Der 11.September 2001 und seine Folgen

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Der 11.September 2001 und seine Folgen
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Der 11. September 2001
und seine Folgen
Dokumentation aus dem
Bundesministerium des Innern
Der 11. September 2001
und seine Folgen
Dokumentation aus dem
Bundesministerium des Innern
Vorwort von Bundesinnenminister
Otto Schily
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Der internationale Terrorismus hat mit den Anschlägen vom 11. September 2001
eine neue Dimension erreicht und ist zu einer weltweiten Bedrohung geworden.
Der Gewalt, der logistischen Vernetzung der Täter und ihrer langfristig angelegten, grenzüberschreitenden Strategie müssen wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten.
Die Bundesrepublik Deutschland ist entgegen manchen Befürchtungen bisher
von Anschlägen verschont geblieben, sicher auch, weil Polizei und Nachrichtendienste ihre Aufklärungsarbeit gegenüber islamistisch-fundamentalistischen
Gruppen schon vor dem 11. September 2001 begonnen und danach erheblich
verstärkt haben. Es gab wichtige Fahnundungserfolge. Die Menschen in Deutschland können sich darauf verlassen, dass die Sicherheitsbehörden in Bund und
Ländern alles tun, um den höchstmöglichen Schutz vor Terroranschlägen zu gewährleisten.
Die Bundesregierung hat unmittelbar nach den Anschlägen mit einem Bündel
von Sofortmaßnahmen und einer Reihe von Gesetzesregelungen reagiert, den Sicherheitspaketen I und II. Aber auch vorher war sich die Bundesregierung der
terroristischen Gefahr bewusst. Maßnahmen wie die Änderung des Vereinsgesetzes mit der Abschaffung des Religionsprivilegs, um extremistische Vereinigungen zu verbieten, die unter dem Deckmantel der Religion gegen unsere Verfassung und die friedliche Völkerverständigung arbeiten, befanden sich schon in
Vorbereitung. Seit Beginn meiner Amtszeit habe ich konsequent dafür Sorge getragen, dass die personelle und finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden
in angemessenem Umfang ausgebaut wurde.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist seit dem 1. Januar 2002 in Kraft. Zahlreiche Sicherheitsgesetze wurden der neuen Bedrohungslage angepasst.
Die Bundesregierung verfolgt dabei diese Ziele:
- den Sicherheitsbehörden die nötigen Befugnisse zu einer effektiven Bekämpfung der neuen Form des Terrorismus zu geben,
- den Datenaustausch zwischen den Behörden zu verbessern,
- die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland zu verhindern,
- bereits im Inland befindliche Extremisten besser zu erkennen,
- die Überprüfung bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten zu verstärken,
- Rechtsgrundlagen für die Aufnahme biometrischer Merkmale in Pässe und
Personalausweise zu schaffen und
- Aktivitäten extremistischer Ausländergruppen in Deutschland rascher zu unterbinden.
Es ist und bleibt mein fester Wille, alles zu tun, um das Netzwerk des Terrorismus mit der gebotenen Konsequenz und Entschiedenheit zu bekämpfen.
Es geht jedoch nicht allein um die polizeiliche Verfolgung von Terrorismus. Wir
brauchen in unserer Gesellschaft, in den Kirchen, den Verbänden, den Schulen
und den Medien eine geistig-politische Auseinandersetzung mit Fundamentalisten und Extremisten, die unser friedliches Zusammenleben gefährden. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft gelähmt wird, dass Angst und Schrecken Platz greifen. Terrorismus will diesen Schreckenseffekt erzielen, wie sein
Name sagt. Die Antwort auf Terrorismus heißt auch, dass wir unser gewohntes
Leben fortführen, gleichzeitig aber alles Notwendige für die innere Sicherheit tun.
Wer durch Terror und Kriminalität bedroht wird, lebt nicht frei. Ein Mensch,
dessen Leben sowie Hab und Gut durch Kriminelle oder Terroristen bedroht
wird, ist kein freier Mensch. Sicherheit ist ein anderes Wort für den Frieden im
Innern. Deshalb verpflichtet Artikel 1 des Grundgesetzes den Staat zum aktiven
Schutz der Menschenwürde.
Von Wilhelm von Humboldt stammt das Wort: „Ohne Sicherheit vermag der
Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen;
denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“ Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wird auch in den Sicherheitspakten I und II gewahrt, daher finde ich es
seltsam, dass manche die angebliche Bedrohung durch den Staat für gefährlicher halten als die Bedrohung durch Kriminalität, Terror und Gewalt.
Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger haben sich nach den Terroranschlägen an
das Bundesinnenministerium gewandt und Besorgnis, ja Angst geäußert oder
um Informationen gebeten. Diese Dokumentation will Sie in chronologischer
Folge über die wichtigsten innenpolitischen Initiativen seit dem 11. September
2001 informieren. Sie können sich anhand von Reden, Interviews und Informationen zu den wichtigsten gesetzgeberischen und administrativen Regelungen
ein eigenes Bild darüber machen, wie die Bundesregierung für Freiheit und Sicherheit in unserem Land sorgt.
In manchen Texten werden die Dramatik dieser Tage und Wochen und die Intensität der politischen Diskussion deutlich. Ich hoffe und wünsche, dass diese
Dokumentation zum besseren Verständnis der eingeleiteten Maßnahmen und
damit zur Versachlichung der Diskussion beiträgt.
Otto Schily
Bundesminister des Innern
Berlin, im März 2002
Inhalt
1. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zu den Terroranschlägen
in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen sowie der NATO vor dem Deutschen Bundestag am 19. September 2001 in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2. „Ich will nicht nur Sicherheit“. Interview von Bundesinnenminister
Otto Schily in: DIE ZEIT (39/2001) vom 20. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 8
3. „Das ist Gespensterseherei“. Bundesinnenminister Otto Schily im
SPIEGEL-Gespräch (Nr. 39/2001) vom 24. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 12
4. Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Kriminalität und des Terrorismus. Rede von Bundesinnenminister Otto
Schily vor dem Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 . . . . . . . . . . . . 15
5. Modernes Kommunikationssystem garantiert zeitnahe und bundesweite Warnung. Erklärung von Bundesinnenminister Otto Schily
vom 15. Oktober 2001 zum neuen satellitengestützten Kommunikationssystem für Warndurchsagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
6. „Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus jetzt zu tun
ist“. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU vor dem Deutschen Bundestag am 18. Oktober 2001
(Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
7. „Wir machen keinen Basarhandel“. Bundesinnenminister Otto Schily
im SPIEGEL-Gespräch (Nr. 44/2001) vom 29. Oktober 2001 . . . . . . . . . . . . . 22
8. Globalisierung und interkulturelle Kompetenz. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily an der Fudan-Universität Shanghai am 2. November 2001 (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
9. Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs).
Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister des
Innern, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, MdB, anlässlich der 2./3. Lesung
des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung
des Religionsprivilegs) vor dem Deutschen Bundestag am 9. November 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
10. Finanzielle und personelle Ausstattung für die innere Sicherheit wird
2002 erheblich ausgebaut. Presseerklärung zur Verwendung der zusätzlichen Mittel aus dem sog. 3-Milliarden-Programm zur Bekämpfung
des Terrorismus vom 26. November 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
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11. Bundesinnenminister Otto Schily verbietet islamistische Vereinigung
„Kalifatsstaat“. Presseerklärung vom 12. Dezember 2001 . . . . . . . . . . . . . . . 33
12. Solidarität mit Amerika. Erklärung von Bundesinnenminister Otto
Schily anlässlich eines Treffens mit dem Justizminister der Vereinigten
Staaten, John Ashcroft, am 14. Dezember 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
13. Das zweite Antiterrorgesetz in der Kritik. Interview des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Fritz Rudolf
Körper, MdB, im Deutschlandfunk am 14. Dezember 2001 (Auszug). . . . . . 37
14. Basisinformation zum Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern. Presse
erklärung vom 15. Januar 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
15. Datennetze gegen Anschläge sichern – Alarm per Internet und künftig
auch per Handy. Presseerklärung von Bundesinnenminister Otto Schily
vom 16. Januar 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39
16. Geldwäsche mit modernen Instrumentarien effektiv bekämpfen. Presseerklärung zum Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zur verbesserten Geldwäschebekämpfung vom 20. Februar 2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Anhang I: Information zum Terrorismusbekämpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 42
Anhang II: Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368
vom 12. September 2001 und 1373 vom 28. September 2001 . . . . . . . . . . . . . . 45
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1. Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO vor dem
Deutschen Bundestag am 19. September 2001 in Berlin
Wenige Tage nach den Anschlägen debattierte der Deutsche Bundestag erstmals
über die politischen Folgen. In der Debatte sprach auch der Bundesinnenminister:
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren
Kolleginnen und Kollegen!
Heute erinnere ich mich an
die US-amerikanischen Soldaten, die ihr Leben im Kampf
gegen den Faschismus, den
Nationalsozialismus geopfert
und aufs Spiel gesetzt haben.
Ich erinnere mich an die USamerikanischen Soldaten, die
am Ende des Krieges mit uns
Kindern ihre Essensrationen
geteilt haben. Ich erinnere
mich an die jungen Amerikaner, die zu uns gekommen
sind, um die Demokratie in
Deutschland aufzubauen. Ich
erinnere mich an die amerikanischen Geschäftsleute, die –
so im Gespräch mit meinem
Vater – zusammen mit ihren
ehemaligen Feinden die Wirtschaft in Deutschland wieder
aufgebaut haben. Ich erinnere
mich an den Tag, an dem wir
gemeinsam vor dem Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zugejubelt haben, weil er
an der Seite Berlins und für
Freiheit stand. Ich erinnere
mich an viele Gespräche mit
vielen respektablen Botschaftern der Vereinigten Staaten,
Herrn Burns, Herrn Burd,
Herrn Kornblum und anderen, die in großer demokratischer Offenheit auch über
Meinungsverschiedenheiten
in der Politik mit uns gesprochen haben. Ich erinnere
mich an die Worte des amerikanischen Präsidenten Bush
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vor der Mauer hier in Berlin.
Ich finde, wir haben allen
Grund, in diesen Tagen die
Unverbrüchlichkeit der Freundschaft zu Amerika zu betonen.
Das ist nicht nur eine Frage
der Rhetorik, sondern etwas,
was unser Volk mit dem amerikanischen Volk verbindet,
der Nation, die in der Menschheitsgeschichte allen voran als
Symbol für die Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie gilt.
In diesen Tagen sind wir Zeugen mörderischer Verbrechen
geworden, deren grauenvolle
Dimension uns alle im tiefsten
Innern erschauern lässt. Es
sind Verbrechen, in denen
sich Hass, Fanatismus, Feindschaft und Menschenverachtung auf unvorstellbare und
erschreckende Weise verdichtet haben. Es sind Tage des
Schreckens, der Trauer und
des Zorns. Es sind für viele –
das ist schon in einigen Debattenbeiträgen gesagt worden –
auch Tage der Sorgen, der
Angst und der Furcht. In dieser Lage muss jeder seine Verantwortung kennen und wahrnehmen. Wir müssen Festigkeit und Entschlossenheit beweisen. Zaghaftigkeit und Unsicherheit dürfen nicht die Devise sein. Wir sind auf die Mitwirkung aller angewiesen.
Deshalb danke ich heute dem
gesamten Parlament – ich
möchte über ein paar kleinere
Unstimmigkeiten hinwegsehen –, dass es diese Einmütigkeit bewiesen hat.
Wir sollten diese Einmütigkeit
in den Vordergrund rücken.
Ich bedanke mich auch für
das Angebot zur Zusammenarbeit. Gernot Erler und Frau
Merkel haben es hier mit
Recht angesprochen: Ich glaube in der Tat, dass uns der
American Spirit, der Geist des
Mutes und des aufrechten
Ganges, den wir heute in
Amerika beobachten können,
als Vorbild dienen kann. Die
Feuerwehrleute, die Bergungskräfte, die Börsianer, die
Schuhputzer, die Krankenschwestern, die unzähligen
Menschen, die sich zur Blutspende bereit erklärt haben,
und auch Hillary Clinton mit
ihrer eindrucksvollen Rede
sind Vorbilder für uns. Wir
sollten in dieser Situation von
unserer Zaghaftigkeit und von
unserem Hang zum Pessimismus Abschied nehmen.
Ich bin fest davon überzeugt,
dass wir mit Entschlossenheit,
Klarheit und Festigkeit den
Kampf gegen den Terrorismus
gewinnen werden. Aber dieser
Kampf wird schwierig werden
und er wird lange dauern.
Darüber sollte sich niemand Illusionen machen. Ich neige
bekanntlich nicht zu Dramatisierungen und Übertreibungen. Ich bin für realistische
Einschätzungen. Ich habe ak-
tuell stets darauf hingewiesen,
dass im Augenblick keine konkrete Gefahr für unser Land
besteht. Das ist die Einschätzung unserer Dienste und unserer europäischen Nachbarn.
Aber niemand sollte sich über
den Ernst der Lage täuschen.
Die Sicherheitssituation kann
sich in sehr kurzer Frist grundlegend verändern.
Es ist allerdings nicht hilfreich,
wenn sich einige in der Ausmalung ausufernder Schreckensszenarien überbieten.
