Herzschlag Woche 2: gesehen - Gottesdienst

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Herzschlag Woche 2: gesehen - Gottesdienst
Autor:
Thomas Sackmann
gesehen – Woche 2
Anregungen für den Gottesdienst
Woche 2 - gesehen / Gottesdienst
Gottesdienst
Ziel
Ziel des Gottesdienstes sollte die Motivation und Ermutigung sein, selber barmherzig zu handeln, da
wo Gott mir die Not eines Menschen in meinem Umfeld zeigt. Dieser Mensch ist für diesen Moment
mein Nächster. Es geht dabei nicht um große Initiativen und Projekte, sondern um die Not, die ich
sehen kann, wenn ich mich nicht davor verschließe. Es geht zuerst um das Wahrnehmen und Sehen
(wollen) der Not und dann in einem zweiten Schritt um die Konsequenzen, die ich daraus ziehe, also
um das praktische, barmherzige Handeln.
Schriftlesung
Matthäus 25,34-46 vgl. (Jes 58.7+8):
Jesus nennt hier sechs Handlungsweisen der Barmherzigkeit, an denen wir „gemessen“ werden, oder
zumindest erkannt werden. Es sind Dinge, die jedem von uns möglich sein können. Es geht nicht
darum, dass wir eine Hilfsorganisation oder große soziale Einrichtungen gründen, sondern es geht um
die kleine Hilfe, die jeder von uns leisten kann. Es sind einfache Hilfen, die jeder Mensch gewähren
kann: zu essen und zu trinken geben, jemanden aufnehmen, jemanden kleiden, nach anderen
schauen. Ist das zu viel verlangt von Jesus?
Liedvorschläge

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




In der Stille angekommen
Wir kommen zu dir, wir kommen zu dir
Wo ist solch ein Gott
Herr deine Gnade
Wo ich auch steht, du warst schon da
Herr das Licht deiner Liebe leuchtet auf
Friede mit euch
(Feiert Jesus II / 189)
(Du bist Herr II / 261)
(Du bist Herr II / 273)
(Feiert Jesus II / 78)
(Feiert Jesus II / 133)
(Feiert Jesus II / 45)
(ich will dir danken / 278)
Zeugnisse
Hier können Zeugnisse von Menschen aus der Gemeinde kommen, die „stille Diakonie“ ausüben.
Stille Diakonie ist ein Begriff für diakonisches Handeln am Nächsten, ohne den Auftrag einer
Gemeinde, oder dem Eingebunden sein in sozial-diakonische Einrichtungen und Initiativen. Einfach
handeln, weil ich dazu die Notwendigkeit sehe, aus Liebe und Mitgefühl.
Filmsequenz:
Rechtliche Voraussetzungen für die Aufführung berücksichtigen:

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


E-wie Evangelisch: die Barmherzigkeit (http://www.youtube.com/watch?v=rTk6IT01LZs)
Compassion Clips; (http://www.youtube.com/user/CompassionDeutsch)
Fresh Expressions DVD;
www.58-derfilm.de;…
A21 (Menschenhandel, Sklaverei) (http://www.youtube.com/watch?v=KwOz_SzfMoE)
Anspiel zu Lukas 10:




Geschichte klassisch nachspielen,
verfremden,
übertreiben,
die handelnden Personen laut ihre Gedanken und Gefühle aussprechen lassen
 oder ein eigenes Anspiel schreiben, dass an das Umfeld und die Lebenswirklichkeit der Gemeinde
angepasst ist;
(hier als gedankliche Anregung mein Vorschlag; Zielrichtung: nicht nur sehen, sondern auch
handeln, ganz im Sinne des Kernsatzes der Woche.)
Beispiel:
Zwei Personen sitzen zuhause auf dem Sofa und schauen sich die Nachrichten an. Die eine Person
bricht bei den vielen schlimmen Nachrichten dieser Welt in Tränen aus. Der Kummer und Schmerz
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über das, was sie sieht scheint grenzenlos zu sein. Sie bejammert und beklagt das Leid und die Not
dieser Welt. Als die Nachrichten zu Ende sind geht sie zur Tagesordnung über. In ihrem normalen
Alltag ist nichts zu sehen von ihrer großen Empathie. Sie hat keine Auswirkungen auf ihr Leben.
