Verzicht auf die Steuerbefreiung - Option
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Verzicht auf die Steuerbefreiung - Option
Verzicht auf die Steuerbefreiung - Option .S. des § 9 Umsatzsteuergesetz bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken unter besonderer Berücksichtigung des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (St M B G) Verfasser: WP/StB Dr. J. Pentenrieder Inhaltsübersicht Seite 1. Einleitung 129 2. Voraussetzungen für eine Option bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts 129 3. Entwicklung der gesetzlichen Regelungen 130 3.1 Entwicklung des Optionsrechts gem. § 9 UStG 130 3.2 Optionsregelung nach Inkrafttreten des StMBG 131 3.3 131 Zusammenfassender Überblick über die Rechtslage 4. Einzelne Rechtsfragen 4.1 4.2 Zuordnung eines Gebäudes bei nachträglichen Anoder Umbauten 132 Zuordnung einer Vermietungsleistung zum Unternehmensbereich 133 4.2.1 Vermietungsleistung weder räumlich noch zeitlich teilbar 133 4.2.2 Vermietungsleistung räumlich und/oder zeitlich teilbar 133 4.3 Auslegungsfragen zu § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des StMBG 5. Anwendungsfälle zu § 9 UStG 134 135 5.1 Einfache Vermietung 135 5.2 Zwischenvermietung 136 6. Zusammenfassung 128 132 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 138 1. Einleitung Die Möglichkeit, bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken auf die Steuerbefreiung zu verzichten, um dadurch den Vorsteuerabzug zu erlangen, wurde in den letzten zehn Jahren sukzessive eingeschränkt. Eingeleitet wurde diese Entwicklung mit dem 2. Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) vom 22.12.1981 (BGBI l S. 1523). Sie setzte sich dann fort mit dem Steuerbereinigungsgesetz (StBG) 1985 vom 14.12.1984 (BGBI l S. 1493) und endete (vorläufig?) mit dem Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBI l S. 2310). Mit der letzten Gesetzesänderung soll nun allen Gestaltungsformen mit steuerfreien Umsätzen auf der Endstufe der Vorsteuerabzug versagt werden. Bisher erreichte die Praxis den Vorsteuerabzug durch die Zwischenschaltung eines Unternehmers. Beispiele hierfür gibt es auch im kommunalen Bereich: - eine Kommune baut einen Kindergarten oder ein Altenheim und verpachtet die Gebäude einschl. Einrichtung an einen gewerblichen Unternehmer oder an einen Verein; - eine Kommune baut eine Konzert-/Stadthalle und verpachtet sie an einen Betreiber in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts; - eine Kommune vermietet in einem Schwimmbad Räume an einen Masseur. In all diesen Fällen wird künftig die Option, d.h. der Verzicht auf die Steuerbefreiung, schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Auf die damit zusammenhängenden Fragen und Übergangsregelungen soll der nachfolgende Beitrag eingehen. 2. Voraussetzungen für eine Option bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts Die Gemeinde kann bei einer Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur dann nach § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten, wenn sie die steuerfreie Leistung innerhalb ihres Unternehmensbereichs erbringt, d.h. im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 2 Abs. 3 UStG) oder im Rahmen einer privatrechtlichen Gesellschaft (z.B. einer GmbH). Unterhält sie dagegen einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der seine Umsätze nach § 24 UStG versteuert, findet § 9 UStG keine Anwendung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG). Auch die Vermietung von Grundstücken selbst führt unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V. mit § 4 KStG. So ist z.B. bei der Vermietung von Ausstellungsräumen, Messeständen, Tennisplätzen und bei der ständig wechselnden kurzfristigen Vermietung von Sälen ein Betrieb gewerblicher Art gegeben, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 4 KStG erfüllt sind (vgl. Abschnitt 137 Abs. 2 Satz 8 EStR). Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 129 Wird Vermögen nur genutzt, sei es durch die verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen oder durch die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, liegt in der Regel Vermögensverwaltung vor (§ 14 AO). Dies gilt auch dann, wenn der vermietete Grundbesitz sehr umfangreich ist, der Verkehr mit vielen Mietparteien eine erhebliche Verwaltungsarbeit erforderlich macht oder die vermieteten Räume gewerblichen Zwecken dienen (Abschnitt 137 Abs. 2 Satz 1 EStR). Die Vermietung gehört dann nicht zum Unternehmensbereich der Gemeinde; sie ist nicht steuerbar. Werden von einer Gemeinde nicht nur Leerräume, sondern auch Inventar mitverpachtet (z.B. eine eingerichtete Gaststätte), kann ein Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 4 KStG vorliegen. Es genügt, wenn das mitverpachtete Inventar zwar nicht vollständig ist, jedoch die Führung eines bescheidenen Betriebs gestattet (Abschnitt 5 Abs. 6 KStR, vgl. auch Geschäftsbericht 1990 S. 135). 3. Entwicklung der gesetzlichen Regelungen 3.1 Entwicklung des Optionsrechts gem. § 9 UStG Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (innerhalb des Unternehmensbereichs der Gemeinde) ist nach § 4 Nr. 12 Buchst, a UStG steuerfrei. Dies führt zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes und dessen Bewirtschaftungskosten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Nicht befreit ist die Vermietung von Betriebsvorrichtungen, auch wenn es sich um wesentliche Grundstücksbestandteile handelt (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG). An dieser Rechtsvorschrift hat sich seit dem Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1967 am 01.01.1968 nichts geändert. Ebenfalls unverändert seit 1968 setzt der Verzicht auf die Steuerbefreiung zur Erlangung des Vorsteuerabzugs voraus, daß der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (§ 9 UStG 1967; in der Fassung des StBG und den nachfolgenden Fassungen § 9 Abs. 1 UStG). Eingeschränkt wurde die Optionsmöglichkeit dann durch das 2. HStruktG vom 22.12.1981. Zulässig war bei nach dem 31.12.1984 fertiggestellten Gebäuden ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nur, wenn der Unternehmer nachweisen konnte, daß das Grundstück nicht Wohnzwecken diente oder zu dienen bestimmt war. Weiter eingeschränkt wurde die Optionsmöglichkeit mit dem StBG 1985 vom 14.12.1984. Grundstücksvermietungen und -Verpachtungen auch zu "anderen nichtunternehmerischen Zwecken als Wohnzwecken" sind seitdem ebenfalls von der Optionsmöglichkeit ausgeschlossen. Die Einschränkungen der Optionsmöglichkeiten wurden in einen neuen Absatz 2 des § 9 UStG aufgenommen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes erließ der Gesetzgeber jedoch folgende Übergangsregelung (§ 27 Abs. 5 UStG i.d.F. des StBG 1985): "§ 9 Abs. 2 UStG ist nicht anzuwenden, wenn das auf dem Grundstück errichtete Gebäude 130 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 1. Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1.4.1985 fertiggestellt worden ist, 2. anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. Januar 1986 fertiggestellt worden ist, und wenn mit der Errichtung des Gebäudes vor dem 1. Juni 1984 begonnen worden ist." 3.2 Optionsregelung nach Inkrafttreten des StMBG Zuletzt wurde § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 StMBG geändert. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Vermietungen und Verpachtungen von Grundstücken ist jetzt nur noch zulässig, "soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen nachzuweisen". Die bisherige Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG wurde ergänzt um eine Nr. 3. Sie lautet nun i.d.F. des Art. 20 Nr. 23 StMBG wie folgt: "§ 9 Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn das auf dem Grundstück errichtete Gebäude 1. Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. April 1985 fertiggestellt worden ist, 2. anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. Januar 1986 fertiggestellt worden ist, 3. anderen als in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist und vor dem 1. Januar 1998 fertiggestellt worden ist, und wenn mit der Errichtung des Gebäudes in den Fällen der Nummern 1 und 2 vor dem 1. Juni 1984 und in den Fällen der Nummer 3 vor dem 11. November 1993 begonnen worden ist." 3.3 Zusammenfassender Überblick über die Rechtslage Wir können deshalb zusammenfassend festhalten: - § 9 Abs. 1 UStG beschränkt die Optionsmöglichkeit grundsätzlich auf Vermietungsumsätze an andere Unternehmer für deren Unternehmen. Nicht optionsfähig ist also die Vermietung an Nichtunternehmer oder die Vermietung an Unternehmer, die das Grundstück nicht im Rahmen ihres Unternehmens nutzen. Umgangen werden konnte diese Vorschrift bis zum Inkrafttreten des 2. HStruktG bzw. des StBG durch Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters (wegen möglicher verfahrensrechtlicher Einschränkungen vgl. Abschnitt 148 Abs. 7 und 8 UStR). Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 131 Mit dem Inkrafttreten dieser Gesetze wurde eine Option durch Einschaltung eines gewerblichen Zwischenmieters insoweit verhindert, als das Grundstück Wohnzwecken oder anderen nichtunternehmerischen Zwecken diente. Optionsfähig blieb jedoch die Vermietung/Zwischenvermietung an einen Unternehmer, der das Grundstück zwar für sein Unternehmen, jedoch für Umsätze verwendete, die den Vorsteuerabzug ausschlössen. Die Möglichkeit, auf die Steuerfreiheit zu verzichten, wenn ein Grundstück an einen anderen Unternehmer für unternehmerische Zwecke vermietet wird, der Mieter jedoch das Grundstück zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, wurde durch das StMBG ausgeschlossen. 4. Einzelne Rechtsfragen 4.1 Zuordnung eines Gebäudes bei nachträglichen An- oder Umbauten Obwohl der Zeitpunkt für den Baubeginn und die Fertigstellung eines Gebäudes für die umsatzsteuerliche Beurteilung entscheidend sein kann, finden sich weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung Hinweise für die Behandlung von An- oder Umbauten an ein bereits bestehendes Gebäude. In Anlehnung an die zur Selbstverbrauchsteuer ergangenen Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) kann bei einem Anbau an ein bestehendes Gebäude nicht von einem selbständigen Wirtschaftsgut gesprochen werden, wenn der Anbau nach dem Gesamtbild der Verhältnisse mit dem vorhandenen Altbau eine Einheit bildet. Dies verlangt, so der BFH, eine entsprechende bauliche und betriebliche Verflechtung von Alt- und Neubau, die in einer baulichen Verschachtelung und in einer aufeinander abgestimmten Nutzung der alten und neuen Gebäudeteile zum Ausdruck kommt. Für die Frage, ob dem einheitlichen Wirtschaftsgut die Altbau- oder Anbauteile das Gepräge geben, sind bei Fehlen von Besonderheiten die Größen- und Wertverhältnisse maßgebend. Im übrigen sei auf die Gesamtheit der Baumaßnahmen abzustellen (Urteile vom 09.08.1974, BStBI II 1975, 342; vom 10.10.1974, StRK UStG 1967 § 30 R.21). Ein selbständiges Gebäude liegt nach einem weiteren Urteil des BFH zur Selbstverbrauchsteuer dann vor, wenn es zwischen dem Alt- und dem Neubau an einer ausreichenden baulichen Verschachtelung fehlt (BFH-Urteil vom 09.08.1973, BStBI II 1973, 834). Auch die Einkommensteuer-Richtlinien verweisen im Zusammenhang mit der Frage, ob bei umfänglichen nachträglichen Herstellungsarbeiten ein anderes Wirtschaftsgut entstanden ist, auf die Rechtsprechung des BFH zur Selbstverbrauchsteuer (vgl. Abschnitt 43 Abs. 5 EStR). Danach gilt folgendes: Wird bei einem Anbau das einheitliche Wirtschaftsgut Gebäude nach dem Gesamteindruck vom Altbau geprägt und ist der Anbau ausreichend mit dem Altbau verschachtelt, ist der Baubeginn und die Fertigstellung des Altbaus für die umsatz- 132 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 steuerliche Beurteilung maßgeblich. Im umgekehrten Fall ist der Baubeginn und die Fertigstellung des Erweiterungsbaus entscheidend. Liegt keine ausreichende Verschachtelung von Altbau und Anbau vor, stellt der Anbau ein eigenes Wirtschaftsgut dar. Ohne Einfluß auf die Option ist die Frage, ob eine Gemeinde ein Gebäude selbst hergestellt, ob sie es später erworben oder vermietet hat. Allein entscheidend sind der Beginn der Errichtung und die Fertigstellung. 