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TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
3
Inhalt
Editorial
4
Interview mit Frau PD Vivianne Otto
5
New Round of Influenza A virus
12
Sicherheit
15
Prüfungsstatistiken
16
Pharming - Drugs in your Cornflakes
18
Doping im Breitensport
23
Impressum
29
Swiss Pharmameeting 2011
30
4
Ausgabe 9 11/2011
TONIKUM
Editorial
Zuckerhut – nein, in dieser Ausgabe geht es nicht um Rio, sondern
um Glykosylierungen von Proteinen. Eine ausgewiesene Expertin
auf diesem Gebiet ist unsere Interviewpartnerin Vivianne Otto, den
meisten als Dozentin der Pathobiologie- und Drug-Failure-Vorlesung
bekannt. Im Gespräch erzählt sie
von ihrer Zeit als Studentin der
Pharmazie, als Apothekerin und
als Forscherin. Ausserdem äussert
sie sich über die Prüfung des eidgenössischen Apothekerdiploms,
die sie als Standortverantwortliche
der ETH Zürich bestens kennt. In
der nächsten Ausgabe werdet ihr
einen ausführlichen Bericht zu den
Ergebnissen des diesjährigen Examens lesen können.
Ein wichtiges Thema, dessen Dimensionen aber vielen unbewusst
sind, beleuchtet Oli in seinem Artikel über Doping im Breitensport.
Besonders Steroide und therapeutische Proteine wie das human growth hormone werden von
vielen Hobbyolympioniken eingesetzt, um ihren Idolen leistungsmässig näher zu kommen. Über
die Gesundheitsschäden infolge
gravierender
Nebenwirkungen
oder kontaminierter Medikamente
denken viele kaum nach – obwohl
sich nicht wenige davon abbringen
liessen, würden sie fachmännisch,
beispielsweise in der Apotheke ihres Vertrauens, darüber informiert.
Schliesslich findet ihr auch einen
Text von Yoran Beldengrün, dem
Organisator des Pharmameetings
2012 am 12. November, in diesem
Heft. Dieses Zusammentreffen
aller Pharmaziestudierenden der
Schweiz findet dieses Jahr an der
ETH Zürich statt. Neben spannenden Vorträgen und Diskussionen
über Alternativ- und Schulmedizin
werden auch Spiel und Spass nicht
zu kurz kommen. Abgeschlossen
wird der ereignisreiche Tag mit einem exquisiten Nachtessen und
einer Party für alle, die sich danach
noch bewegen können. Anmelden
könnt ihr euch unter www.pharmameeting.ethz.ch.
Damit das Tonikum in Zukunft
nicht zu einem Newsletter mit den
Prüfungsstatistiken verkommt, benötigen wir dringend neue ReporterInnen. Meldet euch doch unter
[email protected] oder direkt
bei mir [email protected].
Enjoy!
Simon Matoori,
Chefredaktor des Tonikums
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
Interview mit Frau PD Vivianne Otto
Vivianne Otto studierte Pharmazie an der ETH Zürich und arbeitete anschliessend als Apothekerin zuerst in der Offizin und
später in der Kantonsapotheke
Zürich. Sie doktorierte am Institut für Klinische Chemie am Universitätsspital Zürich und absolvierte einen Postdoc im Zentrum
für Glykobiologie am Oklahoma
University Health Sciences Center. 2003 kehrte
sie zurück an die
ETH, wo sie habilitierte und seit
2005 verschiedene Fächer im
Studiengang
Pharmazeutische
Wissenschaften unterrichtet. Zudem
ist sie Senior
Scientist in der
Gruppe für Pharmacogenomics,
Spezialistin für
pharmazeutische Informationen am Informationszentrum
Chemie Biologie Pharmazie und
schreibt Zeitungsartikel zu wissenschaftlichen Themen. Darüber hinaus ist sie seit 2009 wieder teilzeit als Apothekerin tätig
und Standortverantwortliche für
die ETH Zürich für die eidgenössische Apothekerprüfung.
Wenn Sie Ihre Studienzeit mit
dem heutigen Studium vergleichen, wo sehen Sie die grössten
Unterschiede? Wo die Verbesserungen und wo die Verschlechterungen?
In meiner Studienzeit war das
Praktikum (Assistenzjahr) in der
Mitte und das fand ich wirklich gut.
Wir gingen ausgerüstet mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen
aus zwei Basisjahren in die Apotheke und wurden
da ins kalte Wasser
geworfen.
Aber als wir dann
nachher Medizinische Chemie und
Galenik hatten,
hatten wir bereits
einen praktischen
Bezug dazu. Ich
hatte alle diese
Medikamente
schon einmal in
der Hand gehalten und ich hatte
auch bereits viele
Arzneimittel in Rezeptur und Defektur hergestellt. Ich denke, es erleichterte das Lernen in den Fachsemestern, weil man schon etwas
vor Augen hatte und sich z.B. noch
an einen Patienten erinnerte, der
einen Betablocker oder ein Zytostaticum einnehmen musste.
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6
Ausgabe 9 11/2011
Was jetzt sicher besser ist, ist die
vermehrte Ausrichtung auf aktuelle Wissenschaft. Damals konnte
es sich ein Professor noch leisten,
einfach jedes Jahr die genau gleiche Vorlesung wie im Jahr davor
zu halten. Ich erinnere mich, dass
ich mich ärgerte, weil Roaccutan
im Skript noch eine Rochenummer
hatte, obwohl es damals schon
mehrere Jahre im Handel war.
Zudem sind die Dozenten auch
nicht evaluiert worden. Wir hätten
damals auch niemals bei einem
Professor reklamiert und es gab
auch noch keine E-Mail, die man
Ihm einfach mal so auf den Tisch
hätte flattern lassen können. In
diesem Bereich hat eine enorme Verbesserung stattgefunden.
TONIKUM
im Aufbau mit Frau Wunderli als
Assistenzprofessorin. Das waren
unsere Kernfächer. Ihr habt also
schon viel mehr Verschiedenes
heute. Insgesamt war es damals
vielleicht stärker auf die praktische
Pharmazie bezogen, aber viel weniger modernisiert und viel weniger
breit.
Neben Ihren Tätigkeiten an der
ETH arbeiten Sie auch wieder als
Apothekerin. Weshalb haben Sie
wieder angefangen als Apothekerin zu arbeiten?
Zunächst habe ich in einer für mich
schwierigen beruflichen Situation
nach Verdienstmöglichkeiten gesucht. Dann hat es mir aber bald
wieder Freude gemacht, dass ich
wieder ausserhalb des
Elfenbeinturms
die
«Wir hatten Laborprüfungen,
Leute von der Strasse
richtige Horrorprüfungen.»
erlebe, „das blutige Leben“. Das stellt für mich
auch einen Praxisbezug her, zu
Ähnlich wie in den USA besteht
dem was ich unterrichte. Das finde
jetzt ein Dialog und Studierende
ich wichtig.
können auch einfach mal ins Büro
eines Professors hineinspazieren
Und jetzt da ich zusätzlich Standoder nach der Vorlesung auf ihn
ortverantwortliche bin für die eidzugehen.
genössischen Prüfungen in Zürich,
macht es noch zusätzlich Sinn,
Ein weiterer Punkt ist die Breite
dass ich auch wieder einen perdes Studiums. Wir hatten Phytosönlichen Bezug zur Welt der Ofpharmazie, Galenik, Pharmakofizin habe.
logie und Medizinische Chemie,
die aber einfach darin bestanden
Sie sind die einzige Dozentin, die
hat, dass Arzneistoffe vorgestellt
auch noch als Apothekerin arbeiwurden und Analyse und Synthetet. Oftmals hat man als Student
se besprochen wurden. Die Biodas Gefühl viele Dinge lernen zu
pharmazie befand sich gerade
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
müssen, die man als Apothekerin
nie brauchen wird. Was denken
Sie dazu?