Nicht hilfreich ist ebenso,
wenn manche die engagierte,
gefahrvolle und schwere Arbeit unserer Polizei und unserer Sicherheitsdienste wider
besseres Wissen bemäkeln.
Gerade jetzt und auch künftig
sollten wir unserer Polizei, den
Sicherheits- und den Verfassungsschutzbehörden unsere
besondere Anerkennung, unseren besonderen Dank und
auch unser Vertrauen aussprechen. Aber selbstverständlich
werden wir unsere Anstrengungen erhöhen müssen.
Manche Gemächlichkeit und
Umstandskrämerei müssen wir
ablegen. In meinem Haus gilt
der Grundsatz – der gerade im
Bereich der inneren Sicherheit
seine Bedeutung hat –, dass
sich niemand dadurch auszeichnet, dass er mir umständlich erklärt, was angeblich
nicht geht. Vielmehr kam und
kommt es stets darauf an,
rasch herauszufinden, was
geht, was zum Erfolg führt.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge haben
wir zu Sofortmaßnahmen gegriffen, im Bereich der Luftsicherheit, der Verkehrswege,
der Infrastruktur insgesamt,
des Objektschutzes. Wir haben
unsere Aufklärungsmaßnahmen verstärkt. Denn Aufklä-
rung ist natürlich das wichtigste Mittel im Kampf gegen den
Terrorismus. Wir werden heute im Kabinett eine Reihe von
weiteren Maßnahmen beschließen. Diese, Herr Merz,
sind – ich sage dies, damit bei
Ihnen kein Irrtum entsteht –
noch nicht vollständig; das
wird weiterzuführen sein. Ich
bedanke mich jedoch schon
jetzt ausdrücklich für das Angebot, das Sie, Herr Merz, gemacht haben, in diesen Fragen eng mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist der Konsens der Demokraten, der jetzt
im Vordergrund stehen muss.
Ich bin froh darüber, dass Bedenken, die in kirchlichen
Kreisen zeitweise durchaus
vorhanden waren, überwunden werden konnten und dass
wir jetzt endlich dem Zustand
ein Ende bereiten, dass Vereine, die sich mit religiösen Zielsetzungen tarnen, weiter ihr
Unwesen treiben dürfen. Wir
werden das Religionsprivileg
im Vereinsrecht beseitigen.
Wir müssen zusammen mit
der Polizei und unter Anwendung des Strafrechtes dafür
sorgen, dass wir alle terroristischen Gruppen erfassen, nicht
nur jene, die ihre Zielsetzungen mit Aktivitäten im Innern
entfalten. Deshalb ist es dringend erforderlich, das Strafgesetzbuch zu ändern. Wir werden das umsetzen, indem wir
einen § 129 b einfügen.
Wir werden darüber hinaus
auch andere Maßnahmen ergreifen müssen, etwa im Bereich der Überprüfung des Sicherheitspersonals beim Luftverkehr. Auch dafür werden
wir heute die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Überdies werden wir – das ist
schon von mehreren angesprochen worden – dafür sorgen müssen, dass wir den Gel-
dern auf die Spur kommen,
mit denen der Terrorismus
Mord und Totschlag finanziert. Das ist ja einer der
schrecklichsten Zusammenhänge, derer wir ansichtig
werden.
Meine Damen und Herren,
wir werden uns von manchen
Vorurteilen und Denkgewohnheiten verabschieden müssen.
An anderer Stelle werden wir
über das Zuwanderungsgesetz
zu reden haben. Ich werde
mich – das sichere ich Ihnen
zu – von diesem Projekt nicht
verabschieden.
Das wäre ein Sieg der Terroristen. Diesen Sieg dürfen wir
nicht zulassen. Ich bin dem
Herrn Bundeskanzler für das
dankbar, was er in seiner Regierungserklärung dazu gesagt hat. Aber eines muss auch
klar sein: Das Sicherheitsproblem bei der Zuwanderung ist
gar nicht in erster Linie ein
Problem der Arbeitsmigration,
die wir steuern und regeln
wollen, sondern die Frage danach, welche Personen unter
dem Zeichen des Flüchtlingsoder Asylschutzes zu uns kommen. Darunter befinden sich
leider einige, die das Asyl- und
das Flüchtlingsrecht missbrauchen. Wenn sich unter denen
einige befinden, die terroristischen Aktionen dienen, dann
müssen wir – das versteht sich
von selber – diesen Herrschaften auf die Spur kommen.
Deshalb darf mir und anderen
an dieser Stelle niemand in
den Arm fallen: Es kann nicht
sein, dass bestimmte Dateien,
die wir zur Verfügung haben,
um diese Dinge aufzuklären,
nicht genutzt werden. Datenschutz ist in Ordnung, aber
der Datenschutz darf nicht zur
Behinderung von Kriminalitäts- oder Terrorismusbekämpfung führen.
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2. „Ich will nicht nur Sicherheit“
Bundesinnenminister Otto Schily über die Schwierigkeiten, eine Strategie gegen den
neuen Terror zu finden im Interview in: „Die Zeit“ (39/2001 ) vom 20. September 2001
DIE ZEIT: Herr Minister, was
waren Ihre ersten Gedanken,
als Sie von diesem schrecklichen Attentat in New York
und Washington hörten?
Otto Schily: Ich habe es bei
CNN gesehen, auch den
zweiten Flugzeugangriff. Es
war sofort erkennbar, dass es
sich um eine gesteuerte Aktion handelte. Es hatte etwas
Unwirkliches. Aber ich will
nicht über Gefühle sprechen.
Dieser Anschlag ist ein tiefer
Einschnitt in der Entwicklung der Menschheit. Der
Angriff auf die Zentren einer
Nation, die in der Tradition
der Menschheitsgeschichte
wie keine andere Menschenrechte, Freiheit, Demokratie
verkörpert, einer Nation, der
wir Deutschen Demokratie,
Freiheit und Rechtsstaat verdanken, das erreicht eine
Größenordnung, die mit
Recht als eine historische Zäsur wahrgenommen wird.
DIE ZEIT: Krieg ist in aller
Munde. Ist „Krieg“ für Sie überhaupt eine taugliche Kategorie
hierfür?
Schily: Krieg in dem Sinne,
dass es eine Kampfansage ist
an alle zivilisatorischen Werte, die wir gemeinsam errungen haben. Manche meinten
ja, das Ende der Geschichte
sei erreicht, weil wir Freiheit
und Demokratie weltweit
durchgesetzt haben – das erweist sich offenbar als Irrtum.
DIE ZEIT: Was genau ist denn
das Neue für Sie?
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Schily: Das Neue ist, dass der
Anschlag eine als unverwundbar geltende Macht trifft und
von einer Gewissenlosigkeit
und kriminellen Intensität
zeugt, die das eigene Leben
und das Tausender unschuldiger Menschen nicht schont.
DIE ZEIT: Die Spur dieser Verbrechen führt auch nach
Deutschland. Gehörte zu
Ihren ersten Gedanken, dass
die Sicherheitssysteme versagt haben könnten?
Schily: Gewiss muss man darüber nachdenken, ob an der
einen oder anderen Stelle die
Aufklärungsmaßnahmen hätten intensiver sein können.
Diese Frage stellt sich aber
nicht nur uns, sondern allen
Beteiligten, den Vereinigten
Staaten von Amerika, anderen europäischen Staaten,
Staaten außerhalb der Europäischen Union. Wir müssen unsere Aufklärungsstrategien neu orientieren. Das ist
schwierig, wenn es sich bei
den Tätern um Personen handelt, die sich durch völlig unauffälliges Verhalten tarnen,
die ihre Studien mit den besten Zensuren abschließen
und ein ganz bürgerliches Leben führen, bei denen nichts
darauf deutet, dass ein solches Leben in irgendein terroristisches Verbrechen eingehen könnte. Ein Nachrichtendienst oder die Polizei können ja nicht Verdacht schöpfen, weil einer sich besonders
unauffällig verhält.
Das macht die Frage umso
wichtiger, wie Datenbestände
bei uns umfassend genutzt,
wie sie miteinander verbunden, wie sie miteinander abgeglichen werden und welchen Rang man dabei den Sicherheitsinteressen einräumt.
Und da darf man, das sage
ich auch sehr klar, nicht einfach an der Frage vorbeigehen, ob der Datenschutz bei
solchen Konstellationen nicht
neu definiert werden muss.
Ich jedenfalls will die Möglichkeiten der Abfrage von
Daten und des Datenvergleichs erweitern und verbessern. Wir müssen auch unsere Visiere bei der Aufklärung
neu justieren, zum Beispiel
durch anderen Profile.
DIE ZEIT: Mit einer Regelanfrage?
Schily: Die Regelanfrage
beim Verfassungsschutz
gehört dazu. Bei der Einbürgerung haben wir schon die
Möglichkeit geschaffen. Es
war eines meiner Anliegen
beim neuen Staatsangehörigkeitsrecht, auch die Sicherheitsfragen erheblich stärker
zu gewichten.
DIE ZEIT: Regelanfragen
künftig schon bei der Visaerteilung?
Schily: Fall- und situationsbezogen: ja. Selbstverständlich
nicht bei jedem Visum, aber
zum Beispiel bei Personen,
die aus einem bestimmten
Konfliktgebiet kommen.
DIE ZEIT: Jetzt setzen Sie auf
Rasterfahndung nach neuen
Kriterien? Vielleicht auch auf
einen neuen § 129b, der die
„Werbung“ für internationale
terroristische Vereinigungen
verbietet? Und das zu einem
Zeitpunkt, da sich die Bundesrepublik gerade als weltoffen zeigen und ausländische
Fachleute ins Land komplimentieren wollte.
Schily: Das ist kein Widerspruch. Es ist meine feste
Überzeugung – und das war
schon in den siebziger Jahren
so –, dass die Rasterfahndung
individuelle Schutzrechte
nicht verletzt. Denn sensible
Daten von unbescholtenen
Bürgern, die damit vielleicht
überprüft werden, werden am
Schluss der Rasterfahndung
wieder ausgekämmt. Auch ein
Polizeibeamter darf prüfen, ob
sich im Rahmen von Ermittlungen und Observationen Zusammenhänge ergeben. Warum soll das nicht auch bei Dateien und unter Inanspruchnahme der modernen technischen Möglichkeiten zulässig
sein? Die Frage ist, an welchen
Datenbeständen man rastern
kann und muss und wo nicht.
So muss man zum Beispiel
prüfen, ob Visadaten der Polizei zugänglich werden. Das ist
heute weitgehend nicht der
Fall. Wir werden auch im Rahmen der Zuwanderungsregelung das Aufenthaltsrecht an
der einen oder anderen Stelle
verschärfen. Das steht nicht
im Widerspruch zu Weltoffenheit und zu dem Wunsch, im
Rahmen unserer eigenen wirtschaftlichen Interessen Zuwanderung zu steuern, allerdings auch zu begrenzen.
DIE ZEIT: Für Bayerns Innenminister Beckstein ist es zum
Beispiel unvorstellbar, jetzt
darüber zu reden, ob man
Leute aus der arabischen
Welt leichter ins Land lässt,
ganz egal, ob wir sie aus wirt-
schaftlichen Gründen dringend brauchen oder nicht.
Schily: Herr Beckstein hat
manchmal die Eigenschaft,
Dinge so darzustellen, dass
sie die Öffentlichkeit irreführen. Als ob es im Moment
darum ginge, dass wir jetzt
Hunderte oder auch nur Einzelne aus den arabischen Ländern anwerben. Das ist eine
völlige Verkehrung dessen,
was real stattfindet. Von dort
kommen heute nicht die Spezialisten, die unsere Wirtschaft braucht. Außerdem
können nicht alle Araber unter Generalverdacht gestellt
werden. Das wäre verhängnisvoll, auch politisch, wenn wir
alle Araber dafür in Haftung
nähmen, weil es unter ihnen
Verbrecher gibt. Es gibt auch
deutsche Verbrecher, und es
können deshalb nicht alle
Deutschen ausgesperrt werden.
DIE ZEIT: Es wird also ein Zuwanderungs- und nicht nur
ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz geben?
Schily: Unsere Antwort auf
die Ereignisse kann nicht
sein, dass wir unsere Wirtschaft vernachlässigen, ganz
im Gegenteil. Was uns aus Sicherheitsgründen Sorgen
macht – und das muss man
offen ansprechen –, sind weitgehend Personen, die unter
dem Vorwand, sie hätten irgendeinen Flüchtlings- oder
Asylstatus, hierher gekommen sind. Diese Tatsache
kann man nicht aus vermeintlichen humanitären
Überlegungen beiseite schieben. Straftäter und andere
Personen, die die Sicherheit
unseres Staates gefährden,
werden auch von der Genfer
Flüchtlingskonvention vom
Schutz ausgenommen. Im geplanten Zuwanderungsgesetz
nehmen wir darauf ausdrücklich Bezug. Gleichwohl haben
wir aus anderen Gründen immer noch eine Grenze, die
besagt, dass wir niemanden
in den Tod, niemanden in die
Folter schicken. Selbst an der
Stelle aber müssen wir uns
überlegen, wie wir mit potenziellen Terroristen umgehen.
DIE ZEIT: Wie zum Beispiel?
Schily: Ich bin dafür, dass wir
hier auch unkonventionelle
Überlegungen einbeziehen.