Die zweite Person sieht die Nachrichten sehr aufmerksam an, sieht dieselbe Not dieser Welt, wie die
Person neben ihr. Es scheint keine Gefühlsregung in ihr wahrnehmbar zu sein. Doch im Alltag betet
sie für das, was sie gesehen hat, engagiert sich in der Flüchtlingshilfe, verteilt als ehrenamtliche
Mitarbeiterin der „Tafel“ Lebensmittel an Bedürftige,…
Wenn die erste Person nach Hilfe gefragt wird, geht sie achtlos weiter, sie ignoriert die Not und ist nur
mit sich selbst beschäftigt. Die zweite Person aber engagiert sich erstaunlich selbstlos und gibt wo sie
kann und ihre Hilfe gefragt ist.
Wer von den beiden ist nun barmherzig?
Predigtvorschlag
Thema: Gesehen – Gott sieht, was Du (noch) nicht siehst
Predigttext: Lukas 10,25 - 37(NGÜ)
Das Liebesgebot und das Beispiel des barmherzigen Samaritaners
(Diese Predigt ist nur eine Anregung, ein Versuch, das Thema der zweiten Woche „Herzschlag“
aufzunehmen und kann mit persönlichen Beispielen ergänzt werden. Die Anwendung und Praxis
ergibt sich dann aus der Kleingruppe heraus und aus dem persönlichen Weiterdenken. Mir ging es
darum, mit der Predigt eine Grundlage und Motivation für das Thema „Barmherzigkeit“ zu legen. Ich
wünsche allen, die an diesem Text weiterarbeiten, Gottes Segen. )
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Nachdem es in der ersten Kampagnenwoche darum ging, zu hören und zu verstehen, genau hin zu
hören, was Gott für diese Welt will, welche Botschaften durch die beiden Visionstexte in unseren
Herzen ankommen, geht es in dieser zweiten Kampagnenwoche um das Sehen, besser gesagt um
das Hinsehen.
Vor allem in dem alttestamentlichen Text aus Jesaja 61 leuchtet etwas auf von der Liebe Gottes,
seiner Barmherzigkeit, seinem Kummer und seiner Fürsorge um uns Menschen. Die Herausforderung
in dieser zweiten Woche wird es sein, sich von diesen Eigenschaften Gottes neu anstecken und
motivieren zu lassen, es ihm gleich zu tun. Jesus selbst fordert uns dazu heraus: Seid barmherzig, wie
auch euer Vater barmherzig ist. (Lk 6,36)
Der Barmherzigkeit Gottes folgen
Gottes Barmherzigkeit beginnt immer mit dem Sehen. Schon im Alten Testament kann man das
entdecken: Und der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr
Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren,
dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und
weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt…(Ex 3,7).
Sehen, erkennen und retten. Dies könnte eine einfache Definition von Barmherzigkeit sein.
Barmherzigkeit ist weit mehr als nur die Not eines anderen zu sehen und zu erkennen, weit mehr als
nur Mitleid und Mitgefühl zu haben. Barmherzigkeit braucht natürlich zuerst das Sehen und
Wahrnehmen der Not. Sie bleibt aber dabei nicht stehen, sondern geht einen entscheidenden Schritt
weiter und führt immer zum konkreten, praktischen Handeln am Nächsten.
Gott ist Barmherzigkeit! Seine Barmherzigkeit wird im Handeln Jesu an uns Menschen sichtbar und
deutlich. Umgekehrt ist gerade die Barmherzigkeit Jesu Ausdruck des Herzen Gottes, Ausdruck seiner
Leidenschaft für uns Menschen, aber auch seines Kummers und seiner Fürsorge um jeden Einzelnen.
Daran gilt es sich heute messen zu lassen: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lk
6,36).
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Man könnte sagen, dass gerade die Barmherzigkeit seiner Nachfolger zutiefst Ausdruck der
Gottesebenbildlichkeit ist. Dass wir barmherzig sind, ist für Gott sogar noch viel wichtiger als ein
korrekter Opferdienst (Mt 9,13). Ehrlich gesagt scheint uns ein korrekter Opferdienst viel leichter zu
fallen als barmherzig zu sein.
