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WIRTSCHAFT 11 STUTTGARTER ZEITUNG Dienstag, 23. August 2016 | Nr. 195 Pfizer kauft US-Krebsfirma VW streitet mit Zulieferern Der Lieferstopp trifft den Automobilriesen hart. Der Konflikt der Prevent-Gruppe mit den Wolfsburgern ist mysteriös. Schließlich ist das auf vier Kontinenten operierende bosnisch-slowenische Firmenimperium seit Jahrzehnten mit Volkswagen eng verbunden. Medivation hatte sich selbst zum Verkauf gestellt und Gebote eingeholt. Bieterwettstreit er US-Pharmariese Pfizer hat den milliardenschweren Bieterwettstreit um den US-Krebsspezialisten Medivation für sich entschieden. Beide Unternehmen einigten sich nach PfizerAngaben vom Montag auf eine Übernahme im Wert vom 14 Milliarden Dollar (12,4 Milliarden Euro). Damit hat eine Reihe von rivalisierenden Interessenten das Nachsehen. Das gilt insbesondere für den französischen Sanofi -Konzern. Dieser hatte im April eine Offerte über 9,3 Milliarden Dollar für Medivation vorgelegt. Das veranlasste die Firma, sich selbst zum Verkauf zu stellen und Gebote einzuholen. Nach früheren Insiderinformationen hatten zuletzt neben Sanofi auch die Konzerne Merck & Co, Celgene und Gilead Sciences Interesse gezeigt. Pfizer will den Zukauf im laufenden oder kommenden Quartal abschließen. Der Konzern unterstreicht damit seine geänderte Akquisitionsstrategie nach dem Scheitern der Fusion mit dem Botox-Hersteller Allergan im Wert von 160 Milliarden Dollar. Ging es dabei noch vor allem um eine Reduzierung der Steuerlast, steht nun die Stärkung des Medikamenten-Portfolios ganz oben. Mit Medivation gewinnt Pfizer vor allem das Blockbuster-Mittel Xtandi gegen Prostatakrebs hinzu. Es soll einen großen Beitrag dazu leisten, dass Medivation in diesem Jahr seinen angepeilten Umsatzsprung von mehr als 50 Prozent erreichen kann. Große Erwartungen knüpfen sich auch an das in Entwicklung befindliche Medikament Talazoparib gegen Brustkrebs. Das im Bieterkampf unterlegene Sanofi-Management deutete an, dass es keine Medivation-Übernahme um jeden Preis angestrebt habe. Eine Kombination hätte zwar strategische Vorteile geboten, erklärten die Franzosen, aber Vorrang habe, dass bei Zukäufen Disziplin gewahrt werde. Die Analysten der Investmentfirma RBC Capital Partners halten eine Überbietung der Pfizer-Offerte für sehr unwahrscheinlich. Sollte Medivation den Deal doch noch absagen, muss das Unternehmen Pfizer 510 Millionen Dollar zahlen. rtr D Seit Montag steht die Produktion des VW Golf still. Im Bild: Blick von oben in den gläsernen Autospeicher neben dem Kundenzentrum der Wolfsburger Autostadt. Foto: dpa Experten warnen vor Kettenreaktion bei VW Die Zwangspause beim Wolfsburger Konzern könnte auch viele weitere Zulieferer von Volkswagen treffen. Auch Daimler ist seit Jahren in einen Rechtsstreit mit der Prevent-Gruppe verwickelt. Firmen klagen in einer Studie über Preisdruck. Von Harry Pretzlaff Autoindustrie er Lieferstopp der beiden sächsischen Zulieferer Car Trim und ES Automobilguss trifft den VW-Konzern hart. „Die Versorgung der Produktion mit Bauteilen mehrerer Volkswagen-Werke ist unterbrochen“, teilte der Wolfsburger Autoriese am Montag mit. Der Ausfall der Lieferungen von Getriebeteilen und Sitzbezügen führt laut VW dazu, dass die Fertigung von Golf und Passat in Wolfsburg, Emden und Zwickau ruhen musste. Betroffen sind auch Teilbereiche der konzerneigenen Zulieferwerke in Kassel, Salzgitter und Braunschweig. Insgesamt könnten nach Angaben des Autobauers 27 700 teils noch bis Ende August nicht so arbeiten, wie dies eigentlich geplant sei. Volkswagen versucht