Prof. Hans Gold Leiter der Restaurierungsanstalt der Graphischen

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Prof. Hans Gold Leiter der Restaurierungsanstalt der Graphischen
Prof. Hans Gold
L e i t e r der Restaurierungsanstalt der Graphischen Sammlung Albertina, Wien
TECHNISCHE BELANGE INNERHALB EINER
GRAPHISCHEN SAMMLUNG
Zur Einführung: Die Graphische Sammlung Albertina, i n i h r e r A r t eine der bedeutendsten Sammlungen der Welt, wurde von Herzog Albert von Sachsen-Teschen
(1738-1822) gegründet. Der Name " C o l l e c t i o Albertina" wurde das erstemal zur
Weltausstellung i n Wien, 1873, geprägt. Herzog Albert war der Sohn des Kurfürsten F r i e d r i c h August von Sachsen und der österreichischen Erzherzogin
Maria Josepha. Er wurde O f f i z i e r unter Marschall Daun, kam durch i h n nach
Wien und s t e l l t e s i c h dann dem Kaiserlichen Hof vor. Er h e i r a t e t e eine Tochter
Maria Theresias, d i e österreichische Erzherzogin Marie Christine. Sie war es,
d i e seine künstlerische Neigung f ö r d e r t e und wesentlich dazu beitrug, den
Grundstein der heutigen Sammlung zu legen. Herzog Albert von Sachsen-Teschen
übergab seinem Neffen und Adoptivsohn, Erzherzog Carl von Österreich, dem Sieger von Aspern, a l s Alleinerben rund 14.000 Zeichnungen i n 237 Uänden und
rund 160.000 Stiche i n f a s t 900 Bänden. Dieser vermehrte d i e Sammlung auf ungefähr 16.000 Zeicipmgen und 220.000 Stiche, e i n Bestand, der i m Jahre 1918
den einen T e i l der neuen Albertina b i l d e t e . Dan anderen s t e l l t e das Kupferstichkabinett der Kaiserlichen Hofbibliothek (der jetzigen Nationalbibliothek) m i t etwa 250.000 Werken. Umfangreiche Erwerbungen, Tauschaktionen und
Ankäufe haben i n dem seither vergangenen halben Jahrhundert einen Bestand
von etwa 44.000 Zeichnungen und weit über eine M i l l i o n oruckgraphischer Werke
ergeben, so daß d i e Albertina heute zu den umfangreichsten graphischen Sammlungen der Welt gehört.
Durch dieses Referat s o l l t e vor allem d i e V i e l f a l t der Arbeiten i n der hiesigen R e s t a u r i e r a n s t a ~ taufgezeigt werden. Arbeiten, d i e m i t den üblichen
Praktiken eines Graphikrestauratqrs n i c h t s mehr gemein haben, dem heutigen
A u s s t e l l ~ n ~ s t r e naber
d
Rechnung tragen müssen. Da gerade durch d i e Vielzahl
- und i n e r s t e r L i n i e der Ausstellungen außerhalb des Hau- Kunstwerke größten Schaden erleiden können und sicher auch schon er-
der Ausstellungen
ses
l i t t e n haben, gehört es nun auch zu den P f l i c h t e n eines Restaurators, Sorge
zu tragen, daß diese Schäden i n e r t r ä g l i c h e n Grenzen gehalten werden. Der
Hauptaufgabe eines *estaurators o b l i e g t es nun einmal, Kunstwerke zu erhalten
und n i c h t den größten T e i l seiner Z e i t a l s Ausstellungsgestalter zu verbringen.
Uenn schon Ausstellungen außerhalb des Hauses gemacht werden müssen
- und aus
kunsthistorischen und historischen Erwägungen lassen s i e s i c h nun einmal n i c h t
umgehen
- sollten
doch fünf Hauptpunkte immer berücksichtigt werden.
