Elektrische Anlagen und Maschinen rechtssicher prüfen

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Elektrische Anlagen und Maschinen rechtssicher prüfen
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Elektrische Anlagen und Maschinen
rechtssicher prüfen
Die Praxis zeigt, dass in vielen Betrieben der Prüfpflicht ortsfester
Maschinen und Anlagen nur sehr spärlich bis gar nicht Rechnung
getragen wird. Zudem herrscht viel Unsicherheit bezüglich der
Prüffristen, der erforderlichen Qualifikation des Prüfpersonals und einer
rechtssicheren Dokumentation.
Woher kommt die Prüfpflicht?
Seit April 1979 gilt die BGV A3 als autonomes Satzungsrecht der
Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) und fordert, dass
elektrischen Anlagen und Betriebsmittel in bestimmten Zeitabständen geprüft
werden. Elektrische Betriebsmittel sind alle Gegenstände, die als Ganzes
oder in einzelnen Teilen dem Anwenden elektrischer Energie oder dem
Übertragen, Verteilen und Verarbeiten von Informationen dienen. Elektrische
Anlagen, werden durch Zusammenschluss mehrerer elektrischer
Betriebsmittel gebildet. Seit Oktober 2002 gibt es zusätzlich eine staatliche
Prüfpflicht für Arbeitsmittel (Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen)
gemäß Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) § 10. Die BetrSichV hat
eine wesentlich höhere rechtliche Gewichtung als die BGV A3.
Abb. 1:
Staatsanwaltschaft
Sie kennt nämlich den Straftatbestand, wenn es zu einem Unfall mit
Personenschaden durch ein nicht geprüftes Arbeitsmittel kommt. Die
BetrSichV fordert sowohl eine schriftliche Gefährdungsbeurteilung zur
Prüffristenermittlung, als auch eine befähigte Person nach TRBS 1203 für die
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Durchführung der Prüfungen. Gefährdungsbeurteilung bedeutet
Gefährdungen zu ermitteln, die mit der Benutzung des Arbeitsmittels selbst
verbunden sind bzw. am Arbeitsplatz durch Wechselwirkungen der
Arbeitsmittel untereinander oder mit Arbeitsstoffen oder der Arbeitsumgebung
hervorgerufen werden. Dementsprechend werden Maßnahmen zur
Gegenabwehr sowie sinnvolle Prüffristen und Prüfumfänge festgelegt.
Abb. 2:
Zusammenspiel der Prüfpflichten
Arbeitsschutz ist Chefsache!
Grundsätzlich steht der Arbeitgeber/Betreiber im Fokus. Er ist gehalten, den
Vorgaben unterschiedlicher Regelsetzer nachzukommen. Fehlt die
notwendige Qualifikation, müssen fachkundige Personen schriftlich beauftragt
werden, diese Pflichten in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die VDE
1000-10 fordert eine verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) zur Übernahme
der Fach- und Aufsichtsverantwortung für Tätigkeiten, die von Bedeutung für
die elektrische Sicherheit sind. Dementsprechend hat die VEFK auch die
Auswahlverantwortung für die mit der Prüfung von Arbeitsmitteln beauftragten
Personen.
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Abb. 3:
Verantwortungsbereiche der VEFK
Arbeitsmittel sind nach BetrSichV prüfpflichtig
Definition von Arbeitsmitteln, Auszug aus der BetrSichV:
„Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung sind Werkzeuge, Geräte,
Maschinen oder Anlagen. Anlagen im Sinne von Satz 1 setzen sich aus
mehreren Funktionseinheiten zusammen, die zueinander in Wechselwirkung
stehen und deren sicherer Betrieb wesentlich von diesen Wechselwirkungen
bestimmt wird; hierzu gehören insbesondere überwachungsbedürftige
Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 7 des Geräte- und
Produktsicherheitsgesetzes.“
Also unterliegen Maschinen in jeglicher Form, ob handgeführte
Motorwerkzeuge oder ortsfeste Produktionsanlagen der Prüfpflicht nach
BetrSichV.
