Erklärung des Bildes des Barmherzigen Jesus

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Erklärung des Bildes des Barmherzigen Jesus
Liebe Schwestern und Brüder!
In diesem Kontext werden Sie leichter verstehen, was ich
jetzt als Seelsorger und Pfarrer der Pfarrgemeinde St.
Bonifatius mitzuteilen habe. Es betrifft das Bildnis des
Barmherzigen Jesus, das seit kurzem in unserer Kirche an
der linken Seitenwand hängt. Ich bemühe mich, es
chronologisch und verständnisvoll darzulegen.
Alles im Leben der Menschen und in der Natur geschieht
nach dem Prinzip „Ursache – Folge“. Auch für diesen Teil
der Predigt gab es eine Ursache.
Am 24. August habe ich die Kopie eines Briefes
bekommen, der von einem Mitglied unserer Gemeinde an
unseren Pfarrgemeinderat adressiert war (kein anonymer
Brief, aber der Name hat hier nichts zu sagen. Es geht hier
um die Problematik, nicht um die Person).
Hier ist der Brief:
An den Pfarrgemeinderat der Gemeinde St. Bonifatius, Schlächtern!
Ich stelle hiermit den Antrag, dass der Pfarrgemeinderat auf seiner
nächsten Sitzung über die beiden folgenden Anträge - getrennt abstimmen möge:
Antrag 1:
Der Pfarrgemeinderat mögen beschließen, dass das Herz-Jesu-Bild
(im Altarraum links) abgehängt wird und an keinem anderen
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öffentlichen Platz in der Gemeinde oder der Kirche selbst wieder
aufgehängt wird.
Begründung zu Antrag 1:
Das Bild ist ausgesprochener Kitsch. Seine religiöse Aussage ist
höchst zweifelhaft.
Die detailierte Begründung entnehmen Sie bitte der Anlage 1, dem
Artikel aus „Christ in der Gegenwart".
Antrag 2:
Der Pfarrgemeinderat möge beschließen, dass er vor jeder
„dekorativen" Ausstattung der Kirche befragt werden muss.
Begründung zu Antrag 2:
Neben dem oben erwähnten Bild gibt es Schmuck und Ausstattung in
der Kirche, die mit dem eigentlich nüchternen modernen Baustil in
keiner Weise harmonieren: schwebende (Papp-?)Engel,
Christbaumschmuck in Las-VegasFarben, misslungene Beleuchtung
in den liturgischen Farben (besonders das Schwefelgelb und das
Himbeerrot).
Hier wurde und wird Geld ausgegeben, das besser in qualitätsvolle
Arbeit (z.b. Renovierung der Orgel) gesteckt worden wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Anlage 1
Christ in der Gegenwart, 23-2007
Wege und Welten
Wie sieht unser Glaube aus?
Keine esoterische Lichterscheinung
Ein Leser dieser Kolumne hat mich gebeten, zu dem Herz-Jesu-Bild
der polnischen Ordensfrau Faustine Kowalska (1905-1938) Stellung
zu nehmen. Es geht auf eine Vision zurück. Visionen und
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Privatoffenbarungen hat es in der Geschichte unseres Glaubens
immer gegeben. Sie sind aber für niemanden verbindlich und können
das Glaubensleben gleichermaßen vertiefen oder gefährden.
Die genaue bildliche Umsetzung von Visionen führt jedoch oft zum
Kitsch. Kitsch aber gefährdet das religiöse Leben, wie der
Münchener Moraltheologe Richard Egenter gezeigt hat. Dies gilt für
die Herz-Jesu-Visionen der Margaretha Maria Alacoque im 17.
Jahrhundert genauso wie für die Marienvisionen des 19. und 20.
Jahrhunderts. Nicht die Vision ist Kitsch. Sie ist ein inneres Erleben.
Aber die Umsetzung der Vision als Bild, als äußerlich
wahrnehmbares, gemaltes, gedrucktes, geformtes Bildwerk ist oft
kitschig. Dies muß nicht so sein. Von der Vision des heiligen
Franziskus gibt es ergreifende Bilder. Giovanni Lorenzo Bernini hat
aus einer Vision der Teresa von Avila ein Kunstwerk gestaltet, das
zu den Meisterwerken barocker Marmorskulptur gehört, ja diese
geradezu zur Vollendung führt. Die Vision bedarf der künstlerischen
Umsetzung. Wo diese fehlt, bleibt das Bild im Trivialen stecken.
