MEISTErPrüFUNG IN INNSBrUck

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MEISTErPrüFUNG IN INNSBrUck
Aus- und Weiterbildung
Laufsteg-Floristik
Meisterprüfung in Innsbruck
In der Meisterausbildung von Nicole von Boletzky können Floristen konkret lernen, wie
Gestaltung funktioniert. Sie sollen für die Prüfung etwas Neues entwickeln – der Gestaltungsprozess steht stellvertretend für Ideenfindung, Machbarkeit und Umsetzung. Das
Ergebnis ist „Laufsteg-Floristik“, die nicht in erster Linie praxisnah sein will, deren Ideen und
Techniken aber durchaus – in abgemilderter Form – Eingang in die Praxis finden. Mitte März
war in Innsbruck Gelegenheit, die Werkstücke der jüngsten Prüfung zu betrachten.
Text: Edith Strupf Fotos: Meisterschule Innsbruck/Michael Gassner
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Blick in den Ausstellungsraum
Bei unseren Berichten über Meisterprüfungen können wir nur eine Auswahl an Werkstücken zeigen. Dadurch sind die Dimensionen der Arbeiten oft gar nicht mehr richtig
zu erkennen. Es ist aber ein ganz besonderes
Erlebnis, die Werkstücke in Originalgröße
und aus der Nähe zu betrachten. Mit diesem
Blick in den Ausstellungsraum wollen wir
einen Gesamteindruck vermitteln.
Im Vordergrund ist die Arbeit „Mit Mensch –
ohne Mensch“ von Lisa Thalmayr zu sehen.
Sie gestaltete neun hohe Säulen, ein Teil
davon war mit Beton verschlossen: Dort, wo
Menschen sind, ist die Natur allzu oft versiegelt. Auf den restlichen Säulen gedeiht eine
Vielfalt von Frühlingsblühern.
Im Hintergrund sind zu erkennen:
– Florale Bögen mit Blütenfüllungen von
Weiß bis Rot von Romy Junge.
– Der Tischschmuck von Julia Rachbauer:
Sie erzeugte mit Zahnstochern ein Schachbrettmuster und setzte Amaryllis dazu.
– Hängende Kugeln mit einer Oberfläche aus
Kokosschoten, bepflanzt mit Rhipsalis, von
Bettina Hirscher.
– Die hängende Installation aus Schilf und
Hyazinthen auf einem quadratischen Lehmring von Maria Steinmair.
– Ein weißer Tisch und ein weißes Tor von
Gabriele Erath – neben floralen Werkstoffen
arbeitete sie bei beiden Werkstücken mit
Papier und Licht.
Brautschmuck
oben: „Ja, ich will“, signalisiert die Manschette von Maria Steinmairs Brautstrauß.
Mitte: Gabriele Erath setzte MilchsternBlüte­n auf eine Kugel aus Wollstoff. Die
Kugel wird an einem dünnen schwarzen
Reif ge­halten.
unten: Bei Heidi Ciglers Brautschmuck ist
eine Kalanchoe-Kugel von einer Kronenform
umschlossen.
Information
Der nächste Meisterkurs in Innsbruck beginnt Mitte September 2012. Nähere Informationen: WIFI Innsbruck, Tel. 0043590905-7266, www.wifi.at/tirol, oder bei
Nicole von Boletzky, Know How Bildungszentrum für Gestaltung, Wangen/CH, Tel.
0041-44-2422182, www.knowhow.ch
V
on Floristen wird erwartet, dass
sie immer wieder neue Ideen entwickeln, heute mehr denn je. Nicole von Boletzky will ihren Schülern das
Handwerkszeug dazu geben. „Es stimmt
ja nicht, dass einem ständig Ideen zufliegen, die man dann ganz einfach umsetzen
kann. Das Ganze ist ein Prozess, eine systematische Vorgehensweise, bei der Vorstufen durchlaufen werden. Da ist vielleicht eine erste vage Idee, aber der Rest
ist Arbeit.“ Dabei geht es um die Machbarkeit, um Variationen und Vorstellungskraft. „Es wäre zu teuer, alles auszuprobieren. Man legt erst los, wenn man sicher
ist, dass die Umsetzung funktioniert.“
Zur Veranschaulichung erinnert Nicole
von Boletzky an den Film „Amadeus“:
„Man sieht und hört, wie Mozart eine Tonfolge am Klavier spielt, wie er daran anknüpft und weitermacht, wie er Versuche
verwirft und von vorne anfängt. So geht
das stundenlang, bis er irgendwann mit
der Melodie zufrieden ist. Das lässt sich
auf die Floristik übertragen: Wenn man
etwas Neues entwickelt, muss man sich an
die beste Lösung herantasten. Das ist mühsam, aber unerlässlich, wenn man zu einem guten Ergebnis kommen will. Im
Meisterkurs diskutieren wir Gestaltungsfragen und Lösungsmöglichkeiten, sodass
die Schüler in kurzer Zeit viel lernen und
von den Erfahrungen ihrer Kollegen profitieren.“
Da die Perfektion der Werkstücke nur
noch bedingt steigerbar ist, wird die Präsentation immer wichtiger. „Mit einer
wertvollen Präsentation sind in der Praxis
auch höhere Preise durchsetzbar“, sagt
Nicole von Boletzky. Diese Entwicklung
hat dazu geführt, dass zurzeit die Lehrinhalte des Meisterkurses aktualisiert werden. Speziell für Entwurfslehre, Ladenund Schaufenstergestaltung soll in Zukunft mehr Zeit zur Verfügung stehen.
