Der 11.September 2001 und seine Folgen
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Der 11.September 2001 und seine Folgen
www.bmi.bund.de Der 11. September 2001 und seine Folgen Dokumentation aus dem Bundesministerium des Innern Der 11. September 2001 und seine Folgen Dokumentation aus dem Bundesministerium des Innern Vorwort von Bundesinnenminister Otto Schily Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Der internationale Terrorismus hat mit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue Dimension erreicht und ist zu einer weltweiten Bedrohung geworden. Der Gewalt, der logistischen Vernetzung der Täter und ihrer langfristig angelegten, grenzüberschreitenden Strategie müssen wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten. Die Bundesrepublik Deutschland ist entgegen manchen Befürchtungen bisher von Anschlägen verschont geblieben, sicher auch, weil Polizei und Nachrichtendienste ihre Aufklärungsarbeit gegenüber islamistisch-fundamentalistischen Gruppen schon vor dem 11. September 2001 begonnen und danach erheblich verstärkt haben. Es gab wichtige Fahnundungserfolge. Die Menschen in Deutschland können sich darauf verlassen, dass die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern alles tun, um den höchstmöglichen Schutz vor Terroranschlägen zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach den Anschlägen mit einem Bündel von Sofortmaßnahmen und einer Reihe von Gesetzesregelungen reagiert, den Sicherheitspaketen I und II. Aber auch vorher war sich die Bundesregierung der terroristischen Gefahr bewusst. Maßnahmen wie die Änderung des Vereinsgesetzes mit der Abschaffung des Religionsprivilegs, um extremistische Vereinigungen zu verbieten, die unter dem Deckmantel der Religion gegen unsere Verfassung und die friedliche Völkerverständigung arbeiten, befanden sich schon in Vorbereitung. Seit Beginn meiner Amtszeit habe ich konsequent dafür Sorge getragen, dass die personelle und finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden in angemessenem Umfang ausgebaut wurde. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist seit dem 1. Januar 2002 in Kraft. Zahlreiche Sicherheitsgesetze wurden der neuen Bedrohungslage angepasst. Die Bundesregierung verfolgt dabei diese Ziele: - den Sicherheitsbehörden die nötigen Befugnisse zu einer effektiven Bekämpfung der neuen Form des Terrorismus zu geben, - den Datenaustausch zwischen den Behörden zu verbessern, - die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland zu verhindern, - bereits im Inland befindliche Extremisten besser zu erkennen, - die Überprüfung bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten zu verstärken, - Rechtsgrundlagen für die Aufnahme biometrischer Merkmale in Pässe und Personalausweise zu schaffen und - Aktivitäten extremistischer Ausländergruppen in Deutschland rascher zu unterbinden. Es ist und bleibt mein fester Wille, alles zu tun, um das Netzwerk des Terrorismus mit der gebotenen Konsequenz und Entschiedenheit zu bekämpfen. Es geht jedoch nicht allein um die polizeiliche Verfolgung von Terrorismus. Wir brauchen in unserer Gesellschaft, in den Kirchen, den Verbänden, den Schulen und den Medien eine geistig-politische Auseinandersetzung mit Fundamentalisten und Extremisten, die unser friedliches Zusammenleben gefährden. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft gelähmt wird, dass Angst und Schrecken Platz greifen. Terrorismus will diesen Schreckenseffekt erzielen, wie sein Name sagt. Die Antwort auf Terrorismus heißt auch, dass wir unser gewohntes Leben fortführen, gleichzeitig aber alles Notwendige für die innere Sicherheit tun. Wer durch Terror und Kriminalität bedroht wird, lebt nicht frei. Ein Mensch, dessen Leben sowie Hab und Gut durch Kriminelle oder Terroristen bedroht wird, ist kein freier Mensch. Sicherheit ist ein anderes Wort für den Frieden im Innern. Deshalb verpflichtet Artikel 1 des Grundgesetzes den Staat zum aktiven Schutz der Menschenwürde. Von Wilhelm von Humboldt stammt das Wort: „Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“ Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wird auch in den Sicherheitspakten I und II gewahrt, daher finde ich es seltsam, dass manche die angebliche Bedrohung durch den Staat für gefährlicher halten als die Bedrohung durch Kriminalität, Terror und Gewalt. Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger haben sich nach den Terroranschlägen an das Bundesinnenministerium gewandt und Besorgnis, ja Angst geäußert oder um Informationen gebeten. Diese Dokumentation will Sie in chronologischer Folge über die wichtigsten innenpolitischen Initiativen seit dem 11. September 2001 informieren. Sie können sich anhand von Reden, Interviews und Informationen zu den wichtigsten gesetzgeberischen und administrativen Regelungen ein eigenes Bild darüber machen, wie die Bundesregierung für Freiheit und Sicherheit in unserem Land sorgt. In manchen Texten werden die Dramatik dieser Tage und Wochen und die Intensität der politischen Diskussion deutlich. Ich hoffe und wünsche, dass diese Dokumentation zum besseren Verständnis der eingeleiteten Maßnahmen und damit zur Versachlichung der Diskussion beiträgt. Otto Schily Bundesminister des Innern Berlin, im März 2002 Inhalt 1. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO vor dem Deutschen Bundestag am 19. September 2001 in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. „Ich will nicht nur Sicherheit“. Interview von Bundesinnenminister Otto Schily in: DIE ZEIT (39/2001) vom 20. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 8 3. „Das ist Gespensterseherei“. Bundesinnenminister Otto Schily im SPIEGEL-Gespräch (Nr. 39/2001) vom 24. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 12 4. Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily vor dem Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 . . . . . . . . . . . . 15 5. Modernes Kommunikationssystem garantiert zeitnahe und bundesweite Warnung. Erklärung von Bundesinnenminister Otto Schily vom 15. Oktober 2001 zum neuen satellitengestützten Kommunikationssystem für Warndurchsagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6. „Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist“. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU vor dem Deutschen Bundestag am 18. Oktober 2001 (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 7. „Wir machen keinen Basarhandel“. Bundesinnenminister Otto Schily im SPIEGEL-Gespräch (Nr. 44/2001) vom 29. Oktober 2001 . . . . . . . . . . . . . 22 8. Globalisierung und interkulturelle Kompetenz. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily an der Fudan-Universität Shanghai am 2. November 2001 (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 9. Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs). Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, MdB, anlässlich der 2./3. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs) vor dem Deutschen Bundestag am 9. November 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 10. Finanzielle und personelle Ausstattung für die innere Sicherheit wird 2002 erheblich ausgebaut. Presseerklärung zur Verwendung der zusätzlichen Mittel aus dem sog. 3-Milliarden-Programm zur Bekämpfung des Terrorismus vom 26. November 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 11. Bundesinnenminister Otto Schily verbietet islamistische Vereinigung „Kalifatsstaat“. Presseerklärung vom 12. Dezember 2001 . . . . . . . . . . . . . . . 33 12. Solidarität mit Amerika. Erklärung von Bundesinnenminister Otto Schily anlässlich eines Treffens mit dem Justizminister der Vereinigten Staaten, John Ashcroft, am 14. Dezember 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 13. Das zweite Antiterrorgesetz in der Kritik. Interview des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Fritz Rudolf Körper, MdB, im Deutschlandfunk am 14. Dezember 2001 (Auszug). . . . . . 37 14. Basisinformation zum Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern. Presse erklärung vom 15. Januar 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 15. Datennetze gegen Anschläge sichern – Alarm per Internet und künftig auch per Handy. Presseerklärung von Bundesinnenminister Otto Schily vom 16. Januar 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 16. Geldwäsche mit modernen Instrumentarien effektiv bekämpfen. Presseerklärung zum Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zur verbesserten Geldwäschebekämpfung vom 20. Februar 2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Anhang I: Information zum Terrorismusbekämpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 42 Anhang II: Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 vom 12. September 2001 und 1373 vom 28. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 45 5 1. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO vor dem Deutschen Bundestag am 19. September 2001 in Berlin Wenige Tage nach den Anschlägen debattierte der Deutsche Bundestag erstmals über die politischen Folgen. In der Debatte sprach auch der Bundesinnenminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Heute erinnere ich mich an die US-amerikanischen Soldaten, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus, den Nationalsozialismus geopfert und aufs Spiel gesetzt haben. Ich erinnere mich an die USamerikanischen Soldaten, die am Ende des Krieges mit uns Kindern ihre Essensrationen geteilt haben. Ich erinnere mich an die jungen Amerikaner, die zu uns gekommen sind, um die Demokratie in Deutschland aufzubauen. Ich erinnere mich an die amerikanischen Geschäftsleute, die – so im Gespräch mit meinem Vater – zusammen mit ihren ehemaligen Feinden die Wirtschaft in Deutschland wieder aufgebaut haben. Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir gemeinsam vor dem Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zugejubelt haben, weil er an der Seite Berlins und für Freiheit stand. Ich erinnere mich an viele Gespräche mit vielen respektablen Botschaftern der Vereinigten Staaten, Herrn Burns, Herrn Burd, Herrn Kornblum und anderen, die in großer demokratischer Offenheit auch über Meinungsverschiedenheiten in der Politik mit uns gesprochen haben. Ich erinnere mich an die Worte des amerikanischen Präsidenten Bush 6 vor der Mauer hier in Berlin. Ich finde, wir haben allen Grund, in diesen Tagen die Unverbrüchlichkeit der Freundschaft zu Amerika zu betonen. Das ist nicht nur eine Frage der Rhetorik, sondern etwas, was unser Volk mit dem amerikanischen Volk verbindet, der Nation, die in der Menschheitsgeschichte allen voran als Symbol für die Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie gilt. In diesen Tagen sind wir Zeugen mörderischer Verbrechen geworden, deren grauenvolle Dimension uns alle im tiefsten Innern erschauern lässt. Es sind Verbrechen, in denen sich Hass, Fanatismus, Feindschaft und Menschenverachtung auf unvorstellbare und erschreckende Weise verdichtet haben. Es sind Tage des Schreckens, der Trauer und des Zorns. Es sind für viele – das ist schon in einigen Debattenbeiträgen gesagt worden – auch Tage der Sorgen, der Angst und der Furcht. In dieser Lage muss jeder seine Verantwortung kennen und wahrnehmen. Wir müssen Festigkeit und Entschlossenheit beweisen. Zaghaftigkeit und Unsicherheit dürfen nicht die Devise sein. Wir sind auf die Mitwirkung aller angewiesen. Deshalb danke ich heute dem gesamten Parlament – ich möchte über ein paar kleinere Unstimmigkeiten hinwegsehen –, dass es diese Einmütigkeit bewiesen hat. Wir sollten diese Einmütigkeit in den Vordergrund rücken. Ich bedanke mich auch für das Angebot zur Zusammenarbeit. Gernot Erler und Frau Merkel haben es hier mit Recht angesprochen: Ich glaube in der Tat, dass uns der American Spirit, der Geist des Mutes und des aufrechten Ganges, den wir heute in Amerika beobachten können, als Vorbild dienen kann. Die Feuerwehrleute, die Bergungskräfte, die Börsianer, die Schuhputzer, die Krankenschwestern, die unzähligen Menschen, die sich zur Blutspende bereit erklärt haben, und auch Hillary Clinton mit ihrer eindrucksvollen Rede sind Vorbilder für uns. Wir sollten in dieser Situation von unserer Zaghaftigkeit und von unserem Hang zum Pessimismus Abschied nehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Entschlossenheit, Klarheit und Festigkeit den Kampf gegen den Terrorismus gewinnen werden. Aber dieser Kampf wird schwierig werden und er wird lange dauern. Darüber sollte sich niemand Illusionen machen. Ich neige bekanntlich nicht zu Dramatisierungen und Übertreibungen. Ich bin für realistische Einschätzungen. Ich habe ak- tuell stets darauf hingewiesen, dass im Augenblick keine konkrete Gefahr für unser Land besteht. Das ist die Einschätzung unserer Dienste und unserer europäischen Nachbarn. Aber niemand sollte sich über den Ernst der Lage täuschen. Die Sicherheitssituation kann sich in sehr kurzer Frist grundlegend verändern. Es ist allerdings nicht hilfreich, wenn sich einige in der Ausmalung ausufernder Schreckensszenarien überbieten. Nicht hilfreich ist ebenso, wenn manche die engagierte, gefahrvolle und schwere Arbeit unserer Polizei und unserer Sicherheitsdienste wider besseres Wissen bemäkeln. Gerade jetzt und auch künftig sollten wir unserer Polizei, den Sicherheits- und den Verfassungsschutzbehörden unsere besondere Anerkennung, unseren besonderen Dank und auch unser Vertrauen aussprechen. Aber selbstverständlich werden wir unsere Anstrengungen erhöhen müssen. Manche Gemächlichkeit und Umstandskrämerei müssen wir ablegen. In meinem Haus gilt der Grundsatz – der gerade im Bereich der inneren Sicherheit seine Bedeutung hat –, dass sich niemand dadurch auszeichnet, dass er mir umständlich erklärt, was angeblich nicht geht. Vielmehr kam und kommt es stets darauf an, rasch herauszufinden, was geht, was zum Erfolg führt. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge haben wir zu Sofortmaßnahmen gegriffen, im Bereich der Luftsicherheit, der Verkehrswege, der Infrastruktur insgesamt, des Objektschutzes. Wir haben unsere Aufklärungsmaßnahmen verstärkt. Denn Aufklä- rung ist natürlich das wichtigste Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Wir werden heute im Kabinett eine Reihe von weiteren Maßnahmen beschließen. Diese, Herr Merz, sind – ich sage dies, damit bei Ihnen kein Irrtum entsteht – noch nicht vollständig; das wird weiterzuführen sein. Ich bedanke mich jedoch schon jetzt ausdrücklich für das Angebot, das Sie, Herr Merz, gemacht haben, in diesen Fragen eng mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist der Konsens der Demokraten, der jetzt im Vordergrund stehen muss. Ich bin froh darüber, dass Bedenken, die in kirchlichen Kreisen zeitweise durchaus vorhanden waren, überwunden werden konnten und dass wir jetzt endlich dem Zustand ein Ende bereiten, dass Vereine, die sich mit religiösen Zielsetzungen tarnen, weiter ihr Unwesen treiben dürfen. Wir werden das Religionsprivileg im Vereinsrecht beseitigen. Wir müssen zusammen mit der Polizei und unter Anwendung des Strafrechtes dafür sorgen, dass wir alle terroristischen Gruppen erfassen, nicht nur jene, die ihre Zielsetzungen mit Aktivitäten im Innern entfalten. Deshalb ist es dringend erforderlich, das Strafgesetzbuch zu ändern. Wir werden das umsetzen, indem wir einen § 129 b einfügen. Wir werden darüber hinaus auch andere Maßnahmen ergreifen müssen, etwa im Bereich der Überprüfung des Sicherheitspersonals beim Luftverkehr. Auch dafür werden wir heute die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Überdies werden wir – das ist schon von mehreren angesprochen worden – dafür sorgen müssen, dass wir den Gel- dern auf die Spur kommen, mit denen der Terrorismus Mord und Totschlag finanziert. Das ist ja einer der schrecklichsten Zusammenhänge, derer wir ansichtig werden. Meine Damen und Herren, wir werden uns von manchen Vorurteilen und Denkgewohnheiten verabschieden müssen. An anderer Stelle werden wir über das Zuwanderungsgesetz zu reden haben. Ich werde mich – das sichere ich Ihnen zu – von diesem Projekt nicht verabschieden. Das wäre ein Sieg der Terroristen. Diesen Sieg dürfen wir nicht zulassen. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler für das dankbar, was er in seiner Regierungserklärung dazu gesagt hat. Aber eines muss auch klar sein: Das Sicherheitsproblem bei der Zuwanderung ist gar nicht in erster Linie ein Problem der Arbeitsmigration, die wir steuern und regeln wollen, sondern die Frage danach, welche Personen unter dem Zeichen des Flüchtlingsoder Asylschutzes zu uns kommen. Darunter befinden sich leider einige, die das Asyl- und das Flüchtlingsrecht missbrauchen. Wenn sich unter denen einige befinden, die terroristischen Aktionen dienen, dann müssen wir – das versteht sich von selber – diesen Herrschaften auf die Spur kommen. Deshalb darf mir und anderen an dieser Stelle niemand in den Arm fallen: Es kann nicht sein, dass bestimmte Dateien, die wir zur Verfügung haben, um diese Dinge aufzuklären, nicht genutzt werden. Datenschutz ist in Ordnung, aber der Datenschutz darf nicht zur Behinderung von Kriminalitäts- oder Terrorismusbekämpfung führen. 7 2. „Ich will nicht nur Sicherheit“ Bundesinnenminister Otto Schily über die Schwierigkeiten, eine Strategie gegen den neuen Terror zu finden im Interview in: „Die Zeit“ (39/2001 ) vom 20. September 2001 DIE ZEIT: Herr Minister, was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von diesem schrecklichen Attentat in New York und Washington hörten? Otto Schily: Ich habe es bei CNN gesehen, auch den zweiten Flugzeugangriff. Es war sofort erkennbar, dass es sich um eine gesteuerte Aktion handelte. Es hatte etwas Unwirkliches. Aber ich will nicht über Gefühle sprechen. Dieser Anschlag ist ein tiefer Einschnitt in der Entwicklung der Menschheit. Der Angriff auf die Zentren einer Nation, die in der Tradition der Menschheitsgeschichte wie keine andere Menschenrechte, Freiheit, Demokratie verkörpert, einer Nation, der wir Deutschen Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat verdanken, das erreicht eine Größenordnung, die mit Recht als eine historische Zäsur wahrgenommen wird. DIE ZEIT: Krieg ist in aller Munde. Ist „Krieg“ für Sie überhaupt eine taugliche Kategorie hierfür? Schily: Krieg in dem Sinne, dass es eine Kampfansage ist an alle zivilisatorischen Werte, die wir gemeinsam errungen haben. Manche meinten ja, das Ende der Geschichte sei erreicht, weil wir Freiheit und Demokratie weltweit durchgesetzt haben – das erweist sich offenbar als Irrtum. DIE ZEIT: Was genau ist denn das Neue für Sie? 8 Schily: Das Neue ist, dass der Anschlag eine als unverwundbar geltende Macht trifft und von einer Gewissenlosigkeit und kriminellen Intensität zeugt, die das eigene Leben und das Tausender unschuldiger Menschen nicht schont. DIE ZEIT: Die Spur dieser Verbrechen führt auch nach Deutschland. Gehörte zu Ihren ersten Gedanken, dass die Sicherheitssysteme versagt haben könnten? Schily: Gewiss muss man darüber nachdenken, ob an der einen oder anderen Stelle die Aufklärungsmaßnahmen hätten intensiver sein können. Diese Frage stellt sich aber nicht nur uns, sondern allen Beteiligten, den Vereinigten Staaten von Amerika, anderen europäischen Staaten, Staaten außerhalb der Europäischen Union. Wir müssen unsere Aufklärungsstrategien neu orientieren. Das ist schwierig, wenn es sich bei den Tätern um Personen handelt, die sich durch völlig unauffälliges Verhalten tarnen, die ihre Studien mit den besten Zensuren abschließen und ein ganz bürgerliches Leben führen, bei denen nichts darauf deutet, dass ein solches Leben in irgendein terroristisches Verbrechen eingehen könnte. Ein Nachrichtendienst oder die Polizei können ja nicht Verdacht schöpfen, weil einer sich besonders unauffällig verhält. Das macht die Frage umso wichtiger, wie Datenbestände bei uns umfassend genutzt, wie sie miteinander verbunden, wie sie miteinander abgeglichen werden und welchen Rang man dabei den Sicherheitsinteressen einräumt. Und da darf man, das sage ich auch sehr klar, nicht einfach an der Frage vorbeigehen, ob der Datenschutz bei solchen Konstellationen nicht neu definiert werden muss. Ich jedenfalls will die Möglichkeiten der Abfrage von Daten und des Datenvergleichs erweitern und verbessern. Wir müssen auch unsere Visiere bei der Aufklärung neu justieren, zum Beispiel durch anderen Profile. DIE ZEIT: Mit einer Regelanfrage? Schily: Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz gehört dazu. Bei der Einbürgerung haben wir schon die Möglichkeit geschaffen. Es war eines meiner Anliegen beim neuen Staatsangehörigkeitsrecht, auch die Sicherheitsfragen erheblich stärker zu gewichten. DIE ZEIT: Regelanfragen künftig schon bei der Visaerteilung? Schily: Fall- und situationsbezogen: ja. Selbstverständlich nicht bei jedem Visum, aber zum Beispiel bei Personen, die aus einem bestimmten Konfliktgebiet kommen. DIE ZEIT: Jetzt setzen Sie auf Rasterfahndung nach neuen Kriterien? Vielleicht auch auf einen neuen § 129b, der die „Werbung“ für internationale terroristische Vereinigungen verbietet? Und das zu einem Zeitpunkt, da sich die Bundesrepublik gerade als weltoffen zeigen und ausländische Fachleute ins Land komplimentieren wollte. Schily: Das ist kein Widerspruch. Es ist meine feste Überzeugung – und das war schon in den siebziger Jahren so –, dass die Rasterfahndung individuelle Schutzrechte nicht verletzt. Denn sensible Daten von unbescholtenen Bürgern, die damit vielleicht überprüft werden, werden am Schluss der Rasterfahndung wieder ausgekämmt. Auch ein Polizeibeamter darf prüfen, ob sich im Rahmen von Ermittlungen und Observationen Zusammenhänge ergeben. Warum soll das nicht auch bei Dateien und unter Inanspruchnahme der modernen technischen Möglichkeiten zulässig sein? Die Frage ist, an welchen Datenbeständen man rastern kann und muss und wo nicht. So muss man zum Beispiel prüfen, ob Visadaten der Polizei