In unseren Gemeinden wird viel dafür getan, dass die Gottesdienste und die Frömmigkeit „richtig“
sind. Die Barmherzigkeit bleibt an vielen Stellen innerhalb, aber auch außerhalb der Gemeinde auf der
Strecke.
Opfer, „Richtigkeiten“ und Gesetzlichkeit, die Pflege unserer eigenen Frömmigkeit ist, wenn wir ehrlich
sind, um ein Vielfaches einfacher, als wirklich Barmherzigkeit am Nächsten zu üben. Dabei liegt es
noch nicht einmal daran, dass wir keine Not um uns herum sehen würden. Das Gegenteil ist der Fall.
Wo wir hinschauen und hinhören, freiwillig, oft genug auch unfreiwillig, hören wir von Nöten, Sorgen,
Kriegen, Armut und unendlichem Leid und Katastrophen bei einzelnen Menschen, aber auch bei
ganzen Volksgruppen, Nationen und auch weltweit.
Die Barmherzigkeit von der das Neue Testament spricht meint nicht, dass wir dafür sorgen, dass wir
allen Hunger dieser Welt beseitigen, dass alle Krankheiten geheilt werden, dass alle Armut
weggewischt wird, dass es keine Gefängnisse mehr braucht, dass niemand mehr auf dieser Welt
leidet. Sie meint nicht die Rettung der ganzen Welt. Das ist nicht unsere Aufgabe. Dafür wird Gott
einmal sorgen.
Wenn wir heute von Barmherzigkeit reden, dann ist damit gemeint, dass wir in unserem Alltag, dort wo
wir Not um uns herum sehen und wahrnehmen, nicht gleichgültig wegschauen, sondern es lernen, mit
unseren Möglichkeiten, einfache, persönliche und praktische Hilfen weiterzugeben.
Die sechs „Werke“ der Barmherzigkeit
In der Textlesung aus Matthäus 25 nennt uns Jesus sechs einfache Handlungsweisen der
Barmherzigkeit: Hungrigen und Durstigen zu essen und zu trinken zu geben, jemanden aufnehmen,
der kein Obdach hat, jemanden kleiden, der keine Kleider hat und Kranke und Gefangene besuchen.
Diese Taten der Barmherzigkeit retten nicht die ganze Welt, verändern aber das Leben eines
Einzelnen. Wo der Staat und selbst die sozialen und diakonischen Einrichtungen an ihre Grenzen
stoßen, da sind wir als Christen wieder neu gefragt, Zeichen der Barmherzigkeit zu setzen.
Barmherzig zu sein passt nicht in unsere Zeit. Dennoch hat unsere Gesellschaft nichts mehr nötig, als
Zeichen der Barmherzigkeit füreinander zu geben und zu erleben. Der Barmherzigkeit im Miteinander
der Gesellschaft stehen heute viele Feinde gegenüber. Was meine ich damit? (Diese Frage kann
auch als direkte Frage an die Gemeinde gestellt werden um dann miteinander Antworten zu sammeln)
Feinde der Barmherzigkeit sind: Egoismus, Oberflächlichkeit, Bequemlichkeit, Hilflosigkeit, Scham
und Angst, Schuldzuweisungen, Abstumpfung, Gefühlsarmut, Überforderung, Verzweiflung,
Resignation, Ausreden, „Zeitmangel“, Geldmangel, Profit, Gesetzlichkeit und Moral, Vorurteile, usw.
Will ich wirklich Barmherzigkeit am Nächsten üben, dann braucht es eine große Selbstlosigkeit. Wenn
ich etwas für andere tue, dann muss ich lernen, es zu tun, ohne etwas dafür zu erwarten. Vielleicht
sogar ohne einen Dank, ein Lob, eine Anerkennung oder gar Geld zu erhalten. Barmherzigkeit ist,
genauso wie die Liebe, nicht berechnend. All das bedeutet, wenn ich wirklich barmherzig sein will,
muss ich die Feinde der Barmherzigkeit gerade auch in mir selbst kennen und überwinden.