Wenn es sich um Personen
handelt, denen wir aus unseren Sicherheitsinteressen heraus keinen Flüchtlingsstatus
zubilligen, die wir aber zugleich wegen drohender Gefahr für Leib und Leben nicht
in ihr Herkunftsland abschieben können, müssen wir uns
überlegen, ob wir nicht andere Weltgegenden finden, wo
sie keine Gefahr für die Sicherheit darstellen, wie das
hier in dem sehr sicherheitsempfindlichen Deutschland
der Fall ist.
DIE ZEIT: Also algerische Asylanten ab nach Pakistan?
Schily: Es gibt einige Möglichkeiten, aber sie eignen
sich nicht für eine öffentliche
Erörterung. Das Problem betrifft übrigens nicht nur diesen extremistisch-terroristischen Bereich, es geht auch
um andere Kriminalitätsbereiche. Es gibt zum Beispiel
viele Personen, die auf jede
erdenkliche Weise ihre Abschiebung hintertreiben,
etwa durch falsche Identitätsangabe und sonstige Betrügereien. Oder das Herkunftsland ist nicht kooperationsbereit. Warum sollte es dann
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nicht zulässig sein, diese Personen in ein Drittland abzuschieben, mit dem wir entsprechende Vereinbarungen
abschließen? Das ist doch besser, als wenn die Personen
sich bei uns im Drogen- oder
Menschenhandel tummeln.
DIE ZEIT: Das alles erzeugt
den Eindruck, vielleicht auch
die Illusion, allein mit polizeilichen Mitteln alle Sicherheitslücken schließen zu können.
Schily: Neben dem entschlossenen Einsatz von repressiven
Mitteln – und da gelte ich nun
wahrlich nicht als zaghaft –
bleiben die präventiven Strategien die weitaus wichtigeren. Deshalb sage ich auch,
wir müssen uns der Frage zuwenden, wie eigentlich Menschen zu solchen schrecklichen Handlungen kommen.
Jedes Verbrechen beginnt im
Geist und in der Seele eines
Menschen. Kein Mensch wird
als Verbrecher geboren. Keiner. Was ist in solch einem
Menschen vor sich gegangen? Was hat der für ein Bild
von der Wirklichkeit, vom
Jenseits, von der Heilserwartung, die ihn in seinen Irrsinn geführt hat?
DIE ZEIT: Sie sprechen nur
von menschlichen, nicht von
sozialen oder politischen Ursachen.
Schily: Gewiss kommt dann
als Komponente mit hinein,
ob das etwas mit sozialen Bedingungen zu tun hat, welche Wahrnehmung von der
Welt, also der globalen Welt
und dem „Hort des Kapitalismus“ und vielleicht der ausgebeuteten Welt jemand hat.
Das eigentlich Erschreckende
aber ist diese Vermengung
von religiösem Fanatismus
und möglicherweise auch sol10
chen kruden Theorien. Wir
hatten doch solche Erscheinungen auch in anderer Form.
Denken Sie an jemanden wie
den kambodschanischen Massenmörder Pol Pot, der Sorbonne-Student war. In die
Überlegungen muss man auch
einbeziehen, dass bei uns heute zwei religiöse Orientierungen – Christentum und Islam
– ziemlich beziehungslos nebeneinander stehen.
lands besteht. Das kann sich
dann ändern, wenn Amerika
bestimmte Entscheidungen
trifft, und es hängt davon ab,
wie sie aussehen.
DIE ZEIT: Darin sehen Sie eines der Versäumnisse?
Schily: Ich habe überhaupt
nicht vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren gesprochen. Ich habe auf ein Problem hingewiesen, das sich
objektiv entwickeln wird. Bei
den künftigen Auseinandersetzungen, die jetzt eine neue
Größenordnung erreicht haben, wird sich die Frage stellen, ob wir zum Teil polizeiliche Strategien auch mit militärischen Mitteln durchsetzen müssen. Wir werden den
Taliban ja wohl kaum ein
Rechtshilfeersuchen mit der
Bitte um Auslieferung von
bin Laden übersenden.
Schily: Ja. Religiöse Toleranz
ist in weitem Maße vorhanden, ein Dialog aber findet
kaum statt. Auch dort müssten wir ansetzen, einen solchen Dialog in Gang zu bringen. Das wird ungemein
schwierig. Es gab Situationen,
wo islamische Strömungen
sehr Positives bewirkt haben.
Denken Sie an die Tradition
der Universität von Fes, denken Sie an die andalusische
Tradition – mit allen Verwerfungen, die damit sicherlich
verbunden waren. Eine präventive Strategie muss den
positiven Dialog der Kulturen
fördern und darauf achten,
die Rekrutierung weiterer
Menschen in hasserfüllte
Strukturen aufzuhalten. Und
leider ist der Nahostkonflikt
geeignet, solche Rekrutierungen zu ermöglichen.
DIE ZEIT: Was soll eigentlich
auf den Prüfstand? Sie sprechen schon von Amtshilfe der
Bundeswehr im Innern. Es
klingt nach Aufrüstung der
Zivilgesellschaft. Gibt es für
Sie keine Tabus?
DIE ZEIT: Es geht Ihnen nicht
um den Einsatz der Bundeswehr hier im Land?
DIE ZEIT: Wie hoch schätzen
Sie das Potenzial selbstmordbereiter Attentäter in Deutschland ein?
Schily: Nein. Die Bundeswehr
kann die militärischen Einrichtungen in unserem Lande
schützen, ihre eigenen und die
unserer Bündnispartner. Unter
Umständen kommt aber auch
ein verstärkter Einsatz der
Bundeswehr im Inneren im
Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen in Betracht.
Schily: In dieser Richtung gibt
es keine konkreten Erkenntnisse. Es ist die zuverlässige Einschätzung unserer Dienste,
dass jedenfalls für den Zeitraum, den wir im Moment zu
überschauen vermögen, keine
konkrete Gefährdung Deutsch-
DIE ZEIT: Die Grenzen zwischen Polizei und Verfassungsschutz zerfließen ohnehin. Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es dazu eine
ganze Reihe von Gesetzesänderungen. Inzwischen sind
auch verdachtsunabhängige
Kontrollen in Grenzgebieten
möglich. Wir haben die Möglichkeit, dass der Bundesnachrichtendienst den internationalen Telefonverkehr überwacht. Wir haben die elektronische Überwachung ...
Schily: ... die akustische
Wohnraumüberwachung, ja.
Und alle Schreckensbilder, die
in der ZEIT dazu gezeichnet
wurden, haben sich als Zerrbilder erwiesen! Mir geht es
nicht darum, Gesetze um der
Gesetze willen zu machen.
Gesetzgeberischer Aktionismus ist nicht meine Sache.
Mir geht es um die Frage, ob
die Sicherheitslage in unserem
Land besser oder schlechter
geworden ist. Einige Neuregelungen brauchen wir. Zum
Beispiel werden wir das Religionsprivileg im Vereinsgesetz beseitigen.
DIE ZEIT: New York ist eine
Tragödie, und es ist eine Chiffre für Verletzbarkeit. Sie dagegen müssen in Ihrer Verantwortung als Minister beruhigen und versprechen, es
gebe Sicherheit.
Schily: Ihre Frage enthält
zwei Missverständnisse. Ich
gehöre nicht zu denen, die
einseitig nur auf Sicherheit
setzen. Ich sage aber, Freiheit
kann nur in Sicherheit gedeihen. Aber umgekehrt ist Sicherheit auch nur in Freiheit
möglich. Die Demokratie erfordert größtmögliche Sicher-
heit. Anders ist Grundrechtschutz nicht erreichbar. Aber
eine hundertprozentige Sicherheit kann eine hoch technisierte Gesellschaft nicht garantieren.
DIE ZEIT: Das kleine Messer
im Flugzeug gegen die hoch
technologische Welt?
Schily: Ich wollte über meine
Gefühle nicht sprechen. Eines
aber will ich Ihnen nicht verschweigen: Ich habe in dem
Moment, als ich CNN einschaltete, auch daran gedacht, was ein solcher Angriff
eigentlich unter der Bedingung des Kalten Krieges bedeutet hätte. Wir wissen, was
dann passiert wäre. Es hat
den Anschein, dass die Militärstrategen an einen Angriff dieser Art überhaupt
nicht gedacht haben. Die Raketenabwehr NMD liegt eher
in der Logik der klassischen
Militärstrategie. Heute aber
stehen wir einem Gegner aus
dem Unsichtbaren gegenüber,
der als Feind so ohne weiteres
nicht erkennbar ist. Da vermischen sich militärische und
polizeiliche Aspekte. Aber wir
sollten uns jetzt auf die konkreten Schritte der Verhinderung solcher Anschläge konzentrieren. Dazu gehört vor
allem die Flugsicherheit. Diese Anschläge wären zu verhindern gewesen, wenn die Sicherheitsvorkehrungen beim
Zugang zum Flugzeug besser
funktioniert hätten.
DIE ZEIT: Wir schaffen nicht
den Rechtsstaat ab, beteuern
Sie. Wo ist dann für diesen Innenminister die „Schmerzgrenze“ erreicht?
Schily: Das kann man nicht
abstrakt bestimmen. Die
Grenze ist erreicht, wenn es
an den Kern der Grundrechte
geht. Eine Grenze, die von
mir nie überschritten werden
würde, ist das Respektieren
des Folterverbots. Ich bin
auch nicht für die Wiedereinführung der Todesstrafe und
wüsste auch nicht, was uns
das in der Frage der Sicherheit für einen Vorteil bieten
würde. Im Gegenteil.
Ich bin aber zugleich dagegen, dass wir einem Dogmatismus huldigen, der zum Teil
alberne Züge trägt. Man kann
einen Vorschlag kritisieren,
wenn man meint, er ist nicht
realisierbar. Unter Gesichtspunkten des Rechtsstaates
aber halte ich es zum Beispiel
für völlig unproblematisch,
weitere Identifizierungsmerkmale in einem Ausweis zu haben neben Lichtbild, Größe,
Augenfarbe, sonstigen Kennzeichen sowie Name, Geburtsort und Geburtsdatum. Warum soll eigentlich nicht auch
ein Fingerabdruck in den Ausweis kommen? Ich wüsste
nicht, welche Einbuße das für
das einzelne Individuum darstellen sollte.
11
3. „Das ist Gespensterseherei“
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) über Versäumnisse der Sicherheitsbehörden,
seine Furcht vor einer zweiten Anschlagswelle und den Protest von Datenschützern
im SPIEGEL-Gespräch (Ausgabe Nr. 39/2001 vom 24. September 2001)
SPIEGEL: Findet es der Bürger Otto Schily beruhigend,
jetzt einen Innenminister zu
haben, der früher mal eine
Terroristin als Rechtsanwalt
vertreten hat, und sich in die
Gedanken solcher Menschen
vielleicht besser versetzen
kann als andere?
Schily: Ja, Erfahrung ist immer gut.
SPIEGEL: Wie würden Sie
Ihren aktuellen Gemütszustand beschreiben?
Schily: Gespannte Ruhe.
SPIEGEL: Wie ernst schätzen
Sie die Bedrohungslage ein?
Schily: Meine Befürchtung ist,
dass nach dieser schrecklichen
ersten Welle von Attentaten
auch eine zweite Welle in
Gang gesetzt werden könnte –
möglicherweise mit ganz anderen Methoden und ganz anderen Zielorten. Aber ich teile
die Auffassung der Sicherheitsdienste, dass die Ziele, die dabei vielleicht angesteuert werden, nicht in erster Linie in
Europa und erst recht nicht in
Deutschland liegen. Wenn die
Vereinigten Staaten allerdings
erst einmal militärisch zurückgeschlagen haben, fürchte ich,
müssen wir damit rechnen,
dass es Resonanzaktionen
auch in Europa geben könnte.
SPIEGEL: Wie viele „Schläfer“
– also potenzielle islamistische
Gewalttäter – leben nach Ihren
Erkenntnissen in Deutschland?
12
Schily: Wir haben bislang
nur Schätzungen.
SPIEGEL: Ihr nordrhein-westfälischer Kollege Fritz Behrens
spricht von bis zu hundert.
Schily: Es kursieren viele
Gerüchte. Es ist nicht Aufgabe eines Innenministers, sich
an solchen Spekulationen zu
beteiligen. Offenkundig ist
nur, dass sich ein Netz islamischer fundamentalistischer
Terroristen über Europa und
die gesamte Welt ausgebreitet hat – auch über Deutschland. Es wird eine sehr mühsame und langwierige Aufgabe sein, dieses Netz aufzuspüren und zu zerschlagen.
SPIEGEL: Sie wollen jetzt ein
Paket von Maßnahmen und
Gesetzesänderungen auf den
Weg bringen. Demnach sind
Sie der Meinung, es habe in
der Vergangenheit Defizite
gegeben, die vielleicht dazu
beigetragen haben, dass Attentate wie die in New York
und Washington erst möglich
wurden.
Schily: Die Initiativen, die wir
vergangene Woche im Kabinett beschlossen haben, sind
nicht erst nach dem 11. September eingeleitet worden.
Die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz zum Beispiel habe ich
vor Monaten vorgeschlagen.