Wer darf Arbeitsmittel prüfen?
Die BetrSichV fordert befähigte Personen nach § 2.7. Das ist noch sehr
allgemein gehalten und wird in der Technischen Regel für Betriebssicherheit
TRBS 1203 konkretisiert.
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Abb. 4:
EFK vs. Befähigte Person
Zusammenfassend könnte man eine befähigte Person für die Prüfung von
elektrischen Maschinen und Anlagen folgendermaßen beschreiben:
Eine Elektrofachkraft, die die erforderliche Erfahrung mit den zu prüfenden
Arbeitsmitteln hat, die einschlägigen Normen und Vorschriften kennt und
diese durch regelmäßige Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen auf dem
aktuellen Stand hält.
Wichtig: Eine befähigte Person muss vom Unternehmer bzw. der
verantwortlichen Elektrofachkraft ausgewählt, schriftlich bestellt und auf ihre
Aufgabe hin weisungsfrei gestellt sein!
Welche Prüffristen sind bindend?
Das Konzept der BetrSichV sieht nach § 3 vor, dass im Rahmen einer
schriftlichen Gefährdungsbeurteilung Prüfart, -umfang und -frist notwendiger
Prüfungen zu Ermitteln und Festzulegen ist. Das ist grundsätzlich nichts
neues, da die BGV A3 in § 5 festlegt, dass die Fristen so zu bemessen sind,
dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig
festgestellt werden. Es reicht dementsprechend nicht aus, die beispielhaften
Prüffristen aus der Durchführungsanweisung zur BGV A3 als feste Prüffristen
zu übernehmen! Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu Prüfen, ob
aufgrund besonderer betrieblicher Gegebenheiten ggf. kürzere Prüffristen
festzulegen sind. Nach staatlichem Recht wird dem Arbeitgeber aber auch
die Möglichkeit eingeräumt, längere Prüffristen festzusetzen, wenn dies das
Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung zulässt.
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Abb. 5:
Umfassende Gefährdungsbeurteilung
Nach welchen Vorgaben wird geprüft?
Die Vorgehensweise bei den Prüfungen ist in den entsprechenden VDENormen beschrieben. Die VDE-Normen erlangen im
Energiewirtschaftsgesetz § 49 sogar einen Quasi-Rechtscharakter. Bei
Umsetzung der VDE-Normen wird vermutet, die erforderlichen Regeln der
Technik eingehalten zu haben. Dieser Beweis des ersten Anscheins erlischt,
wenn andere oder eigene Vorgaben zur Anwendung gelangen. Dann muss
die Gleichwertigkeit der Maßnahmen schriftlich im Vorfeld bewiesen werden.
Welche Normen sind relevant?
Jede Niederspannungsanlage muss gemäß VDE 0100-600 geprüft werden,
bevor sie vom Benutzer in Betrieb genommen wird und zwar zu 100 Prozent.
Bei dieser Erstprüfung soll nachgewiesen werden, dass die zum
Errichtungszeitpunkt gültige Normenreihe VDE 0100 eingehalten wurde. Für
diese Prüfung müsste der Prüfer einen sehr breit gefächerten Wissensstand
besitzen. Deshalb ist es sinnvoll, für die einzelnen Errichtungsphasen
Prüfprotokolle zu erstellen, bzw. diese vom Hersteller einzufordern (z. B. ein
Prüfprotokoll des Schaltschrankbauers). Dadurch kann der Erstprüfer
wesentlich einfacher die Richtigkeit der Projektierung kontrollieren. Bei
Erweiterungen oder Änderungen sind ebenfalls Erstprüfungen und
gegebenenfalls Anpassungen an die gültigen Normen erforderlich. Bei der
Errichtung von Maschinen ist die VDE 0113-1 zu beachten, in der ebenfalls
eine Erstprüfung beschrieben steht. Der Umfang der wiederkehrenden
Prüfungen ist in der VDE 0105-100 geregelt.