zugänglich werden. Das ist heute weitgehend nicht der Fall. Wir werden auch im Rahmen der Zuwanderungsregelung das Aufenthaltsrecht an der einen oder anderen Stelle verschärfen. Das steht nicht im Widerspruch zu Weltoffenheit und zu dem Wunsch, im Rahmen unserer eigenen wirtschaftlichen Interessen Zuwanderung zu steuern, allerdings auch zu begrenzen. DIE ZEIT: Für Bayerns Innenminister Beckstein ist es zum Beispiel unvorstellbar, jetzt darüber zu reden, ob man Leute aus der arabischen Welt leichter ins Land lässt, ganz egal, ob wir sie aus wirt- schaftlichen Gründen dringend brauchen oder nicht. Schily: Herr Beckstein hat manchmal die Eigenschaft, Dinge so darzustellen, dass sie die Öffentlichkeit irreführen. Als ob es im Moment darum ginge, dass wir jetzt Hunderte oder auch nur Einzelne aus den arabischen Ländern anwerben. Das ist eine völlige Verkehrung dessen, was real stattfindet. Von dort kommen heute nicht die Spezialisten, die unsere Wirtschaft braucht. Außerdem können nicht alle Araber unter Generalverdacht gestellt werden. Das wäre verhängnisvoll, auch politisch, wenn wir alle Araber dafür in Haftung nähmen, weil es unter ihnen Verbrecher gibt. Es gibt auch deutsche Verbrecher, und es können deshalb nicht alle Deutschen ausgesperrt werden. DIE ZEIT: Es wird also ein Zuwanderungs- und nicht nur ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz geben? Schily: Unsere Antwort auf die Ereignisse kann nicht sein, dass wir unsere Wirtschaft vernachlässigen, ganz im Gegenteil. Was uns aus Sicherheitsgründen Sorgen macht – und das muss man offen ansprechen –, sind weitgehend Personen, die unter dem Vorwand, sie hätten irgendeinen Flüchtlings- oder Asylstatus, hierher gekommen sind. Diese Tatsache kann man nicht aus vermeintlichen humanitären Überlegungen beiseite schieben. Straftäter und andere Personen, die die Sicherheit unseres Staates gefährden, werden auch von der Genfer Flüchtlingskonvention vom Schutz ausgenommen. Im geplanten Zuwanderungsgesetz nehmen wir darauf ausdrücklich Bezug. Gleichwohl haben wir aus anderen Gründen immer noch eine Grenze, die besagt, dass wir niemanden in den Tod, niemanden in die Folter schicken. Selbst an der Stelle aber müssen wir uns überlegen, wie wir mit potenziellen Terroristen umgehen. DIE ZEIT: Wie zum Beispiel? Schily: Ich bin dafür, dass wir hier auch unkonventionelle Überlegungen einbeziehen. Wenn es sich um Personen handelt, denen wir aus unseren Sicherheitsinteressen heraus keinen Flüchtlingsstatus zubilligen, die wir aber zugleich wegen drohender Gefahr für Leib und Leben nicht in ihr Herkunftsland abschieben können, müssen wir uns überlegen, ob wir nicht andere Weltgegenden finden, wo sie keine Gefahr für die Sicherheit darstellen, wie das hier in dem sehr sicherheitsempfindlichen Deutschland der Fall ist. DIE ZEIT: Also algerische Asylanten ab nach Pakistan? Schily: Es gibt einige Möglichkeiten, aber sie eignen sich nicht für eine öffentliche Erörterung. Das Problem betrifft übrigens nicht nur diesen extremistisch-terroristischen Bereich, es geht auch um andere Kriminalitätsbereiche. Es gibt zum Beispiel viele Personen, die auf jede erdenkliche Weise ihre Abschiebung hintertreiben, etwa durch falsche Identitätsangabe und sonstige Betrügereien. Oder das Herkunftsland ist nicht kooperationsbereit. Warum sollte es dann 9 nicht zulässig sein, diese Personen in ein Drittland abzuschieben, mit dem wir entsprechende Vereinbarungen abschließen? Das ist doch besser, als wenn die Personen sich bei uns im Drogen- oder Menschenhandel tummeln. DIE ZEIT: Das alles erzeugt den Eindruck, vielleicht auch die Illusion, allein mit polizeilichen Mitteln alle Sicherheitslücken schließen zu können. Schily: Neben dem entschlossenen Einsatz von repressiven Mitteln – und da gelte ich nun wahrlich nicht als zaghaft – bleiben die präventiven Strategien die weitaus wichtigeren. Deshalb sage ich auch, wir müssen uns der Frage zuwenden, wie eigentlich Menschen zu solchen schrecklichen Handlungen kommen. Jedes Verbrechen beginnt im Geist und in der Seele eines Menschen. Kein Mensch wird als Verbrecher geboren. Keiner. Was ist in solch einem Menschen vor sich gegangen? Was hat der für ein Bild von der Wirklichkeit, vom Jenseits, von der Heilserwartung, die ihn in seinen Irrsinn geführt hat? DIE ZEIT: Sie sprechen nur von menschlichen, nicht von sozialen oder politischen Ursachen. Schily: Gewiss kommt dann als Komponente mit hinein, ob das etwas mit sozialen Bedingungen zu tun hat, welche Wahrnehmung von der Welt, also der globalen Welt und dem „Hort des Kapitalismus“ und vielleicht der ausgebeuteten Welt jemand hat. Das eigentlich Erschreckende aber ist diese Vermengung von religiösem Fanatismus und möglicherweise auch sol10 chen kruden Theorien. Wir hatten doch solche Erscheinungen auch in anderer Form. Denken Sie an jemanden wie den kambodschanischen Massenmörder Pol Pot, der Sorbonne-Student war. In die Überlegungen muss man auch einbeziehen, dass bei uns heute zwei religiöse Orientierungen – Christentum und Islam – ziemlich beziehungslos nebeneinander stehen. lands besteht. Das kann sich dann ändern, wenn Amerika bestimmte Entscheidungen trifft, und es hängt davon ab, wie sie aussehen. DIE ZEIT: Darin sehen Sie eines der Versäumnisse? Schily: Ich habe überhaupt nicht vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren gesprochen. Ich habe auf ein Problem hingewiesen, das sich objektiv entwickeln wird. Bei den künftigen Auseinandersetzungen, die jetzt eine neue Größenordnung erreicht haben, wird sich die Frage stellen, ob wir zum Teil polizeiliche Strategien auch mit militärischen Mitteln durchsetzen müssen. Wir werden den Taliban ja wohl kaum ein Rechtshilfeersuchen mit der Bitte um Auslieferung von bin Laden übersenden. Schily: Ja. Religiöse Toleranz ist in weitem Maße vorhanden, ein Dialog aber findet kaum statt. Auch dort müssten wir ansetzen, einen solchen Dialog in Gang zu bringen. Das wird ungemein schwierig. Es gab Situationen, wo islamische Strömungen sehr Positives bewirkt haben. Denken Sie an die Tradition der Universität von Fes, denken Sie an die andalusische Tradition – mit allen Verwerfungen, die damit sicherlich verbunden waren. Eine präventive Strategie muss den positiven Dialog der Kulturen fördern und darauf achten, die Rekrutierung weiterer Menschen in hasserfüllte Strukturen aufzuhalten. Und leider ist der Nahostkonflikt geeignet, solche Rekrutierungen zu ermöglichen. DIE ZEIT: Was soll eigentlich auf den Prüfstand? Sie sprechen schon von Amtshilfe der Bundeswehr im Innern. Es klingt nach Aufrüstung der Zivilgesellschaft. Gibt es für Sie keine Tabus? DIE ZEIT: Es geht Ihnen nicht um den Einsatz der Bundeswehr hier im Land? DIE ZEIT: Wie hoch schätzen Sie das Potenzial selbstmordbereiter Attentäter in Deutschland ein? Schily: Nein. Die Bundeswehr kann die militärischen Einrichtungen in unserem Lande schützen, ihre eigenen und die unserer Bündnispartner. Unter Umständen kommt aber auch ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen in Betracht. Schily: In dieser Richtung gibt es keine konkreten Erkenntnisse. Es ist die zuverlässige Einschätzung unserer Dienste, dass jedenfalls für den Zeitraum, den wir im Moment zu überschauen vermögen, keine konkrete Gefährdung Deutsch- DIE ZEIT: Die Grenzen zwischen Polizei und Verfassungsschutz zerfließen ohnehin. Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es dazu eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen. Inzwischen sind auch verdachtsunabhängige Kontrollen in Grenzgebieten möglich. Wir haben die Möglichkeit, dass der Bundesnachrichtendienst den internationalen Telefonverkehr überwacht. Wir haben die elektronische Überwachung ... Schily: ... die akustische Wohnraumüberwachung, ja. Und alle Schreckensbilder, die in der ZEIT dazu gezeichnet wurden, haben sich als Zerrbilder erwiesen! Mir geht es nicht darum, Gesetze um der Gesetze willen zu machen. Gesetzgeberischer Aktionismus ist nicht meine Sache. Mir geht es um die Frage, ob die Sicherheitslage in unserem Land besser oder schlechter geworden ist. Einige Neuregelungen brauchen wir. Zum Beispiel werden wir das Religionsprivileg im Vereinsgesetz beseitigen. DIE ZEIT: New York ist eine Tragödie, und es ist eine Chiffre für Verletzbarkeit. Sie dagegen müssen in Ihrer Verantwortung als Minister beruhigen und versprechen, es gebe Sicherheit. Schily: Ihre Frage enthält zwei Missverständnisse. Ich gehöre nicht zu denen, die einseitig nur auf Sicherheit setzen. Ich sage aber, Freiheit kann nur in Sicherheit gedeihen. Aber umgekehrt ist Sicherheit auch nur in Freiheit möglich. Die Demokratie erfordert größtmögliche Sicher- heit. Anders ist Grundrechtschutz nicht erreichbar. Aber eine hundertprozentige Sicherheit kann eine hoch technisierte Gesellschaft nicht garantieren. DIE ZEIT: Das kleine Messer im Flugzeug gegen die hoch technologische Welt? Schily: Ich wollte über meine Gefühle nicht sprechen. Eines aber will ich Ihnen nicht verschweigen: Ich habe in dem Moment, als ich CNN einschaltete, auch daran gedacht, was ein solcher Angriff eigentlich unter der Bedingung des Kalten Krieges bedeutet hätte. Wir wissen, was dann passiert wäre. Es hat den Anschein, dass die Militärstrategen an einen Angriff dieser Art überhaupt nicht gedacht haben. Die Raketenabwehr NMD liegt eher in der Logik der klassischen Militärstrategie. Heute aber stehen wir einem Gegner aus dem Unsichtbaren gegenüber, der als Feind so ohne weiteres nicht erkennbar ist. Da vermischen sich militärische und polizeiliche Aspekte. Aber wir sollten uns jetzt auf die konkreten Schritte der Verhinderung solcher Anschläge konzentrieren. Dazu gehört vor allem die Flugsicherheit. Diese Anschläge wären zu verhindern gewesen, wenn die Sicherheitsvorkehrungen beim Zugang zum Flugzeug besser funktioniert hätten. DIE ZEIT: Wir schaffen nicht den Rechtsstaat ab, beteuern Sie. Wo ist dann für diesen Innenminister die „Schmerzgrenze“ erreicht? Schily: Das kann man nicht abstrakt bestimmen. Die Grenze ist erreicht, wenn es an den Kern der Grundrechte geht. Eine Grenze, die von mir nie überschritten werden würde, ist das Respektieren des Folterverbots. Ich bin auch nicht für die Wiedereinführung der Todesstrafe und wüsste auch nicht, was uns das in der Frage der Sicherheit für einen Vorteil bieten würde. Im Gegenteil. Ich bin aber zugleich dagegen, dass wir einem Dogmatismus huldigen, der zum Teil alberne Züge trägt. Man kann einen Vorschlag kritisieren, wenn man meint, er ist nicht realisierbar. Unter Gesichtspunkten des Rechtsstaates aber halte ich es zum Beispiel für völlig unproblematisch, weitere Identifizierungsmerkmale in einem Ausweis zu haben neben Lichtbild, Größe, Augenfarbe, sonstigen Kennzeichen sowie Name, Geburtsort und Geburtsdatum. Warum soll eigentlich nicht auch ein Fingerabdruck in den Ausweis kommen? Ich wüsste nicht, welche Einbuße das für das einzelne Individuum darstellen sollte. 11 3. „Das ist Gespensterseherei“ Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) über Versäumnisse der Sicherheitsbehörden, seine Furcht vor einer zweiten Anschlagswelle und den Protest von Datenschützern im SPIEGEL-Gespräch (Ausgabe Nr. 39/2001 vom 24. September 2001) SPIEGEL: Findet es der Bürger Otto Schily beruhigend, jetzt einen Innenminister zu haben, der früher mal eine Terroristin als Rechtsanwalt vertreten hat, und sich in die Gedanken solcher Menschen vielleicht besser versetzen kann als andere? Schily: Ja, Erfahrung ist immer gut. SPIEGEL: Wie würden Sie Ihren aktuellen Gemütszustand beschreiben? Schily: Gespannte Ruhe. SPIEGEL: Wie ernst schätzen Sie die Bedrohungslage ein? Schily: Meine Befürchtung ist, dass nach dieser schrecklichen ersten Welle von Attentaten auch eine zweite Welle in Gang gesetzt werden könnte – möglicherweise mit ganz anderen Methoden und ganz anderen Zielorten. Aber ich teile die Auffassung der Sicherheitsdienste, dass die Ziele, die dabei vielleicht angesteuert werden, nicht in erster Linie in Europa und erst recht nicht in Deutschland liegen. Wenn die Vereinigten Staaten allerdings erst einmal militärisch zurückgeschlagen haben, fürchte ich, müssen wir damit rechnen, dass es Resonanzaktionen auch in Europa geben könnte. SPIEGEL: Wie viele „Schläfer“ – also potenzielle islamistische Gewalttäter – leben nach Ihren Erkenntnissen in Deutschland? 12 Schily: Wir haben bislang nur Schätzungen. SPIEGEL: Ihr nordrhein-westfälischer Kollege Fritz Behrens spricht von bis zu hundert. Schily: Es kursieren viele Gerüchte. Es ist nicht Aufgabe eines Innenministers, sich an solchen Spekulationen zu beteiligen. Offenkundig ist nur, dass sich ein Netz islamischer fundamentalistischer Terroristen über Europa und die gesamte Welt ausgebreitet hat – auch über Deutschland. Es wird eine sehr mühsame und langwierige Aufgabe sein, dieses Netz aufzuspüren und zu zerschlagen. SPIEGEL: Sie wollen jetzt ein Paket von Maßnahmen und Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Demnach sind Sie der Meinung, es habe in der Vergangenheit Defizite gegeben, die vielleicht dazu beigetragen haben, dass Attentate wie die in New York und Washington erst möglich wurden. Schily: Die Initiativen, die wir vergangene Woche im Kabinett beschlossen haben, sind nicht erst nach dem 11. September eingeleitet worden. Die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz zum Beispiel habe ich vor Monaten vorgeschlagen. Und nicht ohne Grund haben wir im Staatsangehörigkeitsrecht den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft un- ter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue und der Rechtstreue allgemein bereits 1999 erheblich verschärft. Aber richtig ist: Es hat in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben. Zum Beispiel haben wir uns nicht immer genug darum gekümmert, um wen genau es sich bei denjenigen handelt, die bei uns Asyl oder einen anderen Aufenthaltsstatus erhalten. SPIEGEL: Einer der mutmaßlichen Attentäter, der zeitweise in Hamburg lebte, ist im Ausländerzentralregister mit drei unterschiedlichen Pässen gespeichert – und keiner hat es gemerkt. Schily: Das ist leider richtig. Deshalb müssen wir auch an dieser Stelle etwas verändern. Wir müssen das Ausländerzentralregister online zugänglich machen für sämtliche Sicherheitsbehörden. Der von Ihnen angesprochene konkrete Fall muss genau analysiert werden, um die Schwachstellen zu erkennen und zu beseitigen. Es gibt noch viele weitere Fragen, die mich in diesem Zusammenhang beschäftigen. SPIEGEL: Welche? Schily: Dass nicht erkannt worden ist, dass bestimmte Personen, die man mit dem Studentenstatus ins Land gelassen hat, mit Geldern ausgestattet wurden, die sehr ungewöhnlich sind. Dass sie ihre Reisebewegungen mit einem Aufwand durchgeführt haben, der mit dem Budget normaler Studierender völlig unvereinbar ist. SPIEGEL: Weil sie Geld von ihrer Heimatbotschaft bekommen haben. Schily: Zum Beispiel. All das sind Vorgänge, die nicht ins Blickfeld unserer Sicherheitsbehörden gekommen sind. SPIEGEL: Aber was wollen Sie denn machen, wenn junge Leute aus dem Ausland als Studenten hierher kommen und an der Uni nie auffallen? Schily: Ich sage ja nicht, dass eine hundertprozentige Zielgenauigkeit erreichbar ist, jemandem auf die Spur zu kommen. Wenn sich einer völlig unauffällig und gesetzestreu verhält, können wir das wohl kaum als Anhaltspunkt für terroristische Aktionen nehmen. Das wäre eine merkwürdige Verkehrung polizeilicher Ermittlungstätigkeit. SPIEGEL: Wie soll er denn ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten? Selbst wenn er sich vom Ausland aus um einen Studienaufenthalt in Deutschland bewirbt und Sie den Verfassungsschutz fragen, ob Bedenken gegen die Einreise bestehen, werden Sie nichts finden. Die Leute kommen ja zum ersten Mal nach Deutschland oder waren bislang nur als Touristen hier. Schily: Deshalb müssen wir auch den Bundesnachrichtendienst (BND) mit einbeziehen, der für die Auslandsaufklärung zuständig ist. Und wir müssen mit den Diensten anderer Länder enger koope- rieren. Das habe ich im Kreis der europäischen Innen- und Justizminister bereits auf den Weg gebracht. SPIEGEL: Das heißt, Studierende oder Arbeitszuwanderer, die nach Deutschland wollen, werden erst mal vom BND und dem Nachrichtendienst ihres Heimatlandes überprüft? Schily: Alle rechtlichen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Wenn zum Beispiel dem BND über denjenigen, der zu uns kommen will, Erkenntnisse vorliegen, die die Zuordnung zu einem bestimmten extremistischen Spektrum erlauben, dann wäre es nicht zu verantworten, diese Erkenntnisse nicht zu verwerten. Man muss aber gründlich prüfen, wie das rechtlich einzuordnen ist. Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht uns bestimmte Grenzen gesetzt hat. SPIEGEL: Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz soll künftig regelmäßig gefragt werden, bevor Ausländer aus bestimmten Ländern nach Deutschland kommen oder hier bleiben dürfen. Schily: Ja, denn wir müssen dafür sorgen, dass nicht unter dem Titel irgendeines Aufenthaltszweckes, sei es ein wirtschaftlicher oder humanitärer, Menschen eingeschleust werden oder sich selber einschleusen, die in Wirklichkeit ganz anderes im Sinn haben. Dafür müssen wir alle Daten nutzen, die unseren Sicherheitsbehörden vorliegen. Auch auf die Visadateien der Botschaften müssen Polizei und Verfassungsschutz Zugriff haben. Dafür habe ich von meinen europäischen Mi- nisterkollegen ebenfalls Zustimmung erhalten. SPIEGEL: Das Außenministerium von Joschka Fischer ist strikt dagegen. Schily: Die Bedenken des Außenministeriums werden wir ausräumen. Auch das Auswärtige Amt weiß, dass wir vor allem für die präventive Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz auf den Zugang zu allen Daten angewiesen sind, insbesondere um das Einsickern von Terroristen zu verhindern. SPIEGEL: Also weg mit all dem mühsam erstrittenen Datenschutz? Schily: Datenschutz hat einen hohen Rang. Aber er darf nicht den Kampf gegen Kriminalität behindern. Es schränkt niemanden in seiner Freiheit ein, wenn Polizei oder Verfassungsschutz nachschauen dürfen, wann wer unter welchen Voraussetzungen nach Deutschland einreist. SPIEGEL: Jetzt sollen auch Angehörige ausländischer Terrorgruppen, die hier leben, in Drittstaaten abgeschoben werden. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie solche Drittstaaten finden? Schily: Das ist sicher eine komplizierte Frage, die noch genauer Untersuchung bedarf. SPIEGEL: Was soll denn ein anderer Staat für ein Interesse daran haben, jemanden aufzunehmen, den wir nicht mehr haben wollen? Schily: Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass wir diesen Punkt noch genauer untersu- 13 chen müssen. Mehr kann und will ich dazu im Moment nicht sagen. SPIEGEL: Es haben ja immer wieder Länder den Vorwurf erhoben, die Bundesrepublik gewähre Menschen Asyl, die in ihrer Heimat nicht wegen ihrer politischen Betätigung, sondern wegen normaler Verbrechen gesucht würden. Schily: Das hören wir bisweilen aus Ägypten, Algerien oder der Türkei. Kürzlich hatten wir den Fall eines Ägypters, der hier als anerkannter Asylbewerber lebt. Wir hätten den Mann ausgeliefert, wenn wir die Zusicherung bekommen hätten, dass gegen ihn nicht die Todesstrafe verhängt wird. Die Zusicherung haben wir aber leider nicht erhalten. SPIEGEL: Darum lebt der Mann hier in Freiheit. Schily: Ja. Es sei denn, wir können gegen ihn in Deutschland ein Strafverfahren durchführen. Das ist dann der Fall, wenn er im Ausland ein Kapitalverbrechen begangen hat. SPIEGEL: Wenn der Mann einer in Ägypten als Terrorvereinigung geltenden Gruppe angehört, können Sie ihm künftig auch hier nach den neuen § 129b den Prozess machen. Der stellt ja die Mitgliedschaft oder Unterstützung krimineller und terrorisstischer Vereinigungen im Ausland unter Strafe. Schily: Richtig, aber nur unter der Voraussetzung, dass uns die ägyptische Seite entsprechendes Beweismaterial übergibt oder wenn wir auf 14 anderer Weise den Schuldnachweis führen können. SPIEGEL: Im Terrorismusbereich muss immer erst etwas passieren, damit alle hochschießen und die Welt neu entdecken. Jetzt wird auf einmal über Nacht der § 129b eingeführt. Warum so spät? Schily: Ich hätte es begrüßt, wenn diese Regelung früher zu Stande gekommen wäre. Schließlich hatten wir immer wieder Diskussionen mit Spanien, weil wir hier lebende Eta-Mitglieder nicht ohne Weiteres verfolgen konnten. Das gilt aber auch für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Mühlen der Demokratie mahlen eben manchmal ziemlich langsam. SPIEGEL: Wäre dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Flucht in die USA gelungen und es hätte dort so etwas wie einen § 129b gegeben – was wäre dann passiert? In den Augen der Nationalsozialisten war er ja Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Schily: Da kommen wir zu schwierigen Abgrenzungsfragen. Natürlich kann es nicht so sein, dass das Herkunftsland des Flüchtlings alleine festlegt, was eine kriminelle oder terroristische Vereinigung ist. Das müssen Bundesregierung oder Bundestag entscheiden. Ein Mensch wie Stauffenberg wäre von einer Regelung, wie wir sie nun einführen wollen, nie betroffen gewesen, weil sich sein Attentat ja gegen eine totalitäre Diktatur richtete. Auf europäischer Ebene sind wir mittlerweile dabei, eine ver- bindliche strafrechtliche Definition des Terrorismusbegriffs zu finden. SPIEGEL: Wenn all die Maßnahmen, die Sie jetzt beschlossen haben, vor einem Jahr verwirklicht gewesen wären, hätten die Anschläge in den USA verhindert werden können? Schily: Wenn die heute bei uns geltenden Standards zur Sicherung des Luftverkehrs in den USA strikt angewandt worden wären, hätte es die Flugzeugentführungen nach menschlichem Ermessen nicht gegeben. Wenn die entführte Maschine schon in der Luft ist, können Sie nichts mehr machen. SPIEGEL: Stimmen Sie Bundespräsidenten Johannes Rau zu, der gesagt hat, „Ein total geschützter Alltag ist kein freies Leben mehr“? Schily: Niemand will jeden Schritt, jede Lebensregung eines Menschen überwachen. Das ist Gespensterseherei. Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus. Diese Sorge bewegt die Menschen und nicht die angestaubte Theorie vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat. Deshalb stehen nach einer aktuellen Umfrage nur 17 Prozent der Deutschen diesen Maßnahmen skeptisch gegenüber, aber nahezu 80 Prozent der Bevölkerung stimmen meiner Politik zu. SPIEGEL: Herr Schily, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 4. Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Kriminalität und des Terrorismus Rede von Bundesinnenminister Otto Schily vor dem Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 in Berlin (1. Lesung der Gesetzentwürfe zur Änderung des Vereinsgesetzes, Strafrechtsänderungsgesetzes und Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich finde, es ist der gegenwärtigen ernsten Situation angemessen, dass die demokratischen Kräfte gewillt und entschlossen sind – das ist erfreulicher Weise erkennbar geworden –, der terroristischen Herausforderung gemeinsam entgegenzutreten, und dass – bei allem Streit im Detail – die heute vorliegenden Gesetzentwürfe begrüßt werden. Das möchte ich als etwas Positives herausstellen. Ich finde, der jetzige Zeitpunkt ist nicht geeignet, um über die Vergangenheit zu reden. Wir sollten in die Zukunft schauen. Auch im Hinblick auf zukünftige Maßnahmen wird die bisher gezeigte Gemeinsamkeit erforderlich sein. Es ist manchen in der Vergangenheit zur Gewohnheit geworden, sich etwas spöttisch über unsere Geheimdienste zu äußern. Manchmal fiel die Kritik auch etwas härter aus. Ich möchte an dieser Stelle – das tue ich sehr bewusst – gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Landesämter für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes meinen ausgesprochen herzlichen Dank für ihre Tätigkeit zum Ausdruck bringen, weil wir uns ohne deren Tätigkeit wahrlich in einer noch schwierigeren und risikoreicheren Situation befänden. Ich darf an etwas erinnern, was vier Jahre zurückliegt und was manchem seinerzeit vielleicht gar nicht so aufgefallen ist. Anfang 1997 hat der Sozialdemokrat und Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Peter Frisch in einem Interview folgendes ausgeführt (ich betone: 1997): Das Sicherheitsproblem Nummer eins für Deutschland sind die islamischen Fundamentalisten. Er hat auf Nachfrage folgendes hinzugefügt: Das ist ein Problem, das die Sicherheitsbehörden wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert vorrangig beschäftigen wird. Das ist wahrhaft eine nahezu prophetische Äußerung. Deshalb verbietet sich jede dümmliche Kritik an dem, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesämter für Verfassungsschutz unter sehr schwierigen Voraussetzungen leisten. Sicherlich ist auch deren Arbeit fehlerbehaftet, so wie jedes menschliche Verhalten fehlerbehaftet und von Unzulänglichkeiten geprägt ist. Aber das eben von mir vorgetragene Zitat lässt uns ansatzweise erkennen, was wir solchen Institutionen verdanken. Ich will zwar die sachliche Linie der Debatte nicht verlas- sen. Aber ich muss die Parteivorsitzende der CDU, Frau Merkel, korrigieren, wenn sie behauptet, wir hätten in unserer Regierungszeit vor dem 11. September die Sicherheitserfordernisse vernachlässigt. Genau das Gegenteil ist richtig. Wir haben in den zurückliegenden Haushaltsjahren die Ausgaben für die innere Sicherheit kontinuierlich erhöht und nicht verringert und wir werden das auch im bevorstehenden Haushaltsjahr tun. Wir haben das getan, obwohl wir von Ihnen – auch das muss man an dieser Stelle einmal erwähnen – einen nahezu konkursreifen Haushalt geerbt haben. Diese Politik werden wir fortsetzen. Ich bin dankbar dafür, dass wir jetzt unabhängig von den Konsolidierungsbemühungen, die wir fortsetzen werden und auch fortsetzen müssen, durch die Maßnahmen des Kollegen Eichel in die Lage versetzt werden, an den Stellen, an denen das notwendig ist, auch die Ausgaben für die innere Sicherheit zu erhöhen. Das werden wir sehr gezielt und sehr konsequent bewerkstelligen, weil wir in der Tat auch einen Personalaufbau im Bundesamt für Verfassungsschutz, im Bundeskriminalamt, beim Bundesgrenzschutz und auch bei anderen Sicherheitsbehörden benötigen. Ich finde es übrigens durchaus begrüßenswert, dass auch in den Ländern entsprechen15 de Maßnahmen zustande kommen. Wir reden jetzt nicht über einzelne Landeshaushalte. Gerade einige Landeshaushalte sind, denke ich, nun wahrlich in Schwierigkeiten; da kann man die Historie ebenfalls etwas zurückverfolgen; aber das wollen wir an dieser Stelle nicht tun. Meine Damen und Herren, es geht mir darum, in meinem Beitrag auf einige aktuelle Fragen einzugehen, die heute in der Debatte eine Rolle gespielt haben. Ich teile die Auffassung des Bundeskanzlers und anderer, dass die Bundeswehr außerhalb der ihr schon jetzt von der Verfassung gebotenen Möglichkeiten nicht für polizeiliche Aufgaben im Innern eingesetzt werden kann. Es scheint so zu sein, dass einigen die Lektüre des Grundgesetzes noch einmal zu empfehlen ist. Nach einer solchen Lektüre weiß man, welche Möglichkeiten die Bundeswehr hat. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Bundeswehr in dieser schwierigen Lage, in der wir uns jetzt befinden, in der die Polizeien der Länder und des Bundes wirklich eine sehr angespannte Arbeitssituation haben, sehr kooperativ bestimmte Bewachungsaufgaben übernommen hat. Übrigens hat sich auch der Freistaat Bayern – ich glaube, dass man das hier einmal berichten sollte – bei der Bundesregierung ausdrücklich dafür bedankt. Da, wo das möglich ist, etwa bei einem Truppenübungsplatz in Bayern oder bei militärischen Einrichtungen der US-Streitkräfte in Baden-Württemberg oder in Rheinland-Pfalz, ge16 schieht das in sehr guter Kooperation. Ich habe auf Anregung des Oberkommandirenden der US-Streitkräfte in Europa eine Arbeitsgruppe gebildet, die diese Fragen koordiniert. Auch ich bin der Meinung, dass wir neben den vorhandenen Institutionen nicht neue Bürokratien aufbauen sollten. Wir haben wirklich, glaube ich, eine gute Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Wir dürfen auch sagen, dass wir im internationalen Vergleich diesbezüglich wirklich sehr, sehr gut aussehen. Es führt nicht weiter, neue Ämter zu schaffen. Es ist ja auch ganz interessant, wie beredt beispielsweise einige Innenminister, auch aus CDU- oder CSUregierten Ländern, zu diesen Vorschlägen schweigen. Entgegen manchen Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt Schweigen in diesem Fall, glaube ich, eindeutig Ablehnung. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas zu der Frage sagen, zu der hier Ausführungen gemacht worden sind, nämlich zu der Frage, was denn die Bundeswehr bei bestimmten Situationen vielleicht zu unternehmen hätte. Das entspricht einer Frage, die in diesen Tagen des Öfteren an mich gestellt wird. Ich werde gefragt: Sagen Sie mal, Herr Schily, was tun Sie eigentlich, wenn ein Passagierflugzeug auf den Potsdamer Platz zu fliegt? Haben Sie da ein Antikollisionssystem geschaffen oder was wollen Sie tun? Lassen Sie es abschießen? – Darauf antworte ich: Alles das sind falsche Überlegungen; denn dann ist es zu spät. Wir müssen, was Sicherheit angeht, viel früher ansetzen, und zwar in einer tief gestaffelten Form. Sicherheitssysteme dürfen nicht so aufgebaut sein, dass nach dem Versagen der ersten Stufe auch die zweite nicht funktioniert. Die verbrecherischen Anschläge in New York und in Washington waren nicht mehr zu verhindern, als sich die Flugzeuge auf das World Trade Center und auf das Pentagon zubewegt haben. Sie wären zu verhindern gewesen, wenn bei der Fluggastkontrolle und auf anderen Gebieten einige andere Möglichkeiten genutzt worden wären. Wir müssen – das ist nicht als ein Vorwurf gegenüber den US-Behörden zu verstehen, in dieser Hinsicht versagt zu haben – über die Verbesserung entsprechender Maßnahmen nachdenken. Wir werden also über viele Fragen diskutieren müssen. Ich bin – obwohl es in der Federführung meiner Kollegin Däubler-Gmelin liegt, erlauben Sie mir, einige Sätze dazu zu sagen – sehr dankbar dafür, wie das Thema Kronzeugenregelung heute angesprochen worden ist. Ich denke, der Kollege Ströbele hat vollkommen Recht, wenn er sagt: Wir müssen eine rechtsstaatsgetreue Regelung finden. Wir befinden uns in der Koalition in sehr konstruktiven Gesprächen. Ich bin entschieden dagegen, eine Kronzeugenregelung zu schaffen, die auf eine unziemliche Weise einen Deal mit einem Verbrecher darüber vorsieht, welche Aussage er vor Gericht macht. Eine Kronzeugenregelung kann aber ein wichtiges Hilfsmittel zur Verhinderung und zur Aufklärung von Straftaten sein, wenn sie so gestaltet ist, dass jemand im Hinblick auf Sanktionen strafrechtlich milder behandelt wird, wenn er dazu beiträgt, eine Straftat zu verhindern oder sie aufzuklären. Das ist beispielsweise der Fall, wenn er die Ermittlungsbehörden zu einem Sprengstoffversteck bzw. zu einer konspirativen Wohnung führt oder in anderer objektiv nachweisbarer Weise dazu beiträgt, bei der Strafverfolgung zu helfen. Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Abschaffung des Religionsprivilegs. Dieses Vorhaben besteht nicht erst seit dem 11. September, sondern schon viel länger. Es ist zuzugestehen, dass es einige Zeit gedauert hat, bis wir es auf den Weg gebracht haben. Die vorgetragenen Bedenken sind nicht von mir persönlich geltend gemacht worden, sondern sie kamen aus kirchlichen Kreisen, in denen man gemeint hat, es handele sich um eine problematische Lösung. Ich freue mich, dass wir diese Bedenken durch lange und geduldige Gespräche haben überwinden können und dass wir jetzt gemeinsam darangehen, das Religionsprivileg abzuschaffen. Es geht nicht an, dass wir Vereinen in Deutschland einen Aktionsraum bieten, die mit Äußerungen operieren, wie ich sie zitieren darf: Der Islam ist sowohl eine Religion als auch ein Staat, sowohl Gottesverehrung als auch Politik. Der Islam erkennt das laizistische Regime nicht an. Der Islam ist niemals mit der Demokratie vereinbar. Kurzum läuft das demokratische Regime im Kern, im Grunde und Endergebnis dem Islam zuwider. Das ist nur eine von vielen schrecklichen Äußerungen, auch solchen antiisraelischer bzw. antisemitischer Art. Solchem Treiben müssen wir in unserer Demokratie ein Ende machen. Ich werde mit der gebotenen Härte vorgehen, damit das hier nicht weiter geduldet wird. Wir werden uns in den nächsten Tagen auch auf ein zweites Paket zu einigen haben. Ich will nicht alle Einzelheiten vorwegnehmen. Wir werden Ihnen das, worum es geht, zu gegebener Zeit vortragen. Wie es der Bundeskanzler angekündigt hat, werden wir einen entsprechenden Kabinettsbeschluss noch in diesem Monat herbei führen. Ich will vorweg auf zwei Dinge aufmerksam machen. Heute ist schon die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 erwähnt worden. Ich empfehle allen, diese Resolution nachzulesen. Das ist keine unverbindliche Resolution, die zu den Akten gelegt werden kann, sondern diese UN-Sicherheitsratsresolution müssen wir umsetzen; der Zeitraum dazu ist befristet und die Umsetzung wird auch kontrolliert werden. Es wird extra ein Gremium eingesetzt werden, das überprüfen wird, ob die einzelnen Mitgliedstaaten sie umgesetzt haben. Dort findet sich unter anderem ein Passus, in dem die Staaten aufgefordert werden, bevor sie einer Person Flüchtlingsstatus im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts einschließlich der internatio- nalen Menschenrechtsnormen gewähren, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sichergestellt werden kann, dass der Asyl Suchende keine terroristischen Handlungen geplant, erleichtert oder sich daran beteiligt hat. Es findet sich ferner der Passus, dass in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sicherzustellen ist, dass diejenigen, die terroristische Handlungen begehen, organisieren oder erleichtern, den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen können und dass angebliche politische Beweggründe nicht als Grund anerkannt werden, Anträge auf die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen abzuweisen. Das sind, meine Damen und Herren, sehr klare Sätze, mit denen wir uns zu befassen haben werden. Deshalb kommt es sehr darauf an, dass auch wir unsere Aufklärungsmöglichkeiten in dem Bereich durch Vernetzung von Daten und Ähnlichem verbessern. Ich kann das jetzt nur andeuten. Es gehört auch in diesen Bereich, dass wir uns mit der Frage befassen, wie wir in einer Welt, in der die technische Entwicklung fortschreitet, die Identität von Menschen sicher klären und feststellen können. Altmodische Methoden dazu kann man heute in jedem Pass finden. Dort gibt es ein Lichtbild, da stehen Name, Geburtsdatum und -ort, die Augenfarbe und die Körpergröße. Das alles sind Identifizierungsmerkmale. Man kann sagen, dass es sich schon, wenn der Staat einem abverlangt, im Ausweis solche Identitätsmerkmale aufzunehmen, irgendwie um einen Eingriff in die Privatsphäre handelt. Dieses Ar17 gument wird aber doch von niemandem ernsthaft vorgetragen. Wenn wir nun neuere Methoden der Identifizierung wie Fingerabdrücke hinzunehmen, dann müssen wir uns darüber klar sein, dass in Deutschland hier eine emotionale Barriere besteht, weil wir es gewohnt sind, dass Fingerabdrücke nur bei Tatverdacht und ähnlichen Vorfällen genommen und in eine Datei aufgenommen werden. Das entspricht aber keineswegs der Praxis in allen anderen Staaten. Ich habe Ihnen hier eine Karte „Resident Alien“ mitgebracht. Das ist ein Ausweis, mit dem man in Amerika seit Jahrzehnten ausgestattet wird, wenn man dort als Ausländer einer Arbeit nachgehen darf. In diesem Ausweis befindet sich ein Fingerabdruck. Ich habe noch nie gehört, dass sich irgendeiner, der nach Amerika gegangen ist – das ist immerhin die Führungsmacht bei Demokratie und Menschenrechten –, in seinen Menschenrechten verletzt sah, weil er dort diesen Fingerabdruck abliefern musste. Wir müssen also versuchen, ein wenig Nüchternheit in die Debatte zu bringen. Die modernen Identifizierungsmethoden, die es heute 18 gibt, wurden immer weiter entwickelt und werden längst in der Privatwirtschaft angewandt. Gehen Sie doch einmal auf die CeBIT, da werden Sie entdecken, welche biometrischen Methoden heute schon im Interesse von Privatheit – einschließlich des Fingerabdrucks – genutzt werden. Ich bitte doch, so manche krausen Ideen – das sage ich jetzt einmal meinem Freund Cem Özdemir – wie die, dass das womöglich noch die genetische Disposition eines Menschen zu sehr offenbaren könnte, beiseite zu lassen. Ich glaube, dass man die genetische Disposition doch eher den Gesichtszügen als dem Fingerabdruck entnehmen kann. Ich finde, man kann alle Sorgen übertreiben. Wenn es darum geht, verbrecherische Anschläge zu verhindern, muss man schon einmal gegeneinander abwägen, ob wir dafür sorgen wollen, dass wir wissen, wer zu uns kommt, oder ob wir krausen Überlegungen eines so genannten Sachverständigen folgen wollen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss – ich glaube, Frau Kollegin Däubler-Gmelin hat das schon getan – ausdrücklich noch einmal wiederholen, weil ich weiß, wie es den Menschen geht: Unsere Polizeien in Bund und Ländern sind in der gegenwärtigen Lage in einer Weise angespannt, wie es sich mancher von uns gar nicht vorstellen kann. Der BGS fährt zum Teil 12-Stunden-Schichten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Deutscher Bundestag einmütig sagen: Diesen Männern und Frauen gebührt wahrlich großer Dank dafür, dass sie diese Arbeit in einer Ausdauer und Anspannung, die wirklich ganz ungewöhnlich und nicht alltäglich sind, leisten. Wir stehen vor der großen Aufgabe, diese Ausdauer, Disziplin und Einsatzbereitschaft fortzuführen. Wir wissen alle: Die jetzige Auseinandersetzung ist nicht auf Tage oder Wochen und noch nicht einmal auf Monate angelegt, sondern sie wird über eine sehr lange Zeit anhalten. Eine solche Einsatzbereitschaft in dieser Größenordnung aufrechtzuerhalten wird besondere Anstrengungen erfordern. Es erfordert auch von uns viel Ausdauer, Disziplin und vor allen Dingen Verantwortungsbereitschaft. In diesem Sinne hoffe ich, dass alle parlamentarischen Fraktionen – auch mit der Bundesregierung – zusammenwirken. Dafür bedanke ich mich im Voraus. 5. Modernes Kommunikationssystem garantiert zeitnahe und bundesweite Warnung Am 15. Oktober 2001 startete in Deutschland ein neues satellitengestütztes Kommunikationssystem, das Warndurchsagen von den Zivilschutzverbindungsstellen zu den Lagezentren von Bund und Ländern sowie zu Landesrundfunkanstalten schnell und flächendeckend überträgt. Dazu erklärte Bundesinnenminister Otto Schily: Deutschland hat ein leistungsfähiges integriertes Gefahrenabwehrsystem, in dem Bund, Länder, Kommunen und Hilfsorganisationen zusammenwirken. Aufgrund der terroristischen Bedrohung und der veränderten Gefahrenlage muss die Struktur des Katastrophen- und Zivilschutzes grundlegend überprüft werden. Damit hat die Bundesregierung bereits vor geraumer Zeit begonnen und wird diese Bemühungen verstärkt fortsetzen. Sie wird insbesondere die auf Bundesebene einzusetzenden Finanzmittel erheblich verstärken. Bei der Neuorganisation des Zivilschutzes hatte die Einführung eines modernen bundesweiten Warnsystems schon vor dem 11. September höchste Priorität. Die Bevölkerung muss schnell und flächendeckend über Schadensfälle und Katastrophenschutzmaßnahmen informiert werden. Der Bund hat jetzt eine satellitengestützte Kommunikationsverbindung von den Zivilschutzverbindungsstellen zu den Rundfunkanstalten und zu den Lagezentren des Bundes und der Länder geschaffen. Die Warnung ist gekennzeichnet als Meldung mit höchster Priorität. Die Übertragungszeit für die Meldung beträgt rund 20 Sekunden. In Zukunft werden somit Warnungen via Satellit an alle Lagezentren und zeitgleich an die Rundfunkanstalten abgesetzt. Außerdem sollen die Lagezentren der Länder mit Empfangs- und Sendestationen ausgestattet werden, damit bei begrenzten Katastrophenfällen auch regional schnell informiert werden kann. Dieses neue Kommunikationssystem wird durch ein Nachrichtenverteilsystem abgestützt, das mehr als 650 Satellitenempfangsanlagen erreicht. Die Zivilschutzverbindungsstellen und die Warnstelle der Zentralstelle für Zivilschutz erfassen Gefahrensituationen, die aus der Luft und am Boden entstehen können. Geplant ist, in Zukunft auch die privaten Rundfunkanbieter in das System einzubeziehen. Außerdem wird in einem Feldversuch mit der Industrie ein System des Warnrufs über Funkuhren und Mobiltelefone geprüft. 6. „Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun ist“ Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Sicherheit 21, vor dem Deutschen Bundestag am 18. Oktober 2001 in Berlin (Auszug) Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir diskutieren heute über eine Vorlage der CDU/CSUFraktion und, wenn ich richtig informiert bin, über einen Antrag der FDP... Ich begrüße, dass die Opposition heute eine Ideensammlung vorge- legt hat. Ich bezeichne diese als einen konstruktiven Beitrag zur Debatte. Warum sollte ich das anders handhaben? Wenn man auf einen Begriff aus dem Galerie-Deutsch zurückgreifen wollte, könnte man sagen, das sei eine Accrochage. Das soll aber, bitte schön, das Lob zunächst ein- mal gar nicht schmälern. Mir sind diese Ideensammlungen durchaus willkommen. Wir sind ja gerade dabei, sehr intensiv zu beraten, was wir im Rahmen des Sicherheitspakets II tun wollen. Ich denke, da berücksichtigen wir auch Ihre Vorschläge. Warum sollten wir das anders halten? 