nach eigenen Angaben weiterhin, eine Einigung mit den Lieferanten herbeizuführen. Am Nachmittag wurden die Gespräche mit den zur bosnisch-slowenischen Prevent-Gruppe gehörenden Zulieferern wieder aufgenommen. Die Bundesregierung rief die Unternehmen zu einer raschen Einigung am Verhandlungstisch auf. Die Unternehmen hätten eine „hohe Verantwortung“, ihre Probleme „so konstruktiv wie möglich anzugehen“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Die Zulieferer begründen den Lieferstopp mit einer angeblichen Weigerung des Autokonzerns, Schadenersatz für einen kurzfristig gestrichen Auftrag zu leisten. Es soll dabei um eine von VW und Porsche gekündigte Entwicklungskooperation mit Car Trim mit einem Volumen von 500 Mil- D lionen Euro gehen. Die Prevent-Tochter burg angesiedelten Prevent DEV. Bereits macht nach einem Bericht der „Süddeut- vor zwei Jahren wollte der Zulieferer den schen Zeitung“ Ausfälle und Schäden in Autobauer mit einer Klage vor dem StuttHöhe von 55 Millionen Euro geltend. We- garter Landgericht und danach vor dem der VW noch Porsche wollen sich dazu äu- Stuttgarter Oberlandesgericht zur Abnahßern. Dem Vernehmen nach haben Quali- me vereinbarter Leistungen zwingen. Pretätsprobleme zur Kündigung vent hatte damit jedoch keides Auftrags beigetragen. VW Hinter der nen Erfolg. Der Zulieferer gab soll die Forderungen für un- Produktion des danach jedoch nicht klein bei, begründet halten. sondern strengt jetzt eine Golf stehen 500 Das Braunschweiger LandHauptverhandlung in Braungericht hat VW Rückende- Top-Lieferanten. schweig an und verlangt nach ckung gegeben und beide Angaben des Landgerichts sächsischen Zulieferer mit einstweiligen Schadenersatz in Höhe von knapp 40 MilVerfügungen dazu verpflichtet, ihre Liefe- lionen Euro. Vor einer Verhandlung muss rungen zumindest für einen befristeten jedoch zunächst einmal geklärt werden, Zeitraum wieder aufzunehmen. Car Trim welches Gericht überhaupt zuständig ist. soll die Sitzbezüge bis Mai 2017 liefern, ES Trotz dieses laufenden Rechtsstreits ist die Automobilguss die Ausgleichsgetriebeteile Prevent DEV nach Angaben von Daimler bis Februar 2018. Die beiden zur Prevent- weiterhin Lieferant – allerdings in gerinGruppe gehörenden Zulieferer weigern gem Umfang – der Stuttgarter, ebenso ansich jedoch. Auch Daimler hat schon seit dere Unternehmen der Gruppe. Die beiden Jahren einen Rechtsstreit mit der in Wolfs- Zulieferer Car Trim und ES Automobil- DIE AUTOZULIEFERER-BRANCHE IN DEUTSCHLAND Erlöse Die Autozuliefererindustrie in Deutschland hat eine große Bedeutung, die Branche ist milliardenschwer. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bezifferte die Gesamterlöse der Hersteller im Jahr 2015 in Deutschland auf 75,8 Milliarden Euro. Weltweit schätzt der Analyst Jan Danneberg von der Strate- gieberatung Berylls Strategy Advisors die Erlöse deutscher Zulieferer auf 350 bis 400 Milliarden Euro. Geschäftsfelder Die deutschen Zulieferer sind in jedem Geschäftsfeld vertreten: Motoren, Getriebe, Karosserie, Elektronik sowie Innenausstattung und Außendesign. Fertigung Die Fertigungstiefe liegt über die gesamte Wertschöpfung bei etwa 30 Prozent, schätzt Dannenberg. Das heißt: 70 Prozent werden von den Zulieferern erbracht. Im Bereich Elektronik sind es bis zu 90 Prozent. In der Motorfertigung dominieren die Hersteller. Dort kommt 30 Prozent von den Zulieferern. dpa guss, die in den Streit mit VW verwickelt sind, zählen jedoch nicht zu den aktuellen Serienlieferanten. Der Bundesverband Materialwirtschaft befürchtet, dass unter dem Produktionsstopp von Golf und Passat nicht nur die