4.2 Zuordnung einer Vermietungsleistung zum Unternehmensbereich 4.2.1 Vermietungsleistung weder räumlich noch zeitlich teilbar Für die Option ist grundsätzlich erforderlich, daß der Mieter eines Grundstücks Unternehmer ist und daß er das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens nutzt (§ 9 Abs. 1 UStG). Probleme der Zuordnung können sich bei einer weder räumlich noch zeitlich teilbaren Vermietungsleistung ergeben. Sie kann entweder insgesamt für den unternehmerischen oder insgesamt für den nichtunternehmerischen Bereich des Mieters ausgeführt werden (Verfügung der OFD Saarbrücken vom 28.06.1993, DStR 1993, 1450). Für welchen dieser Bereiche das Grundstück oder der Grundstücksteil vermietet wird, beurteilt sich, so die OFD, nach den Grundsätzen von Abschnitt 192 Abs. 18 Nr. 2 UStR, ohne daß es auf einen bestimmten Mindestumfang der unternehmerischen Nutzung ankommt. "Wird die Vermietungsleistung vom Mieter zulässigerweise insgesamt dem unternehmerischen Bereich zugeordnet, so kann der Vermieter nach § 9 UStG auf die Steuerbefreiung für die gesamte Vermietungsleistung verzichten. Der ggf. im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermittelnde nichtunternehmerische (ideelle) Teil der bezogenen Vermietungsleistung stellt bei dem Mieter einen Leistungseigenverbrauch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, b UStG dar, der nach § 4 Nr. 12 Buchst, a UStG steuerfrei ist. Dies führt beim Mieter insoweit zum anteiligen Vorsteuerausschluß aus der Anmietung der Räumlichkeiten (§ 15 Abs. 2 UStG)." Für Gebäude, mit deren Bau ab dem 11.11.1993 begonnen wurde, gilt die durch das StMBG geschaffene Rechtslage (vgl. hierzu Ausführungen in Ziff. 4.3 dieses Beitrags). 4.2.2 Vermietungsleistung räumlich und/oder zeitlich teilbar Nach der o.g. Verfügung der OFD Saarbrücken liegt bei räumlich und/oder zeitlich teilbaren Vermietungsleistungen "ein optionsfähiger Umsatz nur insoweit vor, als die Vermietungsleistung für den unternehmerischen Bereich des Mieters bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn für die unternehmerische und die nichtunternehmerische Nutzung ein einheitliches Entgelt vereinbart ist (BFH-Urteil vom 20.07.1988, BStBI II, 915). Der Umfang der Nutzungsüberlassung hat keinen Einfluß auf den Umfang der Option. Die Regelung in Abschnitt 192 Abs. 18 Nr. 2 Satz 1 UStR für sog. einheitliche Gegenstände gilt nicht für aufteilbare Leistungen". Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 133 Die auf die Vermietungsleistung entfallenden Vorsteuern können im Wege einer sachgerechten Schätzung (z.B. nach Nutzflächenanteilen) oder, bei einer zeitlich gestaffelten Nutzung, nach einem zeitanteiligen Schlüssel in einen abziehbaren und einen nichtabziehbaren Teil aufgeteilt werden. 4.3 Auslegungsfragen zu § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des StMBG Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. des StMBG könnte Zweifel erwecken, ob künftig bei Vermietungs-/Zwischenvermietungsfällen eine Option durch den Vermieter möglich ist, wenn der Mieter das Grundstück nicht ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug zulassen. In einer Anfrage hierzu teilte uns das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit, daß der Grundstücksbegriff des § 9 Abs. 2 UStG (StMBG) nicht nur Grundstücke im bürgerlich-rechtlichen Sinn umfaßt, sondern auch Grundstücksteile. Auch lasse die Neuformulierung des § 9 Abs. 2 UStG für Zwecke der Option eine zeitliche Aufteilung eines einheitlichen Mietentgelts zu, wenn der Mieter das Grundstück zeitlich aufeinanderfolgend für steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze verwendet. Eine Option sei nur dann nicht möglich, wenn die Vermietungsleistung weder räumlich noch zeitlich teilbar sei. Die Option setze voraus, daß der Mieter als Leistungsempfänger für optionsfähige Umsätze auch tatsächlich auf die Steuerbefreiung verzichtet und dadurch Umsätze tätigt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Die bloße Möglichkeit des Leistungsempfängers, zur Steuerpflicht zu optieren, sei, so das BMF, nicht ausreichend (Schreiben des BMF vom 11.02.1994, Az.: IV C 4 - S 7198 - 4/94). Dem Vernehmen nach plant die Finanzverwaltung eine Art Bagatellregelung für Fälle, in denen der Leistungsempfänger das Grundstück - bei einer weder räumlich noch zeitlich teilbaren Vermietungsleistung - nur in ganz geringem Umfang zu Zwecken verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Die Grenze könnte, in Anlehnung an Abschnitt 122 Abs. 3 UStR, bei etwa 5 v.H. liegen. Im folgenden soll an einigen Beispielen aufgezeigt werden, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfang eine Option nach § 9 UStG zulässig ist. Die Ausführungen beschränken sich ausschließlich auf die Grundstücksvermietung. Wegen der Vermietung von Betriebsvorrichtungen verweisen wir auf Ziff. 3.1. 