Rioja: Von Haus aus gut

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Essen BILANZ 13/12 08.06.2012 | 08:30
Von: Monique Rijks Foto: Nathalie Bissig Alert abonnieren
Rioja: Von Haus aus gut
Wenn Schweizer zu spanischen Weinen greifen, dann am häufigsten zu einem Rioja.
Die gleichnamige Rebbaugegend im Norden Spaniens kennen die wenigsten.
Schade, denn dort wachsen nicht nur schöne Weine, sondern auch die Architektur
treibt bunte Blüten.
Das Degustieren in auffallender Architektur, hier im Gebäude von Zaha Hadid, gehört
zum festen Bestandteil einer Rioja-Reise.
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Die Rebenlandschaft der Rioja mit ihren farbigen Böden breitet sich wie eine
Patchwork-Decke aus. Auf den Falten des Rioja-Gebiets zwischen der Cordillera
Cantábrica im Norden und der Sierra de la Demanda im Süden ragen die Dörfer in
den Himmel.
Die Häuser mit den massiven Mauern, die dem bissigen Atlantikwind trotzen, die
Kathedralen und die Herrschaftssitze zeugen davon, dass sich hier mit Wein schon
seit langer Zeit viel Geld verdienen lässt.
In dieser ruralen Landschaft wirkt der glänzende Stahlbau des amerikanischen
Stararchitekten Frank Gehry mit den goldenen und rosa Kringeln auf dem Dach wie
eine Patisserie, die versehentlich in der Wurstabteilung platziert wurde. Bauherr ist
der ebenfalls weltberühmte Produzent Marqués de Riscal. Dass sich die Firma einen
Mann mit grossem Namen und internationaler Ausstrahlung für den Bau ihres
Hauptsitzes am Dorfrand von Elciego geholt hat, ist kein Zufall: In der Rioja wird
Wein auch über die Architektur verkauft.
Es gibt viel zu sehen
Nicht nur in Elciego werben Gebäude, die von Gestaltern mit klingenden Namen
erbaut wurden, für die Erzeugnisse aus dem archaischen Tal. Architektonische
Preziosen von Santiago Calatrava, Zaha Hadid oder Philippe Mazières gehören zu
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den Höhepunkten einer Reise durch das Ebro-Tal und locken Besucher von weit her
an. Die Strategie geht auf.
Es gibt viel zu sehen in der Rioja – und noch mehr zu degustieren. Trotz
zunehmender Konkurrenz der aufstrebenden Gebiete Navarra, Priorat und Ribera del
Duero ist und bleibt die Rioja mit ihren 60 000 Hektaren, den 18 000 Winzern, den
550 Bodegas und einer Jahresproduktion von 300 Millionen Litern die wichtigste
Weinregion Spaniens. Diese gigantischen Zahlen manifestieren sich auch in der
sympathischen Tatsache, dass in der Rioja beinahe an jeder Ecke eine Bodega
wartet.
Entlang des Ebro
Etwa in Haro, dem Hauptort der Rioja Alta, wo sich Weingüter mit bekannten Namen
– Federico Paternina, Muga, Tondonia – dicht an dicht aneinanderreihen. Wer kleine,
hübsche Châteaux erwartet, wie man sie im Bordelais antrifft, wird enttäuscht sein. In
der Rioja richtet man mit der grossen Kelle an: Riesige Hallen bieten dem Wein ein
Dach über dem Kopf. Das einzige filigrane Element im sperrigen Umfeld ist die
Weinboutique der Viña Tondonia.
Die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid, bekannt für ihre eigenwilligen
Interpretationen der Geometrie, hat eine überdimensionierte gläserne Flasche
entworfen, die sich unter dem auffälligen Kupferdach scheinbar federleicht an die
altgediente Bausubstanz anlehnt. Drinnen sind Licht und Luft Trumpf – ein schöner
Ort, um die Nase zum ersten Mal ins Glas zu stecken.
Von Haro aus sticht der Weg direkt ins Tal, man kann ihn nicht verfehlen: Die
Hauptstrasse folgt dem Fluss Ebro, der auf seiner Reise vom Kantabrischen Gebirge
zum Mittelmeer durch die Böden aus Kalk, Lehm und Sand mäandert. Immer wieder
lohnen sich kleine Abstecher zu den besiedelten Hügeln, die aus dem Rebenteppich
herausragen.