Die Schwächen des vorliegenden Bildes fallen ins Auge, wenn wir es
direkt neben ein Kunstwerk halten.
Die teppichartig-wollige Wolke zum Beispiel wird neben der Wolke
unter der Sixtinischen Madonna von Raffael zum Bettvorleger. Dabei
stellt sich unwillkürlich der Gedanke eines „Schlafzimmerblicks“ ein
- ein Ausdruck, mit dem man früher den sinnlich verlockenden Blick
des Latin lovers, des feurigen Liebhabers bczeichnet hat, für den der
Filmschauspieler Rudolfo Valentino (1895-1926) berühmt war.
Filmplakate oder Aufnahmen von ihm in Illustrierten könnten
Faustine Kowalska zu dieser Darstellung angeregt haben.
Daß sie keine Künstlerin war, sieht man auch an den beiden
Spielbeinen. Beide Schenkel zeichnen sich gleich-unter dem langen
Gewand ab, obwohl die Füße verschieden weit vom Wolkenrand
stehen. Die wesentliche Artikulation menschlicher Gestalt, die
Hüftpartie, wird ohnehin durch den Strahlenerguß in den polnischen
Nationalfarben rot und weiß verschleiert. Die segnend erhobene
rechte Hand der Jesusfigur kommt aus einem weiten Ärmel, dessen
Tuch schlaff, fad herunterhängt. Es wird einem übel, wenn man sich
erinnert, mit welcher Kraft dieses Motiv der segnenden Hand, die
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Spannung zwischen Hand und Ärmel in der byzantinischen,
romanischen, gotischen und barocken Kunst dargestellt wurde: wie
das Gewand Anteil hatte an einer energischen, geisterfüllten Bewegung.
Aber es sind nicht die formalen Schwächen, die das Bild gefährlich
machen. Es ist vielmehr die Verengung des Bildes von Jesus von
Nazareth, dem Christus unseres
Glaubens, auf eine gefällige Lichtgestalt. Das Bild verleugnet den
historischen Jesus und verkündet stattdessen eine esoterische
Geistererscheinung von sinnlicher Glut. Wer als junger Theologe ein
solches Christusbild verinnerlicht und verbreitet, ist als Seelsorger
nicht geeignet. Wie aber können wir jungen Menschen, die kein
anderes Christusbild haben, helfen?
Erstens, indem wir daran erinnern, daß für das Erstellen von Bildern
Künstler zuständig sind, so wie Theologen für Theologie. Es bedarf
einer professionellen Ausbildung, um Theologie zu verbreiten. Das
gleiche gilt für Bilder. Zweitens, indem wir die jungen Menschen
nach Chartres, Cefalu oder Monreale führen, indem wir ihnen das
Christusbild des Naumburger Meisters, des Rubens und des Rembrandt, des Lovis Corinth und des Alexej Jawlensky nahebringen und
sie über die Chancen und Möglichkeiten der Kunst der Gegenwart
aufklären. Wer diese Christusbilder erlebt hat, ist gefeit gegen jeden
dünnblütigen und gefährlichen Kitsch.
Peter B. Steiner
Ich werde mich nicht zum Antrag 2 äußern, denn den
Pfarrmitglieder, die in die Kirche kommen, habe ich immer
erklärt und erläutert, warum es so und nicht anders ist.
Meine Gedanken verstehen Sie bitte als Antwort zum
Antrag 1, der für unsere ganze Gemeinde von
grundsätzlicher Bedeutung ist.
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Um die Aussagen des Bildnisses vom Barmherzigen Jesus
besser zu verstehen, ist es angebracht ein paar Eckdaten
aus dem Leben der hl. S. Faustyna zu erfahren.
Schwester Maria Faustyna, die
Apostelin der Barmherzigkeit Gottes,
gehört heute zu den bekanntesten
Heiligen der Kirche.