Studium sehr viel weniger wirklich
selbständige Arbeit im Labor verantwortlich und korrekt erledigen
müssen. Wir hatten Laborprüfungen, richtige Horrorprüfungen, in
denen jeder einzelne etwas abliefern musste, was benotet wurde.
Das weiss man nie. Nach dem
Staatsexamen wollte ich nur noch
weg, ins „richtige Leben“, eine Rolle übernehmen, die jemandem etEs ist zudem leider eine Tendenz,
was bringt und eine Funktion hat.
dass in vielen Apotheken immer
Aber es hat mir sehr schnell nicht
weniger Rezeptur gemacht wird.
mehr gefallen in der Offizin. Hier
Es besteht da die Meinung, dass
an der ETH ist man in einem intersich Eigenherstellung finanziell
nationalen Umfeld und man kann
nicht lohnt. Ich bin aber dezidiert
Probleme mit Kollegen diskutieren.
der Meinung, dass die Herstellung
Eine Apotheke hingegen ist verin der Apotheke enorm wichtig ist.
gleichsweise eine sehr kleine Welt.
Ich war froh über die naturwissenschaftlichen Grund«Nach dem Staatsexamen
lagen, die es mir dann erwollte ich nur noch weg,
laubten, in der Forschung
zu arbeiten. Aber dann
ins „richtige Leben“.»
war ich auch wieder froh
über meine Ausbildung als
Heutzutage wird als Lösung vieler
Apothekerin, da das ein Beruf ist,
Probleme der Pharmakotherapie
auf den ich wieder zurückgreifen
die „personalized medicine“ angekonnte, als der Forschungsweg
führt. Unter diesem Aspekt muss
abbrach.
doch die ApothekerIn in der Lage
sein, z.B. Kinderdosierungen und
Sie sind Standortverantwortliche
tiefere Dosierungen für ältere Pafür die eidgenössische Prüfung
tienten herzustellen! Ich denke,
hier in Zürich. Vielen Studierendadurch können sich die Apotheden im Assistenzjahr bereitet die
ker auch gegenüber den Ärzten
Galenik-Prüfung Magenschmerprofilieren. Galenik ist wirklich eine
zen, bei der anscheinend viele
pharmazeutische Kernkompetenz
Studierende schlecht abschneiund wahrscheinlich müssten die
den. Wo sehen Sie das Problem?
Studierenden und auch die ausbilWird sich da jetzt etwas ändern?
denden Apotheker dazu animiert
werden, dass diese wieder verJa, es wird sich wohl etwas änmehrt geübt wird.
dern müssen. Ich denke es ist ein
doppeltes Problem. Das eine Problem ist, dass die Studierenden im
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Wo sehen sie konkret Angriffspunkte für Veränderungen. Ist es
nur der betreuende Apotheker
oder muss auch die ETH das wieder vermehrt fördern?
Das sind Diskussionen, die wir führen müssen, wenn dann die definitiven Prüfungsresultate dieses
Jahres da sind.
Auch wenn es ein Problem ist,
das nicht erst jetzt auftritt. Es tritt
jedoch jetzt in aller Deutlichkeit
zu Tage, weil bei der neuen eidgenössischen Prüfung das Prüfungsresultat in Galenik nicht mehr
kompensiert werden kann mit dem
einer anderen Prüfung. Das wird
sich dann wohl auch in den Zahlen der erfolgreichen Abschlüsse
widerspiegeln.
Sie sind eine richtige Allrounderin: Sie unterrichten, Sie schreiben, Sie sind als Apothekerin
tätig, Sie haben organisatorische
Aufgaben. Gibt es denn auch
etwas, das sie überhaupt nicht
können? Gab es vielleicht ein
Fach, das Ihnen gar nicht lag als
Studentin?
Schulisch hatte ich eigentlich nie
Probleme. Es gibt natürlich verschiedene Sachen, in denen ich
nicht gut bin: Ich bin ungeduldig,
nicht sehr diplomatisch und ich
will zu viel kontrollieren. In der
Forschung wollte ich immer das
perfekte Experiment machen und
es gab dann kaum mehr Raum für
TONIKUM
Fehler. Dabei kann man aus Fehlern viel lernen und auch Neues
entdecken! Etwas, was ich übrigens auch gar ich nicht gut kann,
ist tanzen. Mein Gefühl für Rhythmen ist absolut unterentwickelt
und lausig.
Ist es für Sie zurzeit kein Thema,
wieder aktiv in die Forschung
einzusteigen?
Ich habe bei Herrn Detmar jetzt die
schöne Chance eine Doktorandin
und einen Doktoranden mitzubetreuen und bei ihren Projekten mitzudenken. Das mache ich enorm
gerne. Ich möchte mich mehr und
mehr in diese Projekte vertiefen,
die ja auch ein bisschen an das anknüpfen, was ich früher gemacht
habe.
Auch die Erarbeitung von Inhalten für das Buch, das ich mit R.D.
Cummings (Koryphäe auf dem Gebiet der Glykobiologie) schreibe,
ist eine Art der wissenschaftlichen
Tätigkeit. Es geht dabei um klassische Arbeiten, die die Grundlage
der heutigen Glykobiologie bilden.
Wenn man sich solche Inhalte erarbeitet aufgrund von frühen Arbeiten und versucht, die Geschichte
hinter diesen Entdeckungen aufzuspüren, dann ist das auch eine
Form von Forschung. Und eine,
die mich heute mehr reizt, als
mich noch mal zwölf Jahre z.B. mit
ICAM-1 (intercellular adhesion molecule-1, meine ehemaliges „favorite protein“) zu befassen.
TONIKUM
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Ihr Forschungsgebiet ist ja die
Glykobiologie. Wo sehen Sie
denn das Zukunftspotential der
Glykobiologie. In welchen Bereichen wird sie wichtig sein in
Zukunft?
Heute ist sie pharmazeutisch wichtig im Bereich der therapeutischen
Glykoproteine, von denen schon
eine ganze Menge im Handel ist,
z.B. EPO, Antikörper und Hormone.
Man spricht aber auch über veränderte Glykosylierung im Zusammenhang mit Krebserkrankungen.
Da gibt es schon lange Bestrebungen für Impfstoffe. Die waren bisher aber
nicht er«Ich unterrichte
folgreich,
gerne.»
da
es
nicht so
einfach ist, eine effiziente Immunantwort gegen Zuckerstrukturen
hervorzurufen. Die Glykobiologie
ist ein Gebiet, welches expandiert und wo sehr aktiv geforscht
wird. Ich glaube, die Gykosylierung ist auch ein Schlüssel zum
Verständnis von komplexen physiologischen Prozessen und deren Regulation. Wir wissen, dass
Glykosylierung entscheidend an
Zell-Zell Kommunikation beteiligt
ist und das ist natürlich ein enorm
grosses Feld.
Um zurückzukommen auf die
therapeutischen Proteine: Mal
ganz provokativ gefragt, ist die
Glykosylierung Fluch oder Segen?
Da es ja auch Probleme mit deren Immunogenität gibt.
Wenn man in diesem Zusammenhang von Fluch spricht, bezieht
sich das wohl auf die Komplexität
der Glykosylierung, die mit unseren
wissenschaftlichen Methoden immer noch nur beschränkt erfassbar
und kontrollierbar ist. Es bezieht
sich auch auf die Schwierigkeit,
Immunogenität
therapeutischer
Glykoproteine
vorauszusagen.
Gleichzeitig übt diese Komplexität
aber auch eine grosse Faszination
aus. Und wenn sich durch leichte
Veränderungen der Gykosylierung
in einem Molekül dessen therapeutische Wirkung optimieren lässt, dann ist
sehr
das doch ein Werkzeug,
das man als Segen betrachten muss!