1) Zustand des Blattes. Nur w i r k l i c h einwandfreier Zustand eines B l a t t e s s o l l t e
f ü r Leihgaben i n Erwägung gezogen werden. Bereits von verschiedenen Veränderungen der Papierfaser befallene B l ä t t e r sollten, da s i e besonders empfindl i c h auf Veränderungen der Temperatur,
der L u f t f e u c h t i g k e i t und womöglich auf
Erschütterungen reagieren, rücksichtslos von einer Leihgebung ausgeschlossen
werden, s e l b s t wenn dadurch der Wert einer Ausstellung i n Frage g e s t e l l t wird.
2 ) Künstlerischer Wert des Blattes. Man s o l l t e grundsätzlich einmalige Spitzenwerke von einer Leihgebung ausschließen. Wenn es das Thema einer Ausstellung
unbedingt verlangt, könnte man s i c h m i t Reproduktionen helfen, d i e heute schon
einen hohen künstlerischen Stand e r r e i c h t haben.
3)
Dauer und Ort der Ausstellung.
4) Jahreszeit.
I n beiden Punkten
3
und 4 muß unbedingt auf Temperatur und L u f t f e u c h t i g k e i t
geachtet werden. Man muß vom Aussteller verlangen, da8 möglichst eine konstante Temperatur und L u f t f e u c h t i g k e i t eingehalten werden kann.
5)
Aussetzen der Leihgabe dem Sonnenlicht bzw. künstlichem L i c h t . Es i s t wohl
selbstverständlich,
a r b e i t e t wurde
da8 k e i n Kunstwerk
- dem Sonnenlicht
- noch dazu,
wenn es auf Papier ge-
ausgesetzt werden darf. I c h glaube, es er-
ü b r i g t sich, auf d i e k r t der Schäden, die dabei entstehen können, näher einzugehen. Dasselbe g i l t auch f ü r B l ä t t e r , d i e a l l z u lange dem künstlichen
L i c h t ausgesetzt werden.
Nur wenn diese angeführten fünf Punkte gemeinsam vom Kunsthistoriker und Restaurator Berücksichtigung finden, kann an eine Leihgebung gedacht werden.
Aber nur dann!
I n diesem Zusammenhang konnte über d i e Problematik eines Kunsttransportes überhaupt und i n besonderen auf d i e Versiegelung durch Zollbeamte eingegangen
werden. Es tauchte der Gedanke auf, ob eine zolltechnische Versiegelung n i c h t
dadurch zu umgehen wäre, daß, v i e l l e i c h t i n Form eines internationalen Siegels,
das n a t ü r l i c h nur i n Besitz von s t a a t l i c h e n oder städtischen ~'~useen,Sammlungen
und Bibliotheken sein dürfte, dieses von den genannten ö f f e n t l i c h e n S t e l l e n
selbst anzubringen wäre. Damit wäre auch d i e eminente Gefahr ausgeschaltet, d i e
- um d i e "Nämlichkeit"
- Abstempeln der B l ä t t e r auf Rück oder sogar Vorderseite. Unter
b e i der Zollversiegelung immer gegeben i s t , nämlich das
festzuhalten
"Nämlichkeit" wird b e i den Zollorganen d i e Garantie verstanden, da8 das eben
d i e Landesgrenze passierende B l a t t auch tatsächlich wieder zurückge$tellt wird.
Dieser Gedanke, eben e i n an S t e l l e der üblichen ZoLlabfertigung anzubringendes
- v i e l l e i c h t von der UNESCO herausgegebenes Siegel oder sonstiges Kennzeichen wäre, meiner Meinung nach, wert, weiter v e r f o l g t zu werden.
Zu den p r i m i t i v s t e n P f l i c h t e n einer Konservierung zählt d i e Aufbewahrung eines
Kunstwerkes.
