Tageszeitung, Ausgabe: 090121 - Pyrmonter Nachrichten, vom

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Tageszeitung, Ausgabe: 090121 - Pyrmonter Nachrichten, vom
Seite 9
BAD PYRMONT HEUTE
„Dieser Klärschlamm stinkt bestialisch“
FÜHRUNG
Verwertung als Dünger für die Landwirtschaft sorgt für Beschwerden / Staatssekretärin kündigt Ausstieg an
Im Blick
des Fürsten
VON HANS-ULRICH KILIAN
Bad Pyrmont. „Es hat einfach
bestialisch gestunken, nicht
nach Waschmittel wie üblich,
sondern nach Fäkalien.“ Michael Kracht ist die Erinnerung
an die dunkelschwarzen Haufen Klärschlamm, die auf den
Feldern rings um Bad Pyrmont
lagerten, noch sehr präsent. „Es
stank überall grausam, bei Thal
und ganz besonders auch im
Schellental oberhalb von Löwensen“, berichtet der Familienvater aus Thal. Sein Heimatort war in diesem Sommer ganz
besonders hart getroffen. Zum
einen war es der Klärschlamm,
der den Bewohnern das Landleben mitunter unerträglich
machte, zum anderen habe die
intensive
landwirtschaftliche
Viehhaltung zu erheblichen
Geruchsbelästigungen geführt,
weiß Ortsbürgermeister Georg
Falkenberg, der heute im Ortsrat (18.30 Uhr im Feuerwehrhaus) zum Problem der Gülleausbringung Stellung nehmen
und über die zu beachtenden
Vorschriften informieren will.
Der Klärschlamm stammt
aus dem Gemeinschaftsklärwerk, dass die Städte Bad Pyrmont und Lügde gemeinsam
mit Löwensen betreiben. Laut
Pyrmonts Erstem Stadtrat
Eberhard Weber fallen jährlich
2200 Tonnen des übel riechenden Stoffes als Abfall aus dem
Klärwerk an. Die eine Hälfte
davon landet in der Müllverbrennung, die andere als Dünger auf Felder rings um Bad
Pyrmont. „Es wäre ratsam, diesen Giftmüll generell zu verbrennen“, fordert Michael
Kracht. „Von einem Mitarbeiter des Verwerters habe ich mir
sagen lassen, dass Pyrmonter
Klärschlamm ganz extrem
stinkt, weil es hier ein Krankenhaus und viele Altenheime gibt
und dadurch besonders viele
Antibiotika und Metallverbindungen im Klärwerk landen.“
Bei dem Verwerter, der IAA
(Ingenieurgesellschaft für Abfall + Abwasser) in Kalletal
weist man diese Darstellung zurück. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einer unserer
Mitarbeiter gesagt hat, denn es
stimmt nicht“, betont Projekt-
Im Torgiebel des Kommandantenhauses des Pyrmonter
Schlosses zieht das Zifferblatt
der Einzeiger-Uhr die Blicke
auf sich. Der Fürst ließ die Uhr
angeblich so anbringen, dass
er sie von seinem Schlafzimmerfenster aus im Blick hatte.
Die Uhr ist viel älter als das Barockschloss, nachweislich vor
1590 wurde das Uhrwerk gebaut als Turmuhr für den Vorgängerbau. Wer mehr wissen
möchte, kann heute um 15.30
Uhr im Schloss an einer Führung mit Uhrmachermeister G.
Dalek (Foto) teilnehmen.
POLITIK
Der Klärschlamm, der auf den Äckern ringsum Bad Pyrmont als Dünger genutzt wird, stammt aus dem kommunalen Klärwerk in Löwensen.
leiter Sebastian Schach. Die
IAA sorgt im Auftrag des Klärwerks dafür, dass der Klärschlamm in der Landwirtschaft
verwertet wird. „Das geht alles
seinen
ordnungsgemäßen
Weg“ versichert der Ingenieur.