All das, was ich bis jetzt beschrieben habe wird deutlich in einer Geschichte, die Jesus erzählt,
nachdem ein Schriftgelehrter ihn fragt, was er denn tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen.
Textlesung: Lukas 10,25 – 37 (NGÜ)
Ausgangspunkt dieser Geschichte ist die Frage des Schriftgelehrten an Jesus: was muss ich tun, um
das ewige Leben zu erlangen? Eine der möglichen Antworten auf diese Frage, die wir in den
Evangelien finden, ist das, was Jesus am Ende dieser Begegnung sagt: geh und tue es ebenso. Mit
anderen Worten: sei barmherzig, handle barmherzig, übe Barmherzigkeit an deinen Nächsten.
Ist diese Antwort für uns evangelikale Christen nicht verwirrend? Wir würden doch eher diese Frage
so beantworten: Glaube an den Herrn Jesus und du wirst gerettet werden!? Wenn Jesus diese Frage
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mit der Geschichte des barmherzigen Samariters beantwortet, dann scheint Barmherzigkeit zu üben
nicht etwas Beliebiges für die Nachfolger Jesu zu sein, sondern etwas sehr Entscheidendes.
Diese Geschichte ist für uns sehr provozieren und herausfordernd. Zu schnell sagen wir: diese
Geschichte kenne ich, nicht schon wieder. Viel mehr möchte ich uns heute aber dazu einladen, uns
der Botschaft dieser Geschichte neu auszusetzen.
Herausforderung und Auftrag: Barmherzigkeit
Einer liegt verletzt am Straßenrand. Er ist verletzt. Unter die Räuber gefallen. Er ist noch nicht einmal
selbst schuld, dass es ihm so schlecht geht. Aber er braucht dringend Hilfe, sonst wird es für ihn kein
Morgen geben.
Zum Glück ist Hilfe in Sicht. Der Erste kommt, sieht ihn und geht vorbei. Der Zweite kommt vorbei,
sieht ihn und geht auch weiter. Der Dritte kommt, sieht ihn, erkennt die Notlage und rettet ihn. Vorhin
habe ich gesagt: sehen, erkennen und retten ist die kürzeste Definition von dem, was Barmherzigkeit
meint. Nur einer hat mit Barmherzigkeit auf die Situation reagiert.
Die ersten Beiden sehen den Verwundeten auch. Aber es löst nichts in ihnen aus. Die Feinde der
Barmherzigkeit in ihnen waren zu groß und stark, um wirklich dem Verwundeten zu helfen.
Wer ist dein Nächster?
Dummerweise nimmt Jesus in seinem Gleichnis ausgerechnet zwei fromme Juden, um zu zeigen, wie
man es nicht tun sollte. Welche Schmach für diesen Schriftgelehrten, der vor Jesus steht und diese
Geschichte sich anhören muss. Aber damit nicht genug.
Derjenige der hilft, ist ausgerechnet ein Mann aus der von den Juden gehassten Volksgruppe der
Samariter. Das Gespräch zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten drehte sich inzwischen um die
Frage: wer ist mein Nächster? Für den Schriftgelehrten stellte sich diese Frage gar nicht. Im Judentum
war der Nächste zuallererst der nahe Verwandte, der engste Freund, der Nachbar. Es war ein relativ
eng umfasster Kreis. Für diese Nächsten bestand für die Juden gegenseitige Fürsorgepflicht, nicht
mehr und nicht weniger.
Der Verwundete und der Samariter in der Geschichte waren sich also alles andere als der Nächste.
Sie waren weder verwandt, verschwägert, noch befreundet, noch nicht einmal aus derselben
Volksgruppe und hatten schon gar nicht dieselbe Religionszugehörigkeit. Eigentlich waren sie mehr
Feinde, als Freunde und damit keinesfalls Nächste füreinander.
