Elektrische Anlagen und Maschinen rechtssicher prüfen
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Elektrische Anlagen und Maschinen rechtssicher prüfen
prüfung von elektrischen anlagen und Seite 1 von 8 maschinen_28_01_2011 Elektrische Anlagen und Maschinen rechtssicher prüfen Die Praxis zeigt, dass in vielen Betrieben der Prüfpflicht ortsfester Maschinen und Anlagen nur sehr spärlich bis gar nicht Rechnung getragen wird. Zudem herrscht viel Unsicherheit bezüglich der Prüffristen, der erforderlichen Qualifikation des Prüfpersonals und einer rechtssicheren Dokumentation. Woher kommt die Prüfpflicht? Seit April 1979 gilt die BGV A3 als autonomes Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) und fordert, dass elektrischen Anlagen und Betriebsmittel in bestimmten Zeitabständen geprüft werden. Elektrische Betriebsmittel sind alle Gegenstände, die als Ganzes oder in einzelnen Teilen dem Anwenden elektrischer Energie oder dem Übertragen, Verteilen und Verarbeiten von Informationen dienen. Elektrische Anlagen, werden durch Zusammenschluss mehrerer elektrischer Betriebsmittel gebildet. Seit Oktober 2002 gibt es zusätzlich eine staatliche Prüfpflicht für Arbeitsmittel (Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen) gemäß Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) § 10. Die BetrSichV hat eine wesentlich höhere rechtliche Gewichtung als die BGV A3. Abb. 1: Staatsanwaltschaft Sie kennt nämlich den Straftatbestand, wenn es zu einem Unfall mit Personenschaden durch ein nicht geprüftes Arbeitsmittel kommt. Die BetrSichV fordert sowohl eine schriftliche Gefährdungsbeurteilung zur Prüffristenermittlung, als auch eine befähigte Person nach TRBS 1203 für die prüfung von elektrischen anlagen und Seite 2 von 8 maschinen_28_01_2011 Durchführung der Prüfungen. Gefährdungsbeurteilung bedeutet Gefährdungen zu ermitteln, die mit der Benutzung des Arbeitsmittels selbst verbunden sind bzw. am Arbeitsplatz durch Wechselwirkungen der Arbeitsmittel untereinander oder mit Arbeitsstoffen oder der Arbeitsumgebung hervorgerufen werden. Dementsprechend werden Maßnahmen zur Gegenabwehr sowie sinnvolle Prüffristen und Prüfumfänge festgelegt. Abb. 2: Zusammenspiel der Prüfpflichten Arbeitsschutz ist Chefsache! Grundsätzlich steht der Arbeitgeber/Betreiber im Fokus. Er ist gehalten, den Vorgaben unterschiedlicher Regelsetzer nachzukommen. Fehlt die notwendige Qualifikation, müssen fachkundige Personen schriftlich beauftragt werden, diese Pflichten in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die VDE 1000-10 fordert eine verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) zur Übernahme der Fach- und Aufsichtsverantwortung für Tätigkeiten, die von Bedeutung für die elektrische Sicherheit sind. Dementsprechend hat die VEFK auch die Auswahlverantwortung für die mit der Prüfung von Arbeitsmitteln beauftragten Personen. prüfung von elektrischen anlagen und Seite 3 von 8 maschinen_28_01_2011 Abb. 3: Verantwortungsbereiche der VEFK Arbeitsmittel sind nach BetrSichV prüfpflichtig Definition von Arbeitsmitteln, Auszug aus der BetrSichV: „Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung sind Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen. Anlagen im Sinne von Satz 1 setzen sich aus mehreren Funktionseinheiten zusammen, die zueinander in Wechselwirkung stehen und deren sicherer Betrieb wesentlich von diesen Wechselwirkungen bestimmt wird; hierzu gehören insbesondere überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 7 des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes.“ Also unterliegen Maschinen in jeglicher Form, ob handgeführte Motorwerkzeuge oder ortsfeste Produktionsanlagen der Prüfpflicht nach BetrSichV. Wer darf Arbeitsmittel prüfen? Die BetrSichV fordert befähigte Personen nach § 2.7. Das ist noch sehr allgemein gehalten und wird in der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 konkretisiert. prüfung von elektrischen anlagen und Seite 4 von 8 maschinen_28_01_2011 Abb. 4: EFK vs. Befähigte Person Zusammenfassend könnte man eine befähigte Person für die Prüfung von elektrischen Maschinen und Anlagen folgendermaßen beschreiben: Eine Elektrofachkraft, die die erforderliche Erfahrung mit den zu prüfenden Arbeitsmitteln hat, die einschlägigen Normen und Vorschriften kennt und diese durch regelmäßige Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen auf dem aktuellen Stand hält. Wichtig: Eine befähigte Person muss vom Unternehmer bzw. der verantwortlichen Elektrofachkraft ausgewählt, schriftlich bestellt und auf ihre Aufgabe hin weisungsfrei gestellt sein! Welche Prüffristen sind bindend? Das Konzept der BetrSichV sieht nach § 3 vor, dass im Rahmen einer schriftlichen Gefährdungsbeurteilung Prüfart, -umfang und -frist notwendiger Prüfungen zu Ermitteln und Festzulegen ist. Das ist grundsätzlich nichts neues, da die BGV A3 in § 5 festlegt, dass die Fristen so zu bemessen sind, dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden. Es reicht dementsprechend nicht aus, die beispielhaften Prüffristen aus der Durchführungsanweisung zur BGV A3 als feste Prüffristen zu übernehmen! Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu Prüfen, ob aufgrund besonderer betrieblicher Gegebenheiten ggf. kürzere Prüffristen festzulegen sind. Nach staatlichem Recht wird dem Arbeitgeber aber auch die Möglichkeit eingeräumt, längere Prüffristen festzusetzen, wenn dies das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung zulässt. prüfung von elektrischen anlagen und Seite 5 von 8 maschinen_28_01_2011 Abb. 5: Umfassende Gefährdungsbeurteilung Nach welchen Vorgaben wird geprüft? Die Vorgehensweise bei den Prüfungen ist in den entsprechenden VDENormen beschrieben. Die VDE-Normen erlangen im Energiewirtschaftsgesetz § 49 sogar einen Quasi-Rechtscharakter. Bei Umsetzung der VDE-Normen wird vermutet, die erforderlichen Regeln der Technik eingehalten zu haben. Dieser Beweis des ersten Anscheins erlischt, wenn andere oder eigene Vorgaben zur Anwendung gelangen. Dann muss die Gleichwertigkeit der Maßnahmen schriftlich im Vorfeld bewiesen werden. Welche Normen sind relevant? Jede Niederspannungsanlage muss gemäß VDE 0100-600 geprüft werden, bevor sie vom Benutzer in Betrieb genommen wird und zwar zu 100 Prozent. Bei dieser Erstprüfung soll nachgewiesen werden, dass die zum Errichtungszeitpunkt gültige Normenreihe VDE 0100 eingehalten wurde. Für diese Prüfung müsste der Prüfer einen sehr breit gefächerten Wissensstand besitzen. Deshalb ist es sinnvoll, für die einzelnen Errichtungsphasen Prüfprotokolle zu erstellen, bzw. diese vom Hersteller einzufordern (z. B. ein Prüfprotokoll des Schaltschrankbauers). Dadurch kann der Erstprüfer wesentlich einfacher die Richtigkeit der Projektierung kontrollieren. Bei Erweiterungen oder Änderungen sind ebenfalls Erstprüfungen und gegebenenfalls Anpassungen an die gültigen Normen erforderlich. Bei der Errichtung