Sie wurde am 25. August 1905 als
drittes von zehn Kindern der Familie
von Marianna und Stanisław Kowalski,
Bauersleuten aus dem Dorf Głogowiec
geboren. Bei der heiligen Taufe in der Pfarrkirche in
Świnice Warckie erhielt sie den Vornamen Helena. Seit
ihrer Kindheit zeichnete sie sich durch Liebe zum Gebet,
Fleiß, Gehorsam und ein großes Mitgefühl mit
menschlicher Armut aus. Im neunten Lebensjahr empfing
sie die erste heilige Kommunion, die sie im Bewusstsein
der Gegenwart des Göttlichen Gastes in ihrer Seele tief
erlebte. Die Schule besuchte sie nur knappe drei Jahre und
als junges Mädchen von 16 Jahren verließ sie ihr
Elternhaus, um im Dienste bei wohlhabenden Familien in
Aleksandrów, Łódź und Ostrówek für ihren eigenen
Unterhalt zu verdienen und um ihren Eltern zu helfen.
Die Stimme der Berufung vernahm sie in ihrer Seele
bereits seit dem siebten Lebensjahr. Aber da ihre Eltern
dem Eintritt in ein Kloster nicht zustimmten, versuchte sie,
diese Stimme in sich zu betäuben. Unter dem Eindruck
einer Vision des Leidenden Christus fuhr sie jedoch nach
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Warschau und trat dort am 1. August 1925 in die
Kongregation der Schwestern der Muttergottes der
Barmherzigkeit ein. Im Kloster verbrachte sie als S. Maria
Faustyna dreizehn Jahre, in denen sie als Köchin, Gärtnerin
und Pförtnern in vielen Häusern der Kongregation tätig
war, am längsten in Płock, Wilna und Krakau.
Nach außen verriet nichts ihr äußerst reiches mystisches
Leben. Voller Hingabe verrichtete sie alle Arbeiten und
hielt treu die Ordensregeln ein, sie war gesammelt und
schweigsam, dabei natürlich, voller wohlwollender und
selbstloser Liebe. Ihr Leben, das dem Anschein nach
gewöhnlich, eintönig und grau war, barg eine
ungewöhnliche Tiefe der Vereinigung mit Gott in sich.
Das Fundament ihrer Geistigkeit bildet das Geheimnis der
Barmherzigkeit Gottes, das sie im Worte Gottes zu
ergründen suchte und in das sie sich im Alltag ihres Lebens
vertiefte. Die Erkenntnis der Barmherzigkeit Gottes und
die Vertiefung in sie entwickelten in ihr die Haltung eines
kindlichen Vertrauens zu Gott und der Barmherzigkeit
gegenüber den Nächsten. O mein Jesus — schrieb sie —
jeder Deiner Heiligen trägt eine Deiner Eigenschaften. Ich
will von Deinem gütigen Herzen geprägt sein und will es
lobpreisen. Deine Barmherzigkeit, o Jesus, soll meinem
Herzen und meiner Seele als Siegel aufgeprägt sein, als
mein Zeichen in diesem und im künftigen Leben (TB 1242).
Schwester Maria Faustyna war eine treue Tochter der
Kirche, die sie wie eine Mutter und als den Mystischen
Leib Jesu Christi liebte. Sie war sich ihrer Rolle in der
Kirche bewusst und arbeitete mit der Barmherzigkeit
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Gottes im Werke der Rettung verlorener Seelen zusammen.
Auf den Wunsch von Jesus Christus hin und seinem
Beispiel folgend, brachte sie deshalb ihr Leben zum Opfer
dar. In ihrem geistigen Leben zeichnete sie sich auch durch
die Liebe zur Eucharistie und eine tiefe Verehrung der
Muttergottes der Barmherzigkeit aus.
Die Jahre ihres Ordenslebens waren von
außergewöhnlichen Gnaden erfüllt: von Erscheinungen,
Visionen, verborgenen Stigmata, der Teilnahme an der
Passion Christi, der Gabe der Bilokation, dem Lesen in den
menschlichen Seelen. Prophezeiungen und der seltenen
Gabe der mystischen Verlobung und Vermählung. Der
lebendige Kontakt mit Gott, der Muttergottes, den Engeln,
Heiligen, den Seelen im Fegefeuer - die ganze
übernatürliche Welt war für sie nicht weniger real und
wirklich als die mit den Sinnen wahrnehmbare Welt.