Laguardia muss man gesehen haben
Unbedingt einen Besuch wert ist das Städtchen Laguardia im baskischen Teil der
Rioja. Dort schlendert man nicht nur gemütlich durch die Gässchen des
mittelalterlichen Dorfkerns mit den grandiosen Patrizierhäusern. Man geniesst von
der Stadtmauer aus auch einen Blick auf die umliegenden Lagunen, die wie Spiegel
in der Sonne blitzen, und fasst die nächsten Ziele ins Auge: den sehr eigenwilligen
Bau des Franzosen Philippe Mazières für die Viña Real und den gelungenen Wurf
von Santiago Calatrava für die Bodegas Ysios.
Beide Architekten haben nicht bloss irgendeine Idee umgesetzt, sondern sich stark
von der Region und ihrem wichtigsten Exportgut, dem Wein, inspirieren lassen.
Mazières löste die Aufgabe wörtlich: Das Hauptgebäude der Viña Real sieht aus wie
ein riesiges Holzfass, das in den Boden geschlagen wurde. Das Resultat ist
Geschmackssache.
Subtiler hingegen ist der Wurf des Spaniers Santiago Calatrava für die Bodegas
Ysios: Das Gebäude, niedrig und lang, schmiegt sich zwischen die Rebberge vor der
felsigen Kulisse der Cordillera Cantábrica – das Dach nimmt den Rhythmus der Krete
auf und spinnt ihn weiter. Fenster gibt es nur im mittleren Teil, wo sich auch der
Eingang befindet. Die anderen Räume sind fensterlos und bieten den Tanks und
Fässern Platz, damit der Wein bis zu seiner Abfüllung fern von Licht und Lärm reifen
kann.
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Die hohe Kunst des Degustierens
Die Einheimischen sind stolz. Nicht nur auf ihre Weine, die in den letzten Jahren
immer besser geworden sind. Nicht nur auf ihre Traubenvielfalt: Neben der Sorte
Tempranillo wachsen hier Garnacha, Mazuelo, Graciano sowie die beiden weissen
Sorten Viura und Malvasia. Stolz sind sie vor allem auf ihre Weinkeller und zeigen sie
dementsprechend gerne und ausführlich.
Beim ersten Besuch eines der Weingüter staunt man noch über die gigantischen
Stahltanks, bewundert die riesigen Hallen voll von Fässern, die Abfüllanlagen, das
Flaschenlager (bei Faustino hat das Königshaus einen eigenen Keller mit
personalisierten Flaschen), die Labors und gewinnt selbst dem Geruch modriger
Trauben eine romantische Note ab. Spätestens nach der dritten Besichtigung würde
man aber viel dafür geben, vom Empfang direkt in den Degustationsraum zu
gelangen.
Denn vom Keller allein lässt sich kaum auf die Weine schliessen, ausser man ist
Winzer oder Weinfachfrau. Degustationen hingegen – die Palette der in der Rioja
produzierten Weine reicht vom Zwei-Euro-Tischwein bis zum zelebrierten
Autorenwein – werden von Mal zu Mal aufschlussreicher, auch für Laien.
Wein billiger als Wasser
Vor allem, wenn sie so interessant gestaltet sind wie im Weingut Marqués de
Murrieta. Das Anwesen liegt im Umland von Logroño, der Hautpstadt der Provinz
Rioja. Im Moment werden die Gebäude vom Gestern ans Heute angepasst. Hier
beginnt die Besichtigung nicht mit dem Keller, sondern mit einer Fahrt durch die
hauseigenen Rebberge. Unterwegs lernt man die verschiedenen Facetten des
Rebbaus kennen und erfährt Spannendes über die Geschichte der Gewächse, die
viel jünger ist, als man angesichts der verwachsenen Hänge annehmen könnte.
Wein gab es hier zwar schon immer. So viel sogar, dass er billiger als Wasser
verkauft wurde und deshalb beim Bau von Häusern dem Beton beigemischt wurde,
was die vielen rosaroten Fassaden erklärt. Eine richtige Weinkultur etablierte sich
aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Emigranten aus Frankreich
und Rückkehrer aus den Kolonien Südamerikas das fachliche Wissen um die Gärung
und die Stabilisierung an den Ebro brachten.
Bevor man die Rioja wieder verlässt, sollte man freilich nicht nur ein paar Weingüter
besucht haben, sondern auch eine Nacht oder zwei in Logroño verbringen und einen
weiteren Trumpf der Region kennen lernen: das gute Essen. Der Abend fängt in den
Tapas-Strassen gleich hinter dem Markplatz im Stadtzentrum an und endet in einem
der vielen Restaurants bei den anderen Spezialitäten der Region: Spargeln,
Artischocken, Käse und ausgezeichnetem Fleisch. Alles passt bestens zu den
schönen Weinen.
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