Wie im Fluge Mitfahrgelegenheit

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Wie im Fluge Mitfahrgelegenheit
Seite 10
Christophorus 310
Christophorus 310
Seite 11
Mitfahrgelegenheit
Wie im Fluge
Text
Christiane Binder
Name: Barbara Paul, Jahrgang 1964
Familienstand: ledig
Beruf: Pilotin bei der Lufthansa
Verbindung zu Porsche: Spitzen- und Startgeschwindigkeiten,
ein Winterurlaub mit dem Cayenne
Fotografie
Becker Lacour
Was der Mensch nicht erfahren hat, hat er auch nicht begriffen. Frei nach Goethe nimmt der Christophorus Platz
bei Menschen, die fahren – um etwas über sie zu erfahren. Diesmal bei der Pilotin Barbara Paul.
Was unterscheidet einen Cayenne S von einem Airbus? „Alles, was mit Schnee zu tun hat, ist im Flugzeug unangenehm“, sagt Barbara Paul, 40. Vor Anflügen auf winterliche, russische Pisten hat die Lufthansa-Pilotin nach wie vor
Respekt – bei aller in Tausenden von Flugstunden gewonnenen Routine. Der Porsche dagegen läuft zu voller Form
auf, sobald er aufs Glatteis geführt wird. Zehn Tage lang war er ihr zuverlässiger Begleiter im Skiurlaub in Obertauern. Der Wunsch an Petrus, dass er es kräftig schneien lässt, hatte sich erfüllt. Die Straßenverhältnisse waren für
eine Testfahrt ideal: richtig rutschig. Doch der Porsche verhielt sich wie ein Kapitän der Landstraße.
Noch im Nachhinein ist sie „total begeistert“. Normalerweise ist Barbara Paul eine Frau, die nicht so leicht begeistert
abhebt. Bei ihrem Beruf kann sie sich das nicht erlauben. Auf Amtsdeutsch müsste sie sich korrekt Verkehrsflugzeugführerin nennen. Sie fliegt große Vögel der Airbus-Familie, die Ziele liegen vier bis fünf Stunden Flugzeit
vom Heimatflughafen Frankfurt entfernt: Russland, Jordanien, die Kanaren, was gerade so kommt. Am liebsten
fliegt sie übers Wasser an. Oder startet in den Sonnenaufgang. „Das sind unbezahlbare Momente.“ Nur 100 der 4500
Lufthansa-Piloten sind weiblich. Mit Barbara Paul tragen lediglich 15 Frauen als Kapitän die Verantwortung.
Barbara Paul ist eine Frau, die mit beiden Beinen auf der Erde steht. Aufgewachsen mit den Eltern und den Zwillingsgeschwistern in einem Nest im Taunus, hegte sie keine hochfliegenden Pläne. Nach dem Informatik-Studium in
Frankfurt – Diplom in Anwendungsprogrammierung – wollte sie sich wie alle anderen Studenten auch bei irgendwelchen Firmen bewerben. Sie hatte sämtliche Bewerbungsunterlagen schon parat, als sie in der Zeitung eine Anzeige
der Lufthansa las. „Da hab ich halt alles eingetütet und weggeschickt ...“ Sie wurde akzeptiert. Fünf Tage lang Tests,
Mehrfachbelastbarkeit, räumliche Orientierung. Abends wurden die Kandidaten ausgesiebt. Sie durfte bleiben. Start
frei für eine zweijährige Ausbildung. Auf einer einmotorigen Bonanza fetzten die Schüler über die Wüste Arizonas,
„um die fliegerischen Limits auszutesten“. Barbara Paul liebt es, an die Grenzen zu gehen. Auch die gesellschaftlichen.
Stets war sie die einzige Frau im Kurs, eine Pionierin. Bei einem weiblichen Kapitän stutzt mancher Passagier, aber
sie mag das: „Ist doch schön, mit Männern zusammenzuarbeiten. Die sind so unkompliziert.“
Akzeptanzprobleme? Kennt sie nicht. Jeder weiß, dass sie cool ist, dass sie sich noch am Nachmittag vor einem
Flug zwei Stunden aufs Ohr legen kann und richtig schlafen. Der richtige Feierabend, der bei den unregelmäßigen Flugplänen auch nachmittags sein kann, gehört dem Sport. Joggen, Segeln, Radfahren, „die Sitzerei im Flugzeug ist
schließlich nicht gesund“. Im Moment lässt Barbara Paul ihre beiden technisch anspruchsvollen Fahrräder allerdings
stehen („Wenn ich etwas kaufe, muss es von der technischen Seite her gut sein, sonst hab ich keinen Spaß dran.“) und
strampelt auf einem altertümlichen holländischen Velo durch Amsterdam, das ihre liebste Anflugstrecke geworden
ist: Sie liebt einen Holländer, einen „Bürgerlichen“, der nichts mit der Luftfahrt zu tun hat. Sie mag die Holländer,
„gewöhnungsbedürftig“ findet sie lediglich deren Fahrstil. So unkoordiniert. Als holländische Freunde sie im verschneiten Obertauern besuchen kamen, „ganz fröhlich mit Sommerreifen“, musste der Cayenne Abholdienste leisten.
Ihr Freund hatte übrigens einen Riesenspaß, neben ihr den Beifahrer zu spielen – auch wenn sie, ganz ohne Tower
im Nacken, mal richtig Gas gab. Nur fliegen ist schneller.