Während Ihrer Vorlesungen
haben Sie ja viel Kontakt zu den
Studierenden. Was finden sie gut
und wo würden Sie sich Verbesserungen wünschen?
Ich unterrichte sehr gerne. Ich
habe auch gerne geforscht, aber
unterrichten tue ich noch lieber
und das liegt auch an den Studierenden. Es ist etwas, was mir das
Gefühl gibt, ich mache etwas Sinnvolles. Das Gefühl einem jungen,
intelligenten Menschen vielleicht
etwas auf den Weg mitgeben zu
können oder jemanden zu unterstützen auf seinem Weg, in seinem
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Denken und wenn möglich auch in
seinem kritischen Denken. Das ist
enorm befriedigend. Ich habe es
auch gern, wenn Studierende nach
vorne kommen und mit mir diskutieren. Ich lerne auch von ihnen.
Auch diese Essays vom Wahlfach
zu lesen, macht mir oft viel Freude. Da entdecke ich sowohl wissenschaftliche, als auch journalistische Talente. Letztes Jahr gab
es einen Text, da musste ich laut
lachen, weil der Text so gut war.
Inhaltlich gut und saugut geschrieben.
Ich habe auch den Vergleich zu
Tschechien, wo ich jeden Herbst
eine Woche in Prag unterrichte.
Da sehe ich auch Unterschiede. In
Tschechien hat es, denke ich, mehr
Studierende aus sehr einfachen
Verhältnissen, welche eine wahnsinnige Lust und auch den Willen
haben viel zu lernen und einen mit
Fragen löchern. Bei unseren Studierenden habe ich manchmal das
Gefühl, man habe eine gewisse
Sattheit und die Erwartungshaltung, dass die Dozierenden auch
sehr viel liefern müssen und wenn
es dann nicht gut herauskommt an
der Prüfung, dann heisst es: „Das
haben Sie aber nicht gesagt. Das
war nicht klar.“ Aber es wurde nicht
nachgefragt. Manchmal vermisse
ich das Feuer und auch die Eigenverantwortung für die Inhalte, die
man lernen will.
ase & mag
TONIKUM
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Questionnaire
Dieser Fragebogen wurde dem durch Marcel Proust berühmt gewordenen
Questionnaire de Proust nachempfunden, der in jüngster Vergangenheit von
Bernard Pivot und James Lipton weiterentwickelt worden ist. Er soll uns eine
im normalen Interview unzugängliche Seite des Befragten näher bringen.
Welches Wort mögen Sie?
Welches ist Ihr Lieblingsmedikament?
Farbe
Wahrscheinlich Aspirin
Welches Wort mögen Sie nicht?
Stress
Welches Geräusch mögen Sie?
Wasserrauschen. Also nicht in Leitungen, sondern von einem Bach
oder dem Meer.
Welches Medikament mögen Sie
nicht?
Statine
Was mochten Sie am Kind-Sein?
Welches Geräusch mögen Sie
nicht?
Ich hatte als Kind eine Zeit, in der
ich nicht wusste, dass man an mich
irgendwelche Erwartungen stellt.
Diese Narrenfreiheit war schön.
Bässe von Musik, die durch Wände dröhnen.
Was mögen Sie am ErwachsenSein?
Welches ist Ihr Lieblingsmonosaccharid?
Die Freiheit, seinen eigenen Weg
einzuschlagen.
Glukose, die kann man vergären
zu Ethanol. Ich trinke nämlich gerne Wein.
Was werden Sie am PensioniertSein mögen?
Welches Monosaccharid mögen
Sie nicht?
Hmm, I have never met a carbohydrate I didn’t like!
Die freie Zeitgestaltung. Und was
ich nicht schätzen werde ist das
Altsein!
Falls Gott existiert, was würden
Sie ihn gerne sagen hören, wenn
Sie am Himmelstor erscheinen?
Dass ich mein Leben gelebt habe.
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TONIKUM
New Round of Influenza A virus
After a hot summer, once again
autumn is back with its low temperatures, humidity and a periodic guest which we know all too
well: the seasonal flu.
From a scientific point of view, something is different this year. For
those of you who happened to
take a look at the August issue of
Science magazine, a remarkable
article might have caught your attention.
A Neutralizing Antibody Selected from Plasma Cells That Binds
Group 1 and Group 2 Influenza A
Hemagglutinins, published by Dr.
Davide Corti et al. from the Institute for Research in Biomedicine
(IRB) in Bellinzona, may open the
door to the production of a vaccine
against this virus.
Through a single-cell culture method for screening a large number
of plasma cells, the research group
of Dr. D. Corti directed by Dr. Antonio Lanzavecchia isolated a neutralizing monoclonal antibody which
recognized the hemagglutinin (HA)
glycoprotein of all 16 subtypes and
neutralized both group 1 and group
2 influenza A virus.
Some general facts
about flu
The seasonal flu is often mortal in
the elderly and in immuno-compromised patients; therefore it is a primary health concern.
There are two subtypes of influenza virus which are epidemic in humans, H1N1 and H3N2.
The two main mechanisms which
a pandemic
influenza
may originate from are
the
direct
transmission from animal to man
(which was
the case of
the Spanish
flu in 1918
which resulted in the
death of 50100 million
people) and
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
the re-assortment of avian influenza subtypes with human influenza
subtypes.
The nucleocapsid of the virus
contains a single strand of RNA,
an RNA polymerase and viral glycoproteins: neuraminidase (NA)
and hemagglutinin (HA). The
classification of subtypes of influenza viruses is based on 9 types
of neuraminidase and 16 types of
hemagglutinin. The second glycoprotein is the study subject of the
research team led by Dr. D. Corti.
Selection of the antibody
The research team selected the
monoclonal antibody FI6 which
is able to bind to the hemagglutinin group 1 and 2 in vivo. FI6 is a
combination of the heavy variable
region VH3-30*18 and the light variable region kappa VK4-1*01, with
a long heavy chain complementary-determining region 3 (HCDR3)
and a large amount of somatic mutations in both VH and VK genes.
Another clonally related antibody
(FI370) was found during studies
conducted in November 2009.
In addition to this antibody a FI6GL version was produced. This
version was clonally related to the
antibody FI370 and an antibody
which contains all the mutations
shared by FI6 and FI370 representing the evolutionary branching
point (FI6/370-BP).
13
FI6 neutralized group 1 and 2, FI6
and FI370-GL bound HA and neutralized viruses of group 1 but not
those of group 2, whereas FI6/370BP bound group 1 and with low efficiency group 2 HAs.
This information led to the optimization of the antibody FI6 variant
which lacks unnecessary somatic
mutations in the framework regions.
A variant called FI6v3 showed
binding and in vivo neutralizing
properties comparable to those of
FI6.1
Therapeutic efficacy of FI6
and FI6v3 in vivo
The efficacy of FI6 was tested in
vivo in mice lethally infected with
A/Puerto Rico/8/34 (H1N1) virus.
It was shown that FI6 and FI6v3
were completely protective if administered at 4mg/kg and partially
protective at 2mg/kg. FI6v3 also
demonstrated its efficacy when injected at 15 mg/kg one or two days
after infection.
As reported in the article of Dr. D.
Corti, FI6 is identified as the first
example of a neutralizing monoclonal antibody for potential use
against all influenza A viruses.
At the moment we can only hope
that the clinical trials yield positive
results and that we will see a vaccine on the market soon; perhaps
the virus has only a few more
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14
TONIKUM
rounds to play.
More information on the structure
and the mechanism of action of the
antibody can be found in the paper
itself.
The entire editorial team hopes
that you are cautious in the autumn
and wishes you a healthy season
far away from any cold(s).
sgh
WHO Tweets
(@WHOnews)
Decrease in the number of
#malaria deaths from 985,000
in 2000 to 781,000 in 2009
#endmalaria (17.10.)
