stunden da, bin mit Jan Lange bis unter die
Kappe zur Flügelwelle geklettert, habe mir selbst den Kopf gestoßen, wie es im Text
beschrieben ist (lacht).
Profitiert der Artikel davon?
Absolut. Ich habe mir in der Mühle alles zeigen lassen, habe mich mit Jan Lange Stockwerk
für Stockwerk hochgearbeitet. Die Besitzer waren sozusagen bereit, mir ihr Innerstes zu
öffnen. Das einzige, was in der Mühle fertig war, war das Zimmer von Jan Langes Tochter
Lena. Trotzdem war gerade Cathrin Eßbach stolz auf jeden kleinen Erfolg. Diese
Zufriedenheit, die entspannte Einstellung des Paares wollte ich zeigen – auch im Bild übrigens.
Anfang, Mitte und Ende
Warum erwähnen Sie den Anlass für Ihren Artikel – die Sanierung des Mühlendachs – erst
ganz zum Schluss?
Ich gebe innerhalb des Textes fast chronologisch die kleinen Fortschritte bei der
Mühlensanierung wieder. Das ist der rote Faden des Artikels. Und die Instandsetzung der
Mühlenkappe ist eben der nächste Meilenstein, der zu diesem Zeitpunkt erst noch bevorstand.
Haben Sie lange über den Aufbau Ihres Artikels nachgedacht?
Ich habe mir vor allem über den Anfang Gedanken gemacht. Der ist das Wichtigste am Text,
muss den Leser überzeugen. Der Rest ergibt sich aus dem Fluss des Schreibens. Bei diesem
Artikel bot sich der Anfang an: Cathrin Eßbach hatte mir gleich zu Beginn unseres Treffens
erzählt, dass sie nicht an Zufälle glaubt. So konnte ich auch am Ende gut einen Bogen
schlagen. Grundsätzlich schreibe ich am liebsten aus der Erinnerung. Nachdem ich die zwei
Stunden an der Mühle verbracht hatte, schrieb ich den Artikel am selben Abend. So sind die
Eindrücke noch gegenwärtig. Darüber hinaus habe ich ein paar Fachbegriffe nachgeschlagen
und die Zitate kontrolliert.
Der Text ist keine klassische Reportage. Wie würden Sie selbst Ihr Genre bezeichnen?
Ich würde sagen, es ist eine Erzählgeschichte, angereichert mit ein paar Feature-Elementen.
Generell finde ich es aber nicht so wichtig, einen Text immer einem Genre zuordnen zu
können: Er muss einfach unterhaltsam und stimmig sein, so viel Spannung wie möglich
aufbauen.
Zwei Seiten täglich
Sie arbeiten für die Nordwest-Zeitung, sind zuständig für die Region Hude. Suchen Sie – wie
bei der Mühle auch – hinter jeder Meldung dieses Spannende, Besondere?
Hude hat 16 000 Einwohner, wir machen zu zweit jeden Tag zwei Seiten. Da kann man sich
nicht nur auf Terminjournalismus verlassen. Es gibt schlichtweg zu wenig Termine und
Meldungen, als dass wir damit unsere Seiten füllen könnten. Wir setzen auf Features, Porträts
und andere Lesegeschichten. Das tun wir nicht aus einem Zwang heraus, sondern aus
Überzeugung. Ich persönlich versuche wann immer es geht, Geschichten von Menschen zu
erzählen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie mir als Redakteur viel mehr Spaß machen.
Sollten Lokalzeitungen die Menschen mehr ins Zentrum rücken?
Ich glaube schon. Wir sollten versuchen, den Lesern mehr Unerwartetes zu bieten, ihnen in
der besonderen Art, wie wir Vorgänge erzählen, Lesevergnügen zu bereiten. Wenn wir nur
Termine wahrnehmen würden, hätten wir bald keine Auflage mehr. Wir müssen versuchen,
auch trockene Themen nah am Menschen zu erzählen. Zu meinem Artikel über die Mühle
etwa habe ich zwar keine direkten Rückmeldungen von den Lesern bekommen, aber
offensichtlich einige dazu gebracht, sich selbst auf den Weg dorthin zu machen. Als das Dach
schließlich abgenommen wurde, gab es Kaffee und Kuchen, viele Zuschauer waren
gekommen – ein richtiges Event.
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