Predigt an Ostern über die Bedeutung des Ostereis
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Predigt an Ostern über die Bedeutung des Ostereis
Evang.-ref. Kirchgemeinde St. Gallen C Kirchkreis Linsebühl Predigt an Ostern über die Bedeutung des Ostereis Linsebühl, 8. April 2012; von Pfr. Stefan Lippuner Lesung: Matthäus 28,1-8 Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war weiss wie Schnee. Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden. Der Engel aber sagte zu den Frauen: "Fürchtet euch nicht! Ich weiss, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag. Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: «Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen.» Ich habe es euch gesagt." Sogleich verliessen sie das Grab und eilten voll Furcht und grosser Freude zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden. Liebe Gemeinde. Jedes Jahr, wenn ich um diese Zeit in die Läden gehe, die Schaufenster betrachte, Zeitschriften und Werbeprospekte anschaue, frage ich mich: Was für ein Fest feiern wir eigentlich? Um was geht es an Ostern nach all dem, was ich da zu sehen bekomme? Ist es das Schokoladenfest? das Fest der Hasen (in allen möglichen Grössen und Formen und mit diversen Ausrüstungen versehen)? das Fest der Hühner, Gänse und Eier? Fast könnte man es meinen. Und wenn jemand, der absolut keine Ahnung hat, um die Osterzeit zu uns kommen würde, müsste er wohl zur Überzeugung gelangen, dass es das tatsächlich ist: das Fest der Schoggi, der Eier und der Hasen, die (seltsamerweise) die Eier bringen. Ich finde es traurig, dass mit all diesen Dingen schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten die eigentliche Bedeutung und Botschaft von Ostern überdeckt wurde. Gerade beim Osterhasen kann ich beim besten Willen keinen Bezug zum christlichen Sinn von Ostern finden. Er ist wahrscheinlich als Fruchtbarkeitssymbol aus dem Umkreis der germanischen Frühlingsgöttin Ostara (von der auch unser Wort 'Ostern' kommt) in unser österliches Brauchtum hineingekommen. Beim Osterei hingegen (und darauf möchte ich heute Morgen hinaus), beim Osterei kann ich tatsächlich einen Bezug zum Evangelium, zur Osterbotschaft der Auferstehung Jesu Christi finden. – Wir hören dazu eine Legende von der heiligen Katharina von Alexandrien, die im 3. oder 4. Jahrhundert gelebt haben soll. 2 Das neue Leben – oder: Wie das Ei zum Osterei wurde Katharina war eine Königstochter in Ägypten. Sie lebte vor langer, langer Zeit in der Stadt Alexandria. Damals herrschte dort der Kaiser von Rom. Er hiess Maxentius und war der mächtigste Mensch auf der ganzen Erde. Eines Tages besuchte er seine Stadt Alexandria. Er liess Katharina zu sich kommen. Sie sollte ihm von Jesus erzählen. Er hatte nämlich erfahren, dass sie eine Christin war. Katharina kannte viele Jesusgeschichten. Der Kaiser hörte gespannt zu. Ihm gefiel das, was Jesus unter den Menschen getan hatte. Alle seine Ratgeber wunderten sich darüber. Der Kaiser hatte nämlich die Christen verfolgt. Viele waren auf seinen Befehl getötet worden. Katharina erzählte vom Leben Jesu, von seinem Sterben und schliesslich auch, dass er von den Toten auferstanden ist. "Von den Toten auferstanden?" fragte der Kaiser verblüfft. Katharina nickte. Da lachte der Kaiser laut auf und rief: "Das will ich dir nur glauben, wenn du aus einem Stein neues Leben erwecken kannst." Katharina ging betrübt davon. Aber dann kam ihr ein Gedanke. Sie kaufte von einem Bauern ein beinahe ausgebrütetes Entenei. Damit ging sie am nächsten Tag zum Kaiser. "Na, willst du es versuchen?" spottete der. Sie hielt ihm das Ei entgegen. Die junge Ente riss einen Spalt in die Schale. Der Kaiser schaute geduldig zu, wie das kleine Tier sich aus dem Ei befreite. Der Spott wich aus seinem Gesicht. "Scheinbar tot", sagte Katharina. "Scheinbar tot und doch Leben." Es heisst, dass der Kaiser sehr nachdenklich geworden ist. – So ist das Ei zum Osterei geworden, ein Zeichen für das, was kein Mensch begreifen kann: Christus ist auferstanden. Wahr und wahrhaftig, er ist auferstanden. Ist diese Legende für Sie auch ein Aha-Erlebnis? Die Person von Katharina ist zwar historisch nicht wirklich gesichert, diese Legende von ihr natürlich noch weniger. Und vermutlich ist auch das Ei (wie der Hase) ursprünglich als heidnisches Fruchtbarkeitssymbol in unser Osterbrauchtum hineingeraten. Und trotzdem bekommt das Osterei für mich nun auch einen wirklich christlichen Sinn; es wird zu einem Symbol für die österlichen Auferstehung. Denn Ostern ist genau das: Aus etwas Totem (oder zumindest scheinbar Totem) kommt neues Leben hervor. So haben es damals ja die Jünger von Jesus erlebt und auch die Frauen, die Jesus nachgefolgt waren und bei seiner Kreuzigung dabei waren: Jesus, ihr Meister, ist tot. Alle Hoffnungen, die er geweckt hat, sind zerstört. Vor dem Grab mit seinem Leichnam liegt ein