#Malaria can decrease GDP by
as much as 1.3% in countries
with high disease rates #endmalaria (17.10.)
Source
A neutralizing antibody selected from
plasma cells that binds to group 1 and
group 2 influenza A hemagglutinins, D.
Corti et al., Science, 333 850 (2011)
Skript Medicinal Chemistry, J.Hall
ETH, March 2011; “Drugs-Influenza”
This Day in Music, October
13th: Why don‘t you all ffff-fade
away (13.10., by @TheWho)
People affected by guineaworm disease are often unable
to attend school, to farm or to
do other work (5.10.)
@MatthewsMichele
Happy
88th birthday to your granny!
And safe driving - no tweeting
while driving, please.. ;-) (1.10.)
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
Sicherheit
Wer im Labor arbeitet, dem passieren Fehler, welche allerdings
meistens keine schlimmen Auswirkungen haben. Der eher laxe Umgang von Studierenden mit Säuren
ist zur Genüge an diversen Laborkitteln dokumentiert. Sollte jemand
das Studium ohne Säurelöcher
absolvieren, dann kann man davon ausgehen, dass er Teamwork
anders definiert (Toll, ein anderer
machts).
Nun zu den oft verwirrenden Bestimmungen im Labor. Man sammelt chlorierte und nicht chlorierte
Lösungsmittel getrennt, um Entsorgungskosten zu sparen. Das heisst
jetzt aber nicht, dass Kochsalzlösung (NaCl) in den chlorierten
Abfall gehört. Ansonsten besässen
wir auf der Erde eine Sonderdeponie im Umfang von 1,338 Mrd.
km³. Sondern in den chlorierten
Abfall gehören eben nur chlorierte
Lösungsmittel. Noch besser ist es,
wenn man Salpetersäure bei den
Lösungsmitteln entsorgt. Für die
Chemiker unter euch:
Und? Wer hat es erraten? Ja! Da
kann Nitroglycerin entstehen. Dies
kann dazu führen, dass erfahrene LabormitarbeiterInnen an den
Lösungsmittelbehältern nur auf
Zehenspitzen vorbeigehen. Auch
15
die unscheinbare Verwechslung
von NaCl mit NaF kann das Resultat eines Versuches in gefärlicher Weise beeinflussen. So kann
Flussäure entstehen, welche in der
Lage ist, Glasbehälter aufzulösen.
Aber das absolut Beste, was ich im
Studium mitbekommen habe, ist
ein Kommentar im Biologiepraktikum des 4. Semesters: „ Muss
man bei den 1000 μl - Pipetten vor
dem Pipettieren die Schutzkappe
entfernen?“ (Der Kommentar wurde aus dem Erinnerungsvermögen
des Journalisten rekonstruiert und
kann gewissen Variationen unterlegen sein). Wenn ihr einen Assistenten die Decke hinaufgehen sehen wollt, probiert es doch einmal
im Praktikum aus.
Zum grössten Teil kann man die
Sicherheit im Labor mit gesundem
Menschenverstand gut aufrecht
erhalten. An der ETH Zürich werden Unfälle vielseitig erfasst und
die Sicherheit laufend erhöht. Die
Erfassung der Unfälle geschieht
über drei verschiedene Kanäle:
Die Personalabteilung erfasst Unfälle an der gesamten ETH, welche in Arbeitsausfällen münden.
Kleinere Unfälle werden über die
Betriebssanität und die Alarmzentrale erfasst. Trotz dieser Absicherungen liegt die Dunkelziffer doch
noch in einem hohen Bereich.
skl
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Prüfungsstatistiken
Basisprüfung
Obligatorische Fächer 2. Jahr
TONIKUM
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
Obligatorische Fächer 3. Jahr
MIPS Fächer
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Ausgabe 9 11/2011
TONIKUM
Pharming - Drugs in your Cornflakes
Als „Pharming“ bezeichnet man
die Expression therapeutischer
Proteine in transgenen Nutzpflanzen, der Begriff selbst ist
eine Kombination aus farming
und Pharma. Ursprünglich galt
diese Herstellungsweise für
Biologicals als Lösung des Kostenproblems bei deren Produktion – zahlreiche Hindernisse
wie Umweltrisiken und Biosicherheit dämpften die Euphorie
jedoch beträchtlich. Nach der
Desillusionierung gelingen nun
erste Versuche, dem Pharming
mit kreativen Ansätzen eine
neue Blüte zu bescheren.
„Rüebli sind gesund!“ – diese alte
Weisheit könnte bald eine neue
Bedeutung für Patienten mit der
Gaucher-Krankheit erhalten: das
Enzym Glucocerebrosidase, dessen Mangel genetisch bedingt ist
und Leber- sowie Knochenprobleme verursacht,
kann neuerdings in transgenen
Karottenzellkulturen
hergestellt
werden. Das so gewonnene rekombinante Enzym Taliglucerase
alfa besticht durch tiefere Herstellungskosten und eine höhere Halbwertszeit als die heute eingesetzte
Glucocerebrosidase, die alle zwei
Wochen injiziert werden muss und
zu Therapiekosten von 200 000
U.S.-Dollar pro Jahr führt. Taliglucerase alfa von Protalix Biotherapeutics wird seine Marktzulassung
voraussichtlich am 1. Mai 2012 erhalten, nachdem es die Phase III
der klinischen Studien Ende 2009
erfolgreich abgeschlossen hat. Mit
der Zulassung wird es das erste
pflanzenbasiert hergestellte Biological, das von der FDA für eine
pharmazeutische Anwendung genehmigt wurde.
Essbare Impfstoffe
Das Interesse an plant-made
pharmaceuticals (PMPs) wurde
1989 geweckt
geweckt, als ein Paper
in Nature erschien, das
zeigte, wie
w monoklonale Antikö
Antikörper in Tabakpflanzen
produziert
werden können. Diese „plantibodies“
„pla
hatzwei Vorteile: sie
ten zw
waren bedeutend
ware
günstiger (ein
Kilogramm
kostete 100
U.S.-Dollar statt 3 Millieinfacher
onen) und zudem
zu
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Ausgabe 9 11/2011
aufzureinigen, da keine tierischen
Pathogene zu entfernen waren.
Die Erfolgsstory ging weiter, als
1995 eine Forschungsgruppe aus
Texas unter Leitung von Charles
Arnzten ein Paper in Science veröffentlichte, das von einem „essbaren“ Impfstoff berichtete. Dabei
handelte es sich um genetisch modifizierte Kartoffeln, die ein immunogen wirkendes Choleraprotein
produzierten und dadurch einen
Impfeffekt auszulösen vermochten. Nachdem die immunisierende
Wirkung in Mäusen, die von den
Kartoffeln gefressen hatten, gezeigt wurde, plante man, den Impfstoff in Entwicklungsländern einzusetzen, da er in dieser Form nicht
gekühlt werden muss.
Einen anderen Weg ging die Firma
Large Scale Biology Corp. in den
Neunzigern, die das Ziel verfolgte,
einen Impfstoff gegen Lymphome
herzustellen. Hierzu wurden Tabakpflanzen mit einer Flüssigkeit
eingesprüht, die Tabakmosaikviren mit dem entsprechenden Gen
enthielt. Die temporär transgenen
Blätter produzierten in nur 14 Tagen brauchbare Mengen an Antigenen. In Mäusen funktionierte er
gut, sodass man annahm, dass
man einem Patienten einen Impfstoff gegen seinen Lymphomtypen
in wenigen Wochen liefern kann.
Ausserdem hoffte man, dass die
Methode eher akzeptiert werden
würde, weil die Pflanzen nur so
lange transgen sind, bis sie ihre
Blätter abgeworfen haben. All die-
19
se Erfolge führten dazu, dass Mitte der Neunziger 180 Firmen an
Pharmingprojekten forschten.