Obwohl sie so reich mit außergewöhnlichen Gnaden
beschenkt wurde, wusste sie, dass diese nicht über das
Wesen der Heiligkeit entscheiden. Im Tagebuch schrieb
sie: Weder Gnaden, noch Eingebungen, noch
Entzückungen wie auch andere verliehene Gaben machen
die Seele vollkommen, sondern nur die innere Vereinigung
meiner Seele mit Gott. Die Gaben sind lediglich Schmuck
für die Seele, doch bilden sie weder ihren Inhalt noch die
Vollkommenheit. Meine Heiligkeit und Vollkommenheit
beruht auf der engen Vereinigung meines Willens mit dem
Willen Gottes (TB 1107).
Jesus wählte S. Maria Faustyna als seine Sekretärin und
Apostelin seiner Barmherzigkeit, um durch sie der Welt die
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große Botschaft zu verkünden. Im Alten Testament sprach Er zu ihr - habe Ich zu Meinem Volk Propheten mit
Blitz und Donner gesandt, heute sende Ich dich zu der
ganzen Menschheit mit Meiner Barmherzigkeit. Ich will die
Wunde Menschheit nicht strafen, sondern sie gesund
machen, sie an Mein barmherziges Herz drücken (TB
1588).
Die Sendung von S. Maria Faustyna beruht auf drei
Aufgaben:
– Der Welt die in der Heiligen Schrift geoffenbarte
Wahrheit von der barmherzigen Liebe Gottes zu jedem
Menschen näherzubringen und zu verkünden.
– Die Barmherzigkeit Gottes für die ganze Welt,
insbesondere für die Sünder zu erbitten, u.a. durch die von
Jesus empfohlenen neuen Kultformen der Barmherzigkeit
Gottes: das Bild des Barmherzigen Jesus mit der
Unterschrift: Jesus, ich vertraue auf Dich, das Fest der
Barmherzigkeit Gottes am ersten Sonntag nach Ostern, der
Rosenkranz zur Barmherzigkeit Gottes, das Gebet in der
Stunde der Barmherzigkeit (15 Uhr). An diese Kultformen
sowie an die Verbreitung der Verehrung der
Barmherzigkeit Gottes knüpfte Jesus große
Versprechungen, unter der Bedingung, dass sie mit
Vertrauen zu Gott und tätiger Nächstenliebe verbunden
sind.
– Die dritte Aufgabe in der Sendung der S. Faustyna
besteht in der Inspiration einer apostolischen Bewegung
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der Barmherzigkeit Gottes, die die Aufgabe übernimmt, die
Barmherzigkeit Gottes zu verkünden und für die Welt zu
erbitte, und die - auf dem von der sel. S. Maria Faustyna
gezeigten Weg - nach Vollkommenheit strebt. Dieser Weg
beruht auf einer Haltung kindlichen Vertrauens zu Gott,
das sich in der Erfüllung Seines Willens ausdrückt sowie
auf einer Haltung der Barmherzigkeit gegenüber den
Nächsten. Heute umfasst diese Bewegung in der Kirche
Millionen von Menschen in aller Welt:
Ordensgemeinschaften, Laieninstitutionen, Priester,
Bruderschaften, Vereine, verschiedene Gemeinschaften der
Apostel der Barmherzigkeit Gottes und Einzelpersonen, die
die Aufgaben übernehmen, die Jesus Christus durch S.
Faustyna übermittelte.
Schwester Maria Faustyna starb in Krakau am 5. Oktober
1938 im Alter von nur 33 Jahren, aufgezehrt durch
Krankheit und verschiedene Leiden, die sie als freiwilliges
Opfer für die Sünder auf sich genommen hatte, voll
geistiger Reife und mystisch mit Gott vereint. Der Ruf der
Heiligkeit ihres Lebens wuchs mit der Ausbreitung der
Andacht zur Barmherzigkeit Gottes und in dem Maße, in
dem Gnaden durch ihre Fürbitte gewährt wurden. In den
Jahren 1965-1967 wurde in Krakau der
Informationsprozess über ihr Leben und ihre Tugenden
durchgeführt, und 1968 begann in Rom der
Seligsprechungsprozess, der im Dezember 1992 beendet
wurde. Am 18. April 1993 wurde sie auf dem Petersplatz in
Rom von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Ihre
Reliquien ruhen im Sanktuarium der Barmherzigkeit
Gottes in Krakau-Łagiewniki.