„Das hat auch der Landkreis
Hameln-Pyrmont
bestätigt“,
berichtet Ordnungsamtsleiterin
Sabine Spiegel, die nach Beschwerden aus Thal den Kreis
als die dafür zuständige Behörde eingeschaltet hatte. Michael
Kracht widerspricht. „Mitte
August wurden etwa 100 Meter
von unserer Siedlung entfernt
drei Lastwagenladungen Klärschlamm aus Bad Pyrmont abgeladen. Es wurden mehrere
Kriterien nicht beachtet. Es darf
nicht zu heiß sein und der
Schlamm sollte sofort untergepflügt werden. Die Geruchsbelästigung war extrem.“ Thals
Ortsbürgermeister Falkenberg
kann nicht nur den Gestank bestätigen („Um den Haufen zu
finden, musste ich nur meiner
Nase nachgehen“), sondern
auch, dass der Klärschlamm auf
einem Feld abgeladen wurde,
für das er nicht bestimmt war.
„Nach einem Anruf bei Frau
Spiegel wurde dann dafür gesorgt, dass der Schlamm auf das
richtige Feld gefahren wurde.“
Klärschlamm dürfe nur auf den
Flächen abgeladen werden, auf
denen es verwertet werde, bestätigt die Ordnungsamtsleiterin. „Dann hat der Landwirt
aber 14 Tage Zeit, es unterzupflügen“, korrigiert sie Kracht
und zitiert die 2010 überarbeitete Klärschlammverordnung,
die eine Vielzahl von Regelungen und Einschränkungen enthält, die bei der landwirtschaftlichen Verwertung zu berücksichtigen sind.
Trotzdem bevorzugen die
Städte Bad Pyrmont und Lügde
diese Variante. „Wir könnten
alles zur Verbrennung geben,
die Kapazitäten sind vorhanden, aber das wird deutlich teurer als die landwirtschaftliche
Verwertung“, macht Eberhard
Weber deutlich, der als Kämmerer auch die Finanzen Bad
Pyrmonts im Auge behalten
muss. Von Beschwerden wegen
des Gestanks habe er bislang
nichts gehört, versichert er und
verweist bei der Gelegenheit auf
die Verantwortung der IAA.
„Sobald der Klärschlamm das
Gelände des Klärwerks in Löwensen verlassen hat, ist das
Unternehmen für das weitere
Verfahren zuständig. Die IAA
muss genau nachweisen, was
mit dem Klärschlamm geschehen ist.“
Dass
Pyrmonter
Klärschlamm ganz extrem stinkt,
will Weber noch nie gehört haben. „Krankenhäuser und Altenheim haben andere Kommunen auch, und Schwerindustrie, die den Klärschlamm besonders belastet, haben wir hier
nicht.“ Dass von dem Schlamm
Geruchsbelästigung ausgeht, ist
aber unstrittig. Um die Nachbarn des Klärwerks nicht mehr
als unbedingt nötig damit zu
belästigen, haben Weber und
seine Mitarbeiter vor längerer
Zeit dafür gesorgt, dass der
Schlamm nur kurz auf dem Gelände gelagert und dann ab-
uk
transportiert wird.
Bislang hielt das Niedersächsische Umweltministerium daran fest, dass einer Nutzung von
Klärschlamm als Dünger nichts
entgegenstehe, zumal es Kontrollen auf hohem Niveau gebe.
Diese Haltung hat sich aber
ganz aktuell geändert. „Niedersachsen strebt mittelfristig den
Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Nutzung von Klärschlamm an“, ließ Staatssekretärin Almut Kottwitz (Grüne)
am Freitag auf Anfrage wissen.
Denn natürlich könnte Klärschlamm mit Schadstoffen belastet sein. Indirekt dürfte der
Schlamm dennoch auf Äckern
landen. Die Alternative, die
Kottwitz im Auge hat, ist die
Gewinnung von Phosphor aus
Klärschlamm. Das chemische
Element aus der Stickstoffgruppe ist wesentlicher Bestandteil
bei der Düngung und in
Deutschland Mangelware. Michael Kracht aus Thal könnte es
Recht sein. „Ich will nur, dass
es aufhört, zu stinken“, seufzt
er.
mit jl
Künstlergruppe „Brückenschlag“ stellt in verwaisten Läden aus
Bad Pyrmont. Samstagmorgen
in der Innenstadt, Passanten
laufen durch die Straßen, kaufen das Nötige fürs Wochenende. Doch im Postweg stutzt
mancher eilig Vorübergehende.