134 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 5. Anwendungsfälle zu § 9 UStG 5.1 Einfache Vermietung Beispiel 1: Sachverhalt Eine Gemeinde vermietet ihr Hallenbad (Betrieb gewerblicher Art) stundenweise an Vereine, die es ihren Mitgliedern ohne besonderes Entgelt (Abgeltung durch Mitgliedsbeitrag) zur Benutzung zur Verfügung stellen. Kann die Gemeinde bei der Vermietung an die Vereine auf die Steuerbefreiung verzichten? Steuerrechtliche Beurteilung Die Gemeinde kann auf die Steuerbefreiung nicht verzichten, da sie zwar an einen Unternehmer vermietet, aber nicht für dessen Unternehmen, sondern für den ideellen Bereich (§ 9 Abs. 1 UStG). Beispiel 2: Sachverhalt Eine Gemeinde vermietet im Rahmen ihres Unternehmens Büroräume an einen Verein, der sie sowohl zu unternehmerischen als auch zu nichtunternehmerischen Zwecken nutzt. Die Vermietungsleistung ist weder räumlich noch zeitlich aufteilbar. Kann die Gemeinde auf die Steuerbefreiung verzichten? Steuerrechtiiche Beurteilung Die Gemeinde kann auf die Steuerbefreiung verzichten, wenn der Mieter die Vermietungsleistung seinem unternehmerischen Bereich zuordnet. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist bei einem Gebäude, mit dessen Bau ab dem 11.11.1993 begonnen wurde, nicht mehr möglich, da die Büroräume nicht ausschließlich der Ausführung steuerpflichtiger Umsätze dienen und die Vermietungsleistung weder räumlich noch zeitlich aufteilbar ist. Sollte die nichtunternehmerische Nutzung geringfügig sein, könnte evtl. die Bagatellregelung zur Optionsfähigkeit führen. Beispiel 3: Sachverhalt Eine Gemeinde vermietet eine Mehrzweckhalle (Dreifachturnhalle) an einen Sportverein mit einer Handball- und einer Fußballabteilung gegen Jahrespauschalentgelt jeweils für bestimmte Stunden in der Woche. Der Verein nutzt einen Hallenteil nacheinander zunächst für das Training der Jugendmannschaften (nichtunter- Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 135 nehmerisch) und dann für das Training der 1. Handball-Mannschaft (unternehmerisch). Ein weiterer Hallenteil wird ausschließlich für das Training der 1. Fußball-Mannschaft (unternehmerisch) genutzt. Kann die Gemeinde auf die Steuerbefreiung der Vermietung verzichten? Steuerrechtliche Beurteilung Die Gemeinde kann auf die Steuerbefreiung verzichten, und zwar in vollem Umfang bei dem ausschließlich unternehmerisch genutzten Hallenteil für das Training der 1. Fußballmannschaft. Hinsichtlich des anderen Hallenteils kann sie entsprechend dem zeitlichen Anteil der unternehmerischen Nutzung durch die 1. Handballmannschaft optieren. Der Baubeginn für die Mehrzweckhalle (Dreifachturnhalle) ist für die steuerrechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung. Beispiel 4: Sachverhalt Eine Gemeinde vermietet in ihrem Hallenbad (Betrieb gewerblicher Art) Räume an einen Masseur, dessen Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind. Kann die Gemeinde bei der Vermietung auf die Steuerfreiheit verzichten, um den Vorsteuerabzug zu erhalten? Steuerrechtliche Beurteilung Eine Option ist bei Gebäuden, mit deren Bau vor dem 11.11.1993 begonnen wurde und die vor dem 01.01.1998 fertiggestellt werden, zulässig (§ 27 Abs. 2 UStG StMBG). Sie setzt nur voraus, daß der Leistungsempfänger (Masseur) die Räume im Rahmen seines Unternehmens verwendet. Dies ist der Fall. Handelt es sich um ein Gebäude, mit dessen Bau erst nach dem 10.11.1993 begonnen wurde, ist eine Option nicht mehr zulässig, da der Leistungsempfänger die Räume zwar im Rahmen seines Unternehmens (§ 9 Abs. 1 UStG), jedoch zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 9 Abs. 2 UStG StMBG). 