19 Ich möchte anregen, uns bei der Debatte so zu verhalten, dass wir sowohl Skepsis als auch konstruktive Vorschläge willkommen heißen... Warum sollten wir das nicht ganz friedlich und freundlich miteinander ausdiskutieren? Das ist in einer rechtsstaatlichen Demokratie eigentlich die Regel. Wir sollten aber nicht gegenseitig den Vorwurf erheben, der eine meine es mit der Sicherheit und der andere mit der Freiheit nicht ernst. Dadurch käme die Diskussion auf ein schiefes Gleis. Für meine Person sage ich: Wir sollten diesen Gegensatz nicht bilden. Ich habe es häufig genug gesagt und will es noch einmal betonen: Sicherheit ist die Voraussetzung von Freiheit. Wer durch Kriminalität und erst recht durch Terrorismus bedroht ist, kann nicht frei leben. Der Rechtsstaat zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er die Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Terrorismus schützt. Das wird die Bundesregierung auch weiterhin so handhaben. In der Europäischen GrundrechteCharta, der wir alle zugestimmt haben, ist das Grundrecht auf Freiheit und Sicherheit enthalten. Diese Auffassung haben wir alle durch unsere Zustimmung bekräftigt. Darauf sind wir sozusagen vereidigt. An diesen Eid müssen wir alle uns halten. Meine Damen und Herren, die große Mehrheit des Hauses ist ja der Meinung, dass wir zur Bekämpfung des Terrorismus, dessen abgrundtiefe Dimensionen jetzt erkennbar geworden sind, auch militärische Mittel einsetzen 20 müssen. Das sind die härtesten Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Ich kann nun nicht verstehen, dass man an anderen Stellen, wo es um die Schärfung der Instrumente unserer Strafverfolgungsbehörden geht, allerlei Vorbehalte äußert. Da gehen die Dinge, wie ich finde, etwas auseinander. Man muss das objektiv prüfen. Meine Damen und Herren von der Opposition, so sehr ich es willkommen heiße, dass Sie eigene Vorschläge machen, denke ich doch, dass Sie sehr genau hinschauen sollten, ob nicht einiges von dem, was Sie fordern, schon längst erreicht ist. Der Kollege Bosbach hat in einem Interview am 8. Oktober – ich glaube, er hat es auch einmal im Parlament gesagt – gefordert, wir bräuchten ein wirksames Zeugenschutzprogramm. Ich kann Ihnen, wenn Sie möchten, die Presseerklärung zur Verfügung stellen. Ich will Sie daran erinnern, dass wir gerade das Zeugenschutzharmonisierungsgesetz verabschiedet haben, das auch der Bekämpfung des Terrorismus dient. Weiter haben Sie – in Ihrem Paket ist das enthalten – die Verbesserung und Intensivierung des Informationsaustausches gefordert. Diese Institutionalisierung ist bereits mit dem so genannten Informationsboard Finanzermittlungen umgesetzt. So finden sich eine ganze Reihe von Forderungen, die längst umgesetzt wurden oder an deren Umsetzung gearbeitet wird. Dazu gehört etwa auch eine Datei von Ausländern, die sich extremistisch betätigen, und eine Datei von Deutschen, die islamistischen Organisationen angehören. Die Innenministerkonferenz – es sitzen hier ja mehrere Innenminister auf der Bundesratsbank – hat schon eine Datei erstellen lassen, in der politisch motivierte Ausländerkriminalität erfasst wird. Wenn wir die noch um den einen oder anderen Punkt erweitern wollen, bitte schön; aber auch das gibt es schon. Lassen Sie uns daran anknüpfen. Ich erinnere auch an den Satz des Kollegen Stadler: Es geht nicht nur darum, immer neue Gesetze zu machen, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass der Vollzug der bestehenden Gesetze ermöglicht wird. Ich begrüße es, dass die Bundesregierung unterstützt wird bei ihrem Vorhaben, die Personal- und Sachmittel des Bundesgrenzschutzes, des Bundeskriminalamtes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und anderer Institutionen aufzustocken. Von der Opposition vermisse ich allerdings Vorschläge zur Finanzierung. Sie fordern zwar immer alles Mögliche, Vorschläge zur Finanzierung machen Sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie widersprechen den Maßnahmen zur Finanzierung, die wir vorgeschlagen haben. Das passt irgendwie nicht zusammen. Ich will uns alle ermuntern, mit manchen Fragen ehrlicher umzugehen. Im Kreise der Ministerpräsidenten, die sich kürzlich beim Bundeskanzler versammelt hatten, ist man mit dem Thema ehrlich umgegangen. Wir wollen uns doch gar nichts vormachen: Die alte Bundesregierung hatte beschlossen, in bestimmten Institutionen den Personalbestand zu reduzie- ren, zum Beispiel beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Eine lineare Stellenkürzung wurde auch im Bundeskriminalamt vorgenommen. Genauso ehrlich und unumwunden sage ich Ihnen: Einige dieser Personalprogramme haben wir weitergeführt. Warum sollten wir uns gegenseitig etwas vormachen? Jetzt sind wir aber in einer neuen Lage und wir müssen die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen. In dieser Frage bitte ich um die Einmütigkeit dieses Hauses. Wir werden selbstverständlich – entgegen unseren ursprünglichen Ansätzen – die Bereitschaftspolizei besser ausstatten. Wir versuchen, einige technische Erfordernisse gemeinsam mit den Ländern voranzubringen. Diese sind zum Teil sehr finanzaufwendig und technisch äußerst kompliziert. Bei anderer Gelegenheit werden wir darüber reden müssen. Herr Stadler, ich hätte mich gefreut, wenn ich den Digitalfunk bereits vorgefunden hätte. Wir müssen jetzt aber erst einmal an diese Aufgabe, die sehr finanzaufwendig und ehrgeizig ist, heran gehen. Meine Damen und Herren, ich will auch darauf aufmerksam machen, dass das, was als Katalog der Vorschläge, die ich unterbreiten werde, kursiert, nicht vollständig ist. Es wird noch einige Veränderungen geben. Eines will ich gleich vorwegnehmen...: Ich glaube, es ist notwendig..., – Herr Bosbach hat es angesprochen –, dass wir die Möglichkeiten zur Regelausweisung erweitern. Damit bin ich einverstanden. Ich bin mit ihm einer Meinung, dass es nicht möglich ist, hier nach Belieben, nach Ermessen zu verfahren. Menschen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligen, öffentlich zur Gewalt aufrufen oder mit Gewaltanwendung drohen, verwirken zwangsläufig ihr Recht, sich bei uns aufzuhalten. Das halte ich für selbstverständlich. Wir werden dafür sorgen, dass diese Ausweisungstatbestände von einer Kann- zu einer Mussbestimmung geändert werden. Dabei geht es auch um den Sofortvollzug. Auch dazu werden wir Vorschläge machen. Ich komme zu einem anderen Thema, welches ebenfalls kürzlich behandelt worden ist: Ich bin stolz darauf, dass es die Regierungskoalition und die Bundesregierung waren, die den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft an die Abgabe einer Loyalitätserklärung und daran geknüpft haben, tadelfrei, ohne extremistischen Hintergrund, zu sein. Zur Feststellung dieser Voraussetzungen gab es eine unterschiedliche Praxis in den Ländern. Es ging dabei um die Frage, ob eine Regelanfrage durchgeführt werden solle oder nicht. Wir haben uns jetzt mit allen Ländern darauf verständigt, dass die Regelanfrage überall durchgeführt wird. In einigen Ländern fehlen dazu noch die gesetzlichen Voraussetzungen, wie beispielsweise im Freistaat Sachsen. Diese werden aber noch geschaffen. Ich freue mich, dass wir uns in diesem Punkt einigen konnten. Wir müssen selbstverständlich darauf achten, dass die Identitätsfeststellung so gestaltet wird, dass wir Personen, die aus irgendeinem Grund der Kontrolle unterliegen, auch wirklich erkennen können. Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben. Ich weiß gar nicht, was dagegen sprechen sollte, dass man dabei auch moderne Identifizierungsmethoden verwendet. Wer das in irgend einem Gegensatz zur Menschenwürde oder zu den Menschenrechten sieht, verkennt die Sachlage. Auch heute gibt es bei den Ausweisen entsprechende Methoden. Diese sind aber leider nicht mehr ganz up to date. Deshalb meine ich: Was zum Beispiel den Besuchern des Hannoveraner Zoos zuzumuten ist – sie müssen, wenn sie eine Dauerkarte haben, ihren Fingerabdruck zur Identifikation abgeben –, ist auch den Menschen an den Passkontrollstellen zuzumuten. Wer die Parole ausgibt, wir wollten ein Volk von Verdächtigen, der redet an der Realität vorbei. Weil die Redezeit auch von mir nicht überschritten werden darf, erwähne ich nur stichwortartig, dass wir im Zivilschutz eine Reihe von Maßnahmen in Gang gesetzt haben. Dazu gehören das satellitengestützte Warnsystem, die mehr als 600 Fahrzeuge, die den Ländern zugehen werden, und viele andere Dinge mehr, die ich Ihnen in der Kürze der Zeit nicht schildern kann. Wir brauchen auch im Zivil- und Katastrophenschutz eine engere und bessere Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern und wir brauchen natürlich eine 21 Ausweitung der europäischen Kooperation auf diesen Feldern. Auf europäischer Ebene haben wir Vorschläge vorgelegt, die ich jetzt ebenfalls nicht im Einzelnen vortragen kann, weil hier schon die Sekunden gezählt werden. Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie alle, bei der inneren Sicherheit dem Vorbild der Innenministerkonferenz nachzueifern, in der wir ein gutes Klima der Zusammenarbeit und der Konsensbereitschaft haben. In der Innenministerkonferenz werden – das ist keine Konsensfalle, sondern das dient den Interessen der Bür- gerinnen und Bürger – Entscheidungen nur im Konsens getroffen, was die Sicherheit unseres Landes verbessert. Ich bedanke mich bei meinen Kollegen Landesinnenministern ausdrücklich für diese hervorragende Zusammenarbeit und hoffe, dass in dieser ernsten, nicht alltäglichen Frage der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch dieses Parlament gemeinsam mit der Bundesregierung zu den notwendigen Maßnahmen kommt. Damit erfüllen wir übrigens auch einen Auftrag, den uns der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1373 erteilt hat, in der sehr konkrete Anforderungen enthalten sind. Ich werde in der nächsten Woche die Ehre haben, mit dem neu gekürten Nobelpreisträger, UN-Generalsekretär Kofi Annan, zusammenzutreffen, und würde es sehr begrüßen, wenn ich ihm berichten könnte, dass die deutsche Politik die zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlichen Maßnahmen einmütig und entschlossen angeht. Das wäre eine gute Grundlage für die Zukunft unseres Landes und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Vielen Dank. 7. „Wir machen keinen Basarhandel“ In einem SPIEGEL-Gespräch (Ausgabe Nr. 44/2001 vom 29. Oktober 2001) äußerte sich Bundesinnenminister Otto Schily zur Kritik an seinem Anti-Terror-Paket SPIEGEL: Herr Schily, ein prominenter Anwalt, dessen Mandantin seiner Ansicht nach illegal abgehört wurde, hat ein-mal gesagt: „Der Rechtsstaat geht auf diese Weise bankrott. Rechtsstaatliche Garantien werden systematisch zerstört; der Staat zersetzt sich von innen.“ Erinnern Sie sich an den Fall? schutz erfahren darf, wer wann mit wem telefoniert, wer wann wem Briefe geschrieben hat – all das ohne richterliche Kontrolle. Schily: Das ist ein Zitat von mir, vermute ich. Schily: Nein, nein. Das ist schlicht falsch. SPIEGEL: Ja, aus der Zeit, als Sie die in Stammheim einsitzende RAF-Terroristin Gudrun Ensslin verteidigten. SPIEGEL: Für das, was dem Bundesamt für Verfassungsschutz künftig alles erlaubt sein soll, gibt es keine richterliche Kontrolle. Schily: Mag schon sein, nur hat das nichts mit dem zu tun, was ich jetzt als Bundesinnenminister vorhabe. SPIEGEL: Heute plädieren Sie dafür, dass der Verfassungs22 Schily: Das stimmt ja nicht. SPIEGEL: So steht es im Entwurf Ihres zweiten Anti-Terror-Pakets. Schily: Ja, aber es werden andere Kontrollmechanismen eingebaut. Wir werden die rechtsstaatlichen Kontrollen gewährleisten. Was in der gegenwärtigen Lage ein bis- schen schwierig ist, ist der Versuch – und dazu tragen einige aus den Reihen unserer Regierungskoalition bei –, die Gesetzgebungsarbeit auf den Marktplatz zu verlegen. Das sollte nicht so sein, weil es die Verständigung erschwert. Die Fragen, die jetzt zu regeln sind, müssen zunächst einmal koalitions- und regierungsintern abschließend erörtert werden, und dann lege ich einen Gesetzentwurf vor, der vom Kabinett verabschiedet wird. Der darf dann durch diejenigen beurteilt werden, die meinen, sie müssten sich dazu äußern. SPIEGEL: Derzeit erwecken Sie den Eindruck, jeder, der die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen kritisiert, sei ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Schily: Ich lasse mir jeden Einwand eines Menschen gefallen, der den einen oder anderen Punkt meines Pakets in Frage stellt, wenn ich das grundsätzliche Bestreben sehe, am Ziel der Terrorismusbekämpfung mitzuwirken. Den Leuten, die ihr ganzes Engagement daran setzen, Bedenken aufzutürmen, aber sage ich: Dann erzählt mir, wie es anders gehen soll. Die Grundregel in meinem Ministerium heißt: Es zeichnet sich niemand dadurch aus, dass er mir wortreich erklärt, was nicht geht. Lob verdient sich nur der, der mir auf einer DIN-A4-Seite sagt, was geht. Das heißt nicht, dass wir verfassungsrechtliche Prüffragen beiseite lassen. Die Konzentration der intellektuellen Kräfte muss sich aber auf die Frage richten: Wie werden wir mit der terroristischen Bedrohung fertig? Deshalb bin ich dagegen, großes Sirenengeheul anzustimmen, wo es gar nicht angebracht ist. SPIEGEL: Wo hören Sie denn solches Geheul? Schily: Mir wird beispielsweise unterstellt, ich wolle eine verdachtslose Ermittlungsbefugnis des Wiesbadener Bundeskriminalamtes (BKA). SPIEGEL: So stand es in den ersten Entwürfen Ihres AntiTerror-Pakets II. Schily: Eine Befugnis des BKA, Ermittlungen ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft und ohne Anfangsverdacht zu führen, wird es nicht geben. Die Missverständnisse, die zwischen dem Bundesjustizministerium und uns bestanden haben, sind ausgeräumt. Vielleicht hat im Jus- tizministerium der eine oder andere Beamte auch nicht zu durchschauen vermocht, was die Befugnisse des BKA schon heute sind. Das BKA hat eine Zentralstellenfunktion und daher die Aufgabe, bestimmte Informationen zu sammeln. Das ist vergleichbar der offenen Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ohne Tatverdacht werden Polizeibeamte auch künftig keine Durchsuchung durchführen und kein Telefon abhören. SPIEGEL: Was soll sich für das BKA ändern? Schily: Das BKA soll eine bessere Vorarbeit für diejenigen leisten können, die darüber zu entscheiden haben – das sind immer die Staatsanwaltschaften –, ob ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Straftat vorliegt oder nicht. Nur darum geht es. Nach der Formulierung, die wir nun gemeinsam gefunden haben, kann das BKA, „so weit dies zur Erfüllung seiner Aufgabe als Zentralstelle ... erforderlich ist, Daten zur Ergänzung vorhandener Sachverhalte oder sonst zu Zwecken der Auswertung erheben“. Die Zentralstellenaufgabe dient außerdem auch der Verhütung von Straftaten. SPIEGEL: Sie haben Ihren ursprünglichen Vorschlag also abgeschwächt. Schily: Nein, ich habe nur dafür gesorgt, dass Klarheit herrscht und die Zentralstellenfunktion des BKA gestärkt wird. SPIEGEL: Wenn man sich Ihr Gesamtpaket ansieht, dann gibt es sicher Punkte, bei denen man sagen kann, es ist sinnvoll und für die Terroris- musbekämpfung notwendig, dass sich da etwas ändert. Beispielsweise bei der Erteilung von Visa, beim Austausch der Daten über erteilte oder abgelehnte Visa ... Schily: Es ist ja schön, dass Sie zumindest das anerkennen. SPIEGEL: ... Das sind ja auch nachvollziehbare Dinge, die damit zu tun haben, dass ausländische Extremisten nach Deutschland kommen, um hier Terrorangriffe vorzubereiten. Nur gibt es andere große Bereiche, da kann man überhaupt nicht mehr nachvollziehen, was das mit Terrorbekämpfung zu tun haben soll. Etwa, dass Sie die Fingerabdrücke von 75 Millionen Deutschen in den Personalausweisen und Reisepässen haben wollen. Wieso eigentlich? Schily: Wir werden zunächst einmal nur die Sperre beseitigen, die bislang die Erfassung von Fingerabdrücken verhindert. Den Fingerabdruck selbst wollen wir im ersten Schritt ja noch gar nicht einführen. SPIEGEL: Das ist Salamitaktik. Schily: Von mir aus nennen Sie das Salamitaktik. Es gehört zur verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit, dass Sie die Dinge so bezeichnen können, wie Sie es für richtig halten. Salami ist im Übrigen etwas sehr Schmackhaftes, wenn sie aus den richtigen Regionen kommt. Mir geht es darum, dass wir zunächst einmal besagte Sperre, die heute im Gesetz steht, aufheben, und dass man es ermöglicht, biometrische Merkmale für Personaldokumente zur Identifizierung einer Person einzuführen. 23 SPIEGEL: Warum der Fingerabdruck oder andere biometrische Merkmale notwendig sein sollen, ist damit noch nicht beantwortet. Schily: Weil es heute so ist, dass Personen mit unterschiedlichen Identitäten herumlaufen, entsprechende Papiere nach Deutschland mitgebracht haben, und wir dann die Frage stellen müssen: Mit wem haben wir es denn zu tun? SPIEGEL: In den siebziger Jahren, als Sie, wenn man das einmal so sagen darf, noch auf der anderen Seite der Barrikade standen ... Schily: Nein. Ich war immer auf Seiten des Rechtsstaates. SPIEGEL: ... gab es eine große Debatte über den so genannten fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweis und Reisepass. Heißt das, was Sie sagen, dass die jetzt in Deutschland verwendeten Personaldokumente nicht fälschungssicher sind – anders als bei ihrer Einführung behauptet? Schily: Wir arbeiten daran, sie fälschungssicherer zu machen. SPIEGEL: Gibt es Fälle, in denen maschinenlesbare Ausweise oder Pässe gefälscht worden sind? Schily: Es gibt sicherlich eine Reihe von Fällen dieser Art. SPIEGEL: Das vermuten Sie? Schily: Das weiß ich. SPIEGEL: Dann nennen Sie uns doch mal ein paar Beispiele. Schily: Nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden gibt 24 es eine große Zahl von Fällen, in der Ausweise oder Pässe verfälscht oder gefälscht werden. SPIEGEL: Die Bundesdruckerei weiß von diesen Fällen aber nichts. Schily: Die Informationen der Strafverfolgungsbehörden sind da sicher präziser. SPIEGEL: Sie müssen Sie uns doch wenigstens ein Beispiel dafür geben können, dass die jetzigen Pässe oder Ausweise nicht fälschungssicher sind, wenn Sie diese Dokumente genau deswegen ändern wollen. Schily: Ich kenne die Statistik, aber ich lerne keine Einzelfälle auswendig. SPIEGEL: Das heißt, Sie kennen momentan keinen Einzigen. Schily: Ich lade Sie gern in das BKA ein, um anhand einzelner Fälle das Problem darzustellen. Es geht doch ganz allgemein darum, dass wir die Möglichkeiten der Identitätssicherung in den unterschiedlichsten Bereichen verbessern. Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Die Ausstattung deutscher Ausweisdokumente hat nicht die allererste Priorität, vordringlicher ist die Identitätssicherung bei denjenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen wollen. SPIEGEL: Noch einmal: Wozu brauchen Sie die Ermächtigung, in den Personaldokumenten von 75 Mio. Bundesbürgern weitere biometrische Informationen abzuspeichern? Schily: Ich habe soeben gesagt, meine erste Priorität ist, dass wir Fingerabdrücke oder sonstige biometrische Merk- male – je nachdem, was wir für die technisch und wirtschaftlich beste Lösung halten – zur Identitätssicherung von Menschen verwenden, die von außen zu uns kommen wollen. Einige behaupten, dies sei eine Diskriminierung von Ausländern. SPIEGEL: Ach, deshalb wollen Sie den Fingerabdruck von allen Deutschen. Weil man bestimmte Personen, die nach Deutschland kommen, mit deren vorhandenen Papieren nicht eindeutig identifizieren kann, muss man bei 75 Mio. Bundesbürgern, die ein fälschungssicheres Personaldokument haben, Fingerabdrücke einführen. Das ist doch völlig unlogisch. Schily: Ich glaube, wir drehen uns im Kreis. Meine didaktischen Fähigkeiten reichen offenbar nicht aus, Sie zu überzeugen. Ich wiederhole: Im Moment will ich nur die Sperre weghaben, und das lasse ich mir auch nicht abhandeln. Über alles andere reden wir später. SPIEGEL: Wenn die Möglichkeit da ist, wird sie irgendwann umgesetzt. Schily: Das ist Sache des Gesetzgebers. Der Bundestag soll, darüber haben wir uns inzwischen verständigt, zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, welche Biometrie-Merkmale tatsächlich in den Pass und in den Ausweis kommen. SPIEGEL: Sie bleiben also dabei, das Kind mit dem Bade auszuschütten? Schily: Warum? SPIEGEL: Das Problem besteht doch, wie Sie selbst erklärt ha- ben, darin: Es kommt jemand aus irgendeinem Land, welches nicht der EU angehört, hierher, und er ist visumpflichtig. Sie haben keine Möglichkeit, ihm ein fälschungssicheres Visum in den Pass einzuschweißen. Da wäre es doch das Nächstliegende, Sie würden sich mit Energie darum kümmern, fälschungssichere Visa für alle SchengenStaaten einzuführen. Schily: Das tun wir ja, wir haben entsprechende Initiativen eingeleitet. Wir müssen bei den Visa allerdings die kurzfristigen, die bis zu drei Monate gelten, und die längerfristigen unterscheiden. Die kurzfristigen gelten für alle Schengen-Staaten und richten sich nach Gemeinschaftsrecht. Dafür haben wir eine europäische Initiative auf den Weg gebracht. Was die nationalen Visa angeht, werden wir die Dinge ebenfalls neu regeln, auch mit identitätssichernden Maßnahmen. Spanien praktiziert das heute schon. Bei längerfristigen Aufenthalten wird dort ein Fingerabdruck genommen. SPIEGEL: Das heißt, wenn jemand beispielsweise mit einem Visum der deutschen Botschaft in Kairo in die Bundesrepublik kommt, bekommt er dort in Zukunft ein Foto und möglicherweise einen Fingerabdruck eingeschweißt? Schily: Das sollte künftig so sein. Ob wir das auch für Schengen-Visa erreichen, müssen wir sehen. In der EU dauert alles eine Weile. SPIEGEL: Bis wann könnte ein solches fälschungssicheres Gemeinschaftsvisum eingeführt sein? Schily: Das kann ich nicht genau vorhersagen, aber ich bin mit meinem Vorstoß in dieser Richtung bei meinen EU-Kollegen auf sehr positive Resonanz gestoßen. SPIEGEL: Aus Ihrer Sicht hat das aber absolute Priorität? Schily: Sicher. SPIEGEL: Sie kommen gerade aus den USA zurück. Wie bewerten Sie es, dass es in dem Land, das potenziell am stärksten vom Terrorismus betroffen ist, weder eine Meldepflicht noch einen Personalausweis gibt? – gefährdet das nicht Ihr gesamtes Vorhaben? Schily: Ich kann das nicht so sehen und diese Kritik auch nicht teilen. SPIEGEL: Das Ministerium Ihrer Parteifreundin Herta Däubler-Gmelin hält es in seiner regierungsinternen Stellungnahme immerhin für „angeraten, den Gesetzentwurf auch tatsächlich auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu beschränken“. SPIEGEL: Haben Sie ausdrücklich kritisiert, dass die Amerikaner keine Ausweise haben? Schily: Es ist das gute Recht – und sogar die Pflicht – der Bundesjustizministerin zu fragen: Ist dieses oder jenes erforderlich? Ist es verhältnismäßig? Wenn wir am Ende eines solchen Dialoges, der im Gange ist, zu dem Ergebnis kommen: Vielleicht haben wir uns an der einen oder anderen Stelle verlaufen, dann korrigieren wir das. Damit habe ich gar kein Problem. Schily: Ich habe meinen Gesprächspartnern gesagt, wir sollten international zu den gleichen Standards kommen. Aber das ist mühsam, gar keine Frage. SPIEGEL: Sie haben in Ihren Entwurf ja so viel hineingepackt, dass genug Manövriermasse bleibt. Auf welche Punkte können Sie denn notfalls verzichten? SPIEGEL: In der aktuellen weltpolitischen Lage sind viele Menschen auch bei uns offenbar bereit, sich in ihrer Freiheit einschränken zu lassen, wenn es darum geht, den Terrorismus zu bekämpfen. Dass nun aber ein paar findige Kriminalisten die Gelegenheit beim Schopfe packen und das von Ihnen geplante Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Ihrer Unterstützung dazu benutzen möchten, all das durchzubekommen, was sie schon immer durchbekommen wollten Schily: Sie werden wohl nicht erwarten, dass ich mich dazu äußere. Ganz allgemein gilt auch hier das Strucksche Gesetz. Schily: Ich habe das klar zur Sprache gebracht, weil ich genau darin ein Problem sehe. Die Antwort lautete: Das ist eine alte amerikanische Tradition. SPIEGEL: Und das heißt? Schily: Kein Gesetzentwurf kommt aus dem Bundestag so heraus, wie er hineingegangen ist. SPIEGEL: Ihr Ehrgeiz besteht gar nicht darin, alles so durchzusetzen, wie es bislang im Entwurf steht? 