Wo gestern noch zwei leere
Schaufenster gähnten, sind jetzt
Kunstwerke zu sehen. Statt
Schmucksteinen oder Feinkost-Produkten breiten sich
Stillleben, Landschaften und
ein fantasievoll gestalteter Teppich aus: Mitglieder der Künstlergruppe „Brückenschlag“ bekommen hier die Möglichkeit,
bis auf Weiteres ihre Produkte
zu zeigen.
„Leere Schaufenster gibt es
genug in der Stadt. Da habe ich
mir gedacht, daraus kann man
doch etwas Schöneres machen“,
begründet der Immobilienmakler und Hausverwalter Rolf
Lechner seinen Entschluss, den
Kunstschaffenden in der Stadt
einen kostenfreien Raum zu
bieten. Als zwei Geschäfte im
Postweg mit den Hausnummern 1 und 10 frei wurden,
setzte er sich mit Museumsleiter Dr. Dieter Alfter in Verbindung, und der gab die Anregung an die Gruppe „Brückenschlag“ weiter. Die Mitglieder
waren begeistert von der Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand der Öffentlichkeit zu präsentieren, und auch der auswärtige Eigentümer war einverstanden. Solange die Läden leer
stehen und sich noch keine
Nachmieter gefunden haben,
dürfen sich die Künstler in den
jeweils 40 Quadratmeter großen Räumen ausbreiten. „Bei
unseren Vorarbeiten wurden
wir von den Nachbargeschäften
herzlich aufgenommen“, berichtet Antje Horn.
Allerdings können Interessenten die Objekte nur durch
die Schaufenster betrachten.
„Wenn wir die Räume als Lä-
den gemietet hätten, wären
Kosten und Verordnungen auf
uns zu gekommen“, gibt Klaus
Egner als Sprecher der Gruppe
zu bedenken. So aber sind die
Bilder im Raum verteilt, gut
sichtbar von draußen. Jedes
Objekt ist mit einer großen
Nummer versehen. Auf einer
Liste im Fenster stehen Namen
und Telefon-Nummern der jeweiligen Maler, mit denen Interessenten dann Kontakt aufnehmen können.
Im oberen Laden stellen zur
Zeit Irma Streck, Ingrid Vorsatz und Marianne Weiland
aus, im unteren Antje Horn
und Agnes Zirke. Nach vier
Wochen werden sie von Carlo
Krüger, Norbert Döding, Klaus
Egner und den Keramikerinnen
der Salzkothe abgelöst. „Um die
Stadt zu verschönern, müssen
auch die Bürger aktiv werden.
Wenn jeder hilft, hilft es auch
der Stadt“, ist Rolf Lechner
überzeugt.
Thal. Anlässlich der Ortsratssitzung in Thal soll heute nicht
nur über die Gülleproblematik
informiert werden, sondern
die Politiker sollen in erster Linie zu der von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen
deutlichen Erhöhung der
Friedhofsgebühren Stellung
nehmen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 18. 30 Uhr im
Feuerwehrhaus in Thal.
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NOTDIENSTE
Bad Pyrmont: Ärztlicher
Notdienst: Montag, 18 Uhr,
bis Di., 8 Uhr: Es gilt die
bundeseinheitliche GratisNr. 116117.
Notaufnahme Bad Pyrmont: Bathildiskrankenhaus, Maulbeerallee 4, Tel.
05281/991500.
Lügde: Ärztlicher Notdienst (auch HNO-, Kinderarzt- und Augenarzt-Notdienst in Westfalen-Lippe):
Mo., 18 Uhr, bis Di., 8 Uhr,
die einheitliche Tel. 116117
o. 0180/5044100 (14 Ct./
Min. vom Festnetz).
Apotheken Mo., 9 Uhr bis
Di, 9 Uhr: Apotheke am Köterberg, Hauptstraße 12, Rischenau, Tel. 05283/446.
Gemälde statt gähnender Leere
VON KARIN HEININGER
Ortsrat befasst sich
mit Friedhofsgebühren
KONTAKT
Antje Horn (li.) und Agnes Zirke stellen ihre Arbeiten in einem leer stehenden Laden im Postweg aus.
Hei
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Montag, 16. September 2013
BAD PYRMONT

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