Und nicht ohne Grund haben
wir im Staatsangehörigkeitsrecht den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft un-
ter dem Gesichtspunkt der
Verfassungstreue und der
Rechtstreue allgemein bereits
1999 erheblich verschärft.
Aber richtig ist: Es hat in der
Vergangenheit Versäumnisse
gegeben. Zum Beispiel haben
wir uns nicht immer genug
darum gekümmert, um wen
genau es sich bei denjenigen
handelt, die bei uns Asyl oder
einen anderen Aufenthaltsstatus erhalten.
SPIEGEL: Einer der mutmaßlichen Attentäter, der zeitweise
in Hamburg lebte, ist im Ausländerzentralregister mit drei
unterschiedlichen Pässen gespeichert – und keiner hat es
gemerkt.
Schily: Das ist leider richtig.
Deshalb müssen wir auch an
dieser Stelle etwas verändern.
Wir müssen das Ausländerzentralregister online zugänglich machen für sämtliche Sicherheitsbehörden. Der
von Ihnen angesprochene
konkrete Fall muss genau
analysiert werden, um die
Schwachstellen zu erkennen
und zu beseitigen. Es gibt
noch viele weitere Fragen,
die mich in diesem Zusammenhang beschäftigen.
SPIEGEL: Welche?
Schily: Dass nicht erkannt
worden ist, dass bestimmte
Personen, die man mit dem
Studentenstatus ins Land gelassen hat, mit Geldern ausgestattet wurden, die sehr ungewöhnlich sind. Dass sie ihre
Reisebewegungen mit einem
Aufwand durchgeführt haben, der mit dem Budget normaler Studierender völlig unvereinbar ist.
SPIEGEL: Weil sie Geld von
ihrer Heimatbotschaft bekommen haben.
Schily: Zum Beispiel. All das
sind Vorgänge, die nicht ins
Blickfeld unserer Sicherheitsbehörden gekommen sind.
SPIEGEL: Aber was wollen Sie
denn machen, wenn junge
Leute aus dem Ausland als
Studenten hierher kommen
und an der Uni nie auffallen?
Schily: Ich sage ja nicht, dass
eine hundertprozentige Zielgenauigkeit erreichbar ist, jemandem auf die Spur zu
kommen. Wenn sich einer
völlig unauffällig und gesetzestreu verhält, können wir
das wohl kaum als Anhaltspunkt für terroristische Aktionen nehmen. Das wäre eine
merkwürdige Verkehrung polizeilicher Ermittlungstätigkeit.
SPIEGEL: Wie soll er denn ins
Visier der Sicherheitsbehörden geraten? Selbst wenn er
sich vom Ausland aus um einen Studienaufenthalt in
Deutschland bewirbt und Sie
den Verfassungsschutz fragen, ob Bedenken gegen die
Einreise bestehen, werden Sie
nichts finden. Die Leute kommen ja zum ersten Mal nach
Deutschland oder waren bislang nur als Touristen hier.
Schily: Deshalb müssen wir
auch den Bundesnachrichtendienst (BND) mit einbeziehen, der für die Auslandsaufklärung zuständig ist. Und
wir müssen mit den Diensten
anderer Länder enger koope-
rieren. Das habe ich im Kreis
der europäischen Innen- und
Justizminister bereits auf den
Weg gebracht.
SPIEGEL: Das heißt, Studierende oder Arbeitszuwanderer,
die nach Deutschland wollen,
werden erst mal vom BND
und dem Nachrichtendienst
ihres Heimatlandes überprüft?
Schily: Alle rechtlichen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Wenn zum
Beispiel dem BND über denjenigen, der zu uns kommen
will, Erkenntnisse vorliegen,
die die Zuordnung zu einem
bestimmten extremistischen
Spektrum erlauben, dann
wäre es nicht zu verantworten, diese Erkenntnisse nicht
zu verwerten. Man muss aber
gründlich prüfen, wie das
rechtlich einzuordnen ist. Sie
wissen, dass das Bundesverfassungsgericht uns bestimmte Grenzen gesetzt hat.
SPIEGEL: Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz
soll künftig regelmäßig gefragt werden, bevor Ausländer aus bestimmten Ländern
nach Deutschland kommen
oder hier bleiben dürfen.
Schily: Ja, denn wir müssen
dafür sorgen, dass nicht unter
dem Titel irgendeines Aufenthaltszweckes, sei es ein wirtschaftlicher oder humanitärer, Menschen eingeschleust
werden oder sich selber einschleusen, die in Wirklichkeit
ganz anderes im Sinn haben.
Dafür müssen wir alle Daten
nutzen, die unseren Sicherheitsbehörden vorliegen.
Auch auf die Visadateien der
Botschaften müssen Polizei
und Verfassungsschutz Zugriff haben. Dafür habe ich
von meinen europäischen Mi-
nisterkollegen ebenfalls Zustimmung erhalten.
SPIEGEL: Das Außenministerium von Joschka Fischer ist
strikt dagegen.
Schily: Die Bedenken des
Außenministeriums werden
wir ausräumen. Auch das
Auswärtige Amt weiß, dass
wir vor allem für die präventive Arbeit von Polizei und
Verfassungsschutz auf den
Zugang zu allen Daten angewiesen sind, insbesondere um
das Einsickern von Terroristen zu verhindern.
SPIEGEL: Also weg mit all
dem mühsam erstrittenen Datenschutz?
Schily: Datenschutz hat einen
hohen Rang. Aber er darf nicht
den Kampf gegen Kriminalität behindern. Es schränkt
niemanden in seiner Freiheit
ein, wenn Polizei oder Verfassungsschutz nachschauen
dürfen, wann wer unter welchen Voraussetzungen nach
Deutschland einreist.
SPIEGEL: Jetzt sollen auch
Angehörige ausländischer
Terrorgruppen, die hier leben, in Drittstaaten abgeschoben werden. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie solche Drittstaaten finden?
Schily: Das ist sicher eine komplizierte Frage, die noch genauer Untersuchung bedarf.
SPIEGEL: Was soll denn ein
anderer Staat für ein Interesse daran haben, jemanden
aufzunehmen, den wir nicht
mehr haben wollen?
Schily: Ich habe Ihnen doch
schon erklärt, dass wir diesen
Punkt noch genauer untersu-
13
chen müssen. Mehr kann und
will ich dazu im Moment
nicht sagen.
SPIEGEL: Es haben ja immer
wieder Länder den Vorwurf
erhoben, die Bundesrepublik
gewähre Menschen Asyl, die
in ihrer Heimat nicht wegen
ihrer politischen Betätigung,
sondern wegen normaler Verbrechen gesucht würden.
Schily: Das hören wir bisweilen aus Ägypten, Algerien oder
der Türkei. Kürzlich hatten
wir den Fall eines Ägypters,
der hier als anerkannter Asylbewerber lebt. Wir hätten den
Mann ausgeliefert, wenn wir
die Zusicherung bekommen
hätten, dass gegen ihn nicht
die Todesstrafe verhängt wird.
Die Zusicherung haben wir
aber leider nicht erhalten.
SPIEGEL: Darum lebt der
Mann hier in Freiheit.
Schily: Ja. Es sei denn, wir
können gegen ihn in
Deutschland ein Strafverfahren durchführen. Das ist
dann der Fall, wenn er im
Ausland ein Kapitalverbrechen begangen hat.
SPIEGEL: Wenn der Mann einer in Ägypten als Terrorvereinigung geltenden Gruppe
angehört, können Sie ihm
künftig auch hier nach den
neuen § 129b den Prozess
machen. Der stellt ja die Mitgliedschaft oder Unterstützung krimineller und terrorisstischer Vereinigungen im
Ausland unter Strafe.
Schily: Richtig, aber nur unter der Voraussetzung, dass
uns die ägyptische Seite entsprechendes Beweismaterial
übergibt oder wenn wir auf
14
anderer Weise den Schuldnachweis führen können.
SPIEGEL: Im Terrorismusbereich muss immer erst etwas
passieren, damit alle hochschießen und die Welt neu
entdecken. Jetzt wird auf einmal über Nacht der § 129b
eingeführt. Warum so spät?
Schily: Ich hätte es begrüßt,
wenn diese Regelung früher
zu Stande gekommen wäre.
Schließlich hatten wir immer
wieder Diskussionen mit Spanien, weil wir hier lebende
Eta-Mitglieder nicht ohne
Weiteres verfolgen konnten.
Das gilt aber auch für andere
Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Mühlen der
Demokratie mahlen eben
manchmal ziemlich langsam.
SPIEGEL: Wäre dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf
von Stauffenberg die Flucht
in die USA gelungen und es
hätte dort so etwas wie einen
§ 129b gegeben – was wäre
dann passiert? In den Augen
der Nationalsozialisten war er
ja Mitglied einer terroristischen Vereinigung.
Schily: Da kommen wir zu
schwierigen Abgrenzungsfragen. Natürlich kann es nicht
so sein, dass das Herkunftsland des Flüchtlings alleine
festlegt, was eine kriminelle
oder terroristische Vereinigung ist. Das müssen Bundesregierung oder Bundestag
entscheiden. Ein Mensch wie
Stauffenberg wäre von einer
Regelung, wie wir sie nun
einführen wollen, nie betroffen gewesen, weil sich sein
Attentat ja gegen eine totalitäre Diktatur richtete. Auf
europäischer Ebene sind wir
mittlerweile dabei, eine ver-
bindliche strafrechtliche Definition des Terrorismusbegriffs
zu finden.
SPIEGEL: Wenn all die Maßnahmen, die Sie jetzt beschlossen haben, vor einem
Jahr verwirklicht gewesen
wären, hätten die Anschläge
in den USA verhindert werden können?
Schily: Wenn die heute bei
uns geltenden Standards zur
Sicherung des Luftverkehrs in
den USA strikt angewandt
worden wären, hätte es die
Flugzeugentführungen nach
menschlichem Ermessen
nicht gegeben. Wenn die entführte Maschine schon in der
Luft ist, können Sie nichts
mehr machen.
SPIEGEL: Stimmen Sie Bundespräsidenten Johannes Rau zu,
der gesagt hat, „Ein total geschützter Alltag ist kein freies
Leben mehr“?
Schily: Niemand will jeden
Schritt, jede Lebensregung eines Menschen überwachen.
Das ist Gespensterseherei.
Wer frei leben will, braucht
Sicherheit vor Kriminalität
und Terrorismus. Diese Sorge
bewegt die Menschen und
nicht die angestaubte Theorie
vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat. Deshalb stehen nach einer aktuellen Umfrage nur 17 Prozent
der Deutschen diesen Maßnahmen skeptisch gegenüber,
aber nahezu 80 Prozent der
Bevölkerung stimmen meiner
Politik zu.
SPIEGEL: Herr Schily, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
4. Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Kriminalität und des Terrorismus
Rede von Bundesinnenminister Otto Schily vor dem Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 in Berlin (1. Lesung der Gesetzentwürfe zur Änderung des Vereinsgesetzes,
Strafrechtsänderungsgesetzes und Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung)
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren
Kollegen!
Ich finde, es ist der gegenwärtigen ernsten Situation
angemessen, dass die demokratischen Kräfte gewillt und
entschlossen sind – das ist erfreulicher Weise erkennbar
geworden –, der terroristischen Herausforderung gemeinsam entgegenzutreten,
und dass – bei allem Streit im
Detail – die heute vorliegenden Gesetzentwürfe begrüßt
werden. Das möchte ich als
etwas Positives herausstellen.
Ich finde, der jetzige Zeitpunkt
ist nicht geeignet, um über
die Vergangenheit zu reden.
Wir sollten in die Zukunft
schauen. Auch im Hinblick
auf zukünftige Maßnahmen
wird die bisher gezeigte Gemeinsamkeit erforderlich sein.
Es ist manchen in der Vergangenheit zur Gewohnheit geworden, sich etwas spöttisch
über unsere Geheimdienste
zu äußern.
Manchmal fiel die Kritik auch
etwas härter aus. Ich möchte
an dieser Stelle – das tue ich
sehr bewusst – gegenüber
den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der
Landesämter für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes meinen ausgesprochen herzlichen Dank
für ihre Tätigkeit zum Ausdruck bringen, weil wir uns
ohne deren Tätigkeit wahrlich in einer noch schwierigeren und risikoreicheren Situation befänden.
Ich darf an etwas erinnern,
was vier Jahre zurückliegt
und was manchem seinerzeit
vielleicht gar nicht so aufgefallen ist. Anfang 1997 hat
der Sozialdemokrat und Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Peter Frisch
in einem Interview folgendes
ausgeführt (ich betone: 1997):
Das Sicherheitsproblem Nummer eins für Deutschland sind
die islamischen Fundamentalisten. Er hat auf Nachfrage
folgendes hinzugefügt: Das ist
ein Problem, das die Sicherheitsbehörden wahrscheinlich
im nächsten Jahrhundert vorrangig beschäftigen wird.
Das ist wahrhaft eine nahezu
prophetische Äußerung. Deshalb verbietet sich jede dümmliche Kritik an dem, was die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für
Verfassungsschutz und der
Landesämter für Verfassungsschutz unter sehr schwierigen
Voraussetzungen leisten. Sicherlich ist auch deren Arbeit
fehlerbehaftet, so wie jedes
menschliche Verhalten fehlerbehaftet und von Unzulänglichkeiten geprägt ist. Aber
das eben von mir vorgetragene Zitat lässt uns ansatzweise erkennen, was wir solchen Institutionen verdanken.
