Telenovela - Frank Barth

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Telenovela - Frank Barth
Telenovela (TV-Roman)
Die Telenovela (spanisch für Seifenoper) ist eine spezielle Form der
Fernsehserie, die in Lateinamerika konzipiert wurde und seit den 1990er
Jahren auch in andere Regionen der Welt ausgestrahlt wird.
Ursprung:
Telenovelas haben ihren Ursprung in Fortsetzungsromanen, wie es sie auch
heute noch in manchen Zeitungen gibt. Im 18. Jahrhundert waren
Fortsetzungsromane auch in Europa bekannt und populär. Werke der
Weltliteratur von Alexandre Dumas ("Die Drei Musketiere") und Charles
Dickens ("Oliver Twist") erschienen ursprünglich in Zeitungen und
Zeitschriften.
In Anlehnung wurden daraus im vorrevolutionären Kuba den Arbeiterinnen
in den Zigarren-Manufakturen täglich während der Arbeit Romane in
Fortsetzungen vorgelesen. Diese Tradition hat sich dort bis heute erhalten.
Mit dem Siegeszug des Radios 1930 wurden in Kuba Romane zu Hörspielen
umgearbeitet und als sogenannte “Radionovelas“ übertragen.
Das Aufkommen des Fernsehens leitete in den 1950er Jahren dann endgültig
den Siegeszug dieses Genres ein. Die Fernseh-Geschichten wurden in den
ersten Jahren einmal pro Woche mit fünfzehn-, dreißig- oder
sechzigminütiger Dauer und mit Fortsetzungen gezeigt. Die Themen und
Handlungen der Radionovela wurden vor der Kamera in Szene gesetzt. Da es
noch kein Aufnahmeformat gab, wurden die Novelas wie ein Theaterstück
aufgeführt und "Teleteatro" genannt, da in Anlehnung an die Technik des
Theaters mit Souffleusen gearbeitet wurde. Dieses Prinzip hat man in
Mexiko bis heute beibehalten. Teleteatros wurden in den fünfziger Jahren bis
zu viermal pro Woche gesendet, hatten dann aber nur wenige Folgen. Erst die
Einführung des Videotapes 1958 ermöglichte die tägliche, serielle
Ausstrahlung von Erzählungen im größeren Stil. Von da an wurden die
Geschichten "Telenovelas" genannt.
Definition:
Um die Telenovela zu definieren muß man ihre Ähnlichkeiten mit der Soapopera oder mit deutschen Serien aufzeigen um die Unterschiede
herausarbeiten zu können.
Die Soap Opera enthält im Gegensatz zur Telenovela mehrere
gleichberechtigte Handlungsstränge, die auf unbegrenzte Zeit wach gehalten
werden. Damit das Publikum darin nicht die Übersicht verliert, werden
immer nur drei Handlungsfäden parallel erzählt (Drei-Strang).
Die Telenovela hingegen weicht von dem auf Unendlichkeit angelegten
Handlungsentwurf ab und hat das Publikum daran gewöhnt, ein Happy End
zu erwarten (nur in Ausnahmen gibt es ein trauriges Ende). Sie hat eine auf
wenige Monate begrenzte Erzählzeit und eine Haupthandlung, mit der fast
alle Nebenhandlungen verknüpft sind. Dadurch wird der Multiplot möglich,
d. h. eine Vielzahl von Handlungssträngen wird gleichzeitig erzählt, ohne das
Publikum zu verwirren. Denn die Haupthandlung steht im Vordergrund und
die Nebenfiguren sind mit den Protagonisten auf eine wie auch immer
geartete Weise verbunden.
Das Genre der Telenovela definiert sich hauptsächlich über den Inhalt und
stellt ein Stück Gefühlsleben dar. Sie wird aus der Perspektive der stets
weiblichen Hauptfigur erzählt, mit der sich der Zuschauer identifizieren soll.
Gemeinsam haben Telenovela und Soap Opera das offene Ende jeder Folge,
den sogenannten “Cliffhanger“. Außerdem werden beide täglich ausgestrahlt
und es geht stets um die Themen Gut und Böse, Liebe und Hass,
Freundschaft und Feindschaft.
Wie bei einem Spielfilm findet sich in der Telenovela die Einteilung der
Handlung in drei Akte. Nachdem die Hauptfiguren vorgestellt wurden,
beginnt die Handlung so früh wie möglich mit der Entwicklung eines
Konfliktes. Dieser Konflikt gipfelt zwischen der dreißigsten und der
fünfzigsten Folge in einer Krise. Die krisenhafte Situation, in der die Guten
unter den von den Bösen verursachten Widrigkeiten leiden und versuchen,
sich dagegen zu behaupten, wird bei der Telenovela so lange wie möglich
ausgedehnt. Hier lassen sich viele Erzählschleifen einbauen, die durch die
Hauptfiguren zusammengehalten werden. Etwa dreißig Folgen vor dem Ende
der Telenovela wendet sich das Schicksal zugunsten der Guten, die in den
letzten fünf Folgen alle ihre Sorgen gelöst sehen. Hierin besteht ein
wesentlicher Unterschied zur nie (glücklich) endenden US-amerikanischen
Soap Opera.