Bald jedoch ergaben sich die ersten Probleme. Die Ausbeute an
Proteinen reichte oftmals nicht
aus, zudem erwies sich die Aufreinigung als schwierig. Bei den essbaren Impfstoffen bremsten starke
inter-individuelle Unterschiede in
der Antigenmenge der Pflanzen
die Entwicklung. Im Übrigen war
das Interesse der grossen Pharmafirmen an Pharmingansätzen
eher verhalten, da sie einerseits
die regulatorischen Hürden bei
der Food and Drug Administration
(FDA) scheuten, die für die Zulassung der neuen Produktionsweise
zu nehmen wären; andererseits
kümmerten sie sich nicht besonders um die Produktionskosten,
weil diese verglichen mit den klinischen Studien vernachlässigbar
sind.
Kontamination nichttransgener Ernten
Eine besonders starke Abschreckung war jedoch das PR-Desaster
der Firma Prodi-Gene Inc. Sie liess
ein Feld in Nebraska mit transgenem Mais, der einen Impfstoff für
Schweine exprimierte, bepflanzen.
Problematisch wurde dies, als unter den Sojabohnenpflanzen, mit
denen das Feld danach bestellt
wurde, Überreste der transgenen
Maispflanzen gefunden wurden.
Das U.S. Department of Agriculture
(USDA) stellte eine Busse von 250
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000 U.S.-Dollar aus und zwang
ProdiGene dazu, 3 Millionen für
das Aufkaufen und Vernichten der
verseuchten Sojabohnen zu bezahlen. Zum einen verschärfte das
USDA daraufhin die Auflagen für
Feldversuche, zum andern wuchs
der Widerstand von Aktivisten und
Bauern gegen den Gedanken an
„drugs in your cornflakes“, besonders in bzw. aus ihrer Region. Dies
führte beispielsweise dazu, dass
die Firma Ventria Bioscience ihren
gentechnisch veränderten Reis,
der aufgrund zweier zusätzlicher
Proteine aus der Muttermilch gegen Durchfall wirksam sein sollte,
nicht wie zuerst geplant in Kalifornien oder Missouri, sondern
in Kansas pflanzen liess, da dort
traditionell kein Reisanbau betrieben wird. Durch die physikalische
Isolation konnte das Risiko der
Transformation nicht-transgener
Pflanzen vermindert werden. Dem
Problem der Verbreitung durch Samen während Ernte, Transport und
Weiterverarbeitung
entgegnete
man durch spezielle Farmmaschinen und eine Anlage zur Prozessierung und Lagerung, die nur für
den genetisch modifizierten Reis
benutzt wurde.
Viele Ökologen und Pflanzenwissenschaftler standen dem Pharming von Beginn an skeptisch
gegenüber. Zur Problematik der
versehentlichen Vermischung von
transgenen und nicht-transgenen
Pflanzen kommt diejenige der Biosicherheit hinzu. Mitglieder eines
TONIKUM
Ökosystems können nämlich durch
den exogenen Wirkstoff gefährdet sein. So besteht bei Feldern
unter freiem Himmel das Risiko,
dass Tiere oder Menschen ungewollt grössere Mengen wirkstoffenthaltender Nutzpflanzen, die ja
ursprünglich auf möglichst guten
Geschmack und Nährstoffreichtum
«Viele Ökologen standen dem Pharming von
Beginn an skeptisch
gegenüber.»
gezüchtet wurden, verspeisen.
Aufgrund der vielen Risiken sahen
viele Firmen davon ab, Nutzpflanzen zur Produktion von Pharmazeutika zu verwenden. Monsanto
stellte die Forschung an PMPs sogar vollständig ein. In den grossen
Pharmafirmen konzentrierte man
sich auf Bakterien, Pilze und Säugerzellkulturen zur Expression von
Biologicals.
Doch auch die geläufigen Expressionssysteme sind nicht unproblematisch. Prokaryoten eignen
sich beispielsweise nicht für die
Herstellung komplexer therapeutischer Proteine, Pilze zeigen Differenzen in post-translationalen
Modifikationen (PTM) und Säugerzellkulturen führen zu hohen Kosten, Schwierigkeiten im scale-up
sowie potentiellen Kontaminationen durch humanpathogene Viren
und Prionen. Pflanzliche Vektoren
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bieten dagegen hohe Ausbeuten,
während Protalix wie eingangs
tiefe Kosten und die Möglichkeit,
erwähnt auf Pflanzenzellsuspensiden Output bei steigender Nachonen setzt und sich von der transfrage oder zu geringer Ausbeute
genen Technologie mit ganzen
leicht zu erhöhen, weil sich der
Pflanzen betont distanziert. Eine
„Bioreaktor“, also das Feld, prinzineue Methode zur Expressionsverpiell problemlos vergrössern lässt.
besserung wurde zudem von Icon
Ausserdem lassen sich in Pflanzen
Genetics entwickelt. Sie benützt
fast alle PTM der Säugerzellen in
Bakterien, um transgenbeladene
die rekombinanten Proteine einfühViren in Tabakpflanzen zu bringen.
ren, wie beispielsweise GlykosyDazu werden die Pflanzen in eine
lierungen, proteolytische SpaltunLösung getunkt, die Agrobacterium
gen und Oligomerisierungen, die
mit Tabakmosaikvirus-DNA entfür Bioaktivität, Pharmakokinetik,
hält, welche das gewünschte Gen
Stabilität und Löslichkeit von Biobeinhaltet. Das Bakterienbad, gelogicals essentiell sind. Unglücklifolgt von ein paar Sekunden Vakucherweise können sich diese vom
um, bringt viel mehr Viren ins BlattMenschen derart unterscheiden,
gewebe als das blosse Ansprühen
dass die Proteine, falls sie injiziert
der Blätter mit virenenthaltender
werden, vom Immunsystem als
Flüssigkeit. Mit dieser so genann„fremd“ erkannt werden und unerten „Magnifection“ steigert sich
wünschte Immunreaktionen auslöMenge der produzierten Biologisen können. Knock-out-Ansätze,
cals auf das Hundertfache, sodass
bei denen die Enzyme, welche die
weniger Nutzpflanzen benötigt
entsprechenden
werden und eine
immunogenen
kommerzielle
«Der „Bioreaktor“,
Modifikationen
indoor-Produkalso das Feld, lässt sich tion realisierbar
einführen, gentechnisch
aus
wird. Zusätzlich
prinzipiell problemlos
den
Pflanzen
verkürzt sich die
vergrössern.»
entfernt werden,
Entwicklungswerden aber bezeit im Vergleich
reits erfolgreich angewendet.
zur vollständig transgenen Pflanze von ein bis zwei Jahren auf ein
paar Wochen, was die Technik
Revival dank Kreativität
auch für die Impfstoffherstellung
Die zahlreichen Nachteile und
interessant macht. Erste Tests mit
Rückschläge zwangen die Firmen
Grippe- und Anthraximpfungen
dazu, neue Wege zu gehen. So
sind im Tierversuch erfolgreich,
benützt SemBioSys Genetics Inc.
weitere gegen Malaria und die
die eher unkontroverse FärberdisSchlafkrankheit sind in Planung.
tel (Carthamus tinctorius L.) für die
rekombinante Insulinproduktion,
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Was für ein Schicksal blüht dem
Pharming? Zweifellos haben PRDesaster und praktische Probleme die Euphorie der Neunziger
empfindlich gedämpft. Intelligente
Strategien zur Eindämmung der
Transgenausbreitung sowie neue,
effizientere Technologien führten
aber dazu, dass der Trend wiederum in Richtung grossflächiger Herstellung von therapeutischen Proteinen geht. Momentan versucht
man, mit eher unproblematischen
Projekten wie Impfstoffen für Entwicklungsländer eine Marktzulassung zu erlangen und Bedenken
bezüglich Sicherheit und Umweltrisiken abzubauen. Gelingt dies,
wird darauf wohl eine Vielzahl weiterer in Pflanzen exprimierter Biologicals folgen. Ob die Rüebli dann
in Zukunft immer noch so gesund
sind, wird sich weisen.
ssm
Quellen:
Kaiser, J. Science 320, 473-475
Stewart, C.N., Jr. Nat. Biotechnol. 26,
1222-1223
www.protalix.com/ (25.9.2011)
WHO Tweets
(@WHOnews)
Health-care costs for noncommunicable diseases can quickly
drain household resources,
driving families into poverty
#ClosetheGap #SDOH (20.10)
In low-income countries, average life expectancy is 57. In
high-income countries? 80
#ClosetheGap #SDOH (19.10.)