Ich will zwar die sachliche Linie der Debatte nicht verlas-
sen. Aber ich muss die Parteivorsitzende der CDU, Frau
Merkel, korrigieren, wenn sie
behauptet, wir hätten in unserer Regierungszeit vor dem
11. September die Sicherheitserfordernisse vernachlässigt.
Genau das Gegenteil ist richtig. Wir haben in den zurückliegenden Haushaltsjahren
die Ausgaben für die innere
Sicherheit kontinuierlich erhöht und nicht verringert
und wir werden das auch im
bevorstehenden Haushaltsjahr tun. Wir haben das getan, obwohl wir von Ihnen –
auch das muss man an dieser
Stelle einmal erwähnen – einen nahezu konkursreifen
Haushalt geerbt haben. Diese
Politik werden wir fortsetzen.
Ich bin dankbar dafür, dass
wir jetzt unabhängig von den
Konsolidierungsbemühungen, die wir fortsetzen werden und auch fortsetzen müssen, durch die Maßnahmen
des Kollegen Eichel in die
Lage versetzt werden, an den
Stellen, an denen das notwendig ist, auch die Ausgaben für
die innere Sicherheit zu erhöhen. Das werden wir sehr
gezielt und sehr konsequent
bewerkstelligen, weil wir in
der Tat auch einen Personalaufbau im Bundesamt für
Verfassungsschutz, im Bundeskriminalamt, beim Bundesgrenzschutz und auch bei
anderen Sicherheitsbehörden
benötigen.
Ich finde es übrigens durchaus begrüßenswert, dass auch
in den Ländern entsprechen15
de Maßnahmen zustande
kommen. Wir reden jetzt
nicht über einzelne Landeshaushalte. Gerade einige Landeshaushalte sind, denke ich,
nun wahrlich in Schwierigkeiten; da kann man die Historie
ebenfalls etwas zurückverfolgen; aber das wollen wir an
dieser Stelle nicht tun.
Meine Damen und Herren, es
geht mir darum, in meinem
Beitrag auf einige aktuelle
Fragen einzugehen, die heute
in der Debatte eine Rolle gespielt haben. Ich teile die Auffassung des Bundeskanzlers
und anderer, dass die Bundeswehr außerhalb der ihr schon
jetzt von der Verfassung gebotenen Möglichkeiten nicht
für polizeiliche Aufgaben im
Innern eingesetzt werden
kann.
Es scheint so zu sein, dass einigen die Lektüre des Grundgesetzes noch einmal zu empfehlen ist. Nach einer solchen
Lektüre weiß man, welche
Möglichkeiten die Bundeswehr hat.
Ich bin sehr dankbar dafür,
dass die Bundeswehr in dieser schwierigen Lage, in der
wir uns jetzt befinden, in der
die Polizeien der Länder und
des Bundes wirklich eine sehr
angespannte Arbeitssituation
haben, sehr kooperativ bestimmte Bewachungsaufgaben übernommen hat. Übrigens hat sich auch der Freistaat Bayern – ich glaube,
dass man das hier einmal berichten sollte – bei der Bundesregierung ausdrücklich
dafür bedankt. Da, wo das
möglich ist, etwa bei einem
Truppenübungsplatz in Bayern oder bei militärischen
Einrichtungen der US-Streitkräfte in Baden-Württemberg
oder in Rheinland-Pfalz, ge16
schieht das in sehr guter Kooperation. Ich habe auf Anregung des Oberkommandirenden der US-Streitkräfte in Europa eine Arbeitsgruppe gebildet, die diese Fragen koordiniert.
Auch ich bin der Meinung,
dass wir neben den vorhandenen Institutionen nicht neue
Bürokratien aufbauen sollten.
Wir haben wirklich, glaube
ich, eine gute Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Wir
dürfen auch sagen, dass wir
im internationalen Vergleich
diesbezüglich wirklich sehr,
sehr gut aussehen. Es führt
nicht weiter, neue Ämter zu
schaffen. Es ist ja auch ganz
interessant, wie beredt beispielsweise einige Innenminister, auch aus CDU- oder CSUregierten Ländern, zu diesen
Vorschlägen schweigen. Entgegen manchen Regeln im
Bürgerlichen Gesetzbuch
heißt Schweigen in diesem
Fall, glaube ich, eindeutig Ablehnung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas zu der Frage sagen, zu der hier Ausführungen gemacht worden
sind, nämlich zu der Frage,
was denn die Bundeswehr bei
bestimmten Situationen vielleicht zu unternehmen hätte.
Das entspricht einer Frage, die
in diesen Tagen des Öfteren an
mich gestellt wird. Ich werde
gefragt: Sagen Sie mal, Herr
Schily, was tun Sie eigentlich,
wenn ein Passagierflugzeug
auf den Potsdamer Platz zu
fliegt? Haben Sie da ein Antikollisionssystem geschaffen
oder was wollen Sie tun? Lassen Sie es abschießen? – Darauf antworte ich: Alles das
sind falsche Überlegungen;
denn dann ist es zu spät. Wir
müssen, was Sicherheit angeht, viel früher ansetzen, und
zwar in einer tief gestaffelten
Form.
Sicherheitssysteme dürfen
nicht so aufgebaut sein, dass
nach dem Versagen der ersten Stufe auch die zweite
nicht funktioniert. Die verbrecherischen Anschläge in New
York und in Washington waren nicht mehr zu verhindern, als sich die Flugzeuge
auf das World Trade Center
und auf das Pentagon zubewegt haben. Sie wären zu verhindern gewesen, wenn bei
der Fluggastkontrolle und auf
anderen Gebieten einige andere Möglichkeiten genutzt
worden wären. Wir müssen –
das ist nicht als ein Vorwurf
gegenüber den US-Behörden
zu verstehen, in dieser Hinsicht versagt zu haben – über
die Verbesserung entsprechender Maßnahmen nachdenken. Wir werden also
über viele Fragen diskutieren
müssen.
Ich bin – obwohl es in der Federführung meiner Kollegin
Däubler-Gmelin liegt, erlauben Sie mir, einige Sätze dazu
zu sagen – sehr dankbar
dafür, wie das Thema Kronzeugenregelung heute angesprochen worden ist. Ich denke, der Kollege Ströbele hat
vollkommen Recht, wenn er
sagt: Wir müssen eine rechtsstaatsgetreue Regelung finden. Wir befinden uns in der
Koalition in sehr konstruktiven Gesprächen. Ich bin entschieden dagegen, eine Kronzeugenregelung zu schaffen,
die auf eine unziemliche Weise einen Deal mit einem Verbrecher darüber vorsieht, welche Aussage er vor Gericht
macht.
Eine Kronzeugenregelung
kann aber ein wichtiges Hilfsmittel zur Verhinderung und
zur Aufklärung von Straftaten
sein, wenn sie so gestaltet ist,
dass jemand im Hinblick auf
Sanktionen strafrechtlich milder behandelt wird, wenn er
dazu beiträgt, eine Straftat zu
verhindern oder sie aufzuklären. Das ist beispielsweise
der Fall, wenn er die Ermittlungsbehörden zu einem
Sprengstoffversteck bzw. zu
einer konspirativen Wohnung
führt oder in anderer objektiv
nachweisbarer Weise dazu
beiträgt, bei der Strafverfolgung zu helfen.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Abschaffung des
Religionsprivilegs. Dieses Vorhaben besteht nicht erst seit
dem 11. September, sondern
schon viel länger. Es ist zuzugestehen, dass es einige Zeit
gedauert hat, bis wir es auf
den Weg gebracht haben. Die
vorgetragenen Bedenken sind
nicht von mir persönlich geltend gemacht worden, sondern sie kamen aus kirchlichen
Kreisen, in denen man gemeint hat, es handele sich um
eine problematische Lösung.
Ich freue mich, dass wir diese
Bedenken durch lange und geduldige Gespräche haben
überwinden können und dass
wir jetzt gemeinsam darangehen, das Religionsprivileg abzuschaffen. Es geht nicht an,
dass wir Vereinen in Deutschland einen Aktionsraum bieten, die mit Äußerungen operieren, wie ich sie zitieren darf:
Der Islam ist sowohl eine Religion als auch ein Staat, sowohl Gottesverehrung als
auch Politik. Der Islam erkennt das laizistische Regime
nicht an. Der Islam ist niemals mit der Demokratie vereinbar. Kurzum läuft das demokratische Regime im Kern,
im Grunde und Endergebnis
dem Islam zuwider.
Das ist nur eine von vielen
schrecklichen Äußerungen,
auch solchen antiisraelischer
bzw. antisemitischer Art. Solchem Treiben müssen wir in
unserer Demokratie ein Ende
machen. Ich werde mit der
gebotenen Härte vorgehen,
damit das hier nicht weiter
geduldet wird.
Wir werden uns in den nächsten Tagen auch auf ein zweites Paket zu einigen haben.
Ich will nicht alle Einzelheiten vorwegnehmen. Wir werden Ihnen das, worum es
geht, zu gegebener Zeit vortragen. Wie es der Bundeskanzler angekündigt hat,
werden wir einen entsprechenden Kabinettsbeschluss
noch in diesem Monat herbei
führen.
Ich will vorweg auf zwei Dinge aufmerksam machen. Heute ist schon die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 erwähnt worden. Ich empfehle
allen, diese Resolution nachzulesen. Das ist keine unverbindliche Resolution, die zu
den Akten gelegt werden
kann, sondern diese UN-Sicherheitsratsresolution müssen wir umsetzen; der Zeitraum dazu ist befristet und
die Umsetzung wird auch
kontrolliert werden.
Es wird extra ein Gremium
eingesetzt werden, das überprüfen wird, ob die einzelnen
Mitgliedstaaten sie umgesetzt
haben.
Dort findet sich unter anderem ein Passus, in dem die
Staaten aufgefordert werden,
bevor sie einer Person Flüchtlingsstatus im Einklang mit
den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen
Rechts und des Völkerrechts
einschließlich der internatio-
nalen Menschenrechtsnormen gewähren, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, mit
denen sichergestellt werden
kann, dass der Asyl Suchende
keine terroristischen Handlungen geplant, erleichtert
oder sich daran beteiligt hat.
Es findet sich ferner der Passus, dass in Übereinstimmung
mit dem Völkerrecht sicherzustellen ist, dass diejenigen,
die terroristische Handlungen
begehen, organisieren oder
erleichtern, den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen
können und dass angebliche
politische Beweggründe nicht
als Grund anerkannt werden,
Anträge auf die Auslieferung
mutmaßlicher Terroristen abzuweisen.
Das sind, meine Damen und
Herren, sehr klare Sätze, mit
denen wir uns zu befassen
haben werden. Deshalb
kommt es sehr darauf an,
dass auch wir unsere Aufklärungsmöglichkeiten in
dem Bereich durch Vernetzung von Daten und Ähnlichem verbessern. Ich kann
das jetzt nur andeuten.
Es gehört auch in diesen Bereich, dass wir uns mit der Frage befassen, wie wir in einer
Welt, in der die technische
Entwicklung fortschreitet, die
Identität von Menschen sicher
klären und feststellen können.
Altmodische Methoden dazu
kann man heute in jedem Pass
finden. Dort gibt es ein Lichtbild, da stehen Name, Geburtsdatum und -ort, die Augenfarbe und die Körpergröße. Das
alles sind Identifizierungsmerkmale. Man kann sagen,
dass es sich schon, wenn der
Staat einem abverlangt, im
Ausweis solche Identitätsmerkmale aufzunehmen, irgendwie
um einen Eingriff in die Privatsphäre handelt. Dieses Ar17
gument wird aber doch von
niemandem ernsthaft vorgetragen.
Wenn wir nun neuere Methoden der Identifizierung wie
Fingerabdrücke hinzunehmen, dann müssen wir uns
darüber klar sein, dass in
Deutschland hier eine emotionale Barriere besteht, weil
wir es gewohnt sind, dass Fingerabdrücke nur bei Tatverdacht und ähnlichen Vorfällen genommen und in eine
Datei aufgenommen werden.
Das entspricht aber keineswegs der Praxis in allen anderen Staaten. Ich habe Ihnen
hier eine Karte „Resident Alien“ mitgebracht. Das ist ein
Ausweis, mit dem man in
Amerika seit Jahrzehnten ausgestattet wird, wenn man
dort als Ausländer einer Arbeit nachgehen darf. In diesem Ausweis befindet sich ein
Fingerabdruck. Ich habe
noch nie gehört, dass sich irgendeiner, der nach Amerika
gegangen ist – das ist immerhin die Führungsmacht bei
Demokratie und Menschenrechten –, in seinen Menschenrechten verletzt sah,
weil er dort diesen Fingerabdruck abliefern musste. Wir
müssen also versuchen, ein
wenig Nüchternheit in die
Debatte zu bringen.
Die modernen Identifizierungsmethoden, die es heute
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gibt, wurden immer weiter
entwickelt und werden längst
in der Privatwirtschaft angewandt. Gehen Sie doch einmal auf die CeBIT, da werden
Sie entdecken, welche biometrischen Methoden heute
schon im Interesse von Privatheit – einschließlich des Fingerabdrucks – genutzt werden.