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Die Sendung der S. Maria Faustyna wurde in ihrem
Tagebuch beschrieben, das sie auf Wunsch von Jesus und
ihren Beichtvätern führte. Sie schrieb dort alle Wünsche,
die Jesus ihr gegenüber äußerte, getreulich nieder und
beschrieb auch die Begegnungen ihrer Seele mit Ihm.
Sekretärin Meines tiefsten Geheimnisses - sprach Jesus zu
S. Faustyna - du hast die Aufgabe, alles aufzuschreiben,
was Ich dich über Meine Barmherzigkeit erkennen lasse
und zwar zum Nutzen der Seelen, die diese Schriften lesen.
Sie erfahren in ihrer Seele Trost und Mut, sich Mir zu
nähern (TB 1693). Dieses Werk bringt uns das Geheimnis
der Barmherzigkeit Gottes auf außergewöhnliche Weise
näher. Es begeistert nicht nur einfache Menschen, sondern
auch Wissenschaftler, die in ihm eine zusätzliche Quelle
für ihre theologischen Forschungen entdecken. Das
Tagebuch wurde in viele Sprachen übersetzt, u.a. ins
Englische, Deutsche, Italienische, Spanische, Französische,
Portugiesische. Arabische, Russische, Ungarische,
Tschechische und Slowakische.
Die Sendbotin der göttlichen Barmherzigkeit lässt uns
einen tiefen Blick in das Göttliche werfen: Das ist
katholische Mystik pur! Lesen Sie hier die Worte Jesu,
vermittelt durch seine neue Heilige: Alle Worte mit
Imprimatur: d.h., kirchlich anerkannt!
Am 30.04.2000 wurde sie von Papst
Johannes Paul II. heiliggesprochen.
In seiner Predigt bei der
Heiligsprechung sagte der Papst:
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»Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden
vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung
verweigert, dem ist sie verweigert" (Joh 20,21f.). Bevor
Jesus diese Worte ausspricht, zeigt er seine Hände und
seine Seite. Er verweist also auf die Wundmale seines
Leidens, insbesondere die Wunde seines Herzens.
Es ist die Quelle, aus der die große Woge der
Barmherzigkeit entspringt, die sich über die Menschheit
ergießt. Aus diesem Herzen wird Schwester Faustyna
Kowalska die wir von nun an „Heilige“ nennen, zwei
Lichtstrahlen ausgehen sehen, die die Welt erleuchten:
"Die beiden Strahlen - so erklärt ihr eines Tages Jesus
selbst - bedeuten Blut und Wasser." Die göttliche
Barmherzigkeit erreicht die Menschen durch das Herz des
gekreuzigten Christus: "Sage, Meiner Tochter, dass ich
ganz Liebe und Barmherzigkeit bin“, so wird Jesus
Schwester Faustyna bitten.
Diese Barmherzigkeit gießt Christus über die Menschheit
durch die Sendung des Heiligen Geistes aus, der in der
Dreifaltigkeit die „Person der Liebe“ darstellt. Und ist denn
nicht die Barmherzigkeit ein „anderer Name“ für die Liebe,
verstanden im Hinblick auf ihre tiefste und zärtlichste
Seite, auf ihre Eigenschaft, sich um jedwede Not zu sorgen,
und insbesondere in ihrer grenzenlosen Fähigkeit zur
Vergebung?
Meine Freude ist fürwahr groß, der ganzen Kirche heute
das Lebenszeugnis von Schwester Faustyna Kowalska
gewissermaßen als Geschenk Gottes an unsere Zeit
vorzustellen. Die göttliche Vorsehung hat das Leben dieser
demütigen Tochter Polens ganz und gar mit der Geschichte
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des 20. Jahrhunderts verbunden, das wir gerade hinter uns
gelassen haben.
So hat ihr Christus zwischen dem Ersten und Zweiten
Weltkrieg seine Botschaft der Barmherzigkeit anvertraut.
Jesus sagte zu Schwester Faustyna: „Die Menschheit wird
keinen Frieden finden, solange sie sich nicht mit Vertrauen
an Meine Barmherzigkeit wendet.“ Das Licht der
göttlichen Barmherzigkeit, das der Herr durch das
Charisma von Schwester Faustyna der Welt gleichsam
zurückgeben wollte, wird den Weg der Menschen des
dritten Jahrtausends erhellen...