Ausgerechnet diesen Menschen gebraucht Jesus jetzt als ein Bild für das, was es bedeutet
barmherzig zu sein. Auch der Samariter sieht den Verwundeten. Er geht aber nicht weiter, auch wenn
er allen Grund dazu gehabt hätte. Das, was er sah, rührte ihn zutiefst an. Er unterbricht seine
Reisepläne und versorgt das Opfer. Er lässt sich nahe gehen, was er sieht. Er macht die Not des
Verletzten zu seiner Not. Er lässt die Not die er sieht, etwas in ihm auslösen. Er schaut nicht
einfach zu wie der andere leidet, oder schaut etwa zur Seite und geht weg. Er geht nicht
einfach achtlos daran vorbei. Der Samariter identifiziert sich mit dem in Not geratenen
Verwunderten. Er leistet nicht nur ein bisschen erste Hilfe, sondern er kümmert sich so um
diesen Menschen, bis er sicher sein kann, dass er wieder ganz hergestellt ist. Zu dem Wirt sagt
er: kümmere dich so um ihn, als sei ich es. Auf dem Rückweg werde ich noch einmal nach ihm
schauen, und wenn es nötig ist auch weitere Hilfe leisten.
Barmherzigkeit kennt keine Grenzen
Sehen, hinsehen, erkennen und retten, das ist Barmherzigkeit, die Jesus bei seinen Nachfolgern
sucht. Was ihr einem, dieser meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25).
Barmherzigkeit kennt keine Grenzen. Ausgerechnet der Samariter ist barmherzig zu einem Juden.
Barmherzigkeit und Nächstenliebe ist grenzenlos. Sie ist grenzenlos, was die Menschen angeht, aber
immer konkret, wenn ich gefragt bin zu helfen und die Not offensichtlich vor meinen Füßen liegt. Da
gibt es keine Ausnahmen. Der Fromme fragt nach den Ausnahmen und Jesus sagt: es gibt keine
Ausnahmen. Jeder ist dein Nächster, wenn deine Hilfe für ihn wichtig ist.
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Der Schriftgelehrte hat gefragt: Wer ist mein Nächster? Wen soll ich lieben? An wem soll ich
Barmherzigkeit üben? Jesus fragt ihn hier am Ende: Wer war dem der Nächste, der zum Opfer
wurde? Er dreht die Frage um: wer soll Nächster sein? Wer soll lieben? Wer soll Barmherzigkeit
üben? Die Antwort, die der Schriftgelehrte und damit auch wir heute geben müssten heißt: Ich – ich
soll lieben, ich soll helfen, ich soll Barmherzigkeit üben. Jeder, du und ich sollen dem in Not geratenen
zum Nächsten werden, konkret, ohne Ausnahme.
Eine spannende Herausforderung die uns Jesus hier zumutet. Wenn wir in diesen sechs Wochen
„Herzschlag“, Gottes Herz für diese Welt entdecken, werden wir Barmherzigkeit darin finden. Seine
besondere Eigenschaft ist es, sich in seiner Barmherzigkeit den Armen, in Not geratenen, und
leidenden Menschen mit seinem liebenden Herzen zuzuwenden. Seine Barmherzigkeit wünscht sich
das Heil des Menschen, an Leib, Geist und Seele.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Dieser Satz, den Jesus an uns richtet ist leider
keine Bitte und auch kein gut gemeinter Ratschlag, sondern eine Aufforderung, ein Anspruch, der an
die Nachfolger Jesu gestellt ist. Barmherzigkeit zu üben, ich hatte es schon gesagt, passt nicht in
unsere Zeit, ist uns nicht von Natur aus in die Wiege gelegt, entspricht nicht der Natur des Menschen.
Barmherzigkeit zu üben ist eine Lebenshaltung, eine Entscheidung, die nur wir allein, ganz persönlich
treffen können. Der Samariter hat sich bewusst dafür entschieden, in diesem Moment der Not, für den
Verwundeten zum Nächsten zu werden und an ihm Barmherzigkeit zu üben. Sehen, erkennen und
retten, an Geist, Leib und Seele.