25 Schily: Der vorliegende Entwurf ist zunächst einmal eine Ideensammlung – mit durchaus sachlichem Hintergrund. Aber bis zur Kabinettsvorlage ist das Ganze ein dialogischer Prozess. Eine Kabinettsvorlage ist das, was sozusagen aus dem Säurebad der Auseinandersetzung als goldenes Schmuckstück hervorgegangen ist. So wird es hier auch sein. SPIEGEL: Sind Sie bereit, mit Blick auf die Koalition taktische Rücksichten, vor allem auf die Grünen und den linken Flügel der SPD, zu nehmen? Schily: Nein, wir machen keinen Basarhandel nach dem Motto: Gib du mir dieses, dann gebe ich dir jenes. Dafür sind diese Themen viel zu ernst. SPIEGEL: Für die Grünen wird am Ende die Frage sein, ob ein solches Paket politisch zumutbar ist oder nicht. Schily: Es geht nicht darum, ob sich das einer unter sein Kopfkissen zu legen versteht oder nicht. Dafür trage ich keine Verantwortung. Für mich gilt die Aussage des Bundeskanzlers: Erst das Land, dann die Partei. Ich habe eine Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger – daran halte ich mich. SPIEGEL: Haben Sie denn das Gefühl, dass der Kanzler Sie voll unterstützt? Schily: Über mangelnde Unterstützung Gerhard Schröders kann ich mich wahrlich nicht beklagen. Zwischen uns besteht ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis. Er weiß, dass er es mit einem Innenminister zu tun hat, der die rechtsstaatlichen Belange aus eigenem Antrieb beachten wird und nicht fahrlässig mit solchen Fragen umgeht. SPIEGEL: Herr Schily, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 8. Globalisierung und interkulturelle Kompetenz Bundesinnenminister Otto Schily ging in einem Vortrag an der Fudan-Universität Shanghai am 2. November 2001 zum Thema Globalisierung auch auf den internationalen Terrorismus ein (Auszüge): ...Wie passen die Geschehnisse des 11. Septembers in die Perspektiven einer interkulturell kompetenten Weltgesellschaft? Sind Terroristen und ihre Anhänger die Verlierer der Globalisierung, die nun Widerstand gegen Länder und Gesellschaften leisten, die sie als die Hauptakteure und Nutznießer der Globalisierung ansehen? Diese Sichtweise hielte ich für falsch. Es ist völlig verfehlt, Terror mit Globalisierung zu assoziieren und zwar im Sinne eines Belegs für die Existenz der viel diskutierten Schattenseiten der Globalisierung. Die plumpe Kausalitätskette Globalisierung – Ausbeutung – Widerstand – Terrorismus ist aber nicht nur falsch, sie ist auch gefährlich. 26 Terrorismus hat es schon in Zeiten vor der Globalisierung gegeben. Im Römischen Reich, im Mittelalter, im 19. und 20. Jahrhundert existierten diverse Formen des Terrorismus. Es sei hier daran erinnert, dass der Auslöser für den 1. Weltkrieg ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger durch die mazedonisch-serbische Terrorgruppe „Schwarze Hand“ war. Im späten Mittelalter verübte die Sekte der Assassinen im Nahen Osten Terrorakte gegen das Kalifat. Dies vorausgeschickt, müssen wir jedoch zu allererst feststellen, dass diejenigen, die hinter den terroristischen Anschlägen des 11. Septembers 2001 stecken, keineswegs eine gesellschaftliche Schicht reprä- sentieren, die im Zuge der Globalisierung deklassiert oder gar erniedrigt wurde. Bin Laden, der Drahtzieher des Terrors, ist (ein) milliardenschwerer steinreicher Mann. Genauso wenig passen die Attentäter in das Bild vermeintlicher Globalisierungsverlierer. Als Studenten aus teils recht begüterten Familien waren sie für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg geradezu prädestiniert. Nach allem, was wir wissen, ist die Grundlage des Terrorismus der Bin-Laden-Gruppe ein wahnhafter islamistischer Fundamentalismus. Globalisierung verursacht nicht den Terror. Vielmehr nutzt der Terror die Umstände der Globalisierung. Geplant wurde der Anschlag wohl in Asien, vorbereitet auf mehreren Kontinenten und durchgeführt wurde er von den Staatsangehörigen verschiedener Ländern. Die Attentäter sind weiterhin ein Beleg dafür, wie sich die Freizügigkeit in entwickelten Industriegesellschaften nutzen lässt, um mit Wissensaufnahme – beispielsweise in der Flugzeugtechnik – derart monströse Anschläge durchzuführen. Zudem scheinen sie die Offenheit des globalen Finanzsystems gezielt für ihre Zwecke eingesetzt zu haben. Falls sich der Verdacht erhärten sollte, dass terroristische Gruppen im Vorfeld der Anschläge durch gezielte Spekulationen auf den internationalen Finanzmärkten hohe Gewinne gemacht haben, wäre das ein besonders perfider Aspekt des Ganzen. Es wäre nicht nur eine Verhöhnung der westlichen Welt. Es ist vor allem eine Verhöhnung derer, für die sie sich angeblich einsetzen. All dies vorausgeschickt, will man sich eigentlich gar nicht weiter die Frage nach der Logik dieser Verbrecher stellen. Wir müssen uns allerdings schon die Frage stellen, warum sich bei der Mehrheit der Menschen in islamischen Ländern – und diese Mehrheit unterstützt den Terror keineswegs – ein Gefühl weltwirtschaftlicher Benachteiligung breitgemacht zu haben scheint. Arabische und muslimische Länder gehören zu den am wenigsten demokratisierten und – nach Schwarzafrika – zu den sich am langsamsten entwickelnden Regionen der Welt. Mursi Saad el-Din, Herausgeber der Monatszeitschrift „Egypt Today“, drückt es so aus: „Zu ändern ist nicht nur der terroristische Teil dieser Welt, son- dern auch der nicht-terroristische: den Menschen muss die Hoffnung gegeben werden, sich wieder als ein Teil dieser Welt zu begreifen.“ Globalisierung ist mit der Idee der Freiheit, der Grenzenlosigkeit, der Offenheit und der Kooperation verbunden. Der Terror wird an diesem Befund im Grundsatz nichts ändern. Er hat aber gezeigt, dass unsere Freiheit einen hohen Preis haben kann, dass die Freiheit der Globalisierung schutzbedürftig ist. Dies führt mich zur Frage nach den Handlungsspielräumen politischer Gestaltung. Dass Globalisierung eine gewisse Einschränkung rein nationalstaatlicher Handlungsmöglichkeiten mit sich gebracht hat, wurde bereits ausgeführt. Aber es wäre völlig verfehlt, ein fatalistisches Szenario zu entwerfen, in dem der Staat angesichts gesichtsloser Mächte der Globalisierung, angesichts der anonymen Kräfte entfesselter Märkte und des namenlosen internationalen Spekulationskapitals handlungsunfähig sei gegenüber Erscheinungen wie dem Terrorismus. Im Gegenteil: unser Handlungsspielraum ist groß. Die Wahrung von Sicherheit ist eine originär staatliche Aufgabe. Aber wir müssen vor allem gemeinsam handeln, um unsere Freiheit zu schützen. Für die Lösung dieses Problems werden wir – jenseits unserer innenpolitischen Instrumente – neue Formen finden müssen. Wir wissen, dass wir die supranationale Zusammenarbeit stärken müssen. Die Allianz gegen den Terror ist darin ein wichtiger Schritt. Die Beteiligung und das Engage- ment Chinas begrüßen wir alle sehr. Es ist nun Aufgabe der Politik, in eine Diskussion über die Dimensionen internationaler Sicherheit als einer Voraussetzung der Globalisierung zu treten. Unsere Menschen und die globale Wirtschaft müssen zu ihrer Sicherheit mit globalen Regeln flankiert werden. Unser eigentliches Thema nach dem 11. September ist nicht der Konflikt zwischen Religionen und Kulturen – gar nach der These Samuel Huntingtons über die „clashes of civilizations“. Auch nicht unser Thema ist die herkömmliche Frage nach der Berechtigung eines Krieges zwischen Staaten. Worum es geht, ist die Durchsetzung des Rechts als entscheidendem Faktor globaler Sicherheit und Ordnung. Auch aus der globalen Erwärmung, den Gefahren atomarer Bewaffnung, aus Bevölkerungswachstum und Massenmigration wird es keine rein nationalen Auswege geben. Wir sollten uns daher auf verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards einigen. Wir verstehen den Zusammenhang von Armut und Umweltzerstörung mehr und mehr. Wir werden das Konzept der „Public Private Partnership“ in der Entwicklungshilfe weiter vorantreiben. Der Strom privaten Kapitals in Schwellen- und Entwicklungsländer übersteigt die Entwicklungshilfe bereits um ein Sechsfaches. Damit haben wir geeignete Ansätze für die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft in der Entwicklungshilfe geschaffen. Wir müssen den Menschen in unterentwickelten Gesellschaften das Gefühl vermitteln, Teil einer gemeinsamen Welt zu sein... 27 9. Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs) Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, MdB, hielt anlässlich der 2./3. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs) am 9. November 2001 vor dem Deutschen Bundestag eine Rede, in der sie u.a. darauf hinwies, dass dieses Vorhaben schon länger bestand. Als der Bundesinnenminister am 5. September 2001 – also 6 Tage vor den Terroranschlägen auf Pentagon und World Trade Center – den unmittelbar bevorstehenden Beschluss des Kabinetts über die Änderung des Vereinsgesetzes ankündigte, war das Echo in den Medien mager. Mehr als einen kleinen Zweispalter war auch den überregionalen Zeitungen die Nachricht nicht wert. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Die beiden Sicherheitspakete sind inzwischen von der Bundesregierung verabschiedet; und in ihren Rahmen fügt sich die Abschaffung des so genannten „Religionsprivilegs“. Es soll das Vorgehen gegen terroristische Organisationen erleichtern, die sich als Religionsgemeinschaft tarnen, in Wirklichkeit aber eine erhebliche kriminelle Energie entfalten, zu Straftaten aufrufen oder Terroranschläge vorbereiten. Ich erwähne die Entstehungsgeschichte dieser Initiative der Bundesregierung, um eines klar zu machen: Von einem Hauruckverfahren kann wahrhaftig keine Rede sein. Im Gegenteil. Der Beschluss reifte vor den Terrorangriffen und stand schon lange auf der Agenda. Und Sie werden unschwer erraten, welche Organisation die Bundesregierung in erster Linie im Visier hatte: den islamis28 tisch ausgerichteten Kölner Kalifatstaat, dessen Anführer Metin Kaplan eine Strafe verbüßt und dessen Ziel der Sturz der laizistischen Republik in der Türkei ist, der aber massiv auch die Bundesrepublik bedroht. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat es Kontakte der Organisation zu Osama bin Laden gegeben. Die Bundesregierung will das Vereinsgesetz auf derartige Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen ausdehnen, um Betätigungs- und Vereinsverbote durchsetzen zu können. Organisationen, die unsere Gesetze und unsere verfassungsmäßige Ordnung aggressiv bekämpfen und missachten, muss das Handwerk gelegt werden. Auch wenn sie im Gewande der Glaubensgemeinschaft daherkommen! Die Änderung des Vereinsgesetzes ist somit zugleich ein Baustein im Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Eindämmung des internationalen Terrorismus. Manche fragen: warum hatte das Religionsprivileg überhaupt so lange Bestand? Eine Begründung liegt zweifellos darin, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Vereinsgesetzes im Jahr 1964 die Probleme und Risiken so nicht sehen konnte. Inzwischen haben wir andere Er- fahrungen gesammelt, tritt religiös motivierter Fundamentalismus sehr viel deutlicher zutage. Richtig ist auch, dass seitens der Kirchen durchaus kritische Stimmen gegen eine Änderung des Vereinsgesetzes zu hören waren. Eine Sorge will ich deshalb gleich ausräumen: die von manchen beschworene Gefahr, dass religiöse und weltanschauliche Gruppen willkürlich zerschlagen werden könnten, stellt sich nicht. Die katholische und die evangelische Kirche sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Die Verfassung schützt sie vor einem Verbot, weil sie altkorporierte Religionsgemeinschaften sind, denen der Körperschaftsstatus zugesprochen ist. Abgesehen davon ist die Schwelle für das Tätigwerden des Staates hoch: Bei jeder Entscheidung im Einzelfall ist die grundrechtlich verbürgte Religionsfreiheit zu beachten. Alle Entscheidungen unterliegen selbstverständlich der gerichtlichen Überprüfung. Die Maßstäbe für ein Vereinsverbot sind die gleichen wie bei einem Parteiverbot. Nur liegt die Entscheidungsbefugnis bei „normalen“ Vereinen nicht beim Bundesverfassungsgericht, sondern zunächst bei den Innenministerien von Bund und Ländern. Eines aber muss eindeutig sein: Religiöse oder weltanschauliche Motivation darf kein Freibrief sein für Gewalt, Verfassungsbruch und Mord. Das ist die Botschaft unserer Gesetzesänderung! Ich begrüße deshalb sehr, dass wichtige Vertreter der Muslime die Initiative eindeutig und einmütig befürworten. Gerade weil wir die Menschen islamischen Glaubens nicht unter Generalverdacht stellen wollen, ist der Vorstoß so wichtig. Wir verstärken ja den Dialog mit den friedlich in Deutschland lebenden Muslimen; und wir wollen möglichst viele Menschen dazu ermuntern, sich differenziert mit dem Islam zu befassen. Deshalb ist die Abgrenzung zu denjenigen Kräften so nötig, die die Religion für Terror und Menschenverachtung missbrauchen. Darum möchte ich diejenigen Vertreter islamischer Organisationen beruhigen, die in den vergangenen Wochen die Befürchtung geäußert haben, die Aufhebung des Religionsprivilegs richte sich generell gegen sie und würde sie in der freien Ausübung ihres Glaubens beeinträchtigen. Diese Sorge ist nachvollziehbar, aber unbegründet. Die ungestörte Religionsausübung bleibt wie bisher für alle Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich gewährleistet. Das gilt selbstverständlich auch für islamische Religionsgemeinschaften. Leichtfertig lässt sich ein Verbot ohnehin nicht aussprechen. Bereits nach geltendem Recht muss einem Verein das Verhalten seines Vorstandes oder seiner Mitglieder erst einmal zugerechnet werden. Man sollte auch sorgfältig abwägen, ob ein Verbot unabdingbar ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss strikt gewahrt werden; ebenso die Überlegung, wann das Vorgehen gegen eine Ge- meinschaft eher kontraproduktiv wirken oder zur Desintegration der Muslime in Deutschland beitragen würde. In einen „Verbotswettlauf“ wollen wir nicht eintreten. Der Staat hat aber auch eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern. Er muss möglichen Schaden abwenden und Gefahren bannen. Das gilt für religiöse Eiferer, wenn ihr Fundamentalismus in Terrorismus umschlägt und gegen den Geist der Völkerverständigung verstößt. Und: Mit Langmut abzuwarten, ob militant formulierende Aktivisten und ihre Anhänger tatsächlich ihren möglicherweise blumigen Worten Taten folgen lassen – das können wir nicht. Dann ist es zu spät. Lassen Sie uns deshalb im Konsens der Demokraten das Notwendige tun und das Religionsprivileg abschaffen! Brutstätten des Terrorismus können wir nicht dulden. 10. Finanzielle und personelle Ausstattung für die innere Sicherheit wird 2002 erheblich ausgebaut Zur Debatte um den Haushaltsentwurf 2002 und die Verwendung der zusätzlichen Mittel aus dem sog. 3-Milliarden-Programm zur Bekämpfung des Terrorismus veröffentlichte Bundesinnenminister Otto Schily am 26. November 2001 eine Presseerklärung (Zahlenangaben daher teilweise noch in DM angegeben): Die Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus sind auf dem Weg. Die Sicherheitspakete werden in Kürze in Kraft treten. Damit werden die Instrumente zur Bekämpfung terroristischer Kriminalität deutlich verbessert. Mit dem Haushalt 2002 wird nun die finanzielle und personelle Ausstattung der Sicherheits- behörden weiter verstärkt. Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesgrenzschutz und Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik erhalten insgesamt 2.320 zusätzliche Stellen, der Sicherheitsbereich wird trotz der notwendigen allgemeinen Haushaltskonsolidierung im nächsten Jahr um rund 700 Millionen DM aufgestockt. Damit kann auch das neu geschaffene rechtliche Instrumentarium rasch und wirksam umgesetzt werden. Mit dem konzentrierten Einsatz von mehr Personal bei weitergehenden Befugnissen und besserer Finanzausstattung werden wir den Terrorismus wesentlich besser bekämpfen können. Diese Anstrengungen 29 werden nicht nur einmalig für den Haushalt 2002 geleistet, sondern sie sind gerade hinsichtlich der personellen Verstärkungen dauerhafte Verbesserungen für die innere Sicherheit. Damit unterscheiden sie sich deutlich von Einmalprogrammen mancher Bundesländer. Nachstehende Detailübersichten erläutern die Entwicklung der Haushaltzahlen im Bereich Innere Sicherheit in den vergangenen drei Jahren bis heute. I. Haushaltsbilanz 1998–2002 1998–2002 wurden die Ausgaben im Sicherheitsbereich (Bundesgrenzschutz, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und Mittel für Beschaffungen der Bereitschaftspolizeien der Länder) um über elf Prozent angehoben. Während die Ausgaben im Gesamtetat des Bundesinnenministeriums zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung gesenkt wurden, wurden die Ausgaben im Sicherheitsbereich angehoben. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert, den die Bundesregierung der inneren Sicherheit beimisst. Zum Vergleich: 1998 beliefen sich die Ausgaben für die innere Sicherheit auf 3,8 Mrd. DM, das Ausgaben-Soll für das laufende Haushaltsjahr beträgt 4,1 Mrd. DM, für das Jahr 2002 4,3 Mrd. DM (2,2 Mrd. Euro). Insbesondere die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes wird wesentlich verbessert. So wurden in den vergangenen drei Jahren modernste Hubschrauber mit Hinderniswarnsystemen (Volumen 220 Mio. DM) und Seefahrzeuge (Volumen 60 Mio. DM) angeschafft. 30 Weitere Beschaffungen sind durch die Bereitstellung von weiteren 307 Mio DM in der mittelfristigen Finanzplanung gesichert. Damit werden unter anderem drei Patrouillenboote (Volumen rund 90 Mio. DM) angeschafft. setzt (s.u.), mit dem Ziel, die Strukturverbesserungen im BGS, statt wie von der früheren Regierung geplant erst 2010, schon 2003/2004 umzusetzen. In die Luftsicherheit wurden seit 1998 rund 1,2 Mrd. DM investiert. Für das kommende Haushaltsjahr stehen 4,3 Mrd. DM (2,2 Mrd. Euro) für den Sicherheitsbereich zur Verfügung. Hinzu kommen die zusätzlichen Finanzmittel aus dem 3Mrd.-Antiterrorpaket der Bundesregierung in Höhe von knapp 500 Mio DM. Das Bundesinnenministerium gibt rund 60 Prozent des ihm zur Verfügung stehenden Etats von rund 7,1 Mrd. DM (3,630 Mrd. Euro) für die innere Sicherheit aus. Im Bereich der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit (EUROPOL, Interpol, Schengener Informationssystem) ist der deutsche Beitrag von 1998 auf 2002 um über 10 Mio. DM auf insgesamt 27 Mio. DM angestiegen. Zwischen 1998 und 2001 wurden im Bundesgrenzschutz rund 1.700 zusätzliche Stellen geschaffen. Den ständig wachsenden Anforderungen an die Polizeivollzugsbeamten wird durch ein umfangreiches Stellenhebungsprogramm beim Bundesgrenzschutz Rechnung getragen. In den vergangenen drei Jahren wurden 3.772 Stellenhebungen vorgenommen und 11.870 Beamtinnen und Beamte befördert. 1999 wurde die von der Vorgängerregierung vorgesehene Zahl zu hebender Stellen von 500 auf 1.050 mehr als verdoppelt, 2000 wurden im mittleren Polizeivollzugsdienst statt der von der alten Bundesregierung vorgesehenen 350 Hebungen 1.050 Stellen angehoben, also eine Verdreifachung gegenüber der ursprünglichen Planung. Seit 1999 konnten damit rund 1.300 Polizeibeamte des mittleren Polizeivollzugsdienst in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes wechseln. Das Programm wird 2002 fortge- II. Haushalt 2002 Bundesgrenzschutz – Haushalt 2002 Dem Bundesgrenzschutz (BGS) werden gegenüber den Ist-Ausgaben des Haushaltsjahres 2000 rund 100 Mio. DM (51 Mio. Euro) mehr zur Verfügung stehen. Insgesamt wird der Bundesgrenzschutz über 3,3 Mrd. DM (1,689 Mrd. Euro) verfügen. 74 Prozent werden für Personalkosten ausgegeben. Das in den vergangenen Jahren begonnene Stellenhebungsprogramm wird fortgesetzt, in allen Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes werden insgesamt 1.208 Planstellen gehoben und zusätzliche 2.600 Beförderungsmöglichkeiten geschaffen. In der Summe werden von 1999 bis Ende 2002 durch dieses Programm 15.800 Beförderungen ermöglicht. Dies erleichtert die Umstrukturierung des Bundesgrenzschutzes hin zum Einzeldienst und ermöglicht, Polizeivollzugsbeamte für ihre verantwortungsvolle, mit großem Engagement erledigte Aufgabenerfüllung auszuzeichnen. In Vorbereitung der EU-Osterweiterung unterstützt Deutschland im Rahmen bilateraler Zusammenarbeit die Grenzschutzbehörden der mittelund osteuropäischen Staaten, mit dem Ziel, die illegalen Einreisen, die hauptsächlich über diese Länder erfolgen, zu reduzieren. Dazu stellt das Bundesinnenministerium vor allem technische Ausstattung für die Verbesserung von Grenzkontrollen zur Verfügung. Hinzu kommt Ausstattungs- und Ausbildungshilfe im Rahmen eines strukturierten Programms für Polizeien, Grenzschutzbehörden und Rauschgiftbekämpfungsbehörden. 2002 stehen dafür über 6 Mio. DM (3,1 Mio. Euro) zur Verfügung. Zusätzliche Finanzmittel (AntiTerror-Paket) für den BGS Zusätzlich stehen dem Bundesgrenzschutz 241,8 Mio. DM (123,632 Mio. Euro) zur Verfügung. Damit werden unter anderem 1.450 Planstellen für Polizeivollzugsbeamte geschaffen, 50 Planstellen für ITPersonal (weitere 50 in 2003) sowie die Finanzmittel für 470 Planstellen im Verwaltungsbereich bereitgestellt. Die zusätzlichen Mittel dienen unter anderem dazu, die Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr weiter zu verstärken. Dazu gehört beispielsweise der Aufbau einer BGS-Einheit zur Flugbegleitung (Skymarshals) oder die Beschaffung von Kontrolltechnik. Weiterhin werden Objekt- und Personenschutzmaßnahmen ausgebaut, u.a. auch für deutsche Auslandsvertretungen. Weitere Finanzmittel fließen in den Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnik im BGS, in die Dokumentenprüftechnik und in die Verbesserung des technischen ABC-Einsatzdienstes. Bundeskriminalamt – Haushalt 2002 Das Bundeskriminalamt (BKA) wird – bei einem Personalkostenanteil von 61 Prozent – gegenüber dem Vorjahr 80,2 Mio. DM (rund 41 Mio. Euro) mehr zur Verfügung haben. Wirksame Bekämpfung grenzüberschreitend tätiger und zunehmend mobilerer Straftäter ist ein bedeutsames Feld in der Kriminalitätsbekämpfung. Aus diesem Grund steigt das Haushaltsvolumen 2002 von Europol im Vergleich zum Vorjahr um rund 14,6 Mio. DM (7,5 Mio. Euro) auf über 82 Mio. DM (42 Mio. Euro). Deutschland trägt damit 25 Prozent der Gesamtkosten von Europol. Interpol erhält 2,74 Mio. DM (1, 4 Mio. Euro) als Unterstützungsbeitrag. Zudem beteiligt sich Deutschland an einem europäisches Netzwerk nationaler Ausbildungseinrichtung für Polizeiführungskräfte der EU-Mitgliedsstaaten (Europäische Polizeiakademie CEPOL), für die 1,76 Mio. DM (0,9 Mio. Euro) zur Verfügung stehen. Zusätzliche Finanzmittel (Anti-Terror-Paket) für das BKA Das BKA erhält zusätzlich 85,3 Mio. DM (43,615 Mio. Euro). 