Die Menschheit muss sich vom Geist, den der
auferstandene Christus ihr schenkt, erreichen und
durchdringen lassen. Es ist der Geist, der die Wunden des
Herzens heilt. Daher ist es wichtig, dass wir am heutigen
zweiten Sonntag in der Osterzeit, der von nun an in der
ganzen Kirche den Namen „Barmherzigkeits-sonnatg“
haben wird, die Botschaft des Wortes Gottes in ihrer
Gesamtheit erfassen...«
Liebe Schwestern und Brüder!
Die im kurzen Lebenslauf erwähnten vier neuen
Kultformen sind in unserer Pfarrgemeinde ohne Ausnahme
eine Wirklichkeit. Die Grundlagen für diese Kultformen
sind aus den Visionen und Gesprächen der Schwester
Faustyna mit Jesus her zu leiten, die in ihrem Tagebuch
festgehalten sind.
Und nun zurück um Bildnis des Barmherzigen Jesus.
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Am Abend des 22. Februars 1931 sah Sr. Faustine in ihrer
Zelle Jesus, der mit einer weißen Tunika bekleidet war,
eine Hand zum Segen erhoben hatte und mit der zweiten
sein Gewand auf der Brust berührte. Von der
halbgeöffneten Tunika gingen zwei starke Strahlen aus;
einer war rot, der andere blass. „Schweigend betrachtete
ich den Herrn; meine Seele war von Furcht, aber auch von
großer Freude durchdrungen. Nach einer Weile sagte Jesus
zu mir: Male ein Bild von dem, was du siehst, mit dem
Titel: Jesus, ich vertraue auf dich. Ich wünsche, dass dieses
Bild verehrt wird, zuerst in eurer Kapelle, dann auf der
ganzen Welt. Ich verspreche, dass jede Seele, die dieses
Bild verehrt, nicht verlorengeht. Ich verspreche auch, hier
schon auf Erden, den Sieg über die Feinde, besonders in
der Stunde des Todes. Ich selbst werde sie verteidigen wie
meine Ehre.“
Eines Tages erklärte ihr Jesus:
„Die zwei Strahlen bedeuten Blut und Wasser. Der blasse
Strahl bedeutet Wasser, das die Seelen rechtfertigt, der rote
Strahl bedeutet Blut, welches das Leben der Seelen ist...
Diese zwei Strahlen drangen aus den Tiefen meiner
Barmherzigkeit, damals, als mein sterbendes Herz am
Kreuz mit der Lanze geöffnet wurde. Diese Strahlen
schützen die Seelen vor dem Zorn meines Vaters.
Glücklich, wer in ihrem Schatten leben wird, denn der
gerechte Arm Gottes wird ihn nicht erreichen. Die
Menschheit wird keinen Frieden finden, solange sie sich
nicht mit Vertrauen an meine Barmherzigkeit wendet.“
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Fassen wir unsere Überlegungen zum Bildnis des
barmherzigen Jesu zusammen.
Worum geht es?
Das Bildnis:
Das Bildnis zeigt den weiß gekleideten
Christus. Seine rechte Hand segnet, seine
linke Hand zeigt auf sein offenes Herz von
welchem ein weißer und ein roter Strahl
ausgehen. Diese Strahlen stehen für
Wasser und Blut welches Johannes aus der
Seite Christi nach dessen Tod am Kreuz
fließen sah. ( Joh. 21,34 ). Dies ist eine
Darstellung des überfließenden Stroms der
Liebe, welchen Jesus über uns ausgießen
möchte als ein kostenloses Geschenk seiner grenzenlosen
Gnade.
"Am Kreuz wurde durch die Lanze die Quelle meiner
Barmherzigkeit für alle Seelen weit geöffnet - ich habe
niemanden ausgeschlossen!" (Jesus zu S. Faustina,
Tagbuch § 1182)
Die Inschrift:
Unter dem Bildnis steht " Jezu, ufam Tobie" welches
„Jesus, ich vertraue auf dich" bedeutet. Wir müssen uns
nicht fürchten uns Jesus zu nähern; an seiner Seite sind wir
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sicher und in Frieden. Wir können ihm alles in seine
machtvollen Hände übergeben, vertrauend, dass er uns hört
und uns versorgt.