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23
Doping im Breitensport
Doping im Spitzensport ist ein
bekanntes Problem. Doping im
Breitensport dagegen wird weitgehend tot geschwiegen. Doch
was Profisportler vormachen,
ahmen tausende Freizeitsportler nach.
Worüber unterhalten sich ambitionierte Radfahrer in öffentlichen
Internet-Foren? Nein, nicht bloss
über den neuesten Stand der
Fahrradtechnik und schöne Trainingsstrecken...
Anfrage von Speedy
„Hier scheinen ja einige zu sein,
die sich mit der Materie auskennen. Ich wollte mal eine Idee vorstellen: Im Januar/Februar Hier
liegt der Schwerpunkt bei relativ
hohen Umfängen im Grundlagenausdauer und Kraftausdauertraining. Zusätzlich etwas Schnellkraft
(Sprints zw. 6-20 Sekunden):
e10d 250mg Sustanon i.m.
ed 10mg Winnie (oral) / allerdings
nur an den Trainingstagen, dann
immer morgens
Das Ganze über ca. 6 Wochen.
Danach absetzen. Macht es Sinn
die Zeit danach mit Primobolan zu
verlängern, oder lieber länger Testo/Sustanon? Um vielleicht noch
etwas Fett zu verlieren eventl. ECA
Stack, das mach ich vom Gewicht
abhängig. Meist verliere ich schon
durch das Testo deutlich an Fett.
Von T3 habe bisher immer die Finger gelassen. Ich hatte zuviel Respekt vor den NW, bzw. kenn mich
da auch nicht richtig aus. Bringt
es wesentlich mehr? Wie hoch
sind die NW in der Dosierung die
Ausdauersport in Frage kommt?
Anschliessend wollte ich vielleicht
mal einen Block mit Oral Turinabol testen (hatte ich bisher keine
Quelle für, jetzt aber). Reicht das
only, oder besser auch mit Testo?
Wieviel Pause sollte man machen,
oder überhaubt keine Pause? EPO
und HGH habe ich bisher keine
zuverlässige Quelle/ bzw. viel zu
teuer. Wieviel mehr bringt es wirklich?“
Erwiderung von Racer
„Erstmal WELCOME on Board!
Der Reihe nach: Sustanon ist ja
ein Testo-Mix, von daher eine nicht
so hohe HWZ wie Enanthat oder
Cypionat. Wenn Du nur e10d injizierst, würde ich eher Enanthat
oder Cypionat (mein persönlicher
Favorit) nehmen, da Du sonst höheren Schwankungen unterliegst.
Wie wären denn 125-200mg e5d?
10mg Winnis ed - Puhh, schwierig
zu sagen. Warum Winnis? Wenn
Du Kraft möchtest, keine gute
Wahl. Ausserdem trocknet es die
Sehnen aus und ich denke, dass
24
TONIKUM
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kann man als Radsportler (insbesondere bei Sprints) überhaupt
nicht gut gebrauchen. Stichwort
Verletzungsrisiko? Ich würde eher
das testo höher dosieren und solche Scherze wie Winnis oder Turinabol etc. weglassen. Wenn Du
NICHT getestet wirst, wären 100150mg Deca e5d dazu eine Alternative. Kann man auch in einer
Spritze mit dem Testo aufziehen.
Wenn Du getestet wirst, BLOSS
NICHT machen.
Warum nur 6 Wochen? Finde
ich persönlich zu kurz. Wie wäre
es mit 8 Wochen langes TestoEsther, dann für zwei Wochen
auf Propionat und damit langsam
ausschleichen. Ist nicht so effektiv wie absetzen mit Clomid, aber
die Nachweisbarkeit davon ist zu
hoch. Dann lieber Testo-Prop oder
noch bessser Suspension nehmen
und bis zu 10mg ed runter gehen.
Der Körper kommt auch so wieder
auf die Beine, zumal die Dosierung
vorher ja eher moderat war.
Oral Turinabol halte ich persönlich
GAR NIX von. Dann nimm lieber
wie schon gesagt Testo. Du wirst
nichts finden, was in einer solchen
Dosierung so gut verträglich ist, so
wenig NWs hat, so kurz nachzuweisen ist und dabei so viel Kraft
bringt.
Zu EPO und HGH: HGH bringt
gut was in Verbindung mit T3 oder
auch Insulin. T3 ist für mich die
letzte Eskalationsstufe beim ab-
nehmen. Funktioniert natürlich super, ist aber auch am gefährlichsten. ECA Stack (ein richtiger, keine
deutschen Produkte mit PseudoKram drin) tuts schon wie Hölle
und beim Körper eines Radfahrers
erst recht. Ich nehme da immer
Yellow Cabs von D&E, gibt aber
auch gute andere Sachen.
Und das EPO es tut, ist ja wohl
unbestritten. Sonst würde es doch
nicht jeder nehmen, der ernsthaft
etwas reissen möchte im Radsport, oder? Ist leider so, aber ich
denke es gibt nur sehr sehr sehr
wenige, die es nicht nutzen in der
Weltspitze. Vielleicht auch keinen.
So, ist etwas viel geworden, hoffe
Dir geholfen zu haben.“
Im Klartext
Bei den genannten Präparaten
handelt es sich in erster Linie um
muskelaufbauende
Anabolika
(Sustanon, Winstrol, Promobolan,
Oral-Turinabol, Propionat, Cypionat, Enanthat, Deca). Mit OralTurinabol wurden DDR Athleten
in grossem Stil gedopt. T3 bezeichnet das Schilddrüsenhormon
Trijodthyronin, welches den Stoffwechsel beschleunigt. EPO ist das
Nierenhormon Erythropoetin, welches an der Bildung der roten Blutkörperchen beteiligt ist. HGH steht
für human growth hormone, ein
Wachstumshormon.
ECA-Stack
ist ein Kombinationspräparat aus
Ephedrin, Koffein und Aspirin, das
in Fitnesskreisen als Fatburner
eingesetzt wird. Clomid schliess-
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Ausgabe 9 11/2011
lich enthält einen selektiven Östrogen Rezeptor Modulator, der missbräuchlich dazu verwendet wird,
nach Absetzen von Anabolika die
körpereigene Testosteronproduktion in den Hoden wieder anzukurbeln.
Gespräche wie den obigen Chat
zwischen den zwei Radfahrern
gibt es unter Breitensportlern
zu
tausenden. Exemplarisch sieht man
hier, wie leichtsinnig viele verschiedene – teils wegen
starker Nebenwirkungen
offiziell
vom Markt zurückgezogene – Präparate ausprobiert
werden und die
dabei gemachten
Erfahrungen untereinander ausgetauscht werden.
Typisch ist auch
das fehlende oder
ausgeblendete Bewusstsein gesundheitlicher Risiken, insbesondere über mögliche Langzeitfolgen.