Die Kunst des Telenovela-Schreibens besteht darin, die Spannung über einen
langen Zeitraum aufrecht zu erhalten, die dadurch erzeugt wird, dass das
Publikum unbedingt wissen will, wie der Hauptkonflikt gelöst wird.
Außerdem müssen die Nebenhandlungen so geschickt mit den Hauptfiguren
verbunden werden, dass sich ein komplexes Netz an Beziehungen entwickelt.
Sehr erfolgreiche Geschichten werden an geeigneten Stellen verlängert,
selbst wenn das Ende schon gedreht und geschnitten ist. Die Schurkin oder
der Schurke können noch einen weiteren Angriff starten oder die
Nebenfiguren stolpern in neues Unglück. Auch neue Figuren können
auftauchen.
In einer Telenovela treten zwischen 30 und 60 Figuren auf, die fast alle
miteinander verstrickt sind, wobei die drei Hauptfiguren Heldin, Held und
Böse oder Böser das Zentrum dieser Verstrickungen darstellen und in
irgendeiner Weise in die obligatorischen Liebesdreiecke verwickelt sind.
Die Telenovela folgt - auf der Basis der melodramatischen Grundstruktur immer demselben Handlungsschema: in eine anfängliche Ordnung tritt das
Böse und versetzt die Guten in einen Zustand der Ohnmacht. Helferinnen
und Helfer der Heldin durchschauen das Spiel, doch die Schurkin oder der
Schurke ist immer einen Schritt voraus. Schließlich hilft das Schicksal, bringt
das Böse zu Fall und setzt die moralische Ordnung wieder in Kraft.
Zusätzlich wird die Konfliktlösung dadurch behindert, dass einige Figuren
bestimmte "Geheimnisse" nicht kennen und entweder nach und nach oder
erst ganz am Ende entdecken.
Es ist nicht zu verkennen und wird auch von Televisa häufig betont, dass sich
die Telenovela klassischer Märchenmotive bedient. Neben dem
"Aschenputtel" (die Liebe zwischen armem Mädchen und reichem Jüngling
wird durch Intrigen bedroht) ist es vor allem das des "Schneewittchens" (böse
Stief- oder Schwiegermutter schafft gutem Mädchen Leiden), das sehr häufig
für Telenovelas benutzt wird. Die Heldinnen, die am Ende ihre reiche Mutter
wieder finden, sind vergleichbar mit Prinzessinnen, die bis zum Schluss nicht
wissen, dass sie es sind. Macht und Reichtum der Bösen sind oft so groß,
dass sie an Märchenköniginnen erinnern, deren Häuser (Schlösser) allerdings
nach der neuesten Mode eingerichtet sind.
Markenzeichen der Telenovela wurde die intensive Ausprägung des „Melos
im Drama“: das Gesprochene wird durch Musikuntermalung und Mimik (als
stummer Begleitmusik) intensiv verstärkt. Was die Worte nicht an
Empfindungen mitteilen können, übernimmt die musikalische Untermalung.
Die Telenovela-Fans lassen sich gerne von dieser mehr als eindeutigen
Darstellung mitreißen und loben die Darsteller und Darstellerinnen für deren
Arbeit.
Die erfolgreichsten Telenovela-Produktionen stammen aus Mexiko und
Brasilien, wo sie zu den besten Sendezeiten laufen.
Ursprünglich war die Hauptperson einer Telenovela war immer weiblich. In
Latein- und Südamerika ist das Format mittlerweile erweitert worden, um
auch unterschiedliche Publikumsgruppen erreichen zu können. Neben der
klassischen Novela mit weiblicher Protagonistin gibt es nun auch „Sex und
Crime“-Geschichten für Männer sowie Telenovelas, die aktuelle, auch
politische, humorvolle und spezielle Themen für Jugendliche aufgreifen.
Spätestens seit dem riesigen Erfolg der Telenovela „Yo soy Betty, la fea“
(Ich bin Betty, die Hässliche) ist die humoristische Variante in ganz
Lateinamerika beliebt und wird in Zukunft vermutlich sehr häufig zu sehen
sein.