Warum sollen wir dieses Bild verehren?
Um Jesu Willen zu entsprechen;
" Ich biete den Menschen ein Gefäß an, mit dem sie immer
kommen können um die Gnaden der Quelle meiner
Barmherzigkeit zu empfangen. Das Gefäß ist das Bildnis
mit der Inschrift: "Jesus, ich vertraue auf dich." (Jesus zu
S. Faustina, Tagebuch § 327)
Wie können wir die versprochenen Gnaden empfangen?
" Durch dieses Bildnis verspreche ich den Seelen viele
Gnaden; so lass jede Seele daran Zugang haben." (Jesus
an Schw. Faustina, Tagebuch § 570)
" Ich verspreche, dass die Seele, die das Bild verehrt, nicht
verloren gehen wird. Ich verspreche ihr den Sieg,
besonders in der Stunde des Todes."(Jesus an S. Faustina,
Tagebuch § 48)
Jenseits ästhetischer Berücksichtigungen:
Selbst S. Faustina, die sich der Grenzen der Arbeit des
Künstlers aus Villnius bewusst war, sagte: "Ich sagte dem
Herrn: "Wer kann dich so schön malen wie du bist?" Plötzlich hörte ich folgende Worte, " Weder in der
Schönheit der Farben noch im Pinselstrich liegt die Größe
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dieses Bildnisses, sondern in meiner Gnade." (Jesus an S.
Faustina, Tagebuch § 313)
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich bin mir dessen bewusst, dass viele von Ihnen mir
vorwerfen könnten: Der polnische Pfarrer, die polnische
Heilige und der polnische Papst – dass passt alles
zusammen.
Für mich gibt es nur eine katholische und apostolische
Kirche und ich werde mich in meinem Glauben immer
daran halten, auch wenn ich schon viele Male zu spüren
bekommen habe, dass ich als polnischer Priester vieles in
der deutschen Kirche nicht verstehen und nachvollziehen
kann.
Um dem Eindruck entgegen zu wirken, dass wir hier nur
mit der „polnischen“ Kirche zu tun haben, möchte ich im
vollen Wortlaut die Ansprache des Papstes Benedikt XVI.
zum Gebet des „Regina Cæli“ am Barmherzigkeitssonntag,
am 29.April 2006 zitieren.
Liebe Brüder und Schwestern !
Am heutigen Sonntag berichtet das Johannes-Evangelium,
dass der auferstandene Jesus den Jüngern, die sich im
Abendmahlssaal zurückgezogen hatten, am Abend "des
ersten Tages nach dem Sabbat" (Joh 20,19) erschien und
dass er sich ihnen ebendort "acht Tage später" (Joh 20,26)
erneut zeigte.
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Die christliche Gemeinschaft hat also von Anfang an damit
begonnen, in einem wöchentlichen, von der Begegnung mit
dem auferstandenen Herrn skandierten Rhythmus zu leben.
So unterstreicht es auch die Konstitution des Zweiten
Vatikanischen Konzils über die Liturgie : "Aus
apostolischer Überlieferung, die ihren Ursprung auf den
Auferstehungstag Christi zurückführt, feiert die Kirche
Christi das Pascha-Mysterium jeweils am achten Tage, der
deshalb mit Recht Tag des Herrn oder Herrentag genannt
wird" (Sacrosanctum Concilium, 106).
Der Evangelist erinnert des weiteren daran, dass Jesus der
Herr den Jüngern bei beiden Erscheinungen die Male der
Kreuzigung zeigte, die sogar an seinem verherrlichten Leib
gut sichtbar waren und berührt werden konnten (vgl. Joh
20,20.27).
Diese heiligen Wundmale an Händen, Füßen und an seiner
Seite sind eine unerschöpfliche Quelle des Glaubens, der
Hoffnung und der Liebe, aus der jeder schöpfen kann,
insbesondere jene, die am meisten nach der göttlichen
Barmherzigkeit dürsten. Angesichts dessen würdigte der
Diener Gottes Johannes Paul II. die geistliche Erfahrung
der heiligen Faustina Kowalska, einer demütigen
Ordensschwester, und wollte, dass der Sonntag nach
Ostern in besonderer Weise der Göttlichen Barmherzigkeit
gewidmet werde. Und die Vorsehung hat verfügt, dass er
gerade am Vorabend dieses Tages sterben sollte.