244 neue Planstellen für die Bereiche Personenschutz, Ermittlung/Analyse/ Auswertung, des wissenschaft- lich-technischen Bereichs und für Europol werden eingerichtet. Das BKA rüstet technisch im Bereich der Kriminaltechnik und Kommunikation auf und setzt zusätzliche Mittel im Bereich Logistik ein. Zudem wird die Zentralstelle für Geldwäscheangelegenheiten verstärkt. Bundesamt für Verfassungsschutz – Haushalt 2002 Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verfügt im kommenden Haushaltsjahr über insgesamt 251,9 Mio. DM (128,8 Mio. Euro) und damit über 5,4 Prozent mehr Mittel als im Vorjahr. Zusätzliche Finanzmittel (Anti-Terror-Paket) für das BfV Das BfV erhält zusätzlich 18,972 Mio. DM (9,7 Mio. Euro) zur Verstärkung seiner Beobachtung terroristischer Aktivitäten im Bereich Ausländerextremismus, Staatsterrorismus und Proliferation. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik – Haushalt 2002 Dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stehen im kommenden Haushaltsjahr 70,61 Mio. DM (36,1 Mio. Euro) zur Verfügung. Das BSI wird zum zentralen IT-Sicherheitsdienstleister der Bundesregierung ausgebaut. Das Bundesamt richtet eine Einsatzzentrale des Bundes bei IT-Gefährdungslagen ein, baut die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungs- und den Sicherheitsbehörden auf neuen Gebieten aus und richtet Verbindungsbüros in internationalen Technologiezentren und am Sitz internationaler Orga31 nisationen ein. Zudem wird das BSI seine Maßnahmen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen der Informationstechnik ausbauen. Zusätzliche Finanzmittel (Anti-Terror-Paket) für das BSI Das BSI erhält zusätzlich 31,149 Mio. DM (15,926 Mio. Euro) und zusätzlich 21 Planstellen, um die operativen Fähigkeiten des BSI bei informationstechnischen Angriffen auszubauen und seine Möglichkeiten, Schutzmaßnahmen zu entwickeln, zu verbessern. III. Übrige zusätzliche Finanzmittel Anti-Terror-Paket Im Übrigen werden die dem Bundesinnenministerium zur Verfügung stehenden zusätzlichen Finanzmittel aus dem Anti-Terror-Paket wir folgt aufgeteilt: Bereitschaftspolizeien der Länder • 28 Mio. DM (14,315 Mio. Euro) als Beitrag des Bundes für die Ausstattung der Bereitschaftspolizeien der Länder. Dazu gehören unter anderem Einsatzfahrzeuge, Foto- und Videoausrüstungen sowie Körperschutzausstattung. Bundesverwaltungsamt • 18,637 Mio. DM (9,528 Mio. Euro) für Maßnahmen zur technischen Verbesserung und Umsetzung gesetzlicher Neuregelungen im Bereich Ausländerzentralregister, Visa und IT-Sicherheit einschließlich Ausweichlagezentrum, 44 Planstellen werden eingerichtet. 32 Zivilschutz • 25,453 Mio. DM (13,014 Mio. Euro) werden zusätzlich im Bereich des Zivilschutzes zum Aufbau einer Informationszentrale für Krisenfälle mit dem „Deutschen Notfallvorsorgeinformationssystem“, zur zusätzlichen Beschaffung von ABC-Erkundungs- und -Dekontaminierungsfahrzeugen, Krankentransportern und Betreuungsfahrzeugen eingesetzt. Das satellitengestützte Kommunikations- und Warnsystem für die schnelle Weitergabe von Hinweisen an Rundfunkanstalten wird ausgebaut. Geplant ist die Erweiterung der Warnung per Mobilfunksysteme. Die Akademie für Notfallplanung und Zivilschutz wird ausgebaut und weiterentwickelt zum Kompetenzzentrum für Bund-LänderKrisenmanagement. Schließlich werden finanzielle Mittel zur Erste-Hilfe-Ausbildung der Bevölkerung und für die Zivilschutzforschung bereitgestellt. Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) • Das THW erhält zusätzlich 25,007 Mio. DM (12,786 Mio. Euro) zur Verbesserung seiner Ausstattung im Bereich der Bergungsaufgaben, der Kapazitäten zur Stromerzeugung und Beleuchtung und des Helferschutzes. Bundesministerium des Innern • Zusätzliche Mittel in Höhe von 4,443 Mio. DM (2,280 Mio. Euro), 36 neue Stellen zur personellen Verstärkung in den Fachabteilun- gen mit Sicherheitsbezug sowie ergänzende Ausstattung in den Bereichen Infrastruktur und Informationstechnik. Bundeszentrale für Politische Bildung (BpB) • Für den Ausbau des Bildungsangebotes zu den Themen „politischer Extremismus“, „Internationaler Terrorismus“, „Fundamentalismus“ und „Sicherheitspolitik“ kann die Bundeszentrale für Politische Bildung zusätzlich 1,956 Mio. DM (1 Mio. Euro) einsetzen und damit ihren Beitrag zur geistig-politischen Auseinandersetzung beitragen. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge • 5,87 Mio. DM (3 Mio. Euro) für die Verstärkung der ITSicherheit und sonstiger Sicherheitsmaßnahmen. Sonstige • Zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 999 TDM (511 Tb) sind vorgesehen für einen Ausbau des interreligiösen Dialogs mit den muslimischen Gemeinschaften wie der Einrichtung eines Gesprächskreises Islam mit islamischen Organisationen, Vertretern der Bundesregierung, der Länder und mit Experten, die Initiierung und Unterstützung eines Koordinierungsrates für den christlich-islamischen Dialog, der Förderung von Netzwerken nicht-organisierter Muslime sowie interkulturelle Informationsveranstaltungen. Weitere 501 TDM (256 Tb) werden für die geistig-politische Auseinandersetzung mit terroristischen und extremistischen Bestrebungen zur Verfügung stehen. Dazu ge- hören verstärkte Maßnahmen zur Integration insbesondere muslimischer Mitbürger, Forschung über das Zusammenleben mit den muslimischen Bürgern, Aufklärungskampag- nen in Bezug auf das wechselseitige Verständnis zwischen deutschen und muslimischen Mitbürgern. 11. Bundesinnenminister verbietet islamistische Vereinigung „Kalifatsstaat“ Bundesinnenminister Otto Schily verbot am 12. Dezember 2001 die islamistische extremistische Vereinigung „Kalifatsstaat“, die dazugehörende Stiftung „Diener des Islam“ (Stichting Dienaar aan Islam) sowie 19 Teilorganisationen, die insgesamt rund 1.100 Mitglieder hatten. Das Verbot wurde am gleichen Tag vollzogen. Insgesamt erfolgten in sieben Bundesländern rund 200 Durchsuchungen. Dazu veröffentlichte das Bundesinnenministerium folgende Presserklärung: Rechtsgrundlage des Verbotes sind die §§ 3, 14 und 15 des Vereinsgesetzes. Der „Kalifatsstaat“ und seine Teilorganisationen richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung; sie gefährden die innere Sicherheit sowie erhebliche – insbesondere außenpolitische – Belange der Bundesrepublik Deutschland. Entsprechendes gilt für die in den Niederlanden eingetragene „Stichting Dienaar aan Islam“, die in Deutschland verboten wurde. Das Verbot wurde durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz möglich, die am 8. Dezember 2001 in Kraft getreten ist. Dazu erklärt Bundesminister Otto Schily: „Der so genannte „Kalifatsstaat“ hetzt seine Anhänger gegen die Demokratie, gegen Andersgläubige und gegen die Republik Türkei auf. Besonders widerwärtig sind seine antise- mitischen und antiisraelischen Tiraden. Bisher stand einem Verbot das Religionsprivileg im Vereinsgesetz entgegen. Dieses Religionsprivileg wurde auf meinen Vorschlag vom Bundestag durch eine Änderung des Vereinsgesetzes beseitigt. Diese Gesetzesänderung habe ich übrigens schon vor dem 11.9. auf den Weg gebracht, weil die Sicherheitsbehörden die Bedrohung durch den extremistischen Islamismus bereits vor den Anschlägen von New York und Washington erkannt hatten. Extremistische und verfassungsfeindliche Vereine können ihre Aktivitäten jetzt nicht mehr mit dem Deckmantel der Religionsausübung tarnen. Das Verbot dieser islamistischen Organisation war notwendig, um deren extremistische Aktivitäten zu unterbinden. Neben solchen staatlichen Maßnahmen besteht aber weiter die Notwendigkeit, dass wir uns geistig-poli- tisch mit den Feinden von Demokratie und Rechtsstaat auseinandersetzen. Nur wenn wir diese Auseinandersetzung selbstbewusst und entschlossen führen, werden wir Terrorismus und Extremismus erfolgreich bekämpfen können. Dabei appelliere ich an die gesetzestreuen Islamanhänger in unserem Land, sich an dieser Auseinandersetzung zu beteiligen. Auch sie müssen deutlich werden lassen, dass islamistischer Extremismus und Terrorismus nichts mit Religionsausübung zu tun haben, sondern kriminelle Aktivitäten sind.“ Ergänzende Informationen zum „Kalifatsstaat“ Der „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) strebte unter der Führung seines selbst ernannten „Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime“, Metin Kaplan, die Beseitigung des laizistischen türkischen Staatsgefüges sowie die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scha33 ria an. Endziel war die Weltherrschaft des Islam unter der Führung eines einzigen „Kalifen“. Dabei verstand der „Kalifatsstaat“ sich als Wiederbelebung des durch Kemal Atatürk 1924 in der Türkei abgeschafften „Kalifats“. Es handelte sich nach dem Selbstverständnis seiner Anhänger nicht um einen Staat im Exil oder einen „Phantomstaat“, sondern um ein real existierendes Staatsgebilde mit der Hauptstadt Istanbul. Allerdings gingen die Aktivitäten „vorübergehend“ von der derzeit faktischen „Hauptstadt“ Köln aus, da das Staatsgebiet nach den Vorstellungen der Mitglieder des „Kalifatsstaates“ von der türkischen Regierung „besetzt“ ist. Als Mittel zur „Wiederbelebung“ des „Kalifatsstaates“ wurde seit 1996 der „Jihad“ („Heiliger Krieg“) bzw. der „Befreiungskampf“ durch die „Soldaten und Generalstabsmitglieder des Kalifatstaates“, erforderlichenfalls unter Einsatz des „Schwertes“ und unter Inkaufnahme des Todes, propagiert. Die Entwicklung des „Kalifatsstaates“ war eng mit der Person Cemaleddin Kaplans verbunden. Dieser kam 1981 nach Deutschland und vertrat die Auffassung, dass allein durch die kompromisslose Verkündung des Islam das Ziel eines Islamstaates erreicht werden könne. Das Parteienwesen, wie überhaupt jegliche demokratische Staatsform, lehnte er ab. Unter Mitnahme seiner Anhänger aus einer anderen Vereinigung gründete Cemaleddin Kaplan eine eigene Bewegung und ließ sich 1983 in Köln zum „Emir“ (Führer) der Bewegung „wählen“. 1984 wurde diese 34 als „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden (ICCB) – so die damalige offizielle Bezeichnung des Verbandes – im Vereinsregister eingetragen. 1992 rief Cemaleddin Kaplan den „Föderativen Islamstaat Anatolien“ aus und ließ sich als „Emir der Gläubigen“ und – damals noch stellvertretenden – „Kalifen“ bestätigen. Seit seiner Ernennung zum „Kalifen“ im März 1994 sah sich die Organisation als Träger des „Kalifatsstaates“ und benutzte hierfür nur noch ausschließlich die türkische Bezeichnung „Hilafet Devleti“. Nach dem Tode Cemaleddin Kaplans übernahm 1995 sein Sohn Metin Kaplan die Leitung des „Kalifatsstaates“ und rief sich zum „Kalifen“ aus. Die Organisationsstruktur des „Kalifatsstaates“ imitierte staatliche Verhältnisse historischer Art in islamischen Ländern. Der „Kalifatsstaat“ war hierarchisch aufgebaut und in Deutschland in verschiedene Gebiete („Bölge“) gegliedert, an deren Spitze jeweils ein „Gebietsemir“ stand. In diesen Gebieten in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz leben die rund 1.100 Anhänger des „Kalifatsstaates“, die sich gegenüber dem „Kalifen“, Metin Kaplan, zum Gehorsam verpflichtet haben. Sie wurden regelmäßig aufgefordert, an die Zentrale in Köln „Steuern“ abzuführen und anlassbezogen zu spenden. Der „Kalifatsstaat“ verfügte über ausgeprägte Verbandsstrukturen, u. a. über ein „Generalpräsidium“ mit verschiedenen „Abteilungen“ sowie einen „Generalstab“. Der „Ka- lif“ hatte einen Beraterstab von rund zehn Personen, der sich als „Zentrale“ („Merkez“) um die Ausführungen der Arbeiten z. B. in der verbandseigenen Zeitung („Ümmet-i Muhammet“), im Lebensmittelhandel („Hakk-Bir“) oder bei der Stiftung („Stichting Dienaar aan Islam“) kümmerte. Der „Kalifatsstaat“ verfügte über eine „Fetwa-Instanz“, die religiöse Rechtsgutachten erstellte, sowie über eine eigene „Gerichtsbarkeit“. Für den Bereich der Jugendarbeit gab es in jedem Gebiet einen „Jugendemir“ und in der Zentrale einen „Generaljugendemir“. Der „Kalifatsstaat“ arbeitete weitgehend konspirativ. Die Funktionsträger des Verbandes trugen teilweise nur religiös geprägte Decknamen, die tatsächlichen Namen waren vielen Angehörigen der Gemeinde nicht bekannt. Informationen an die Mitglieder wurden über die verbandseigene Zeitung „Ümmet-i Muhammed“ („Die Gemeinde Muhameds“) verbreitet. Sie erschien wöchentlich mit einer Auflage von mehreren tausend Exemplaren und nahm für die Organisation gleichzeitig eine Art Sprecherfunktion wahr. Seit 1997 produzierte die Vereinigung mit „Hakk-TV“ (sinngemäß: Wahres islamisches Fernsehen) eine eigene Fernsehsendung. Im Internet war der „Kalifatsstaat“ mit eigenen Webseiten vertreten. Als finanzielles Rückgrat für seine Aktivitäten diente dem „Kalifatsstaat“ die in den Niederlanden registrierte „Stichting Dienaar aan Islam“. Sie förderte seine verfassungswidrigen Bestrebungen, indem sie alle logistischen Unterstützungshandlungen vor- nahm. Sie ist Eigentümerin der acht verbandseigenen Liegenschaften. Die Stiftung war für das Sammeln und Verwalten von Spendengelder verantwortlich und organisierte Pilgerreisen nach Mekka. Der „Kalifatsstaat“ richtete sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen das Demokratie- und das Rechtstaatsprinzip. Er verstieß gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Agitation gegen die Türkei, Israel und andere Staaten sowie gegen Juden). Seine politische Betätigung gefährdete die innere Sicherheit. Namentlich seine auf Umsturz der türkischen Staatsordnung gerichtete Zielsetzung gefährdete schließlich sonstige erhebliche (außenpolitische) Belange der Bundesrepublik. Die zum Verbot führende verfassungsfeindliche Zielrichtung ließ sich den Publikationen der Vereinigung, vor allem der organisationseigenen Zeitung „Ümmet-i Muhammed“, diversen Flugblättern und den im organisationseigenen Fernsehsender „HakkTV“ verbreiteten Äußerungen entnehmen. Die gesellschaftlichen Vorstellungen des „Kalifatsstaates“ sind mit den Grundprinzipien der parlamentarischen Demokratie nicht vereinbar. In der geforderten, an der Scharia ausgerichteten islamischen Ordnung bleibt für demokratische Institutionen und Regeln kein Platz. Äußerungen in der Zeitschrift „Ümmet-i Muhammed“ zeigten die ablehnende Haltung zur Demokratie: „... Die schlimmste Krankheit unse- rer Zeit ist die Demokratie! Sie ist gefährlicher und tückischer als Krebs, Aids, als die Pest und vergleichbare Krankheiten. Die Demokratie ist die größte Krankheit. Es geht so weit, dass diese Krankheit die Menschheit vernichtet. ...“ Ferner: „... Es lebe die Hölle für die Ungläubigen! Und nieder mit allen Demokratien und allen Demokraten!“ Im Strafverfahren gegen Metin Kaplan vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gab der als Zeuge vernommene „Jugend-Emir“ von Hessen zu verstehen, dass die deutschen Gesetze für den „Kalifatsstaat“ keine Relevanz besäßen: „...Wenn eine Gesetzesbestimmung der Scharia entspricht, wird sie befolgt, wenn nicht, wird sie nicht befolgt. Der Koran ist das Maß aller Dinge. Denn er beinhaltet Gottes Gesetz. Alle anderen Gesetze sind nur von Menschen gemacht... Unser Bestreben ist, dass Sie (d.h. das Gericht) es mit Nachsicht behandeln, wenn wir Ihre Gesetze nicht einhalten...“ Die aggressive Propaganda verstieß gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zur Türkei hieß es in „Ümmet-i Muhammed“: „... Das Gericht des Kalifatsstaates hat die Türkische Republik bereits verurteilt...“ und „Wenn der Kalifatsstaat das gesamte Land Anatolien beherrscht, wird man nach der Gründung der Gerichte einzeln mit den Glaubensabtrünnigen abrechnen und sie hinrichten!“ Das Existenzrecht des Staates Israel wurde bestritten: „... Wenn es einen islamischen Staat gegeben hätte, dann wäre noch nicht einmal so etwas wie der Name Israel übriggeblieben. ...“ In volksverhetzender Weise wur- de gegen Juden agitiert: „Wenn wir Juden sagen, dann werden alle Muslime von einem Schauer erfasst und sie müssen sich zuerst einmal schütteln. Diese Gesellschaft von nicht einmal einigen Millionen Menschen lässt eine Milliarde Muslime Blut spucken. Die jüdische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die die Propheten ermordete, sich gegenüber den Gottesgaben undankbar zeigte und Hinterhältigkeit und Gewalttätigkeit zu ihrer Parole machte. ...“ Die Vorgehensweise des „Kalifatsstaates“ gegen „Abtrünnige“ stellt eine Gefährdung der inneren Sicherheit dar. Abweichler wurden in massiver Form, bis hin zur „Todesstrafe“, bedroht. Das OLG Düsseldorf sah es als erwiesen an, dass Metin Kaplan auf einer Hochzeitsfeier in Berlin im September 1996 und drei Wochen später auf einer Versammlung von Funktionären des „Kalifatsstaates“ zur Tötung von Halil Ibrahim Sofu aufgerufen hatte. Der ehemalige Vertraute von Cemaledin Kaplan hatte sich vom „Kalifatsstaat“ getrennt und 1996 in Berlin zum (Gegen-) „Kalifen“ ausgerufen. Sofu wurde in der Nacht zum 8. Mai 1997 in seiner Wohnung in Berlin von bisher unbekannten Tätern durch mehrere Schüsse getötet. Vor diesem Hintergrund hat das OLG Düsseldorf Metin Kaplan am 15. November 2000 wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ein weiterer angeklagter Funktionär, Hasan Gökbulut, erhielt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, ein dritter Angeklagter wurde freigesprochen (das Urteil gegen 35 Kaplan und Gökbulut ist seit dem 25.10.01 rechtskräftig, Hasan Gökbulut befindet sich seit dem 24.10.00 auf der Flucht). Ein weiterer Funktionär wurde wegen des gleichen Delikts in Augsburg verurteilt. Der „Kalifatsstaat“ vertrat seine Zielsetzung in aktiv-kämpferischer, aggressiver Form. Das Programm, die Publikationen und die öffentlichen Äußerungen der Funktionsträger erschöpften sich nicht in bloßer Kritik an bestehenden politischen Zuständen. Ideologisches Endziel war die vollständige Vernich- tung der verfassungsmäßigen Grundordnung. Dies ergab sich auch aus der verwendeten Diktion wie „Umsturz“, „Befreiungskampf“ oder „Jihad“. Aussagen wie „... Es ist eine kanonische Pflicht, gegen die Ungläubigen den Jihad zu führen. Diese Pflicht besteht auch dann, selbst wenn nicht die Ungläubigen es sind, die den Krieg begonnen haben. ... Es bestehen keine Bedenken, auf die Ungläubigen zu schießen, ... Die Ungläubigen werden gezielt beschossen, auch wenn sie sich hinter muslimischen Kindern oder Gefangenen verschanzt haben. ...“ verdeutlichen dies. Die Aktivitäten des „Kalifatsstaates“ genießen nicht den Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Zwar konnte der „Kalifatsstaat“ als eine Vereinigung angesehen werden, deren zumindest partieller Zweck die Förderung und Pflege eines religiösen Bekenntnisses war. Die aufgeführten Äußerungen des „Kalifatsstaates“ gehen jedoch weit über den religiösen Bereich hinaus; sie stellen eine politische Betätigung dar, die nicht nach Art. 4 GG geschützt ist. 12. Solidarität mit Amerika Erklärung von Bundesinnenminister Otto Schily anlässlich eines Treffens mit dem Justizminister der Vereinigten Staaten von Amerika, John Ashcroft, am 14. Dezember 2001 vor der Presse in Berlin Meine Damen und Herren, wir haben uns sehr gefreut und sind glücklich darüber, dass heute der Attorney General der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. Ashcroft, uns besucht hat. Wir hatten eine sehr intensive und konstruktive Unterredung, wir sind beide wechselseitig dankbar für die enge und freundschaftliche Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden unserer beiden Länder. Wir teilen die Überzeugung, dass wir alles tun müssen, damit Verbrechen, wie sie in New York und in Washington stattgefunden haben, sich nicht wiederholen werden, dass wir aber auch alles tun müssen, um die für diese abscheulichen Verbrechen Verantwortlichen 36 aufzuspüren und vor Gericht zu stellen. Dass wir im Übrigen alles tun müssen, um diese terroristischen Netzwerke zu zerschlagen und dass dafür alle dafür gebotenen Mittel eingesetzt werden müssen. Ich habe meinem Kollegen Ashcroft die gesetzlichen Maßnahmen, die wir ergreifen, die wir auch heute im Bundestag beraten werden, erläutert und auch die anderen Maßnahmen auf administrativem Gebiet, die wir nach dem 11. September in die Wege geleitet haben, aber auch darauf hingewiesen, dass das Problem des internationalen islamistischen Terrorismus nun nicht erst am 11. September erkannt worden ist, sondern dass wir mit dieser Bedrohung schon früher konfrontiert waren und auch schon zuvor Maßnahmen zu deren Bekämpfung eingeleitet haben. Wir vertreten aber gemeinsam die Überzeugung, dass das, was am 11. September stattgefunden hat, die Tiefendimension dieser Bedrohung erkennen lässt. Wir haben auch kurz das Video erörtert, was ja jetzt auch in den Fernsehsendern ausgestrahlt worden ist, und was in der Person von bin Laden eine Verkommenheit, eine moralische Verkommenheit, in einer Form erkennen lässt, die eigentlich das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt. Wir waren auch gemeinsam der Überzeugung, dass das, was vor allen Dingen auch in New York stattgefunden hat, nun nicht ein Angriff allein auf die Vereinigten Staaten von Amerika ist, sondern ein Angriff auf die gesamte zivilisierte Menschheit, was auch in der Tatsache zum Ausdruck kommt, dass die Opfer, die zu Tode gekommen sind im World Trade Center, aus mehr als 80 Nationen stammen. Und für Deutschland ist New York ohnehin ein Symbol der Freiheit und der Demokratie. Wir haben nicht vergessen, dass gerade New York immer ein Zielpunkt war für Menschen, die auf der Flucht wa- ren vor totalitären Regimen, es ist ein Symbol für Freiheit und Demokratie, und deshalb ist das, was diese Verbrecher begangen haben, ein unmittelbarer Angriff auf diese Ideale, die uns verbinden – Amerika und Deutschland – und deshalb ist das, was wir tun in gemeinsamer Arbeit in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, nicht nur ein selbstverständliches Zeugnis für die enge und unverbrüchliche Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern, sondern geschieht auch in unserem eigenen, ureigensten Interesse. Wir sind auch der Meinung, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nur gemeinsam erfolgreich sein kann, eine isolierte Bekämpfung gar nicht möglich ist und dass wir unsere Maßnahmen in dieser Weise auch aufeinander abstimmen müssen – sicherlich unter Beachtung unterschiedlicher Rechtsordnungen und unterschiedlicher rechtlicher Traditionen. 