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Abb. 6:
Normative Zusammenhänge
Es dürfen Stichproben durchgeführt werden, sowohl in Bezug auf den
örtlichen Bereich (Anlagenteile), als auch auf die durchzuführenden
Maßnahmen. Wichtig: Die Beurteilung des ordnungsgemäßen Zustandes
muss gegeben sein; oftmals ist dazu eine 100-Prozent-Prüfung notwendig.
Die befähigte Person muss entscheiden!
Oftmals obliegt es auch der befähigten Person, die richtige Prüfgrundlage
auszuwählen: Bei einer fest angeschlossene Maschine (z. B. Drehbank) darf
die verantwortliche befähigte Person entscheiden, ob die VDE 0701-0702
oder die VDE 0105-100 zur Anwendung gelangt. Generell ist für alle
Prüfnormen die VDE 0100-410 (Schutzmaßnahmen – Schutz gegen
elektrischen Schlag) zu Grunde gelegt.
Betriebliche Organisation der Prüfung elektrischer Maschinen und Anlagen
Leider gibt es kein Kochrezept für die richtige Vorgehensweise. Die richtige
Inventarisierung der Arbeitsmittel spielt eine wesentliche Rolle. Eine
Datenbank eignet sich für eine Clusterbildung von Arbeitsmitteln. So könnte
man Gruppen bilden, die gleicher Gefährdung/ Beanspruchung unterliegen
und jeweils eine Gefährdungsbeurteilung pro Gruppe zuordnen. Die
Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ist nicht als unumgänglicher,
zusätzlicher Aufwand zu verstehen. Vielmehr kann sie als Instrument zur
Erstellung eines wirksamen Managementsystems für vorbeugende
Unterhaltung und Wartung verwendet werden. Dadurch können
wiederkehrende Prüfungen durch die angemessene Durchführung einer
dauernden Überwachung und Wartung der Anlage und all ihrer Betriebsmittel
mit der richtige Einbindung von Einkauf, Instandhaltungspersonal und
Benutzer ersetzt werden. Wesentliche Punkte bei einem ganzheitlichen
Prüfkonzept sind:
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-
Festlegen der Anforderungen an die Anlage/Maschine bei der
Beschaffung im Hinblick auf die Umgebungsbedingungen
-
Sicherstellung einer Erstprüfung mit Protokoll
-
Qualifikation des Bedienpersonals (evtl. Weiterbildung)
-
vorbeugende Instandhaltung mit geeigneten Nachweisen (z. B.
Wärmebildanalysen, Differenzstromüberwachungen…)
-
Prüfung nach Reparatur mit Protokoll (z. B. Motorentausch)
-
Stichprobenartige Prüfung während der Produktionsphasen anhand von
Checklisten (z. B. Sichtprüfungen, Not-Aus-Erprobungen, Überprüfung
der Abschaltbedingungen)
-
Prüftasten der RCD´s halbjährlich betätigen
-
Isolationsprüfungen an neuralgisch wichtigen Punkten aus betrieblichen
Erfahrungen während der Stillstandphasen bei Abschaltung der
Energieversorgung.
Abb. 7:
Ganzheitliches Prüfkonzept
Dies ist keine erschöpfende Liste. Die Maßnahmen müssen entsprechend in
der Gefährdungsbeurteilung hinterlegt werden und in Form von Verfahrens-,
Betriebs-, oder Arbeitsanweisungen an die durchführenden Personen
ausgegeben werden.
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Mirko Engert (*1973)
Fachdozent Elektrotechnik bei der MEBEDO GmbH, BDSH Sachverständiger
für Gefährdungsbeurteilungen elektrischer Arbeitsmittel, Fachjournalist
Mebedo GmbH
Züchnerstraße 8
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Mobil: 0170 / 855 90 52 oder Fon: 02 61 / 9 82 78 - 0