Ich bitte doch, so manche
krausen Ideen – das sage ich
jetzt einmal meinem Freund
Cem Özdemir – wie die, dass
das womöglich noch die genetische Disposition eines
Menschen zu sehr offenbaren
könnte, beiseite zu lassen.
Ich glaube, dass man die genetische Disposition doch
eher den Gesichtszügen als
dem Fingerabdruck entnehmen kann. Ich finde, man
kann alle Sorgen übertreiben.
Wenn es darum geht, verbrecherische Anschläge zu verhindern, muss man schon
einmal gegeneinander abwägen, ob wir dafür sorgen wollen, dass wir wissen, wer zu
uns kommt, oder ob wir krausen Überlegungen eines so
genannten Sachverständigen
folgen wollen.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich zum Schluss –
ich glaube, Frau Kollegin
Däubler-Gmelin hat das schon
getan – ausdrücklich noch
einmal wiederholen, weil ich
weiß, wie es den Menschen
geht: Unsere Polizeien in
Bund und Ländern sind in
der gegenwärtigen Lage in einer Weise angespannt, wie es
sich mancher von uns gar
nicht vorstellen kann. Der
BGS fährt zum Teil 12-Stunden-Schichten. Ich glaube, es
ist wichtig, dass wir als Deutscher Bundestag einmütig sagen: Diesen Männern und
Frauen gebührt wahrlich
großer Dank dafür, dass sie
diese Arbeit in einer Ausdauer und Anspannung, die wirklich ganz ungewöhnlich und
nicht alltäglich sind, leisten.
Wir stehen vor der großen
Aufgabe, diese Ausdauer, Disziplin und Einsatzbereitschaft
fortzuführen. Wir wissen alle:
Die jetzige Auseinandersetzung ist nicht auf Tage oder
Wochen und noch nicht einmal auf Monate angelegt,
sondern sie wird über eine
sehr lange Zeit anhalten. Eine
solche Einsatzbereitschaft in
dieser Größenordnung aufrechtzuerhalten wird besondere Anstrengungen erfordern. Es erfordert auch von
uns viel Ausdauer, Disziplin
und vor allen Dingen Verantwortungsbereitschaft. In diesem Sinne hoffe ich, dass alle
parlamentarischen Fraktionen – auch mit der Bundesregierung – zusammenwirken.
Dafür bedanke ich mich im
Voraus.
5. Modernes Kommunikationssystem garantiert zeitnahe
und bundesweite Warnung
Am 15. Oktober 2001 startete in Deutschland ein neues satellitengestütztes Kommunikationssystem, das Warndurchsagen von den Zivilschutzverbindungsstellen zu den Lagezentren von Bund und Ländern sowie zu Landesrundfunkanstalten schnell und
flächendeckend überträgt. Dazu erklärte Bundesinnenminister Otto Schily:
Deutschland hat ein leistungsfähiges integriertes Gefahrenabwehrsystem, in dem Bund,
Länder, Kommunen und Hilfsorganisationen zusammenwirken. Aufgrund der terroristischen Bedrohung und der
veränderten Gefahrenlage
muss die Struktur des Katastrophen- und Zivilschutzes
grundlegend überprüft werden. Damit hat die Bundesregierung bereits vor geraumer
Zeit begonnen und wird diese Bemühungen verstärkt
fortsetzen. Sie wird insbesondere die auf Bundesebene
einzusetzenden Finanzmittel
erheblich verstärken.
Bei der Neuorganisation des
Zivilschutzes hatte die Einführung eines modernen bundesweiten Warnsystems schon
vor dem 11. September höchste Priorität. Die Bevölkerung
muss schnell und flächendeckend über Schadensfälle
und Katastrophenschutzmaßnahmen informiert werden.
Der Bund hat jetzt eine satellitengestützte Kommunikationsverbindung von den Zivilschutzverbindungsstellen zu
den Rundfunkanstalten und
zu den Lagezentren des Bundes und der Länder geschaffen.
Die Warnung ist gekennzeichnet als Meldung mit
höchster Priorität. Die Übertragungszeit für die Meldung
beträgt rund 20 Sekunden.
In Zukunft werden somit
Warnungen via Satellit an
alle Lagezentren und zeitgleich an die Rundfunkanstalten abgesetzt. Außerdem
sollen die Lagezentren der
Länder mit Empfangs- und
Sendestationen ausgestattet
werden, damit bei begrenzten Katastrophenfällen auch
regional schnell informiert
werden kann.
Dieses neue Kommunikationssystem wird durch ein Nachrichtenverteilsystem abgestützt, das mehr als 650 Satellitenempfangsanlagen erreicht. Die Zivilschutzverbindungsstellen und die Warnstelle der Zentralstelle für Zivilschutz erfassen Gefahrensituationen, die aus der Luft
und am Boden entstehen
können.
Geplant ist, in Zukunft auch
die privaten Rundfunkanbieter in das System einzubeziehen. Außerdem wird in einem Feldversuch mit der Industrie ein System des Warnrufs über Funkuhren und Mobiltelefone geprüft.
6. „Was zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
jetzt zu tun ist“
Rede von Bundesinnenminister Otto Schily zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU:
Sicherheit 21, vor dem Deutschen Bundestag am 18. Oktober 2001 in Berlin (Auszug)
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren Kollegen!
Wir diskutieren heute über
eine Vorlage der CDU/CSUFraktion und, wenn ich richtig informiert bin, über einen
Antrag der FDP... Ich begrüße,
dass die Opposition heute
eine Ideensammlung vorge-
legt hat. Ich bezeichne diese
als einen konstruktiven Beitrag zur Debatte. Warum sollte ich das anders handhaben?
Wenn man auf einen Begriff
aus dem Galerie-Deutsch zurückgreifen wollte, könnte
man sagen, das sei eine Accrochage. Das soll aber, bitte
schön, das Lob zunächst ein-
mal gar nicht schmälern. Mir
sind diese Ideensammlungen
durchaus willkommen. Wir
sind ja gerade dabei, sehr intensiv zu beraten, was wir im
Rahmen des Sicherheitspakets II tun wollen. Ich denke,
da berücksichtigen wir auch
Ihre Vorschläge. Warum sollten wir das anders halten?
19
Ich möchte anregen, uns bei
der Debatte so zu verhalten,
dass wir sowohl Skepsis als
auch konstruktive Vorschläge
willkommen heißen... Warum
sollten wir das nicht ganz
friedlich und freundlich miteinander ausdiskutieren? Das
ist in einer rechtsstaatlichen
Demokratie eigentlich die Regel. Wir sollten aber nicht gegenseitig den Vorwurf erheben, der eine meine es mit
der Sicherheit und der andere mit der Freiheit nicht ernst.
Dadurch käme die Diskussion
auf ein schiefes Gleis.
Für meine Person sage ich:
Wir sollten diesen Gegensatz
nicht bilden.
Ich habe es häufig genug gesagt und will es noch einmal
betonen: Sicherheit ist die Voraussetzung von Freiheit. Wer
durch Kriminalität und erst
recht durch Terrorismus bedroht ist, kann nicht frei leben.
Der Rechtsstaat zeichnet sich
gerade dadurch aus, dass er
die Bürgerinnen und Bürger
vor Kriminalität und Terrorismus schützt. Das wird die
Bundesregierung auch weiterhin so handhaben. In der
Europäischen GrundrechteCharta, der wir alle zugestimmt haben, ist das Grundrecht auf Freiheit und Sicherheit enthalten. Diese Auffassung haben wir alle durch
unsere Zustimmung bekräftigt. Darauf sind wir sozusagen vereidigt. An diesen Eid
müssen wir alle uns halten.
Meine Damen und Herren,
die große Mehrheit des Hauses ist ja der Meinung, dass
wir zur Bekämpfung des Terrorismus, dessen abgrundtiefe Dimensionen jetzt erkennbar geworden sind, auch militärische Mittel einsetzen
20
müssen. Das sind die härtesten Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Ich kann nun
nicht verstehen, dass man an
anderen Stellen, wo es um
die Schärfung der Instrumente unserer Strafverfolgungsbehörden geht, allerlei Vorbehalte äußert. Da gehen die
Dinge, wie ich finde, etwas
auseinander. Man muss das
objektiv prüfen.
Meine Damen und Herren
von der Opposition, so sehr
ich es willkommen heiße, dass
Sie eigene Vorschläge machen, denke ich doch, dass Sie
sehr genau hinschauen sollten, ob nicht einiges von dem,
was Sie fordern, schon längst
erreicht ist. Der Kollege Bosbach hat in einem Interview
am 8. Oktober – ich glaube, er
hat es auch einmal im Parlament gesagt – gefordert, wir
bräuchten ein wirksames Zeugenschutzprogramm.
Ich kann Ihnen, wenn Sie
möchten, die Presseerklärung
zur Verfügung stellen. Ich
will Sie daran erinnern, dass
wir gerade das Zeugenschutzharmonisierungsgesetz verabschiedet haben, das auch
der Bekämpfung des Terrorismus dient. Weiter haben Sie
– in Ihrem Paket ist das enthalten – die Verbesserung
und Intensivierung des Informationsaustausches gefordert. Diese Institutionalisierung ist bereits mit dem so
genannten Informationsboard Finanzermittlungen umgesetzt. So finden sich eine
ganze Reihe von Forderungen, die längst umgesetzt
wurden oder an deren Umsetzung gearbeitet wird. Dazu
gehört etwa auch eine Datei
von Ausländern, die sich extremistisch betätigen, und
eine Datei von Deutschen, die
islamistischen Organisationen
angehören. Die Innenministerkonferenz – es sitzen hier
ja mehrere Innenminister auf
der Bundesratsbank – hat
schon eine Datei erstellen lassen, in der politisch motivierte Ausländerkriminalität erfasst wird. Wenn wir die noch
um den einen oder anderen
Punkt erweitern wollen, bitte
schön; aber auch das gibt es
schon. Lassen Sie uns daran
anknüpfen.
Ich erinnere auch an den Satz
des Kollegen Stadler: Es geht
nicht nur darum, immer neue
Gesetze zu machen, sondern
wir müssen auch dafür sorgen,
dass der Vollzug der bestehenden Gesetze ermöglicht wird.
Ich begrüße es, dass die Bundesregierung unterstützt wird
bei ihrem Vorhaben, die Personal- und Sachmittel des
Bundesgrenzschutzes, des
Bundeskriminalamtes, des
Bundesamtes für Verfassungsschutz und anderer Institutionen aufzustocken. Von der
Opposition vermisse ich allerdings Vorschläge zur Finanzierung. Sie fordern zwar immer alles Mögliche, Vorschläge zur Finanzierung machen
Sie aber nicht. Im Gegenteil:
Sie widersprechen den Maßnahmen zur Finanzierung,
die wir vorgeschlagen haben.
Das passt irgendwie nicht zusammen.
Ich will uns alle ermuntern,
mit manchen Fragen ehrlicher umzugehen. Im Kreise
der Ministerpräsidenten, die
sich kürzlich beim Bundeskanzler versammelt hatten,
ist man mit dem Thema ehrlich umgegangen. Wir wollen
uns doch gar nichts vormachen: Die alte Bundesregierung hatte beschlossen, in bestimmten Institutionen den
Personalbestand zu reduzie-
ren, zum Beispiel beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Eine lineare Stellenkürzung wurde auch im
Bundeskriminalamt vorgenommen. Genauso ehrlich
und unumwunden sage ich
Ihnen: Einige dieser Personalprogramme haben wir
weitergeführt. Warum sollten wir uns gegenseitig etwas vormachen? Jetzt sind
wir aber in einer neuen Lage
und wir müssen die notwendigen Konsequenzen daraus
ziehen. In dieser Frage bitte
ich um die Einmütigkeit dieses Hauses.
Wir werden selbstverständlich – entgegen unseren ursprünglichen Ansätzen – die
Bereitschaftspolizei besser
ausstatten. Wir versuchen, einige technische Erfordernisse
gemeinsam mit den Ländern
voranzubringen. Diese sind
zum Teil sehr finanzaufwendig und technisch äußerst
kompliziert. Bei anderer Gelegenheit werden wir darüber
reden müssen. Herr Stadler,
ich hätte mich gefreut, wenn
ich den Digitalfunk bereits
vorgefunden hätte. Wir müssen jetzt aber erst einmal an
diese Aufgabe, die sehr finanzaufwendig und ehrgeizig ist,
heran gehen.
Meine Damen und Herren,
ich will auch darauf aufmerksam machen, dass das, was
als Katalog der Vorschläge,
die ich unterbreiten werde,
kursiert, nicht vollständig ist.
Es wird noch einige Veränderungen geben. Eines will ich
gleich vorwegnehmen...: Ich
glaube, es ist notwendig..., –
Herr Bosbach hat es angesprochen –, dass wir die Möglichkeiten zur Regelausweisung erweitern. Damit bin
ich einverstanden. Ich bin
mit ihm einer Meinung, dass
es nicht möglich ist, hier nach
Belieben, nach Ermessen zu
verfahren. Menschen, die die
freiheitliche demokratische
Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland gefährden, sich
bei der Verfolgung politischer
Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligen, öffentlich zur Gewalt
aufrufen oder mit Gewaltanwendung drohen, verwirken
zwangsläufig ihr Recht, sich
bei uns aufzuhalten. Das halte ich für selbstverständlich.