Das Geheimnis der barmherzigen Liebe Gottes stand im
Mittelpunkt des Pontifikats dieses meines verehrten
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Vorgängers. Wir denken im Besonderen an die Enzyklika
Dives in misericordia aus dem Jahr 1980 sowie an die
Weihe des neuen Heiligtums der Göttlichen Barmherzigkeit
in Krakau im Jahr 2002. Die Worte, die er zu diesem
Anlass sprach, sind wie eine Synthese seines Lehramtes.
Sie haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die
Andacht zur Göttlichen Barmherzigkeit keine sekundäre
Frömmigkeitsform ist, sondern ein integrierter Bestandteil
des Glaubens und Betens jedes Christen.
Die allerseligste Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, an die
wir uns jetzt mit dem Gebet des "Regina Cæli" wenden
wollen, möge allen Christen die Gnade erwirken, den
Sonntag als "wöchentliches Paschafest" in Fülle zu leben
und auf diese Weise die Schönheit der Begegnung mit dem
auferstandenen Herrn zu verkosten und aus der Quelle
seiner barmherzigen Liebe zu schöpfen, um Apostel seines
Friedens zu sein.
APOSTOLISCHE PÖNITENTIARIE
DEKRET vom 29. Juni 2002
Andachtsübungen zu Ehren der Göttlichen Barmherzigkeit
mit Ablässen verbunden
Die Göttliche Barmherzigkeit weiß tatsächlich auch die schwersten
Sünden zu vergeben, aber während sie es tut, bewegt sie die
Gläubigen dazu, einen übernatürlichen, nicht nur psychologischen
Schmerz über die eigenen Sünden zu verspüren, damit die
Gläubigen, immer mit Hilfe der göttlichen Gnade, den festen Vorsatz
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fassen, nicht mehr zu sündigen. Mit einer solchen inneren Haltung
erlangt der Gläubige wirklich die Vergebung der Todsünden, wenn
er das Bußsakrament fruchtbringend empfängt oder sie in einem Akt
vollkommenen Schmerzes und vollkommener Liebe bereut mit dem
Vorsatz, baldmöglichst das Bußsakrament zu empfangen. Denn unser
Herr Jesus Christus lehrt uns im Gleichnis des verlorenen Sohnes,
dass der Sünder sein Elend vor Gott mit den Worten »Vater, ich habe
mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht
mehr wert, dein Sohn zu sein« (Lk 15, 18–19) bekennen und auch
spüren muss, dass es Gottes Werk ist: Er »war tot und lebt wieder; er
war verloren und ist wiedergefunden worden« (Lk 15, 32).
Unter dem Antrieb der Liebe des Barmherzigen Vaters und mit
vorausschauender pastoraler Einfühlsamkeit wollte Papst Johannes
Paul II. diese Gebote und Lehren des christlichen Glaubens tief in die
Herzen der Gläubigen einsenken. Deshalb hat er den zweiten
Sonntag der Osterzeit dazu bestimmt, dieser Gnadengaben mit
besonderer Verehrung zu gedenken, und ihn mit der Bezeichnung
»Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit« versehen (Kongregation
für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Dekret
Misericors et miserator, 5. Mai 2000).
Im Evangelium vom zweiten Sonntag der Osterzeit wird von den
Wundertaten erzählt, die unser Herr Jesus Christus nach seiner
Auferstehung in der ersten öffentlichen Erscheinung vollbracht hat:
»Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus
Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat
in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen
Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich
die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu
ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende
ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach
zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden
vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert,
dem ist sie verweigert« (Joh 20, 19–23).
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Damit die Gläubigen diese Feier mit ganzem Herzen begehen, hat
der Papst festgelegt, dass der vorgenannte Sonntag – wie in der Folge
noch näher erklärt wird – mit dem vollkommenen Ablass ausgestattet
wird. Das hat den Zweck, dass die Gläubigen das Geschenk des
Trostes des Heiligen Geistes in höherem Maß empfangen und so eine
wachsende Liebe zu Gott und zum Nächsten entfalten können und,
nachdem sie selbst die Vergebung Gottes empfangen haben,
ihrerseits angeregt werden, sogleich den Brüdern und Schwestern zu
vergeben.
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