von Maschinen ist die VDE 0113-1 zu beachten, in der ebenfalls eine Erstprüfung beschrieben steht. Der Umfang der wiederkehrenden Prüfungen ist in der VDE 0105-100 geregelt. prüfung von elektrischen anlagen und Seite 6 von 8 maschinen_28_01_2011 Abb. 6: Normative Zusammenhänge Es dürfen Stichproben durchgeführt werden, sowohl in Bezug auf den örtlichen Bereich (Anlagenteile), als auch auf die durchzuführenden Maßnahmen. Wichtig: Die Beurteilung des ordnungsgemäßen Zustandes muss gegeben sein; oftmals ist dazu eine 100-Prozent-Prüfung notwendig. Die befähigte Person muss entscheiden! Oftmals obliegt es auch der befähigten Person, die richtige Prüfgrundlage auszuwählen: Bei einer fest angeschlossene Maschine (z. B. Drehbank) darf die verantwortliche befähigte Person entscheiden, ob die VDE 0701-0702 oder die VDE 0105-100 zur Anwendung gelangt. Generell ist für alle Prüfnormen die VDE 0100-410 (Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag) zu Grunde gelegt. Betriebliche Organisation der Prüfung elektrischer Maschinen und Anlagen Leider gibt es kein Kochrezept für die richtige Vorgehensweise. Die richtige Inventarisierung der Arbeitsmittel spielt eine wesentliche Rolle. Eine Datenbank eignet sich für eine Clusterbildung von Arbeitsmitteln. So könnte man Gruppen bilden, die gleicher Gefährdung/ Beanspruchung unterliegen und jeweils eine Gefährdungsbeurteilung pro Gruppe zuordnen. Die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ist nicht als unumgänglicher, zusätzlicher Aufwand zu verstehen. Vielmehr kann sie als Instrument zur Erstellung eines wirksamen Managementsystems für vorbeugende Unterhaltung und Wartung verwendet werden. Dadurch können wiederkehrende Prüfungen durch die angemessene Durchführung einer dauernden Überwachung und Wartung der Anlage und all ihrer Betriebsmittel mit der richtige Einbindung von Einkauf, Instandhaltungspersonal und Benutzer ersetzt werden. Wesentliche Punkte bei einem ganzheitlichen Prüfkonzept sind: prüfung von elektrischen anlagen und Seite 7 von 8 maschinen_28_01_2011 - Festlegen der Anforderungen an die Anlage/Maschine bei der Beschaffung im Hinblick auf die Umgebungsbedingungen - Sicherstellung einer Erstprüfung mit Protokoll - Qualifikation des Bedienpersonals (evtl. Weiterbildung) - vorbeugende Instandhaltung mit geeigneten Nachweisen (z. B. Wärmebildanalysen, Differenzstromüberwachungen…) - Prüfung nach Reparatur mit Protokoll (z. B. Motorentausch) - Stichprobenartige Prüfung während der Produktionsphasen anhand von Checklisten (z. B. Sichtprüfungen, Not-Aus-Erprobungen, Überprüfung der Abschaltbedingungen) - Prüftasten der RCD´s halbjährlich betätigen - Isolationsprüfungen an neuralgisch wichtigen Punkten aus betrieblichen Erfahrungen während der Stillstandphasen bei Abschaltung der Energieversorgung. Abb. 7: Ganzheitliches Prüfkonzept Dies ist keine erschöpfende Liste. Die Maßnahmen müssen entsprechend in der Gefährdungsbeurteilung hinterlegt werden und in Form von Verfahrens-, Betriebs-, oder Arbeitsanweisungen an die durchführenden Personen ausgegeben werden. prüfung von elektrischen anlagen und Seite 8 von 8 maschinen_28_01_2011 Mirko Engert (*1973) Fachdozent Elektrotechnik bei der MEBEDO GmbH, BDSH Sachverständiger für Gefährdungsbeurteilungen elektrischer Arbeitsmittel, Fachjournalist Mebedo GmbH Züchnerstraße 8 56070 Koblenz Email: [email protected] Internet: www.mebedo.de Mobil: 0170 / 855 90 52 oder Fon: 02 61 / 9 82 78 - 0