5.2 Zwischenvermietung Beispiel 5: Sachverhalt Eine Gemeinde hat eine Gaststätte mit Wohnung errichtet und an einen Gastwirt verpachtet (Verpachtungsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 4 KStG). Die Wohnung wurde vom Gastwirt an eine Bedienung weitervermietet (Personalwohnung). Der Bau wurde vor dem 01.06.1984 begonnen und vor dem 01.04.1985 fertiggestellt. Die Gemeinde möchte auf die Steuerbefreiung verzichten. Kann sie dies, und wenn ja, in welchem Umfang? 136 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 Steuerrechtiiche Beurteilung Nach § 9 Abs. 1 UStG liegt eine Vermietung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen vor. Da der Baubeginn und die Fertigstellung des Gebäudes vor den in § 27 Abs. 2 UStG genannten Fristen liegen, wird die Option durch die teilweise Nutzung für Wohnzwecke nicht begrenzt. Die Gemeinde kann auf die Steuerbefreiung verzichten. Der Verzicht erstreckt sich auf das Gesamtgebäude einschl. Personalwohnung. Der Vorsteuerabzug ist in vollem Umfang möglich. Beispiel 6: Wir unterstellen den Sachverhalt von Beispiel 5. Mit dem Bau des Gaststättengebäudes wurde jedoch erst nach dem 31.05.1984 begonnen. Steuerrechtliche Beurteilung Es liegt, wie oben ausgeführt, eine Vermietung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen vor. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG sind damit erfüllt. Nicht erfüllt sind jedoch die einschränkenden Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 UStG, wonach das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dienen darf. Die Option beschränkt sich auf den Teil des Gebäudes, der nicht Wohnzwecken dient. Die Gemeinde kann auch nur insoweit den Vorsteuerabzug geltend machen. Beispiel 7: Sachverhalt Eine Gemeinde errichtet nach dem 10.11.1993 eine Stadthalle und verpachtet sie an einen anderen Unternehmer (z.B. an eine GmbH). Das Gebäude umfaßt auch einen Gastronomiebereich. Die eigentliche Veranstaltungshalle wird zur Durchführung von Tagungen, Kongressen und kulturellen Veranstaltungen genutzt. Diese Veranstaltungen sind zum Teil steuerfrei, zum Teil steuerpflichtig. Kann die Gemeinde bei der Verpachtung auf die Steuerbefreiung verzichten? Steuerrechtliche Beurteilung Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung durch den Vermieter Gemeinde sind erfüllt. Der Vermietungsumsatz wird an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt. Die Vermietungsleistung ist räumlich bzw. zeitlich teilbar. Dies bedeutet, daß die Stadt hinsichtlich der Räumlichkeiten der Gastronomie auf die Steuerbefreiung verzichten kann (räumliche Trennung). Bei der Veranstaltungshalle selbst ist der Teil optionsfähig, der der Ausführung steuerpflichtiger Umsätze auf der Endstufe dient. Maßgebend sind die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse (zeitliche Trennung). Nach Auffassung des BMF setzt die Option durch den Erstvermieter voraus, daß auch der Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993 137 Zwischenmieter bei optionsfähigen Umsätzen die Option ausübt. Die Unternehmer (hier: die Gemeinde und die GmbH) haben diese Voraussetzungen nachzuweisen (§ 9 Abs. 2 UStG). 6. Zusammenfassung Der Gesetzgeber hat bei jeder Rechtsänderung zu den Optionsmöglichkeiten eine Übergangsregelung vorgesehen. Der in der Praxis vorliegende Sachverhalt ist zunächst daraufhin zu prüfen, welcher Regelung er unterliegt. Fällt ein Sachverhalt unter die Neuregelung, so kann künftig weder bei einfachen noch bei Zwischenmietverhältnissen zur Umsatzsteuer optiert werden, wenn das Grundstück auf der Endstufe ausschließlich für steuerfreie Umsätze verwendet wird. Liegt eine gemischte Nutzung vor (teils für steuerfreie, teils für steuerpflichtige Umsätze), ist eine Option nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums künftig nur noch bei einer räumlich und/oder zeitlich teilbaren Vermietungsleistung möglich. Ist diese Vermietungsleistung weder räumlich noch zeitlich teilbar, kann nicht optiert werden. Dem Vernehmen nach soll in diesem Fall eine Bagatellgrenze die Option dann retten, wenn die steuerfreie Nutzung geringfügig ist. 138 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Geschäftsbericht 1993