konzerneigenen, sondern auch andere Zulieferer zu leiden haben. BME-Hauptgeschäftsführer Christoph Feldmann wies darauf hin, dass hinter der Produktion des VW Golf 500 Top-Lieferanten stehen. Der Produktionsstopp kann nach seiner Einschätzung nun eine Kettenreaktion durch die gesamte Lieferkette auslösen. Feldmann plädierte angesichts des aktuellen Streits für einen „fairen Umgang“ der Autobauer mit den Lieferanten. Alexander Gerstung, Geschäftsführer der ES Automobilguss, hat dem VW-Konzern vorgeworfen, seine Marktmacht zu missbrauchen. Das Stuttgarter IMU-Institut hat gerade Zulieferer für eine noch unveröffentlichte Studie zur Lage der Branche befragt. „Alle Zulieferer haben gesagt, dass der Preisdruck in den vergangenen Jahren immens gestiegen ist“, berichtet IMU-Geschäftsführer Martin Schwarz-Kocher. Kritisiert werde vor allem, „wenn bestehende Verträge nicht eingehalten werden“. Dazu gehöre, wenn ein Zulieferer für einen laufenden Auftrag einen zusätzlichen Rabatt geben müsse, um überhaupt die Chance für einen Nachfolgeauftrag zu erhalten. „Das ist nach meiner Einschätzung Vertragsbruch und führt zu Planungsunsicherheit, die kleinere Unternehmen stärker trifft als die großen“, urteilt Schwarz-Kocher. Volkswagen streitet mit dem reichsten Bosnier Nijaz Hastor hat die bosnisch-slowenische ASA Prevent-Gruppe gegründet und aufgebaut. Von Thomas Roser Firmenimperium lle Räder stehen still, wenn der mächtige Zulieferer es will. Das Rätselraten um die bosnisch-slowenische ASA Prevent-Gruppe, die dem Weltkonzern VW das Leben so schwer macht, ist groß. Doch obwohl Firmengründer und Eigentümer Nijaz Hastor als der reichste und erfolgreichste Unternehmer in Bosnien und Herzegowina gilt, lässt sich die Biografie des zwar preisgekrönten, aber eher öffentlichkeitsscheuen Konzernchefs nur bruchstückhaft rekonstruieren. Sicher ist paradoxerweise eins: Der Aufbau seines verschachtelten, in 15 Staaten und vier Kontinenten operierenden Firmenimperiums war und ist seit Jahrzehnten mit VW und Wolfsburg eng verbunden. Hastor führt sein Imperium gemeinsam mit seinen nicht minder medienscheuen Söhnen Kenan und Damir. Ein wenig mehr Aufschluss über den beruflichen Werdegang des heute 65-jährigen Firmengründers gibt ein Protokoll des Ausschusses für A öffentliche Auszeichnungen des KantonParlaments in Sarajevo vom April dieses Jahres. Am 1. Januar 1951 im ostbosnischen Ustipraci geboren absolvierte er demnach seine Schulausbildung in der nahen Provinzstadt Gorazde. Unmittelbar nach dem Abschluss seines Ökonomie-Studiums 1974 in Sarajevo fand Hastor eine erste Anstellung beim bosnischen Automobilwerk TAS: In Lizenz fertigte das Werk von 1972 bis zum Ausbruch des Bosnienkriegs 1992 VW-Modelle, zunächst den Käfer, danach den Golf und den Caddy. Als TAS-Direktor soll Hastor an fast allen Verhandlungen mit VW beteiligt gewesen und 1989 – noch vor dem Kriegsausbruch – zeitweise ganz nach Wolfsburg übergesiedelt sein. „Dies war der Beginn einer ganz neuen Geschichte – produktionstechnisch und menschlich“, so seine von dem Ausschussprotokoll zitierte Biographie: „Diskret und langsam aber sicher begann er mit dem Aufbau der ASA Prevent scheint das Unternehmen gezielt die ÖfGruppe.