Wir werden dafür sorgen,
dass diese Ausweisungstatbestände von einer Kann- zu einer Mussbestimmung geändert werden.
Dabei geht es auch um den
Sofortvollzug. Auch dazu werden wir Vorschläge machen.
Ich komme zu einem anderen Thema, welches ebenfalls
kürzlich behandelt worden
ist: Ich bin stolz darauf, dass
es die Regierungskoalition
und die Bundesregierung waren, die den Zugang zur
deutschen Staatsbürgerschaft
an die Abgabe einer Loyalitätserklärung und daran geknüpft haben, tadelfrei, ohne
extremistischen Hintergrund,
zu sein. Zur Feststellung dieser Voraussetzungen gab es
eine unterschiedliche Praxis
in den Ländern. Es ging dabei um die Frage, ob eine Regelanfrage durchgeführt
werden solle oder nicht. Wir
haben uns jetzt mit allen
Ländern darauf verständigt,
dass die Regelanfrage überall
durchgeführt wird. In einigen Ländern fehlen dazu
noch die gesetzlichen Voraussetzungen, wie beispielsweise
im Freistaat Sachsen. Diese
werden aber noch geschaffen. Ich freue mich, dass wir
uns in diesem Punkt einigen
konnten.
Wir müssen selbstverständlich darauf achten, dass die
Identitätsfeststellung so gestaltet wird, dass wir Personen, die aus irgendeinem
Grund der Kontrolle unterliegen, auch wirklich erkennen
können. Wir müssen wissen,
mit wem wir es zu tun haben.
Ich weiß gar nicht, was dagegen sprechen sollte, dass man
dabei auch moderne Identifizierungsmethoden verwendet. Wer das in irgend einem
Gegensatz zur Menschenwürde oder zu den Menschenrechten sieht, verkennt die
Sachlage. Auch heute gibt es
bei den Ausweisen entsprechende Methoden. Diese sind
aber leider nicht mehr ganz
up to date.
Deshalb meine ich: Was zum
Beispiel den Besuchern des
Hannoveraner Zoos zuzumuten ist – sie müssen, wenn sie
eine Dauerkarte haben, ihren
Fingerabdruck zur Identifikation abgeben –, ist auch den
Menschen an den Passkontrollstellen zuzumuten. Wer
die Parole ausgibt, wir wollten ein Volk von Verdächtigen, der redet an der Realität
vorbei.
Weil die Redezeit auch von
mir nicht überschritten werden darf, erwähne ich nur
stichwortartig, dass wir im Zivilschutz eine Reihe von Maßnahmen in Gang gesetzt haben. Dazu gehören das satellitengestützte Warnsystem, die
mehr als 600 Fahrzeuge, die
den Ländern zugehen werden, und viele andere Dinge
mehr, die ich Ihnen in der
Kürze der Zeit nicht schildern
kann. Wir brauchen auch im
Zivil- und Katastrophenschutz
eine engere und bessere Zusammenarbeit zwischen dem
Bund und den Ländern und
wir brauchen natürlich eine
21
Ausweitung der europäischen
Kooperation auf diesen Feldern. Auf europäischer Ebene
haben wir Vorschläge vorgelegt, die ich jetzt ebenfalls
nicht im Einzelnen vortragen
kann, weil hier schon die Sekunden gezählt werden.
Meine Damen und Herren,
ich appelliere an Sie alle, bei
der inneren Sicherheit dem
Vorbild der Innenministerkonferenz nachzueifern, in
der wir ein gutes Klima der
Zusammenarbeit und der
Konsensbereitschaft haben.
In der Innenministerkonferenz werden – das ist keine
Konsensfalle, sondern das
dient den Interessen der Bür-
gerinnen und Bürger – Entscheidungen nur im Konsens
getroffen, was die Sicherheit
unseres Landes verbessert. Ich
bedanke mich bei meinen
Kollegen Landesinnenministern ausdrücklich für diese
hervorragende Zusammenarbeit und hoffe, dass in dieser
ernsten, nicht alltäglichen
Frage der Bekämpfung des internationalen Terrorismus
auch dieses Parlament gemeinsam mit der Bundesregierung zu den notwendigen
Maßnahmen kommt.
Damit erfüllen wir übrigens
auch einen Auftrag, den uns
der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1373 erteilt
hat, in der sehr konkrete Anforderungen enthalten sind.
Ich werde in der nächsten
Woche die Ehre haben, mit
dem neu gekürten Nobelpreisträger, UN-Generalsekretär Kofi Annan, zusammenzutreffen, und würde es
sehr begrüßen, wenn ich ihm
berichten könnte, dass die
deutsche Politik die zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlichen Maßnahmen einmütig
und entschlossen angeht. Das
wäre eine gute Grundlage für
die Zukunft unseres Landes
und die Sicherheit unserer
Bürgerinnen und Bürger.
Vielen Dank.
7. „Wir machen keinen Basarhandel“
In einem SPIEGEL-Gespräch (Ausgabe Nr. 44/2001 vom 29. Oktober 2001) äußerte sich
Bundesinnenminister Otto Schily zur Kritik an seinem Anti-Terror-Paket
SPIEGEL: Herr Schily, ein prominenter Anwalt, dessen
Mandantin seiner Ansicht
nach illegal abgehört wurde,
hat ein-mal gesagt: „Der
Rechtsstaat geht auf diese
Weise bankrott. Rechtsstaatliche Garantien werden systematisch zerstört; der Staat
zersetzt sich von innen.“ Erinnern Sie sich an den Fall?
schutz erfahren darf, wer
wann mit wem telefoniert,
wer wann wem Briefe geschrieben hat – all das ohne
richterliche Kontrolle.
Schily: Das ist ein Zitat von
mir, vermute ich.
Schily: Nein, nein. Das ist
schlicht falsch.
SPIEGEL: Ja, aus der Zeit, als
Sie die in Stammheim einsitzende RAF-Terroristin Gudrun
Ensslin verteidigten.
SPIEGEL: Für das, was dem
Bundesamt für Verfassungsschutz künftig alles erlaubt
sein soll, gibt es keine richterliche Kontrolle.
Schily: Mag schon sein, nur
hat das nichts mit dem zu
tun, was ich jetzt als Bundesinnenminister vorhabe.
SPIEGEL: Heute plädieren Sie
dafür, dass der Verfassungs22
Schily: Das stimmt ja nicht.
SPIEGEL: So steht es im Entwurf Ihres zweiten Anti-Terror-Pakets.
Schily: Ja, aber es werden andere Kontrollmechanismen
eingebaut. Wir werden die
rechtsstaatlichen Kontrollen
gewährleisten. Was in der gegenwärtigen Lage ein bis-
schen schwierig ist, ist der
Versuch – und dazu tragen einige aus den Reihen unserer
Regierungskoalition bei –, die
Gesetzgebungsarbeit auf den
Marktplatz zu verlegen. Das
sollte nicht so sein, weil es
die Verständigung erschwert.
Die Fragen, die jetzt zu regeln sind, müssen zunächst
einmal koalitions- und regierungsintern abschließend
erörtert werden, und dann
lege ich einen Gesetzentwurf
vor, der vom Kabinett verabschiedet wird. Der darf dann
durch diejenigen beurteilt
werden, die meinen, sie müssten sich dazu äußern.
SPIEGEL: Derzeit erwecken
Sie den Eindruck, jeder, der
die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen kritisiert,
sei ein potenzielles Sicherheitsrisiko.
Schily: Ich lasse mir jeden
Einwand eines Menschen gefallen, der den einen oder
anderen Punkt meines Pakets
in Frage stellt, wenn ich das
grundsätzliche Bestreben
sehe, am Ziel der Terrorismusbekämpfung mitzuwirken. Den Leuten, die ihr
ganzes Engagement daran
setzen, Bedenken aufzutürmen, aber sage ich: Dann erzählt mir, wie es anders gehen soll. Die Grundregel in
meinem Ministerium heißt:
Es zeichnet sich niemand dadurch aus, dass er mir wortreich erklärt, was nicht geht.
Lob verdient sich nur der, der
mir auf einer DIN-A4-Seite
sagt, was geht. Das heißt
nicht, dass wir verfassungsrechtliche Prüffragen beiseite
lassen. Die Konzentration der
intellektuellen Kräfte muss
sich aber auf die Frage richten: Wie werden wir mit der
terroristischen Bedrohung
fertig? Deshalb bin ich dagegen, großes Sirenengeheul
anzustimmen, wo es gar nicht
angebracht ist.
SPIEGEL: Wo hören Sie denn
solches Geheul?
Schily: Mir wird beispielsweise unterstellt, ich wolle eine
verdachtslose Ermittlungsbefugnis des Wiesbadener Bundeskriminalamtes (BKA).
SPIEGEL: So stand es in den
ersten Entwürfen Ihres AntiTerror-Pakets II.
Schily: Eine Befugnis des BKA,
Ermittlungen ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft
und ohne Anfangsverdacht
zu führen, wird es nicht geben. Die Missverständnisse,
die zwischen dem Bundesjustizministerium und uns bestanden haben, sind ausgeräumt. Vielleicht hat im Jus-
tizministerium der eine oder
andere Beamte auch nicht zu
durchschauen vermocht, was
die Befugnisse des BKA schon
heute sind. Das BKA hat eine
Zentralstellenfunktion und
daher die Aufgabe, bestimmte Informationen zu sammeln. Das ist vergleichbar der
offenen Beobachtung durch
den Verfassungsschutz. Ohne
Tatverdacht werden Polizeibeamte auch künftig keine
Durchsuchung durchführen
und kein Telefon abhören.
SPIEGEL: Was soll sich für
das BKA ändern?
Schily: Das BKA soll eine bessere Vorarbeit für diejenigen
leisten können, die darüber
zu entscheiden haben – das
sind immer die Staatsanwaltschaften –, ob ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer
Straftat vorliegt oder nicht.
Nur darum geht es. Nach der
Formulierung, die wir nun
gemeinsam gefunden haben,
kann das BKA, „so weit dies
zur Erfüllung seiner Aufgabe
als Zentralstelle ... erforderlich ist, Daten zur Ergänzung
vorhandener Sachverhalte
oder sonst zu Zwecken der
Auswertung erheben“. Die
Zentralstellenaufgabe dient
außerdem auch der Verhütung von Straftaten.
SPIEGEL: Sie haben Ihren ursprünglichen Vorschlag also
abgeschwächt.
Schily: Nein, ich habe nur
dafür gesorgt, dass Klarheit
herrscht und die Zentralstellenfunktion des BKA gestärkt
wird.
SPIEGEL: Wenn man sich Ihr
Gesamtpaket ansieht, dann
gibt es sicher Punkte, bei denen man sagen kann, es ist
sinnvoll und für die Terroris-
musbekämpfung notwendig,
dass sich da etwas ändert.
Beispielsweise bei der Erteilung von Visa, beim Austausch der Daten über erteilte oder abgelehnte Visa ...
Schily: Es ist ja schön, dass
Sie zumindest das anerkennen.
SPIEGEL: ... Das sind ja auch
nachvollziehbare Dinge, die
damit zu tun haben, dass ausländische Extremisten nach
Deutschland kommen, um
hier Terrorangriffe vorzubereiten. Nur gibt es andere große
Bereiche, da kann man überhaupt nicht mehr nachvollziehen, was das mit Terrorbekämpfung zu tun haben
soll. Etwa, dass Sie die Fingerabdrücke von 75 Millionen
Deutschen in den Personalausweisen und Reisepässen haben
wollen. Wieso eigentlich?
Schily: Wir werden zunächst
einmal nur die Sperre beseitigen, die bislang die Erfassung
von Fingerabdrücken verhindert. Den Fingerabdruck
selbst wollen wir im ersten
Schritt ja noch gar nicht einführen.
SPIEGEL: Das ist Salamitaktik.
Schily: Von mir aus nennen
Sie das Salamitaktik. Es gehört
zur verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit, dass
Sie die Dinge so bezeichnen
können, wie Sie es für richtig
halten. Salami ist im Übrigen
etwas sehr Schmackhaftes,
wenn sie aus den richtigen Regionen kommt. Mir geht es
darum, dass wir zunächst einmal besagte Sperre, die heute
im Gesetz steht, aufheben,
und dass man es ermöglicht,
biometrische Merkmale für
Personaldokumente zur Identifizierung einer Person einzuführen.
23
SPIEGEL: Warum der Fingerabdruck oder andere biometrische Merkmale notwendig
sein sollen, ist damit noch
nicht beantwortet.
Schily: Weil es heute so ist,
dass Personen mit unterschiedlichen Identitäten herumlaufen, entsprechende Papiere
nach Deutschland mitgebracht
haben, und wir dann die Frage
stellen müssen: Mit wem haben wir es denn zu tun?
SPIEGEL: In den siebziger
Jahren, als Sie, wenn man das
einmal so sagen darf, noch
auf der anderen Seite der Barrikade standen ...
Schily: Nein. Ich war immer
auf Seiten des Rechtsstaates.
SPIEGEL: ... gab es eine große
Debatte über den so genannten fälschungssicheren und
maschinenlesbaren Personalausweis und Reisepass. Heißt
das, was Sie sagen, dass die
jetzt in Deutschland verwendeten Personaldokumente
nicht fälschungssicher sind –
anders als bei ihrer Einführung behauptet?