13. Das zweite Antiterrorgesetz in der Kritik In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 14. Dezember 2001 nahm FritzRudolf Körper, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern (Auszug), zur Kritik am Sicherheitspaket II Stellung Frage: Herr Körper, haben Sie...Sorgen, dass die Justiz die Ermittlungen generell behindern bzw. verzögern könnte, oder warum sind die Erweiterungen der Befugnisse der Dienste notwendig? Parl. Statssekretär Körper: Ich habe manchmal den Eindruck, dass so mancher Kritiker unser Gesetz und unsere Vorschläge nicht gelesen hat. Die Befugnisse, welche die Verfassungsschützer bekommen sollen, sind immer im Geltungsbereich, nämlich dahingehend, wo gegen den Gedanken der Völkerverständigung – insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker – verstoßen wird. Das ist diese Umschreibung, diese Befugnisse, die sich dort orientieren. Und diese Fragen, die diskutiert worden sind, haben auch in der Anhörung eine Rolle gespielt. Im Übrigen haben wir da die Anregungen auch aufgenommen, beispielsweise diese Frage der Kontrolle, dahingehend, dass wir nun auch in diesem Bereich das so genannte G-10-Gesetz anwenden, d.h. auch ein rechtsstaatliches Mittel, was an anderer Stelle unbestritten ist. Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass aufgrund der Ereignisse, die wir uns alle nicht gewünscht haben, diese Maßnahme notwendig ist, denn wir wussten und wissen einfach zu wenig. Frage: Dann gehen wir doch mal ins Detail. Ist es möglich, ist es richtig, dass Verfassungsschützer künftig auch ohne richterliche Anordnung Telefonate abhören können sollen? Parl. Statssekretär Körper: Es geht um die Telekommunikationsverbindungen. Das darf im Einzelfall beobachtet werden. Ich sage ganz be- wusst, im Einzelfall. Genauso, was die Dinge bei Kreditinstituten anbelangt. Frage: Da muss nicht vorher ein Richter gefragt werden? Parl. Statssekretär Körper: Nein, es ist genauso, wie beispielsweise bei einer Telefonabhörung. Das geht auch nach den G-10-Richtlinien. Ich denke, das ist dort unumstritten und sollte auch dort unumstritten sein. Frage: Also verfassungsrechtlich für Sie unbedenklich? Parl. Statssekretär Körper: Sie müssen übrigens auch wissen – es wird immer in gleicher Ebene diskutiert –, dass das Bankgeheimnis beispielsweise kein Grundrecht ist. Nichtsdestotrotz haben wir beispielsweise diese Maßnahmen über das so genannte G-10-Gesetz eingefügt. Ich 37 denke, es ist absolut unbedenklich. Im Übrigen, auch die Kritiker, die sich hier und da geäußert haben, sind absolut damit einverstanden. Frage: Das Sicherheitspaket soll ja regelrecht durch die Instanzen gepaukt werden: heute im Bundestag, nächste Woche im Bundesrat. Das geht alles sehr schnell, da ist schon vom Eilverfahren die Rede, und manche Parlamentarier fühlen sich übergangen. Sie haben gerade auch beklagt, dass manche Kritiker das Gesetz und die Entwürfe gar nicht richtig kennen würden. Warum war denn diese Eile notwendig? Hätte man sich nicht mehr Zeit lassen können? Parl. Statssekretär Körper: Nein, Herr Capellan, ich habe gesagt, dass man sie nicht richtig gelesen hatte. Die Möglichkeit bestand, dass das natürlich ein ungewöhnliches Verfahren ist. Das wird an der Tatsache deutlich, dass es sich um ungewöhnliche Ereignisse handelt. Es gibt eine UN-Resolution, die uns auch verpflichtet, in einem bestimmten Zeitraum Maßnahmen vorzulegen, und ich denke, wir sollten auch bemüht sein, dass wir uns im internationalen Vergleich sehen lassen können. Sie wissen, wir leben nicht alleine auf einer einsamen Insel, sondern wir werden verglichen, das wollen wir, deswegen wollen wir dieses Verfahren bis Ende des Jahres abschließen. Frage: Wo hilft denn dieses Paket ganz konkret im Kampf gegen Terroristen? Wovon versprechen Sie sich in dieser Hinsicht am meisten? Parl. Statssekretär Körper: Wir haben einfach zu wenig gewusst. Wir haben zu wenig gesehen. Und es ist ein Hauptproblem, sich darauf einstellen zu können. Deswegen ist das hier ein entscheidender Ansatz. Nicht umsonst haben Sie mich auf eine Maßnahme angesprochen, die dieses Paket vorsieht, nämlich auf das Thema der Dienste – da gibt es ja noch viele ganz andere Punkte, über den Bundes- grenzschutz, Bundeskriminalamt, Ausländerrecht, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, um nur einige Punkte zu nennen – das ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt ist, so dass wir bessere Informationen haben, um auch präventiv tätig sein zu können. Frage: Lassen Sie uns noch einen Punkt ansprechen, die Einführung biometrischer Daten im Pass: der Fingerabdruck oder die Gesichtskonturen. Man hat sich da nicht festgelegt. Warum nicht? Parl. Statssekretär Körper: Da hat man sich dahin gehend festgelegt, dass man das ausdrückliche Verbot im Passund Personalausweisgesetz, nämlich das Verbot zur Aufnahme biometrischer Merkmale, herausgenommen hat. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Alles Weitere wird den Beratungen und dem Gesetzesweg überlasen sein – es sind ja auch ein paar technische Fragen zu regeln und zu klären –. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Schritt in diesem Paket. 14. Basisinformation für Journalisten zum Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern Auf Grund zahlreicher Anfragen zum Einsatz bewaffneter Flugbegleiter an Bord deutscher Luftfahrzeuge veröffentlichte das Bundesinnenministerium am 15. Jaunar 2002 eine Pressemitteilung zu diesem Thema am 15. Januar 2002. Darin hieß es: Detaillierte Auskünfte können wir aus Sicherheitsgründen zu diesem Thema nicht erteilen. Bundesinnenminister Schily hat dazu kürzlich erklärt: „Es ist notwendig, Sicherheitsbegleiter einzusetzen. Früher 38 gab es seitens der Luftfahrtgesellschaften und der Piloten zahlreiche Vorbehalte. Heute sind aber auch sie der Meinung, dass wir Flugsicherheitsbegleiter brauchen. Für diese verantwortungsvolle Aufgabe benötigt man gut ausgebildetes Personal. Be- waffnete Flugsicherheitsbegleiter sind besonderen Anforderungen ausgesetzt. Sie müssen über körperliche Fitness, hohe psychische Belastbarkeit und eine entsprechende Berufserfahrung im polizeilichen Alltag verfügen. Deshalb werden wir eine ei- gene Einheit für diese Aufgabe ausbilden.“ Das Sicherheitspaket II weist dem Bundesgrenzschutz die Aufgabe der bewaffneten Flugsicherheitsbegleitung zu. So sieht es eine Beschränkung des Einsatzes bewaffneter Flugsicherheitsbegleiter auf Polizeivollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes vor. Sicherheitskräfte privater Unternehmen können lediglich unbewaffnet – wie bisher auch – im Auftrag von Luftfahrtunternehmen eingesetzt werden. Alle Flugsicherheitsbegleiter, die derzeit zum Schutz der Fluggäste eingesetzt werden, haben eine spezielle Fortbildung für diese Aufgabe durchlaufen. Die neue Flugsicherheits-Einheit wird bereits aufgebaut: Besonders erfahrene und belastbare Polizeivollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes werden gezielt auf ihren Einsatz im Luftverkehr vorbereitet. Sie unterliegen einem besonderen Auswahlverfahren und durchlaufen ein speziel- les Training. Die Fortbildung der Flugsicherheitsbegleiter erfolgt für das gesamte Aufgabenspektrum durch qualifiziertes Lehrpersonal in einer Ausbildungseinrichtung des Bundesgrenzschutzes. Details zur Fortbildung können aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben werden. Die Größe der aufzubauenden Einheit wird sich an der Entwicklung der Sicherheitslage und an den vorhandenen Personalkapazitäten orientieren. 15. Datennetze gegen Anschläge sichern – Alarm per Internet und künftig auch per Handy Im Anschluss an ein Gespräch mit Telekom-Chef Dr. Ron Sommer über die Sicherheit von Datennetzen und moderne Warnsysteme erklärte Bundesinnenminister Otto Schily am 16. Januar 2002: „Die Ereignisse des 11. September haben uns vor Augen geführt, dass terroristische Anschläge sich gegen die Nervenzentren der modernen Zivilisation richten können. Deshalb habe ich Gespräche mit den Vertretern aller Infrastruktureinrichtungen in Deutschland geführt, um Bedrohungspotenziale zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ein Element dieser Gegenstrategie ist beispielsweise die im Sicherheitspaket II vorgesehene Überprüfung des Personals, das in sicherheitsempfindlichen Bereichen von Infrastrukturunternehmen arbeitet. Zu den wichtigsten Nervensträngen moderner Gesellschaften gehören die Informations- und Kommunikationsnetze eines Landes. Die Infrastruktur großer Volks- wirtschaften mit ihren vielen Verknüpfungen und Wechselbeziehungen ist immer an einigen Punkten gefährdet. Auch wenn Katastrophenszenarien von „Cyber War“ völlig überzeichnet sind, müssen sich Staat, Gesellschaft und Wirtschaft doch gegen Anschläge auf ihre Datennetze wappnen. Daher muss uns an dem zuverlässigen Schutz dieser Netze besonders liegen. Die Bundesregierung arbeitet hierbei sehr konstruktiv mit der Wirtschaft zusammen. Auf dem Gebiet der Sicherheit von Informations- und Kommunikationstechnik gibt es bereits seit langem eine enge Kooperation mit den Unternehmen dieser Branche, sei es mit IBM, mit dem Branchenverband BITKOM oder mit anderen. Heute habe ich mit Ron Sommer die Fort- schritte und Zwischenergebnisse der Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom erörtert, dabei haben wir eine sehr positive Bilanz gezogen. Dies gilt auch für die gemeinsamen Arbeiten bei der Entwicklung neuer Alarmierungssysteme für die Bevölkerung. Denn bei Katastrophenfällen müssen wir uns für die Warnung der Bevölkerung die neuen Techniken zu Nutze machen. Wo früher die Sirenen heulten, soll künftig das Handy alarmieren, die Funkuhren schrillen und bei jedem, der gerade im Internet surft, sich ein Warnfenster öffnen. Dies ist moderne Kommunikation.“ Bei der Warnung der Bevölkerung in Zivil- und Katastrophenschutzangelegenheiten strebt das Bundesinnenminis39 terium eine Einbindung von T-online an. Warnmeldungen sollen künftig über das satellitengestützte Kommunikationssystem nicht nur an die Rundfunkanstalten und Nachrichtenagenturen, sondern auch an T-online übermittelt werden. T-online wird sie dann schnell und effizient an die T-online-Kunden weitergeben. Hier sind noch einige Fragen zu klären, aber es zeichnet sich ab, dass mit T-online der erste Internetanbieter in das Warnsystem eingebunden wird. Dies hat Vorbildcharakter, denn Staat und Wirtschaft nutzen mit dieser Zusammenarbeit die Vorteile schneller, moderner und kostengünstiger Kommunikationsinfrastruktur. Auch andere Anbieter sind aufgerufen, sich künftig an diesem System schneller Warnung der Bevölkerung zu beteiligen. Eine besonders erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Deutscher Telekom besteht beim Informationsverbund BerlinBonn (IVBB). Dieses Netzwerk gewährleistet eine sichere und moderne Regierungskommunikation. Mit einigen Zahlen lässt sich verdeutlichen, wie wertvoll eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur für die 40 Regierungsarbeit ist: Das EMail-Aufkommen stieg von 40.000 Anfang 1999 auf mittlerweile 1,7 Mio. E-Mails pro Monat. Eine noch intensivere Nutzung des IVBB ist zu erwarten: Eine Erweiterung des E-Mail-Systems für eine Kapazität von 5 Mio. E-Mails pro Monat (bei einem Transport innerhalb von 60 Sekunden) ist bereits durchgeführt worden: Im ersten Halbjahr 2002 werden die Bandbreite und die Ausfallsicherheit des zentralen Datennetzes erhöht. Ebenfalls in 2002, das hat nicht zuletzt durch den 11. September an Bedeutung gewonnen, wird die Verschlüsselung auf weitere Kommunikationsleitungen ausgedehnt. Ein weiteres Feld enger Kooperation mit der Telekom besteht gerade auf dem Gebiet der IT-Sicherheit. Hier hat sich eine vertrauensvolle und zukunftsgerichtete Zusammenarbeit zwischen der Telekom und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entwickelt, von der beide Seiten profitieren. Es liegt im Interesse der Bundesregierung, dass in sensiblen Bereichen vertrauenswürdige und robuste Technik eingesetzt wird. Für die Kooperation in besonders sensiblen IT-Sicherheitsfragen wurde daher eine ständige Arbeitsgruppe des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik mit der Telekom eingerichtet. Das Bundesinnenministerium und die Telekom haben eine langfristig-strategische Zusammenarbeit und einen vertrauensvollen Austausch von Experten vereinbart, um im Bedarfsfall koordiniert und schlagkräftig auf akute Bedrohungen der nationalen informationstechnische Infrastruktur reagieren zu können. Dazu werden die CERTs (die so genannten Computer Emergency Response Teams) der beiden Partner eng zusammenarbeiten. Zwischen CERT Telekom und CERT Bund werden besondere Kommunikations- und Alarmierungswege vereinbart, die einen unmittelbaren und verschlüsselten Austausch vertraulicher Informationen zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit in besonderen Lagen ermöglichen. Die Kooperation zwischen CERT Bund und CERT Telekom ermöglicht es für beide Seiten, die jeweiligen Analysen sicherheitsrelevanter Ereignisse besser abzusichern. Diese Zusammenarbeit empfiehlt sich als Modell auch für andere Unternehmen, Bundesinnenministerium und BSI stehen als Sicherheitspartner bereit. 16. Geldwäsche mit modernen Instrumentarien effektiv bekämpfen Am 20. Februar 2002 stimmte das Bundeskabinett einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zur verbesserten Geldwäschebekämpfung zu (Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, kurz: Geldwäschebekämpfungsgesetz). Dazu veröffentlichte das Bundesinnenministerium folgende Presseerklärung: Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus sollen in Zukunft noch effektiver bekämpft werden. Die vorgesehenen Instrumentarien ergänzen die Maßnahmen des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Terrorismusbekämpfungsgesetzes im Bereich der Geldwäschebekämpfung. Als einer der ersten Staaten in der Europäischen Union wird Deutschland mit dem vorliegenden Gesetz die EU-Geldwäscherichtlinie vom 28. Dezember 2001 umsetzen. Der Gesetzentwurf trägt den internationalen Bedingungen und Vorgaben zur Bekämpfung der Geldwäsche voll Rechnung. Neuen Geldwäscherisiken und -techniken durch Nutzung moderner Kommunikationsmittel tritt das neue Gesetz mit entsprechenden Regelungen entgegen. Bundesinnenminister Otto Schily erklärt dazu: „Der internationale Terrorismus hat mit den furchtbaren Anschlägen am 11. September eine bis dahin nicht gekannte Dimension erreicht. Hinter solchen Gräueltaten stecken Logistik und vor allem große finanzielle Ressourcen. Illegale Finanzströme müssen entschlossen bekämpft und die finanzielle Quellen des Terrorismus wirkungsvoll ausgetrocknet werden. International wie national werden wir einen ver- stärkten multidisziplinären Ansatz bei der Bekämpfung der Geldwäsche verfolgen. Der Entwurf des Geldwäschebekämpfungsgesetzes führt in herausragender Weise polizeiliche sowie strafverfolgungs- und bankenaufsichtsrechtliche Maßnahmen zusammen.“, Um die Finanzierung des Terrorismus und kriminelle Geschäftemacherei zu unterbinden, müsse die Pflicht zur Erstattung von Verdachtsanzeigen auf alle im Finanzsektor tätigen Institute ausgeweitet werden, so Schily weiter. „Die Identifizierungs- und Anzeigepflichten bei verdächtigen Transaktionen werden verschärft. Das Gesetz schafft außerdem die Voraussetzungen für eine bessere und effektivere Kooperation zwischen den an der Geldwäschebekämpfung beteiligten Ermittlungs- und Finanzaufsichtsbehörden. Die bestehende Zentralstelle für Geldwäscheverdachtsanzeigen beim Bundeskriminalamt wird verbessert und ausgebaut. Der Bundesinnenminister hob hervor, dass die neuen Maßnahmen kritisch begleitet und kontinuierlich auf den Prüfstand gestellt würden. Effektivität und Kohärenz mit den internationalen Standards seien hierfür die entscheidenden Kriterien. Dies gelte nicht zuletzt für die Ausgestaltung und Struktur der deutschen „Finan- cial Intelligence Unit“ (FIU), der zentralen Analyse- und Informationsstelle für Verdachtsanzeigen beim Bundeskriminalamt. Vor dem Hintergrund der internationalen Anforderungen an die Organisation einer Zentralstelle und der Entwicklungen im Verdachtsanzeigenwesen wird diese drei Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes überprüft werden. Der Gesetzentwurf orientiert sich im Wesentlichen an folgenden Schwerpunkten: • Mit dem Gesetzentwurf setzt die Bundesregierung die europäische Geldwäsche-Richtlinie innerstaatlich um (Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche, Amtsblatt L. EG Nr. L 344 S. 76). Die europäische Richtlinie sieht die Einbeziehung neuer Berufsgruppen (insbesondere Immobilienmakler, Händler hochwertiger Güter, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) in den Pflichtenkreis des Geldwäschegesetzes vor. Bislang unterliegen der Dokumentations- und Identifizierungspflicht ab 15.000 41 Euro nur Banken und Versicherungsunternehmen. Künftig sollen auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer identifizieren und dokumentieren. Anwälte und Notare müssen dies nur dann tun, wenn bestimmte Geschäfte für ihre Klienten abwickeln (z. B. Grundstückskäufe). Die Novelle des deutschen Geldwäschegesetzes sieht entsprechend den europäischen Vorgaben vor, dass die vier Berufsgruppen ebenfalls der Pflicht zur Verdachtsanzeige unterliegen. Ausnahme: Angehörige freier Berufe werden nicht verpflichtet, Informationen weiterzugeben, die sie im Zusammenhang mit ihrer Prozessvertretung oder im Rahmen ihrer rechtsberatenden Tätigkeit erlangen. • Innerstaatliche Umsetzung der vom führenden interna- tionalen Gremium „Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF)“ aufgestellten Vorgaben (Sondersitzung zur Bekämpfung des Terrorismus und seiner Finanzierung, Oktober 2001 in Washington): Diese gebieten insbesondere die Nutzung des vorhandenen „Geldwäscheinstrumentariums“ zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. • Ausgestaltung der deutschen Zentralstelle für Verdachtsanzeigen („Financial Intelligence Unit – FIU“) im Bundeskriminalamt zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Financial Intelligence Units im Ausland: Hierzu gehören insbesondere der Ausbau von Clearing- und Auswertekapazitäten der Zentralstelle sowie Regelungen zum Verfahren des Daten- austauschs mit Zentralstellen anderer Staaten. Die FIU soll interdisziplinär zunächst mit rund 15 Mitarbeitern – Strafverfolger, Staatsanwälte und Finanzexperten – besetzt werden. • Umsetzung bisheriger Erfahrungen mit dem geltenden Geldwäschegesetz: Hierzu gehören insbesondere die Berücksichtigung der verstärkten Nutzung der neuen Medien bei der Durchführung von Finanztransaktionen, aber auch der Abbau von bürokratischen Hemmnissen. Elektronisches Geld wird Bargeld gleichgestellt. Das ist insbesondere für die effektive Arbeit der Zollbehörden von Bedeutung, um dem Missbrauchspotenzial von elektronischem Geld bei Grenzkontrollen entgegenzuwirken. Anhang I: Information zum Terrorismusbekämpfungsgesetz Zum In-Kraft-Treten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (BGBl. 2002 I, 361) veröffentlichte das Bundesministerium des Innern am 11. Januar 2002 im Internet (www.bmi.bund.de) ein Informationspapier zum wesentlichen Inhalt des Gesetzes. Der komplette Gesetzestext ist ebenfalls auf der BMI-Homepage abrufbar. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist in Kraft getreten. Es enthält eine Reihe neuer gesetzlicher Regelungen, die die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus verbessern und unterstützen. Zahlreiche Sicherheitsgesetze werden der neuen Bedrohungslage angepasst. Das Bundesverfassungsschutzgesetz, das MAD-Gesetz, das BND-Gesetz, das Bundesgrenzschutzgesetz, das Bundeskri42 minalamtgesetz sowie das Ausländergesetz und andere ausländerrechtliche Vorschriften werden geändert, um • den Sicherheitsbehörden die nötigen gesetzlichen Kompetenzen zu geben, • den erforderlichen Datenaustausch zwischen den Behörden zu verbessern, • bereits die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland zu verhindern, • identitätssichernde Maß- nahmen im Visumverfahren zu verbessern, • den Einsatz bewaffneter Flugbegleiter des BGS auf deutschen Luftfahrzeugen zu ermöglichen, • Grenzkontrollmöglichkeiten zu verbessern und • sich bereits im Inland befindliche Extremisten besser zu erkennen. Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das Passgesetz, das Gesetz über Personalauswei- se, das Vereinsgesetz, das Luftverkehrsgesetz, das Bundeszentralregistergesetz, das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs und das Energiesicherungsgesetz werden geändert, um • Sicherheitsüberprüfungen für Mitarbeiter in lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen zu ermöglichen, • Rechtsgrundlagen für die Aufnahme biometrischer Merkmale in Pässe und Personalausweise zu schaffen, • den Gebrauch von Schusswaffen in zivilen Luftfahrzeugen Polizeivollzugsbeamten vorzubehalten, • Aktivitäten extremistischer Ausländervereine in Deutschland rascher unterbinden zu können, • die Rasterfahndung durch die Einbeziehung von bestimmten Sozialdaten wirkungsvoller zu gestalten, • die uneingeschränkte Energieversorgung sicherzustellen. Zu den gesetzlichen Änderungen im Einzelnen: Dem Verfassungsschutz kommt bei der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Vorfeldaufklärung eine wichtige Aufgabe zu. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält daher das Recht, auch solche Bestrebungen zu beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, da sie ein gefährlicher Nährboden für den wachsenden Terrorismus sind. In verschiedenen Landesverfassungsschutzgesetzen sind solche Bestrebungen bereits als Gegenstand der nachrichtendienstlichen Beobach- tung genannt. Informationen über Geldströme und Kontobewegungen von Organisationen und Personen, die extremistischer Bestrebungen oder sicherheitsgefährdender bzw. geheimdienstlicher Tätigkeiten verdächtigt werden, können zur Feststellung von Tätern und Hintermännern führen. Zur Erforschung dieser Geldströme und Kontobewegungen erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz die Befugnis, Informationen bei Banken und Finanzunternehmen über Konten und Konteninhaber einzuholen. Ferner sind Auskunftsbefugnisse gegenüber Postdienstleistern, Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikations- und Teledienstleistern vorgesehen. Die originären Ermittlungskompetenzen des Bundeskriminalamtes werden erweitert, indem das Bundeskriminalamt bei bestimmten schweren Erscheinungsformen von Datennetzkriminalität die Strafverfolgungsbefugnisse wahrnimmt, ohne dazu ersucht oder beauftragt worden zu sein. Zudem werden die Zentralstellenkompetenzen des Bundeskriminalamtes gestärkt. Durch den Wegfall eines bürokratischen Hemmnisses soll die Informationsbeschaffung des Bundeskriminalamtes zur Ergänzung vorhandener Sachverhalte und zur Durchführung von Auswerteprojekten erleichtert werden. Für den Bereich des Bundesgrenzschutzes sieht das Gesetz insbesondere eine klarstellende Regelung im Bundesgrenzschutzgesetz für den Einsatz von Sicherheitskräften des Bundesgrenzschutzes an Bord von deutschen Luftfahrzeugen (Flugsicherheitsbegleiter) vor. Darüber hinaus er- weitert das Gesetz die Befugnis des Bundesgrenzschutzes, im Rahmen seiner räumlichen und sachlichen Zuständigkeit Personen nicht nur anhalten und befragen, sondern auch die mitgeführten Ausweispapiere überprüfen zu können. Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes liegt in der Schaffung der notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verbesserung des Informationsaustausches, die Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland und notwendige identitätssichernde Maßnahmen. Die vorgenommen Änderungen im Ausländergesetz sehen vor, dass Personen keine Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen erhalten und einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in Deutschland unterliegen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligen, öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufen oder einer Vereinigung angehören, die den internationalen Terrorismus unterstützt. Darüber hinaus wird die Grundlage für eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen mit den Sicherheitsbehörden geschaffen. Die Möglichkeiten der Identitätssicherung, insbesondere durch Schaffung einer Rechtsgrundlage für identitätssichernde Maßnahmen von Auslandsvertretungen im Sichtvermerksverfahren, werden erweitert. Weiterhin sind innerstaatliche Regelungen enthalten zur maschinenlesbaren Zone für die EU-Aufent43 haltstitel sowie Duldung und Aufenthaltsgestattung, wobei bei letzterer die Anforderungen hinsichtlich der Fälschungssicherheit deutlich angehoben wurden. Die Einführung von fälschungssicheren Ausweisen wird auch auf Asylbewerber und Duldungsinhaber erstreckt. Im Asylverfahrensgesetz wird eine gesetzliche Grundlage für eine Sprachaufzeichnung geschaffen, anhand derer eine identitätssichernde Sprachanalyse zur Bestimmung der Herkunftsregion erfolgen kann. Auf die Erhebung muss der Ausländer vorher hingewiesen werden (offene Datenerhebung). Die Aufzeichnung erfolgt außerhalb der förmlichen Asylanhörung. Fingerabdrücke und andere im Zusammenhang mit Asylverfahren gewonnene identitätssichernde Unterlagen werden künftig zehn Jahre ab Unanfechtbarkeit der Asylentscheidung aufbewahrt, um den Sicherheitsbehörden langfristig Erkenntnismöglichkeiten zu verschaffen. Ebenso werden künftig die Fingerabdrücke von Asylbewerbern automatisch mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand des Bundeskriminalamtes abgeglichen werden können. Schließlich wird die Erkenntnisgewinnung aus dem Ausländerzentralregister durch wichtige Änderungen des Ausländerzentralregistergesetzes verbessert. Die Visadatei, in der derzeit grundsätzlich nur Daten über Visaanträge gespeichert werden, wird zu einer Visaentscheidungsdatei ausgebaut, um eine verbesserte Kontrolle des einreisenden Verkehrs zu gewährleisten. Der Zugriff für 44 Polizeibehörden bei abstrakten Gefahren, also z. B. im Rahmen von Personenkontrollen, wird verbessert, damit sie sofort feststellen können, ob sich ein Ausländer legal in Deutschland aufhält. Die Möglichkeit, Gruppenauskünfte einzuholen, wird in Zukunft auch auf Personen mit verfestigtem Aufenthaltsstatus erstreckt. Darüber hinaus sind Gruppenauskünfte künftig auch bei abstrakten Gefahren zulässig. Um die Arbeit der Sicherheitsdienste effektiver zu gestalten, erhalten sie die Möglichkeit, künftig den gesamten Datenbestand im automatisierten Verfahren abzurufen. Weitere Änderungen sieht für das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das Luftverkehrsgesetz, das Bundeszentralregistergesetz, das Passgesetz, das Gesetz über Personalausweise, das Vereinsgesetz, das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch und das Energiesicherungsgesetz vor. Im Sicherheitsüberprüfungsgesetz werden erstmals Vorschriften für Maßnahmen des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes geschaffen. Personen, die in lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen tätig sind oder werden sollen, werden künftig sicherheitsüberprüft. Mit der Änderung des Luftverkehrsgesetzes erfolgt eine Klarstellung, dass der Gebrauch einer Schusswaffe an Bord eines zivilen Luftfahrzeuges Polizeivollzugsbeamten, insbesondere des Bundesgrenzschutzes im Rahmen ihrer Sicherheitsbegleitung, vorbehalten ist. Weitere Regelungen betreffen eine Verbesserung und Klarstellung der ge- setzlichen Grundlage für die Zuverlässigkeitsüberprüfungen hinsichtlich des bei Flugplatz- und Luftfahrtunternehmen in sicherheitsrelevanten Bereichen beschäftigten Personals. Die Art und Weise der Durchführung dieser Überprüfung ist gerade durch Verordnung vom 8. Oktober 2001 geregelt worden. Mit dem vorliegenden Gesetz wird die Überprüfung auf das beim Flugsicherungsunternehmen beschäftigte Personal sowie auf Personen, die für entsprechende Aufgaben bevollmächtigt sind, ausgedehnt. Im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil sowie der Forderung desselben Gerichts, alle Tatbestände, die wesentliche Rechte des Betroffenen berühren, gesetzlich und nicht im Verordnungswege zu regeln (sog. Wesentlichkeitstheorie), wird auch die bestehende Ermächtigungsgrundlage angepasst. Die Folgeänderung des Bundeszentralregistergesetzes ermöglicht den Luftfahrtbehörden die Einholung einer unbeschränkten Auskunft über den im geänderten § 29d LuftVG genannten Personenkreis, der zudem über den bisher erfassten Kreis hinausgeht. Im Pass- und Personalausweisrecht wird die Grundlage geschaffen, um die Möglichkeiten zur computergestützten Identifizierung von Personen auf der Grundlage der Ausweisdokumente zu verbessern und zu verhindern, dass Personen sich mit fremden Papieren ähnlich aussehender Personen ausweisen. Zur Erreichung dieser Zielsetzung sieht der Entwurf im Wesentlichen vor, dass neben dem Lichtbild und der Unterschrift ein weiteres biometrisches Merkmal in den Pass und den Personalausweis – auch in verschlüsselter Form – aufgenommen werden darf. Die näheren Einzelheiten sind in einem besonderen Bundesgesetz zu regeln. Damit kann zukünftig zweifelsfrei überprüft werden, ob die Identität der betreffenden Person mit den im Dokument abgespeicherten Originaldaten übereinstimmt. Nach der Streichung des „Religionsprivilegs“ ergänzen die vorgesehenen Änderungen des Vereinsgesetzes die staatlichen Handlungsoptionen zur Bekämpfung extremistischer Vereinigungen mit Auslandsbezug. So kann künftig mit der Neufassung und Ausweitung der Vereinsverbotsgründe für Ausländervereine und ausländische Vereine z. B. verhindert werden, dass gewalttätige oder terroristische Organisationen von Ausländervereinen in Deutschland unterstützt werden. Das Ver- bot der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine wird effektiviert. Die Regelungen zum Bundesverfassungsschutzgesetz, dem BND-Gesetz, dem MAD-Gesetz, dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz sowie dem § 7 Abs.2 des BKA-Gesetzes werden auf fünf Jahre befristet. Anhang II: Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 vom 12. September 2001 und 1373 vom 28. September 2001 (Quelle: Auswärtiges Amt–www.auswaertiges-amt.de) Vereinte Nationen Resolution 1368 vom 12.9.2001 Der Sicherheitsrat – in Bekräftigung der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, entschlossen, die Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch terroristische Gewalttaten mit allen Mitteln zu bekämpfen, in Anerkennung des naturgegebenen Rechtes zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung in Übereinstimmung mit der Charta: 1. verurteilt unmissverständlich und auf das Schärfste die abscheulichen terroristischen Gewalttaten, die am 11. September 2001 in New York, Washington (DC) und Pennsylvania verübt wurden, und betrachtet diese Gewalttaten wie jede inter- nationale terroristische Gewalttat als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit; 2. spricht den Opfern und ihren Familien sowie dem Volk und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sein tiefstes Mitgefühl und Beileid aus; 3. ruft alle Staaten auf, dringend zusammenzuarbeiten, um die Täter, Drahtzieher und Förderer dieser terroristischen Anschläge vor Gericht zu bringen, und betont, dass diejenigen, die den Tätern, Drahtziehern und Förderern helfen, sie unterstützen oder ihnen Zuflucht gewähren, zur Rechenschaft gezogen werden; 4. ruft ferner die internationale Gemeinschaft auf, ihre Anstrengungen erheblich zu verstärken, um ter- roristische Gewalttaten zu verhindern und zu unterdrücken, auch durch intensivierte Zusammenarbeit und vollständige Umsetzung der einschlägigen internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus und der Resolutionen des Sicherheitsrats, insbesondere der Resolution 1269 vom 19. Oktober 1999; 5. bekundet seine Bereitschaft, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um auf die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 zu antworten, und jede Form des Terrorismus in Übereinstimmung mit seinen Verantwortlichkeiten nach der Charta der Vereinten Nationen zu bekämpfen; 6. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben. 45 Resolution 1373 (2001) verabschiedet auf der 4385. Sitzung des Sicherheitsrats am 28. September 200l (Quelle: Auswärtiges Amt – www.auswaertiges-amt.de) in Bekräftigung seiner Resolutionen 1269 (1999) vom 19. Oktober 1999 und 1368 (2001) vom 12. September 2001, arbeit und durch die volle Durchführung der einschlägigen internationalen Übereinkünfte betreffend den Terrorismus zu verhüten und zu bekämpfen, sowie in Bekräftigung seiner unmissverständlichen Verurteilung der Terroranschläge, die am 11. September 2001 in New York, Washington und Pennsylvania stattgefunden haben, und mit dem Ausdruck seiner Entschlossenheit, alle derartigen Handlungen zu verhüten, in der Erkenntnis, dass die Staaten die internationale Zusammenarbeit durch zusätzliche Maßnahmen ergänzen müssen, um die Finanzierung und Vorbereitung terroristischer Handlungen in ihrem Hoheitsgebiet mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu verhüten und zu bekämpfen, in Bekräftigung des naturgegebenen Rechts zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, das in der Charta der Vereinten Nationen anerkannt und in der Resolution 1368 (2001) bekräftigt wird, in Bekräftigung des von der Generalversammlung in ihrer Erklärung vom Oktober 1970 (Resolution 2625 XXV aufgestellten und vom Sicherheitsrat in seiner Resolution 1189 (1998) vom 13. August 1998 bekräftigten Grundsatzes, dass jeder Staat verpflichtet ist, die Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung terroristischer Handlungen in einem anderen Staat oder die Teilnahme daran oder die Duldung organisierter Aktivitäten in seinem eigenen Hoheitsgebiet, die auf die Begehung solcher Handlungen gerichtet sind, zu unterlassen, Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung der Notwendigkeit, durch terroristische Handlungen verursachte Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit mit allen Mitteln, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, zu bekämpfen, zutiefst besorgt über die in verschiedenen Weltregionen zu verzeichnende Zunahme terroristischer Handlungen, die durch Intoleranz oder Extremismus motiviert sind, mit der Aufforderung an die Staaten, dringend zusammenzuarbeiten, um terroristische Handlungen namentlich durch verstärkte Zusammen46 tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, beschließt, dass alle Staaten die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen werden; die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar, durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass diese Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen werden; unverzüglich Gelder und sonstige finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen von Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern, sowie von Institutionen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen stehen, und von Personen und Institutionen, die im Namen oder auf Anweisung dieser Personen und Institutionen handeln, einfrieren werden, einschließlich der Gelder, die aus Vermögen stammen oder hervorgehen, das unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen und mit ihnen verbundener Personen und Institutionen steht; d) ihren Staatsangehörigen oder allen Personen und Institutionen in ihrem Hoheitsgebiet untersagen werden, Gelder, finanzielle Vermögenswerte oder wirt- schaftliche Ressourcen oder Finanz- oder damit zusammenhängende Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar zum Nutzen von Personen zur Verfügung zu stellen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen, erleichtern oder sich daran beteiligen, oder zum Nutzen von Institutionen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen stehen oder zum Nutzen von Personen und Institutionen, die im Namen oder auf Anweisung dieser Personen handeln; 2. beschließt außerdem, dass alle Staaten a) es unterlassen werden, Institutionen oder Personen, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind, in irgendeiner Form aktiv oder passiv zu unterstützen, indem sie namentlich die Anwerbung von Mitgliedern terroristischer Gruppen unterbinden und die Belieferung von Terroristen mit Waffen beendigen; b) die erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden, um die Begehung terroristischer Handlungen zu verhüten, namentlich durch die frühzeitige Warnung anderer Staaten im Wege des Informationsaustauschs; c) denjenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, einen sicheren Zufluchtsort verweigern werden; d) diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern werden, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke gegen andere Staaten oder deren Angehörige zu nutzen; e) sicherstellen werden, dass alle Personen, die an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen oder an deren Unterstützung mitwirken, vor Gericht gestellt werden, dass diese terroristischen Handlungen zusätzlich zu allen sonstigen Gegenmaßnahmen als schwere Straftaten nach ihrem innerstaatlichen Recht umschrieben werden und dass die Strafe der Schwere dieser terroristischen Handlungen gebührend Rechnung trägt; f) einander größtmögliche Hilfe bei strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren im Zusammenhang mit der Finanzierung oder Unterstützung terroristischer Handlungen gewähren werden, einschließlich Hilfe bei der Beschaffung des für die Verfahren notwendigen Beweismaterials, das sich in ihrem Besitz befindet; g) die Bewegung von Terroristen oder terroristischen Gruppen verhindern werden, indem sie wirksame Grenzkontrollen durchführen und die Ausgabe von Identitätsdokumenten und Reiseausweisen kontrollieren und Maßnahmen zur Verhütung der Nachahmung, Fälschung oder des betrügerischen Gebrauchs von Identitätsdokumenten und Reiseausweisen ergreifen; 3. fordert alle Staaten auf, a) Wege zur Intensivierung und Beschleunigung des Austauschs operationaler Informationen zu finden, insbesondere im Bezug auf Handlungen oder Bewegungen von Terroristen oder Terroristennetzen, auf gefälschte oder verfälschte Reiseausweise, den Handel mit Waffen, Sprengstoffen oder sicherheitsempfindlichem Material, die Nutzung von Kommunikationstechnologien durch terroristische Gruppen und die Gefahr, die von Massenvernichtungswaffen im Besitz terroristischer Gruppen ausgeht; b) im Einklang mit dem Völkerrecht und dem jeweiligen innerstaatlichen Recht Informationen auszutauschen und in Verwaltungsund Justizfragen zusammenzuarbeiten, um die Begehung terroristischer Handlungen zu verhüten; c) insbesondere im Rahmen bilateraler und multilateraler Regelungen und Vereinbarungen zusammenzuarbeiten, um Terroranschläge zu verhüten und zu bekämpfen und Maßnahmen gegen die Täter zu ergreifen; d) so bald wie möglich Vertragsparteien der einschlägigen internationalen Übereinkünfte und Protokolle betreffend den Terrorismus zu werden, namentlich des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999; 47 e) ihre Zusammenarbeit zu verstärken und die einschlägigen internationalen Übereinkünfte und Protokolle betreffend den Terrorismus sowie die Resolutionen des Sicherheitsrats 1269 (1999) und 1368 (2001) vollinhaltlich durchzuführen; f) bevor sie einer Person Flüchtlingsstatus gewähren, im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sich zu vergewissern, dass der Asylsuchende keine terroristischen Handlungen geplant oder erleichtert oder sich daran beteiligt hat; g) in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sicherzustellen, dass diejenigen, die terroristische Handlungen begehen, organisieren oder erleichtern, den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen und dass angebliche politische Beweggründe nicht als Grund anerkannt werden, Anträge auf die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen abzuweisen 48 4. nimmt mit Besorgnis Kenntnis von der engen Verbindung zwischen dem internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, unerlaubten Drogen, der Geldwäsche, dem unerlaubten Waffenhandel und der unerlaubten Verbringung nuklearer, chemischer, biologischer und anderer potenziell tödlicher Materialien und betont in diesem Zusammenhang, dass die Anstrengungen auf einzelstaatlicher, subregionaler, regionaler und internationaler Ebene besser koordiniert werden müssen, um die weltweite Reaktion auf diese ernste Herausforderung und Bedrohung der internationalen Sicherheit zu verstärken; 5. erklärt, dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen und dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen; 6. beschließt, im Einklang mit Regel 28 seiner vorläufigen Geschäftsordnung, einen aus allen Ratsmitgliedern bestehenden Ausschuss des Sicherheitsrats einzusetzen, der die Durchführung dieser Resolution unter Heranziehung geeigneten Sachverstands überwachen wird, und fordert alle Staaten auf, dem Ausschuss spätestens 90 Tage nach Verabschiedung dieser Resolution und anschließend nach einem von dem Ausschuss vorzuschlagenden Zeitplan über die Schritte Bericht zu erstatten, die sie zur Durchführung dieser Resolution ergriffen haben; 7. weist den Ausschuss an, seine Aufgaben festzulegen, binnen 30 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution ein Arbeitsprogramm vorzulegen und im Benehmen mit dem Generalsekretär zu erwägen, welche Unterstützung er benötigt; 8. bekundet seine Entschlossenheit, im Einklang mit seinen Verantwortlichkeiten nach der Charta alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die vollinhaltliche Durchführung dieser Resolution sicherzustellen; 9. beschließt, mit dieser Angelegenheit befasst zu bleiben. Impressum Redaktionsschluss: 01. März 2002 Herausgeber: Bundesministeriums des Innern Referat Öffentlichkeitsarbeit Alt-Moabit 101 D 10559 Berlin www.bmi.bund.de Redaktion: Dr. Joseph Dolezal, BMI Gesamtgestaltung und Redaktion: Heimbüchel PR Kommunikation und Publizistik GmbH, Köln/Berlin Verantwortlich (i.S.d.P.): Dr. Bernd Heimbüchel Redaktion: Karin Lukas, Frank Geuenich Gestaltung: Thomas Allenstein, Christian Fuhl, Miria Marx Bildnachweis: Bundesministerium des Innern Druck: Werbedruck GmbH Horst Schreckhase 34286 Spangenberg Auflage: 5.000 Exemplare Die Broschüre kann kostenlos bestellt werden bei: IBRo Funk und Marketing GmbH Kastanienweg 1 18184 Roggentin Telefon: 03 82 04 - 66 - 543 E-Mail: [email protected] Diese Broschüre wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums des Innern kostenlos herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.