Was ist ein „emprendedor“?
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Was ist ein „emprendedor“?
S E R V I C E - J O U R N A L 43 Mallorca Zeitung – Nr. 701 – 10. Oktober 2013 JOBSUCHE & ARBEITSWELT Was ist ein „emprendedor“? Von Tom Gebhardt I n n e r h a l b d e r v e rg a n g e n e n anderthalb Jahre hat die spanische Regierung drei verschiedene Gesetze verabschiedet, die auf jeweils unterschiedliche Weise den sogenannten emprendedor, das spanische Pendant zum französischen entrepreneur fördern sollen. Erst nach und nach stellt sich dabei heraus, was mit dem Wort eigentlich gemeint sein soll, meint Arbeitsrechtlerin Clara Bassols der Kanzlei Monereo Meyer Marinel-lo. Im Gespräch mit der MZ erläutert sie die jüngsten Gesetzesänderungen. Drei verschiedene Gesetze versprechen Vorteile für Entrepreneure. Wer damit aber gemeint ist, variiert von Fall zu Fall. Ein Gespräch mit Arbeitsrechtlerin Clara Bassols Altersgrenze fällt teilweise Ende September wurde schließlich das lang diskutierte „Ley del emprendedor“ verabschiedet – um genau zu sein: Ley 14/2013 vom 27. September 2013 „De apoyo a los emprendedores y su internacionalización“ (Zur Förderung der Entrepreneure und ihrer Internationalisierung). Hier wird die Altersbeschränkung von einigen Hilfen aus dem Vorgängergesetz aufgehoben, allerdings nicht in allen Fällen. „Man muss also bei jeder Fördermaßnahme für Entrepreneure genau nachlesen, ob sie sich speziell an junge Leute richtet oder allgemein an Existenzgründer“, fasst Bassols zusammen. Unternehmer … „Am Anfang haben wir uns alle gefragt, was dieses Wort eigentlich bedeuten soll“, meint Bassols. Denn als der Begriff emprendedor plötzlich das erste Mal in einem Gesetzestext auftauchte, im Ley 3/2012 vom 6. Juli 2012, war da von einem besonderen Arbeitsvertrag die Rede, der es emprendedores ermöglicht, Festanstellungen mit einer verlängerten Probezeit von einem Jahr und Vergünstigungen bei der Sozialversicherung zu vergeben. „Aber nirgendwo war der Begriff emprendedor definiert. Stattdessen galt die Regelung für ‚alle Unternehmen mit weniger als 50 Angestellten‘. Hier hieß emprendedor also nichts weiter als „Unternehmer“. … oder Existenzgründer? Im zweiten Gesetz, dem Ley 11/2013 vom 26. Juli 2013, tauchte der Begriff dann schon im Titel auf: „Medidas de apoyo al emprendedor y de estímulo del crecimiento y de la creación de empleo“ (Maßnahmen zur Unterstützung des Entrepreneurs, zur Förderung des Wachstums und zur Schaffung von Arbeitsplätzen). Es ist ein speziell zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gedachtes Gesetz. Konkret unterstützt es einerseits Arbeitgeber dabei, junge Mitarbeiter anzustellen, andererseits ermutigt es junge Arbeitslose dazu, ihr Arbeitslosengeld in einer einmaligen Auszahlung zu beantragen und als Startkapital für eine eigene Firma zu benutzen. Der Begriff emprendedor heißt hier also so etwas wie „Jungunternehmer“ oder Gesetz diskutiert wurde, das ein Teil dieser Ausführungen hinfällig machen beziehungsweise erweitern sollte. Kein „Libro de Visitas“ mehr ■ Laut Gesetz bleiben Frauen länger jung: Existenzgründerinnen werden bis 35 Jahre gefördert, Gründer nur bis 30 Jahre. Manche Erleichterungen für Firmengründer haben hingegen gar keine Altersbeschränkung. FOTO: RAMÓN UNTERNEHMERGESETZ FREIBERUFLER ERHALTEN ARBEITSLOSENGELD WEITER Die Gesetze 11/2013 und 14/2013 sollen mit mehreren Anreizen den Unternehmergeist der Spanier stärken. Wer höchstens 30 Jahre alt ist und Arbeitslosengeld bezieht, kann sich selbstständig melden und für die Dauer von höchstens neun Monaten das Arbeitslosengeld weiter beziehen, obwohl er schon Einkünfte als Freiberufler hat. Die Höhe der Einkünfte ist dabei nicht beschränkt. Allerdings muss der Weiterbezug des Arbeitslosengeldes innerhalb von 15 Tagen beim Arbeitsamt beantragt werden. Der autónomo darf während der Zeit niemanden anstellen. Junge Arbeitslose haben zudem das Recht, sich ihre autónomo-Gebühr reduzieren zu lassen, wenn sie sich für den Schritt in die Selbständigkeit entscheiden. Dabei gibt es zwei Alternativen: Entweder sie erhalten einen 30-prozentigen Abschlag für fünf Jahre, oder sie erhalten im ersten Halbjahr einen 80-prozentigen Abschlag, im zweiten Halbjahr einen 50-prozentigen Abschlag und für die Monate 13 bis 30 einen 30-prozentigen Abschlag. Die zweite Alternative steht auch Personen über 30 Jahren offen, die seit über fünf Jahren keine Anstellung hatten. Wer in einer Firma angestellt ist und gleichzeitig sein eigenes Unternehmen gründen möchte, hat ab sofort das Recht, sich mit einem reduzierten Sozialversicherungsbeitrag anzumelden, zumal für ihn ja bereits sein Arbeitgeber Versicherungsbeiträge abführt. Im neuen Gesetz sind überdies ein paar Änderungen enthalten, die Geschäftsinhaber und Kleinunternehmer ganz allgemein freuen werden. So wird die Pflicht abgeschafft, ein sogenanntes „Libro de visitas“ zu führen. Dieses Buch für Eintragungen der Arbeitsinspektion mussten die Unternehmer bislang sorgfältig aufbewahren. War es bei einer Inspektion nicht gleich griffbereit (zum Beispiel weil solche Dinge oft beim Steuerberater liegen), führte das bislang zu Geldbußen. Das Gesetz verpflichtet die Inspektoren nun, diese Bücher selbst – in elektronischer Form – zu verwalten. Thema Arbeitssicherheit ■ Clara Bassols arbeitet bei Monereo Meyer Marinel-lo. FOTO: PRIVAT „Existenzgründer“. Und „jung“ ist man in Spanien in diesem Fall bis zum 30. Lebensjahr, sofern man ein Mann, und bis zum 35. Lebensjahr, sofern man eine Frau ist. „Allerdings ist diese Definition von Paragraph zu Paragraph unterschiedlich“, bedauert Bassols. „Manchmal ist allgemein von Personen unter 30 Jahre die Rede, an anderer Stelle wird stattdessen zwischen Mann und Frau unterschieden.“ Für weitere Verwirrung sorgte, dass gleichzeitig bereits ein Noch etwas wird viele Arbeitgeber freuen. Bislang sind alle Unternehmer mit Angestellten verpflichtet, eine externe Firma mit der Prävention von Arbeitsunfällen zu beauftragen. Gerade bei kleinen Unternehmern führte das aber in der Praxis oft dazu, dass billige Firmen beauftragt wurden, die lediglich Geld kassierten, ohne wirklich Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit durchzusetzen. „Und die Verantwortung im Fall eines Unfalls lag natürlich trotzdem beim Arbeitgeber, nicht bei der externen Firma“, meint Bassols. Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern müssen solche Firmen in Zukunft nicht mehr beauftragen.