Epidemiologie
Wie häufig ist Doping im Breitensport? Da es im Breitensport praktisch keine Dopingkontrollen und
nur wenige Studien zum Thema
gibt, ist die Zahl schwierig abzuschätzen. Eine Studie der Universität Lübeck schätzt die Zahl von
25
Breitensportlern, die Anabolika
oder andere Substanzen missbrauchen, bundesweit auf 200‘000.
Eine Umfrage in Fitnessstudios
im Grossraum Hamburg kommt
zum Schluss, dass jeder vierte
männliche Freizeitsportler, der in
einem kommerziellen Fitnessstudio trainiert, leistungssteigernde
Medikamente einnimmt. Bei den
Frauen sollen es
14 Prozent sein.
Der Sportmediziner Wilfried Kindermann von der
Universität Saarbrücken schliesslich schätzt: „Etwa
jeder fünfte Breitensportler
ist
gedopt.“ Es gibt
keinen Grund anzunehmen, dass
die entsprechenden Zahlen in der
Schweiz stark von
jenen in Deutschland abweichen.
Am häufigsten werden im Amateursport Anabolika, Wachstumshormone und Schmerzmittel missbraucht. Besonders betroffen ist
dabei die Bodybuilderszene. „Es
gibt immer mehr Jugendliche, die
schon mit 14, manchmal sogar
mit zwölf Jahren Pillen schlucken
und sich Spritzen setzen, um dickere Arme zu bekommen“, sagt
der Ex-Bodybuilder und Gründer
einer Anti-Doping Initiative, Jörg
Börjesson. Börjesson berichtet, er
Ausgabe 9 11/2011
26
habe sich Jahre nach seinem Anabolikakonsum 400 Gramm Brustdrüsengewebe operativ entfernen
lassen müssen und habe heute
nicht nur Schmerzen im Bereich
der Operationsnarben, sondern
auch Magen-Darm-Beschwerden
und Bandscheibenschäden.
Nebenwirkungen
Mit welchen Nebenwirkungen ist
bei Hormonmissbrauch zu rechnen? Da Anabolika bei Missbrauch
oft massiv überdosiert werden,
kommt es zu dramatischen Nebenwirkungen und Spätschäden. Im
kardiovaskulären System zu Myokardinfarkt, Arrhythmien, plötzlichem Herztod und Thrombose.
In der Leber zu Leberzysten. Bei
Männern zu beeinträchtigter Spermatogenese, Hodenschwund bis
zur Infertilität, Erektionsstörungen,
Glatzenbildung und Gynäkomastie
(Vergrösserung der Brustdrüse).
Bei Frauen zu Menstruationsunregelmässigkeiten, Infertilität, ovarialer Zystenbildung, Klitorisvergrösserung, Brustverkleinerung,
Vertiefung der Stimme und Haarausfall. Aufgrund von Überbeanspruchung kommt es häufiger zu
Sehnenrissen. Obwohl die meisten
Nebenwirkungen nach dem Absetzen als reversibel angesehen werden, ist zu vermuten, dass gewisse
Probleme über Jahre anhalten und
es nicht immer zur völligen Rückbildung der Veränderungen kommt.
Bei jungen Anabolikakonsumenten
ist zusätzlich auf eine Beschleunigung der Knochenreifung (vorzeiti-
TONIKUM
ger Epiphysenverschluss) zu achten, die zu einer Reduzierung der
Endgrösse führen kann.
Das Wachstumshormon Somatotropin (HGH – human growth
hormone) beeinflusst die Aktivität
und den Stoffwechsel nahezu aller
Körperzellen (auch von Tumorzellen). Eine unphysiologisch hohe
Somatotropinkonzentration führt
zu Akromegalie, einer Vergrösserung von Händen, Füssen, Kinn
und Unterkiefer, Ohren, Nase und
Augenbrauenwülste sowie der Geschlechtsteile. Die Körperproportionen wirken durch dieses Wachstum insgesamt unharmonisch und
vergröbert. Ausserdem vergrössern sich die inneren Organe und
der Haarwuchs wird angeregt. Aufgrund verstärkter Wasserretention
können periphere Ödeme entstehen.
Die Stimulantien werden umgangssprachlich als Aufputschmittel bezeichnet und bilden eine
grosse Gruppe mit vielen verschiedenen Substanzklassen. Substanzen dieser Klasse, so z.B. Strychnin oder Coffein, zählen zu den
ältesten Dopingmitteln. Strychnin
greift an Glycin Neurotransmittern
im Rückenmark an, unterbindet
dort die hemmende Wirkung des
Glycins und führt bereits in geringen Dosen zu Krämpfen und Tod
durch Atemnot. In sehr geringen
Dosen wurde es früher als Analeptikum eingesetzt. Coffein stand bis
2004 ebenfalls auf der Dopingliste,
TONIKUM
Ausgabe 9 11/2011
wurde aufgrund seiner ubiquitären Verbreitung allerdings wieder
gestrichen. Weiterhin verboten
sind Cocain, Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy sowie
verwandte Designerdrogen. Sie
stimulieren den Sympathikus und
steigern somit die Leistungsbereitschaft, verringern die Müdigkeit
und unterdrücken Hungergefühle. Die Gefahr bei Stimulantien im
Leistungssport besteht darin, dass
mit ihnen erreichte Leistungssteigerungen das totale Ausschöpfen
der Leistungsreserven bis zum
körperlichen Zusammenbruch bewirken können. Im Breitensport
steht dagegen eher die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit im
Vordergrund.
Beschaffung
Die Beschaffung der Substanzen
ist ein Kinderspiel. Mögliche Quellen reichen vom Internet über Bodybuilding Studios und Arztpraxen/
Apotheken bis zu Dealern auf dem
Schulhof oder im Sportverein. Es
wird geschätzt, dass in Deutschland auf dem Schwarzmarkt mit
Doping jährlich 100 Millionen Euro
umgesetzt werden.
Woher bekommen die Dealer ihre
Präparate? Häufig werden Substanzen von Pharmafirmen in Europa legal ins Ausland exportiert
und dort von Amateurbodybuildern
im Rahmen von Urlaubsaufenthalten oder von organisierten Banden
erworben und wieder zurück nach
Europa geschafft. Viele Pharmafir-
27
men wissen ganz genau, dass ein
Teil ihrer Präparate missbraucht
wird. Eine Studie aus dem Jahr
1998 zeigt beispielsweise, dass in
Italien EPO das am fünfthäufigsten verkaufte Medikament ist. Die
Menge reicht für 40‘000 Patienten – aber es gibt in Italien offiziell
nur 3000 Patienten. Der Rest verschwindet auf dem Schwarzmarkt.
In den USA wiederum sind 60 Prozent der verkauften Wachstumshormone illegal hergestellt und
werden von Sportlern konsumiert.
Problematisch ist dabei natürlich,
dass auf dem Schwarzmarkt gehandelte Präparate keiner Qualitätskontrolle unterliegen. Man
kauft die Katze im Sack. Ein besonders makaberes Beispiel ist
HGH aus Osteuropa, das aus
Hirnanhangsdrüsen von Leichen
gewonnen wird. Der Vorteil für die
Sportler: Es ist im Gegensatz zum
gentechnisch hergestellten HGH
analytisch nicht als Doping nachweisbar. Der Nachteil: Die Gefahr
der Erkrankung an HIV, Hepatitis,
Creutzfeldt-Jakob und anderen
Krankheiten ist gross.
Nicht bloss grosse Pharmaunternehmen, auch Ärzte und Apotheker stehen nicht gut da. Eine
Umfrage unter steroidmissbrauchenden Bodybuildern in Deutschland hat gezeigt, dass in rund einem Fünftel der Fälle Anabolika
ärztlich verschrieben wurden. Bei
einem weiteren Fünftel stammen
die Mittel aus einer Apotheke. Dr.