I c h spreche i n e r s t e r L i n i e d i e Graphikrestauratoren an, weniger
- a l l e i n schon wegen der
A r t des Kunstwerkes
- d i e Archiv-
und Bibliothekrestau-
ratoren. Jede graphische Sammlung hat nun d i e Möglichkeit, i h r e B l ä t t e r entweder i n Klebebänden
- wobei
aus ausstellungstechnischen Gründen davon abzuraten
i s t , aus Platzmangel aber jedoch manchmal keine andere k g l i c h k e i t besteht
-
oder i n Passepartouts aufzubewahren. Die Albertina muf3te sich f ü r beide Möglichk e i t e n entscheiden, schon a l l e i n deshalb, da durch den Zuwachs def B l ä t t e r der
ehemaligen Hofbibliothek d i e Sammlung solche Dimensionen annahm, da0 an eine
a l l e i n i g e Montierung i n Passepartouts n i c h t gedacht werden konnte. I m Laufe der
Z e i t haben sich i n der Albertina d i e verschiedensten, und wie i c h gerne zugebe, n i c h t immer glücklichsten Arten entwickelt. Vom einfachen Klapp-Passepaft.out f ü r d i e moderne Graphik, i n dem das montierte B l a t t am Rande m i t der
Blende abgedeckt, über das doppelt starke Passepartout f ü r d i e a l t e Druckgraphik, b e i dem das B l a t t an a l l e n v i e r Rdndern m i t einem Chinapapierstpeifen an
d i e Unterlage b e f e s t i g t i s t
- der
Ausschnitt der B?,eiide i s t f a s t um einen hal-
ben Zentimeter größer, um vom B l a t t nichts abzudeckrn
- b i s zum etwas
kompli-
z i e r t e n Passepartout m i t eingebautem Fenster f ü r B l ä t t e r m i t beidseitigen Darstellungen (Abbildung 1). [Die so montierten B l ä t t e r werden dann i n Kassetten
aufbewahrt, d i e wieder i n Rqgalen und Kästen stehend untergebracht werden.
Es s o l l h i e r nur noch kurz auf durchgeführte Restau~aerungeneingegangen werden, wie zum B e i s p i e l auf d i e Restaurierung einer Zeichnung von Clouet. Die
9uarzlichtlampe h a t t e gezeigt, daß der gröBte T e i l des B l a t t e s m i t Gips ausgegossen und überspachtelt war. Es mußte nun vorerst das B l a t t von artfremdem
Material b e f r e i t werden, bevor an eine chemische Reinigung überhaupt gedacht
werden konnte. Wie Abbildung 2 zeigt, b l i e b vorn eigentlichen * l a t t nur e i n
Torso zurück. I c h möchte an dieser S t e l l e auf d i e Methode der Anfaserungsgeräte der Kollegen Wächter, Röckel, Dip1.-Ing
Hruschka vom Papierforschungs-
i n s t i t u t bzw. des Kollegen Trobas hinweisen, die, wären s i e m i r damals zur
Verfügung gestanden, e i n monatelanges, mühsames manuelles Ansetzen der Fehls t e l l e n erspart hätten. Abbildung
3
z e i g t d i e Zeichnung nach der Restaurie-
rung. Abbildung 4 z e i g t einen Kupferstich von Jacques C a l l o t vor dem Zusammensetzen der b e r e i t s chemisch gereinigten T e i l e und dem Ergänzen der Fehlstellen; Abbildung
5
das b e r e i t s f e r t i g r e s t a u r i e r t e B l a t t . Hier i s t n i c h t so sehr
auf die Schqierigkeit der Restaurierung dieses Blattes hinzuweisen, sondern auf
die Problematik der Restaurierung überhaupt. Soll der Restaurator eine Ergänzung
so retuschieren, da6 nur der Fachmann die Retusche entdeckt, oder soll er nur optisch schließen? Nach meiner Ansicht ist eine Restaurierung auch dann vollkommen
gelungen, wenn sogar der Laie die Fehlstelle erkennt. Die Fehlstelle soll so
restauriert werden, da6 sie sich mit dem übrigen Blatt zu einem gemeinsamen Ganzen schließt. Das Blatt soll optisch vollkommen geschlossen wirken, denn, wie die
Bedeutung der Bezeichnung "Restauratorw es vorschreibt, soll er erhalten, ergänzen, wiederherstellen, aber nicht: fälschen.