schwerer, harter, toter Stein. Alles ist vorbei. Nein, es scheint nur so zu sein, als ob alles tot, aus und vorbei wäre. Wie beim Ei, das Katharina dem Kaiser Maxentius zeigte: Es sieht aus wie ein Stein; es ist hart (man sagt, man könne ein rohes Ei mit der blossen Hand nicht zerdrücken, ich habe es selber noch nie wirklich ausprobiert); es scheint leblos, eben wie ein Stein. Und doch bricht daraus neues Leben hervor. So ist es auch an Ostern: Der harte Stein vor dem Grab wird aufgebrochen (auf vielen Osterbildern sieht man eine zerbrochene Grabplatte dargestellt), er wird weggesprengt bzw. von einem Engel weggewälzt (wie wir in der Schriftlesung gehört haben). Das neue Leben Jesu Christi bricht durch die Schale des Todes hindurch; der Tod ist überwunden durch das Leben. Das ist Ostern, das ist die Symbolbedeutung des Ostereis. Und das gilt nun auch für uns heute. Ich möchte das Wort aus dem Römerbrief, das ich am Anfang des Gottesdienstes genannt habe, nochmals zitieren: "Wir alle wurden, durch die Taufe auf seinen Tod, mit Christus begraben, damit, wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt worden ist, so auch wir in einem neuen Leben wandeln." [Römer 6,4] – Wenn wir zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind und dadurch mit Jesus Christus Gemeinschaft haben, dann werden wir sowohl mit seinem Tod als auch mit seiner Auferstehung verbunden. Wir sind mit ihm gestorben, unserem alten Menschsein abgestorben und dürfen nun mit ihm leben, dürfen sein Auferstehungsleben auch für uns erfahren. 3 Ich denke, wir alle mussten schon oder müssen vielleicht gerade jetzt die steinharte Macht des Todes erfahren. Vielleicht haben wir einen lieben Menschen buchstäblich durch den Tod verloren. Vielleicht wurde uns auch auf eine andere Art und Weise die Beziehung zu jemandem entrissen, wurden wir getrennt von einem anderen Menschen. Vielleicht haben wir eine Arbeit verloren oder mussten die vertraute Wohnung aufgeben und ins Altersheim ziehen. Vielleicht sind wir von anderen Menschen enttäuscht worden, innerlich verletzt worden, im Stich gelassen worden. Vielleicht sind wir von einem sog. Schicksalsschlag getroffen worden oder haben etwas von unserem Hab und Gut verloren. – Bei all dem steht letztlich der Tod dahinter, weil das Leben verhindert oder abgewürgt wird. Auch Krankheiten und Gebrechen, sowohl körperliche Krankheiten wie auch seelische, psychische Erkrankungen, Depressionen und Ähnliches, sind alles ebenfalls Wirkungsweisen von Todesmächten in unserem Leben. "Es tötelet." In all dem will uns das Symbol des Ostereis, die Botschaft von Ostern sagen: Der Tod ist nur scheinbar so mächtig. Die Macht des Todes scheint zwar gross, sie ist hart und unbarmherzig, sie scheint alles in einer harten, undurchdringlichen Schale einzusperren. Und doch kann der Tod letztlich das Leben nicht unterdrücken und auslöschen. Jesus Christus ist vom Tod wieder auferstanden; er hat die Stricke des Todes zerrissen, er hat die Schale der Todesmächte durchbrochen. Mit ihm dürfen auch wir in einem neuen Leben leben, dürfen die Mächte des Todes überwinden und dürfen überall, wo "es tötelet", letztlich die alles verändernde Kraft der Auferstehung und des Lebens erfahren. Ich weiss, für jemanden, der gerade jetzt auf irgendeine Art vom Wirken des Todes betroffen ist, ist diese Botschaft kaum zu glauben. Sie tönt zu gut, um wahr zu sein; sie scheint völlig an der Realität, der erfahrenen Realität vorbeizugehen. Ein solcher Mensch kann in einer solchen Situation in einem Ei nur einen harten, toten Stein erkennen. – Doch dieses Ei ist ein Osterei und trägt darum die Verheissung des neuen Lebens in sich, das auch die härteste Schale durchbrechen und die schlimmste Todesmacht überwinden kann. Wir müssen die Hoffnung nicht aufgeben, denn als solche, die im Glauben zu Jesus Christus gehören, dürfen wir teilhaben an der Auferstehungskraft und am Auferstehungsleben unseres Herrn und Heilandes. Liebe Gemeinde. Nun wissen Sie also, was der Sinn der Eier an Ostern ist, welcher Symbolgehalt im Osterei drinsteckt. So wünsche ich Ihnen und mir, dass jedes Ei (nicht nur an Ostern) uns immer wieder neu an die Botschaft von Ostern erinnert: Christus ist auferstanden. Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Er hat den Stein vor dem Grab und die harte Schale des Todes zerbrochen. So lebt er in Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. – Und wir, Sie und ich, wir dürfen zusammen mit dem auferstandenen Jesus Christus ebenfalls leben. Der Tod und die Todesmächte, die unsere Existenz und unser Lebensumfeld betreffen und angreifen, sind ebenfalls letztlich überwunden und besiegt. In dieser Hoffnung und Gewissheit können wir aufschauen zu Jesus Christus, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens, der auch zu uns spricht: "Ich lebe, und ihr sollt auch leben!" [Johannes 14,19] AMEN