28
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Gérald Gremion, Sportmediziner,
sagte in einem Interview aus: „In
der Schweiz bestellen gewisse
Apotheken EPO direkt bei Firmen
vor allem in Deutschland, den Niederlanden und osteuropäischen
Ländern. Die Ampullen werden
dann unter dem Ladentisch verkauft und bringen zwei- bis dreimal
mehr Profit als die legal verkauf-
ker äusserten keine Bedenken,
die waren froh, dass sie leicht
den Umsatz erhöhen konnten.
Ich hatte trotzdem immer grosse
Mühe, eine Apotheke zu betreten.
Es brauchte dazu mehrere Anläufe und der Puls war dabei höher
als im Training. Wenn im Laden
andere Leute standen, kaufte ich
einfach Lutschtabletten, ging wieder und versuchte
es später wieder.
Es war eine Tortur.
Aber ich wollte EPO
nicht einfach über
eine Relaisstation
beziehen. Ich hatte
einfach zu grosse
Angst - vor unsauberen Substanzen
und dass irgendwann was auffliegen
würde.“
ten.“ Diese Praxis wird durch die
Aussage von Rolf Järmann, einem
ehemaligen Radprofi, untermauert:
„EPO musste ich mir selber besorgen. Obwohl das heikel war, kam
ich in der Schweiz relativ einfach
an EPO. Ich ging immer in Apotheken, bestritt also den offiziellen
Weg. Mit einem ärztlichen Rezept
konnte ich EPO in jeder Apotheke
beziehen. Die Apotheker sind nicht
blöd, die wussten genau, wofür ich
das brauchen würde. Beim ersten
Mal dachte ich zwar, der Mann
hinter der Ladentheke würde mich
nicht kennen. Doch bereits bei
meinem zweiten Besuch sprachen
wir übers Velofahren. Die Apothe-
Prävention
Wie können Apotheken dazu beitragen, den Dopingmissbrauch
zu verringern? Bei Stammkunden
heisst es Augen offen halten: Eine
rasche Zunahme von Muskelmasse bei gleichzeitiger Reduktion des
Fettanteils, Auftreten von Akromegalie, zunehmende Aggressivität,
Schlaflosigkeit, hoher Verbrauch
an Nahrungssupplementen und
die Nachfrage nach leistungsfördernden Medikamenten gehören
zu den Hinweisen auf Doping.
Ausserdem ist es wichtig, bei Abgabe entsprechender Präparate
eine sorgfältige Beratung durch-
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Ausgabe 9 11/2011
zuführen. 60 bis 80 Prozent der
Konsumenten würden sich nach
eigenen Angaben vom Doping
abhalten lassen, wenn die möglichen Gesundheitsfolgen vermittelt
würden. „Männer auf Impotenz mit
Hodenatrophie und verminderter
Spermienproduktion als mögliche
Folge von Doping hinzuweisen,
hat oft eine abschreckende Wirkung“, so Christoph Raschka von
der Universität Frankfurt.
ost
29
Quellen:
Ralf Meutgens, Doping im Radsport,
Delius Klasing Verlag, 2007
Rudhard K. Müller, Doping, C.H. Beck,
2004
http://www.aerzteblatt.de/
http://www.faz.net/
http://www.spiegel.de/
http://www.cycling4fans.de/
Bilder:
http://cdn2.cagepotato.com/wp-content/uploads/steroids-1.jpg
h t t p : / / f a r m 4 . s t a t i c . f l i c k r. c o m /
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Impressum
TONIKUM
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Redaktion
Titelblatt
Simon Matoori (ssm), Chefredaktor
Katja Estermann
Rea Signorell (rsi), Vize-Redaktorin
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Anregungen, Wünsche & Kritik
Stephan Limbach (skl), Reporter
gerne an
Karina Messmer (ase), Reporterin
[email protected]
Oliver Stähli (ost), Reporter
Druck
Muriel Grämer (mgm), Lektorin
PrintShop Werd
Marisa Schenkel (mas), Lektorin
Auflage: 400 Stück
Marco Grob (mag), Layouter
Ausgaben: 4 pro Jahr
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30
Swiss Pharmameeting 2011
Seit Jahren schreien die über 1250
Schweizer Pharmastudenten nach
einem solchen Event und bald ist
es tatsächlich so weit. Das grösste
nationale Treffen aller Schweizer
Pharmastudenten in der Geschichte wartet am 12. November 2011 in
Zürich auf euch.
Das Swiss Pharmameeting
2011!
Pharmastudenten aus 7 verschiedenen Schweizer Universitäten
werden in Zürich einen unvergesslichen Tag ganz nach dem Motto
des Events verbringen: Meet Pharma- Meet Friends- Meet Zürich.
Meet Pharma
Der Tag wird mit einem auch für
Nicht-Pharmastudenten zugänglichen Symposium im Auditorium
Maximum der ETH beginnen. Es
trägt den Titel „School Medicine
vs. Alternative Medicine – It’s your
Choice! “ Dieses Symposium wird
das brandaktuelle und kontroverse Thema der Gegenüberstellung
der zwei Medizinarten diskutieren.
Nebst Vorträgen zum Vergleich
von schul- und komplementärmedizinischen Kopfschmerztherapiemethoden, wird es auch eine wissenschaftliche Podiumsdiskussion
mit illustren und namhaften Gästen
geben. Ein gesundheitspolitisches
Streitgespräch mit Politikern und
Krankenkassenvertretern wird das
Symposium abrunden.
Meet Zürich
Die Zürich City Games warten auf
euch. Macht euch gefasst auf eine
City Tour, wie ihr sie noch nie erlebt habt. Spassfaktor garantiert.
Meet Friends
Wenn ihr bis jetzt noch an euren
besten ETH-Kollegen geklebt habt,
wird sich das am Abend leicht ändern. Wolltet ihr nicht schon immer ein Dinner mit einer hübschen
Genferin oder eine Party mit einem
attraktiven Berner haben? Hugo
Stamm, Sektenexperte und Redaktor beim Tagesanzeiger, wird
während des Dinners erzählen,
wie Wunderheiler und Schamanen
ihrerseits Leuten Heilung versprechen. Warum nicht mit dem intelligenten Basler und der charmanten
Fribourgeoise darüber diskutieren
und anschliessend mit dem humorvollen Lausanner und der
Neuchâtelerin mit dem sexy Hüftschwung bis in die Morgenstunden
abtanzen.
Wie ihr seht, bietet das Swiss
Pharmameeting 2011 alles, was
das Herz eines Pharmastudenten
begehrt und wird umso besser,
wenn auch ihr dabei seid.
Meet you at the Swiss Pharmameeting 2011 in Zürich!
Yoran Beldengrün,
Chairman Swiss Pharmameeting
TONIKUM
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31
Wir sind eine dynamische und schnell wachsende Gruppe mit
rund 27 Apotheken, Drogerien und assoziierten Partnerschaften
in der Deutschschweiz. Unsere Kunden stehen im Mittelpunkt
und werden von engagierten Mitarbeitenden mit Freude
und Kompetenz betreut und beraten. Bei uns sind Sie am Puls
des Geschehens.
Jungen Akademikern bietet die Topwell-Apotheken AG
interessante Möglichkeiten, ins Berufsleben einzusteigen.
Wir bieten Ihnen die Chance, Ihre Kompetenzen
in einem vitalen Umfeld voll zu entfalten
und weiterzuentwickeln.
Interessiert? Herr Markus Wetter, Personalleiter,
erteilt Ihnen gerne weitere Auskünfte.
Topwell-Apotheken AG | Markus Wetter
Lagerhausstrasse 11 | 8401 Winterthur
Tel. 052 268 80 88 | Fax 052 268 80 81
[email protected] | www.topwell.ch