Ich glaube, da8 der Zweck des Referates, Ihnen Einblicke in die Arbeitsmethoden
der Restaurieranstalt der Albertina zu gewähren, zumindest zum Teil erreicht
wurde, unddaß die eine oder andere Überlegung, die sich dabei ergeben hat, vielleicht doch weiter verfolgt werden möge.
Summary
Technical significance i n a graphical c o l l e c t i o n
I n the i n t r o d u c t i o n the h i s t o r i c a l development o f one o f the most important
graphical c o l l e c t i o n s i n the world was summarized. The founder of t h i s c o l l e c t i o n
was Duke A l b e r t o f Sachsen-Teschen, who married Marie Christine, a daughter o f
&via
Theresia. Since Marie Christine was an amateur c o l l e c t o r too, the c o l l e c t i o n
was g r e a t l y expanded. Later i t was united w i t h that o f the "Hofbibliothek" ( t h e
present Austrian National Library). Now the c o l l e c t i o n contains some 44.000 drawings and more than a m i l l i o n o f p r i n t e d works o f art.
A f i v e p o i n t programme was developed especially for the lending of graphics t o
e x h i b i t i o n s i n Austria and i n foreign countries with a view t o prevent damages
which might occur. Before lending the f o l l o w i n g f i v e p i n t s should be considered:
1. the condition o f the graphic
2. the a r t i s t i c value o f the gpaphic
3.
4.
the duration and place of the e x h i b i t i o n
the season
5.
the p r o t e c t i o n from l i g h t .
Furthermore the proposal i s made t o s i m p l i f y the customs f o r m a l i t y by the
establishment o f an i n t e r n a t i o n a l customs seal and t o lessen the danger of
a f f i x i n g the o r i g i n a l graphic w i t h a customs seal.
The report f u r t h e r commented on the d i f f e r e n t p o s s i b i l i t i e s f o r Storage o f
graphics and demonstrated exemples of complicated r e s t o ~ a t i o n s .
RBsumB
Points techniques importants dans Une c o l l e c t i o n dtestampes
Une courte intpoduction rbsume l s h i s t o i r e dtune des c o l l e c t i o n s dfestampes l e s
p l u s importantes du monde entier. Son fondateur, l e duc Albert von SachsenTeschen, a v a i t BpousB une f i l l e de Marie Therbse, lvhria Christine q u i renforpa
l a passion de collectionneur de son mari. Cette c o l l e c t i o n f u t plus t a r d rbnuie
& c e l l e de l a Bibliothhque de l a Cour (maintenant Biblioth6que Nationale). E l l e
compte aujourdthui environ 44.000 dessins & l a main e t plus d t u n m i l l i o n d'oeuvres
graphiques.
Ch a mis au p o i n t un Programme en 5 p o i n t s concernant l e p r 8 t dloeuvres graphiques
dans l e pays e t
a
116tranger e t l e s dangers q u i pourraient en r b s u l t e r .
1. E t a t de 1'
2. Sa valeur a r t i s t i q u e
3.
L i e u e t dur6e de I 1 e x p o s i t i o n
4. Pbriode de l'annbe
5.
Protection contre l a lumidre.
h propose ensuite de crber un cachet i n t e r n a t i o n a l q u i s i m p l i f i e r a i t l e s f o r malites de douane e t diminuerait l e r i s q u e de v o i r appliquer l e tampon de l a
douane sur des oeuvres originales.
u1 presente e n f i n d i f f e r e n t e s p o s s i b i l i t e s de conservation des oeuvres graphiques
e t quelques exemples de restauration d i f f i c i l e .