“ In seiner bosnischen Heimat be- fentlichkeit zu suchen. Ansonsten hält sich gann der umtriebige Hastor unmittelbar der verschachtelte Konzern beim weltweinach Kriegsende zu investieren. Mit einer ten Kaufen und Abstoßen von Töchtern Handvoll Mitarbeitern gründete er 1995 und Subunternehmen wie bei der Überdort zunächst die ASA-Gruppe, 1999 das nahme der deutschen Car Trim bedeckt. Sohn Kenan Hastor ist auch Geschäftsauf Sitzbezüge spezialisierte Prevent. Von Modetextilien, über Polstermöbel und führer von Tahoe Investors, einer BeteiliJachten bis zu Autobremsen reicht mittler- gungsgesellschaft, die den deutschen Küchenhersteller Alno mit einer Finanzspritweile das Sortiment der Prevent-Töchter. Doch vor allem als Sitzbezuglieferant ze von 20 Millionen Euro unter die Arme der Auto-Industrie hat sich das weltweit gegriffen hat. Trotz aufwendig gemachter 14 000 Mitarbeiter zählende Unterneh- Internetseiten zeichnen sich auch die Prevent-Töchter durch Vermen einen Namen gemacht, schwiegenheit aus. Dass die das allein in Bosnien 6500 Die PreventMenschen Arbeit und Brot Gruppe beschäftigt Auseinandersetzung von Prevent mit VW in Bosniens Megibt. weltweit 14 000 dienwelt bislang eher bescheiAllein die bosnische Predene Wellen schlägt, hat denn vent-Tochter wies laut Forbes Mitarbeiter. auch mit der wortkargen Inim letzten Jahr einen Umsatz von umgerechnet 771 Millionen Konvertib- formationspolitik des größten Privatunterler Mark (385,5 Millionen Euro) auf – und nehmens des Landes zu tun. Laut den „zugänglichen Informationen“ rangierte damit auf der Liste der größten heimischen Privatunternehmen wieder handle es sich dabei um einen „isolierten Fall“, der die Produktion in Bosnien und einsam an der Spitze. Nur für seine Stiftung zur Förderung Herzegowina nicht betreffe, so die Ausbosnischer Talente durch Studienstipen- kunft des Unternehmens gegenüber dem dien oder für sein Werk in Srebrenica Webportal „klix.ba“. China Deutsche Hersteller optimistisch Trotz der sich abschwächenden Wirtschaft in China rechnen die deutschen Autohersteller Audi und Daimler weiterhin mit guten Geschäften auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt. Die Verkäufe würden durch den anstehenden Start eines neuen Audi A4 in der zweiten Jahreshälfte einen „zusätzlichen Schub“ erhalten, sagte Audis ChinaChef Joachim Wedler anlässlich der Eröffnung eines neuen Getriebewerks in der chinesischen Hafenstadt Tianjin. Zuversichtlich äußerte sich auch Daimlers ChinaChef Hubertus Troska, der in Peking eine „weiter gute“ Entwicklung für das Chinageschäft vorhersagte. Beide Autohersteller können bisher auf ein erfolgreiches Jahr in China zurückblicken. Zwischen Januar und Juli steigerte Audi seine Verkäufe um 6,5 Prozent und bleibt damit der größte Premiumhersteller in China. Noch besser lief es bei Daimler, wo sich die Autos der Hauptmarke Mercedes-Benz so gut wie nie verkauften. Mit einem Absatzplus von 33 Prozent lag die Marke mit dem Stern in absoluten Zahlen in den ersten sieben Monaten zwar weiterhin hinter Audi, schob sich aber vor den Erzrivalen BMW. In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden in China 12,4 Millionen Fahrzeuge verkauft. dpa Eon-Tochter Uniper-Börsengang im September Das Eon-Tochterunternehmen Uniper strebt Mitte September an die Börse. „Wir kommen dem Ziel des Börsengangs sehr nahe“, sagte Uniper-Chef Klaus Schäfer. Der Prospekt für die Notierung an der Frankfurter Wertpapierbörse solle Anfang September veröffentlicht werden. UniperAktien sollen voraussichtlich Mitte des Monats erstmals gehandelt werden. In Uniper hatte Eon zu Jahresbeginn seine konventionelle Stromproduktion mit dem Kohle- und Gasgeschäft abgespalten. Uniper legte am Montag seine erste Halbjahresbilanz vor, in der es auswertete, wie die Geschäfte gelaufen wären, wenn das Unternehmen seit Jahresbeginn losgelöst von Eon agiert hätte: Aufgrund von Abschreibungen auf Kraftwerke und schlechter Großhandelspreise lief ein Verlust von 3,9 Milliarden Euro auf. AFP