Wissenswertes:
Sendezeit: Montag bis Freitag auf Sat. 1 um 19:15 Uhr: 30 min. lang
Samstag 10:30 Uhr: Wiederholung aller Folgen der Woche
"Verliebt in Berlin“ startete am 28. Februar 2005. Alexandra Neldel hat in
der Rolle der Lisa Plenske die Herzen der Zuschauer erobert und inzwischen
eine riesige Fangemeinde gefunden. Die Telenovela ist seitdem klarer
Marktführer in ihrem Timeslot und erreicht im Durchschnitt 21,3 Prozent
Marktanteil (Mai 2005, 14-49-Jährige). Knapp vier Millionen Zuschauer
sehen montags bis freitags die Geschichte der Lisa Plenske. Geplant waren
225 Folgen, mittlerweile wurde eine Verlängerung um 100 Folgen
beschlossen.
Der Handlungsablauf von VIB ist schlicht:
Lisa Plenske, eine gezielt auf unattraktiv gestylte junge Frau aus der
Umgebung von Berlin, macht ein glänzendes Abitur, absolviert erfolgreich
eine Lehre als Einzelhandelskauffrau und bewirbt sich bei einer gut gehenden
Modefirma in Berlin. Statt der angestrebten Stelle wird ihr ein Job im
Catering
angeboten. Lisa, ehrlich, fair und stärker als es scheint, lässt sich nicht
entmutigen und nimmt an. Gleich am ersten Tag verliebt sie sich unsterblich
in ihren Juniorchef David, der reich, weltgewandt und verlobt ist.
Aber Lisa Plenske steigt auf in der Firma, macht sich unentbehrlich und wird
es nach und nach auch. Große Emotionen, aber auch Selbstzweifel und
Konkurrenzkampf bestimmen fortan Lisas Leben. Informierte
Fernsehzuschauer wissen, dass Lisa im Lauf der Novela zu ihrer inneren
Schönheit Schritt für Schritt auch an äußerlicher Attraktivität gewinnt.
Der Hauptspannungsbogen für alle Zuschauer bleibt die Frage: Erreicht Lisa
ihr Ziel? Werden sie und David ein Paar?
Zuschauer:
Ihre holzschnittartigen Figuren erinnern in ihrer Differenziertheit eher an
Comics, das Gute, das Böse, Reich und Arm. Romantik und Schicksal als
Konzentrat medialer Glanzbilder. Angesprochen wird in „Verliebt in Berlin“
die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Eine Telenovela
erzählt von großen Gefühlen, und wer täglich in den Nachrichten von
Katastrophen und Wirtschaftskrisen hört, hat nicht selten ein starkes
Bedürfnis in andere Welten zu entfliehen, in denen die Guten zueinander
finden und die bösen bestraft werden.
Fliessband-Produktion
Hinter den Produktionen der deutschen Telenovelas stehen die üblichen
Großproduktionen: Grundy UFA TV oder auch die Bavaria. Die Innenmotive
werden weitgehend in Studiokulissen gedreht, wahlweise in den Bavaria
Studios oder in Potsdam-Babelsberg, das spart jede Menge Zeit. Die Kosten
für etwa 50 Minuten Programm liegen bei ca. 75.000 Euro, ein
vergleichsweise kleiner Betrag.
Titel wie "Sophie-Braut wider Willen", "Bianca", "Verliebt in Berlin",
"Sturm der Liebe" oder "Tessa-Leben für die Liebe" entstehen in rasantem
Eiltempo. 43 bis 50 Minuten pro Tag abzudrehen ist Standard, ein
Produktionsausstoß, die für szenische Serienproduktionen bisher als völlig
absurd galt. Selbst der Klassiker "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" schafft es
am Tag nur auf 25 Sendeminuten. Eine Arbeitswoche Drehzeit galt bisher als
Minimum für Serien.
Für die Sendeanstalten haben Telenovelas, genau wie Daily-Soaps, den
unschätzbaren Vorteil, dass die Produktion sehr kostengünstig ist, und durch
die hohen Einschaltquoten ziemlich viel Geld mit Werbung verdient werden
kann.
Die industrielle Massenware fordert auch andere Produktionsmethoden. So
werden die Drehbücher etwa von ganzen Teams oder vielen einzelnen
Autoren geschrieben. Meistens gibt ein Autor eine Handlungslinie vor, die
dann von den anderen in die jeweiligen Folgen eingearbeitet wird.
Einige der Novelas werden bereits bandlos auf Wechselfestplatten gedreht,
um die hohen Produktionsgeschwindigkeiten zu unterstützen. Dadurch
entfallen sonst übliche Wartezeiten wie Eindigitalisieren oder Einspielen in
der Postproduktion. Auch der hier und da favorisierte etwas süßliche
Märchenlook wird per Avid-Plug-In gleich in einem Arbeitsgang über das
Material gelegt.