Dass Präsentation schon jetzt ein wichtiger Teil der Ausbildung ist, ist an der Ausstellung der Prüfungsarbeiten abzulesen:
Die Floristen übernehmen die Räume im
Veranstaltungsgelände „Hafen“ komplett
leer, bis zu Eröffnung müssen in kurzer
Zeit tausend Dinge von der Beleuchtung
bis zur Besucherführung organisiert werden, denn die vielfältigen Werkstücke sind
keinesfalls zufällig platziert, sondern folgen einem Ausstellungskonzept. n
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Straußform
1 Tina Bukovec fertigte Grundformen aus
Zweigen (in „Floßtechnik“) und ergänzte
sie mit Blüten und Blättern zum Strauß.
Ein Teil der Zweige ragt über die runde
Glasva­se hinaus.
2 Heidi Cigler gestaltete eine Zipfelform aus
Lärchenzweigen und fügte unter anderem
kleine Zwiebelblüher hinzu.
Gefäßfüllung
3 Tina Bucovec setzte viele Eichel-Fruchtbecher zu überdimensionalen Fruchtbechern
zusammen und füllte sie mit Moos. Ihr Text
auf den Präsentationssäulen war eine Einladung, Moos aus der Nähe zu betrachten und
sich in Erinnerung zu rufen, dass Eichen
ihren Ursprung in kleinen Samen haben: In
einem Fruchtbecher war eine Eichel auf das
Moos gebettet – der Waldboden ist Nähr­
boden für neues Leben.
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Tischschmuck
4 Susanne Pirker ergänzte ihre Tischplatte
mit Löffeln und platzierte Traubenhyazinthen.
5 Eva Baumann verwendete Wellkarton für
ihren Tisch – die Oberfläche war nach ihren
Vorstellungen bedruckt. Die Gläser stehen
so, als würden sie von Händen gehalten. Für
die Blüten verwendete sie Olivenöldosen. Sie
ließ ein paar Lücken – statt echter Behälter
sind die Dosen hier nur auf die Oberfläche
gedruckt. Eva Baumann ist die erste MeisterAbsolventin in Innsbruck, die für alle Werkstücke die volle Punktzahl bekam: Strauß,
Kranz, Brautschmuck mit Corsage, Gefäßfüllungen mit geschnittenen Werkstoffen,
Gestaltung mit Pflanzen und Tischschmuck
(Wahlarbeit). Sie gestaltete durchweg Werkstücke mit sehr moderner Ausstrahlung. Ihre
Gefäßfüllung mit Pflanzen hatte zum Beispiel die Form eines iPhones: Bei ihrem
„iBeet“ waren die Tasten bepflanzt.
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Kränze
6 Gabriele Blümel entnadelte 280 Fichten­
ästchen bis zu den Spitzen und setzte sie in
einen Plexiglaskubus mit Löchern. Ihre Idee:
Mit Werkstoffen, die vor der Haustür wachsen, etwas Neues, Modernes schaffen.
7 Eva Baumann gestaltete einen Kranz aus
weißen Blüten mit einem Hauch von Farbe.
Der Aufbau ist einem Plattenspieler nachempfunden – über einen Kopfhörer war das
Lied „Komm großer schwarzer Vogel“ von
Ludwig Hirsch zu hören.
8 Waltraud Zöhrer erweckte einen „Betonkranz“ mit vielen Blüten in zarten Rosa- und
Violetttönen zum Leben.
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