Barmherzigkeit konkret
Für wen will ich bewusst in den nächsten Tagen diese Entscheidung treffen, und für einen Menschen
aus meinem Umfeld zum Nächsten werden. Menschen, die unter die Räuber gefallen sind gibt es
auch unter uns und um uns herum:
(an dieser Stelle ist es hilfreich, Situation und Beispiele zu nennen, mit denen die Menschen in der
jeweiligen Gemeinde vor Ort konfrontiert sind und wissen was damit gemeint ist; hier einige Beispiele,
die verändert und ergänzt werden können)
- die Familie, die dabei ist zu zerbrechen, weil die Eltern sich scheiden lassen
- Menschen, die an ihrer Krankheit verzweifeln
- Menschen die um Angehörige trauern
- Asylanten, die zum Teil traumatisiert in unsere Länder kommen und dennoch keinen Frieden und
keine Heimat finden
- die Reinigungskraft die abends unbeachtet das Großraumbüro reinigt und nicht weiß, wie sie die
offenen Rechnungen bezahlen soll
- Kinder, die mit dem Leistungsdruck nicht zurechtkommen, oder gemobbt und ausgegrenzt werden
- Menschen, die sich in Schuld und Sünde verstrickt haben
- Homosexuelle, die unter ihrer Identität leiden
- der Familienvater, der plötzlich arbeitslos ist, weil die Firma insolvent war
-….
(hier kann die Gottesdienstgemeinde direkt aufgefordert werden, in den Nächsten Tage vom Sehen,
zum Handeln zu kommen)
Sehen, erkennen und retten: Wem willst Du in den kommenden Tagen Nächster sein? Wo weißt du
um konkrete Not in deinem Umfeld, in der Gott dich sehen und gebrauchen will, wie du zu einem
barmherzigen Samariter wirst? (hier Zeit zum nachdenken, oder aufschreiben lassen)
Gib was du kannst!
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, direkt vor unseren Füßen. Sehen tun wir diese in
Anführungszeichen „Verwundeten“ alle und das zum Teil auch täglich. Die Frage ist, ob ich es
zulasse, dass mich diese konkrete Not des anderen auch persönlich betreffen darf. Dass ich mich mit
der Not des anderen identifiziere, wirklichen hinsehe und mein Herz dadurch anrühren lasse. Dann
kann ich mir auch überlegen, wie ich für diesen Menschen zum Nächsten werden kann, der
Barmherzigkeit an ihm übt.
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Woche 2 - gesehen / Gottesdienst
Vielleicht braucht es auch von unserer Seite zuerst einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme, was bei
mir persönlich, meine Feinde der Barmherzigkeit sind, die mich daran hindern barmherzig zu sein.
Frage dich, warum diese Feinde der Barmherzigkeit dir lieber sind als die Barmherzigkeit selbst?
Mich persönlich leitet ein Satz, den ich in meiner Zeit bei der Bahnhofsmission auf einem Werbeplakat
des Kinderhilfswerks UNICEF gelesen habe. Dieser Satz steht auch als Kernsatz über dieser zweiten
Woche der Herzschlagkampagne: „Wer fühlt, was er sieht, gibt alles, was er kann“. Ein Satz, der
sich mir eingeprägt hat, wo ich aber dennoch weiß, ich gebe noch längst nicht alles, was ich könnte,
was mir möglich wäre.
Oft sind auch in mir die Feinde der Barmherzigkeit größer und stärker. Der schwerste aller Schritte ist
nicht das Sehen oder Hinsehen, auch nicht das Erkennen oder Betroffenheit zu empfinden, sondern
Barmherzigkeit zu üben und für einen anderen Menschen zum Nächsten zu werden. Dafür braucht es
eine Entscheidung, ein Entschluss unsererseits, über das Gewohnte und Bequeme hinauszugehen,
und alles für den Anderen zu geben, was man kann. Bist du bereit diese Entscheidung zu treffen und
diesen einen Schritt mehr zu gehen?
Wenn du dich dafür entscheidest barmherzig zu handeln, dann wird in deiner Stadt, in deinem Umfeld
wunderbares geschehen. Dann wird Gottes Handeln, seine Liebe und Barmherzigkeit durch dich
sichtbar und gegenwärtig in dieser Welt.
Ich wünsche allen in dieser zweiten Woche spannende Entdeckungen und Erfahrungen. Gib was du
kannst. Es ist keine Kür sondern unsere Pflicht als Nachfolger Jesu: seid barmherzig, wie auch euer
Vater barmherzig ist.
Amen
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