Schily: Wir arbeiten daran, sie
fälschungssicherer zu machen.
SPIEGEL: Gibt es Fälle, in denen maschinenlesbare Ausweise oder Pässe gefälscht
worden sind?
Schily: Es gibt sicherlich eine
Reihe von Fällen dieser Art.
SPIEGEL: Das vermuten Sie?
Schily: Das weiß ich.
SPIEGEL: Dann nennen Sie uns
doch mal ein paar Beispiele.
Schily: Nach Erkenntnissen der
Strafverfolgungsbehörden gibt
24
es eine große Zahl von Fällen,
in der Ausweise oder Pässe verfälscht oder gefälscht werden.
SPIEGEL: Die Bundesdruckerei weiß von diesen Fällen
aber nichts.
Schily: Die Informationen der
Strafverfolgungsbehörden
sind da sicher präziser.
SPIEGEL: Sie müssen Sie uns
doch wenigstens ein Beispiel
dafür geben können, dass
die jetzigen Pässe oder Ausweise nicht fälschungssicher
sind, wenn Sie diese Dokumente genau deswegen ändern wollen.
Schily: Ich kenne die Statistik,
aber ich lerne keine Einzelfälle auswendig.
SPIEGEL: Das heißt, Sie kennen
momentan keinen Einzigen.
Schily: Ich lade Sie gern in
das BKA ein, um anhand einzelner Fälle das Problem darzustellen. Es geht doch ganz
allgemein darum, dass wir die
Möglichkeiten der Identitätssicherung in den unterschiedlichsten Bereichen verbessern.
Damit wir nicht aneinander
vorbeireden: Die Ausstattung
deutscher Ausweisdokumente
hat nicht die allererste Priorität, vordringlicher ist die
Identitätssicherung bei denjenigen, die aus dem Ausland
zu uns kommen wollen.
SPIEGEL: Noch einmal: Wozu
brauchen Sie die Ermächtigung, in den Personaldokumenten von 75 Mio. Bundesbürgern weitere biometrische
Informationen abzuspeichern?
Schily: Ich habe soeben gesagt, meine erste Priorität ist,
dass wir Fingerabdrücke oder
sonstige biometrische Merk-
male – je nachdem, was wir
für die technisch und wirtschaftlich beste Lösung halten – zur Identitätssicherung
von Menschen verwenden,
die von außen zu uns kommen wollen. Einige behaupten, dies sei eine Diskriminierung von Ausländern.
SPIEGEL: Ach, deshalb wollen
Sie den Fingerabdruck von allen Deutschen. Weil man bestimmte Personen, die nach
Deutschland kommen, mit
deren vorhandenen Papieren
nicht eindeutig identifizieren
kann, muss man bei 75 Mio.
Bundesbürgern, die ein fälschungssicheres Personaldokument haben, Fingerabdrücke einführen. Das ist
doch völlig unlogisch.
Schily: Ich glaube, wir drehen uns im Kreis. Meine didaktischen Fähigkeiten reichen offenbar nicht aus, Sie
zu überzeugen. Ich wiederhole: Im Moment will ich nur
die Sperre weghaben, und
das lasse ich mir auch nicht
abhandeln. Über alles andere
reden wir später.
SPIEGEL: Wenn die Möglichkeit da ist, wird sie irgendwann umgesetzt.
Schily: Das ist Sache des Gesetzgebers. Der Bundestag soll,
darüber haben wir uns inzwischen verständigt, zu einem
späteren Zeitpunkt entscheiden, welche Biometrie-Merkmale tatsächlich in den Pass
und in den Ausweis kommen.
SPIEGEL: Sie bleiben also dabei, das Kind mit dem Bade
auszuschütten?
Schily: Warum?
SPIEGEL: Das Problem besteht
doch, wie Sie selbst erklärt ha-
ben, darin: Es kommt jemand
aus irgendeinem Land, welches nicht der EU angehört,
hierher, und er ist visumpflichtig. Sie haben keine Möglichkeit, ihm ein fälschungssicheres Visum in den Pass einzuschweißen. Da wäre es
doch das Nächstliegende, Sie
würden sich mit Energie darum kümmern, fälschungssichere Visa für alle SchengenStaaten einzuführen.
Schily: Das tun wir ja, wir haben entsprechende Initiativen
eingeleitet. Wir müssen bei
den Visa allerdings die kurzfristigen, die bis zu drei Monate gelten, und die längerfristigen unterscheiden. Die
kurzfristigen gelten für alle
Schengen-Staaten und richten
sich nach Gemeinschaftsrecht. Dafür haben wir eine
europäische Initiative auf den
Weg gebracht. Was die nationalen Visa angeht, werden
wir die Dinge ebenfalls neu
regeln, auch mit identitätssichernden Maßnahmen. Spanien praktiziert das heute
schon. Bei längerfristigen
Aufenthalten wird dort ein
Fingerabdruck genommen.
SPIEGEL: Das heißt, wenn jemand beispielsweise mit einem Visum der deutschen
Botschaft in Kairo in die
Bundesrepublik kommt, bekommt er dort in Zukunft
ein Foto und möglicherweise
einen Fingerabdruck eingeschweißt?
Schily: Das sollte künftig so
sein. Ob wir das auch für
Schengen-Visa erreichen,
müssen wir sehen. In der EU
dauert alles eine Weile.
SPIEGEL: Bis wann könnte
ein solches fälschungssicheres
Gemeinschaftsvisum eingeführt sein?
Schily: Das kann ich nicht genau vorhersagen, aber ich
bin mit meinem Vorstoß in
dieser Richtung bei meinen
EU-Kollegen auf sehr positive
Resonanz gestoßen.
SPIEGEL: Aus Ihrer Sicht hat
das aber absolute Priorität?
Schily: Sicher.
SPIEGEL: Sie kommen gerade
aus den USA zurück. Wie bewerten Sie es, dass es in dem
Land, das potenziell am stärksten vom Terrorismus betroffen ist, weder eine Meldepflicht noch einen Personalausweis gibt?
– gefährdet das nicht Ihr gesamtes Vorhaben?
Schily: Ich kann das nicht so
sehen und diese Kritik auch
nicht teilen.
SPIEGEL: Das Ministerium Ihrer Parteifreundin Herta Däubler-Gmelin hält es in seiner regierungsinternen Stellungnahme immerhin für „angeraten, den Gesetzentwurf
auch tatsächlich auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu beschränken“.
SPIEGEL: Haben Sie ausdrücklich kritisiert, dass die Amerikaner keine Ausweise haben?
Schily: Es ist das gute Recht –
und sogar die Pflicht – der
Bundesjustizministerin zu fragen: Ist dieses oder jenes erforderlich? Ist es verhältnismäßig? Wenn wir am Ende
eines solchen Dialoges, der
im Gange ist, zu dem Ergebnis kommen: Vielleicht haben wir uns an der einen
oder anderen Stelle verlaufen, dann korrigieren wir
das. Damit habe ich gar kein
Problem.
Schily: Ich habe meinen Gesprächspartnern gesagt, wir
sollten international zu den
gleichen Standards kommen.
Aber das ist mühsam, gar keine Frage.
SPIEGEL: Sie haben in Ihren
Entwurf ja so viel hineingepackt, dass genug Manövriermasse bleibt. Auf welche
Punkte können Sie denn notfalls verzichten?
SPIEGEL: In der aktuellen
weltpolitischen Lage sind viele Menschen auch bei uns offenbar bereit, sich in ihrer
Freiheit einschränken zu lassen, wenn es darum geht,
den Terrorismus zu bekämpfen. Dass nun aber ein paar
findige Kriminalisten die Gelegenheit beim Schopfe packen und das von Ihnen geplante Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Ihrer Unterstützung dazu benutzen
möchten, all das durchzubekommen, was sie schon immer durchbekommen wollten
Schily: Sie werden wohl nicht
erwarten, dass ich mich dazu
äußere. Ganz allgemein gilt
auch hier das Strucksche Gesetz.
Schily: Ich habe das klar zur
Sprache gebracht, weil ich
genau darin ein Problem
sehe. Die Antwort lautete:
Das ist eine alte amerikanische Tradition.
SPIEGEL: Und das heißt?
Schily: Kein Gesetzentwurf
kommt aus dem Bundestag
so heraus, wie er hineingegangen ist.
SPIEGEL: Ihr Ehrgeiz besteht
gar nicht darin, alles so durchzusetzen, wie es bislang im
Entwurf steht?
25
Schily: Der vorliegende Entwurf ist zunächst einmal eine
Ideensammlung – mit durchaus sachlichem Hintergrund.
Aber bis zur Kabinettsvorlage
ist das Ganze ein dialogischer
Prozess. Eine Kabinettsvorlage
ist das, was sozusagen aus dem
Säurebad der Auseinandersetzung als goldenes Schmuckstück hervorgegangen ist. So
wird es hier auch sein.
SPIEGEL: Sind Sie bereit, mit
Blick auf die Koalition taktische Rücksichten, vor allem
auf die Grünen und den linken
Flügel der SPD, zu nehmen?
Schily: Nein, wir machen keinen Basarhandel nach dem
Motto: Gib du mir dieses,
dann gebe ich dir jenes. Dafür sind diese Themen viel zu
ernst.
SPIEGEL: Für die Grünen
wird am Ende die Frage sein,
ob ein solches Paket politisch
zumutbar ist oder nicht.
Schily: Es geht nicht darum,
ob sich das einer unter sein
Kopfkissen zu legen versteht
oder nicht. Dafür trage ich
keine Verantwortung. Für
mich gilt die Aussage des
Bundeskanzlers: Erst das Land,
dann die Partei. Ich habe eine
Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger – daran halte ich mich.
SPIEGEL: Haben Sie denn das
Gefühl, dass der Kanzler Sie
voll unterstützt?
Schily: Über mangelnde Unterstützung Gerhard Schröders kann ich mich wahrlich
nicht beklagen. Zwischen uns
besteht ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis. Er
weiß, dass er es mit einem Innenminister zu tun hat, der
die rechtsstaatlichen Belange
aus eigenem Antrieb beachten wird und nicht fahrlässig
mit solchen Fragen umgeht.
SPIEGEL: Herr Schily, wir
danken Ihnen für dieses Gespräch.
8. Globalisierung und interkulturelle Kompetenz
Bundesinnenminister Otto Schily ging in einem Vortrag an der Fudan-Universität
Shanghai am 2. November 2001 zum Thema Globalisierung auch auf den internationalen Terrorismus ein (Auszüge):
...Wie passen die Geschehnisse des 11. Septembers in die
Perspektiven einer interkulturell kompetenten Weltgesellschaft? Sind Terroristen und
ihre Anhänger die Verlierer
der Globalisierung, die nun
Widerstand gegen Länder
und Gesellschaften leisten,
die sie als die Hauptakteure
und Nutznießer der Globalisierung ansehen? Diese Sichtweise hielte ich für falsch. Es
ist völlig verfehlt, Terror mit
Globalisierung zu assoziieren
und zwar im Sinne eines Belegs für die Existenz der viel
diskutierten Schattenseiten
der Globalisierung. Die plumpe Kausalitätskette Globalisierung – Ausbeutung – Widerstand – Terrorismus ist aber
nicht nur falsch, sie ist auch
gefährlich.
26
Terrorismus hat es schon in
Zeiten vor der Globalisierung
gegeben. Im Römischen Reich,
im Mittelalter, im 19. und 20.
Jahrhundert existierten diverse
Formen des Terrorismus. Es sei
hier daran erinnert, dass der
Auslöser für den 1. Weltkrieg
ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger durch
die mazedonisch-serbische Terrorgruppe „Schwarze Hand“
war. Im späten Mittelalter verübte die Sekte der Assassinen
im Nahen Osten Terrorakte gegen das Kalifat.
Dies vorausgeschickt, müssen
wir jedoch zu allererst feststellen, dass diejenigen, die hinter
den terroristischen Anschlägen des 11. Septembers 2001
stecken, keineswegs eine gesellschaftliche Schicht reprä-
sentieren, die im Zuge der
Globalisierung deklassiert oder
gar erniedrigt wurde. Bin Laden, der Drahtzieher des Terrors, ist (ein) milliardenschwerer steinreicher Mann. Genauso wenig passen die Attentäter
in das Bild vermeintlicher Globalisierungsverlierer. Als Studenten aus teils recht begüterten Familien waren sie für beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg geradezu prädestiniert. Nach allem, was wir wissen, ist die Grundlage des Terrorismus der Bin-Laden-Gruppe ein wahnhafter islamistischer Fundamentalismus.
Globalisierung verursacht
nicht den Terror. Vielmehr
nutzt der Terror die Umstände
der Globalisierung. Geplant
wurde der Anschlag wohl in
Asien, vorbereitet auf mehreren Kontinenten und durchgeführt wurde er von den Staatsangehörigen verschiedener
Ländern. Die Attentäter sind
weiterhin ein Beleg dafür, wie
sich die Freizügigkeit in entwickelten Industriegesellschaften nutzen lässt, um mit Wissensaufnahme – beispielsweise
in der Flugzeugtechnik – derart monströse Anschläge
durchzuführen. Zudem scheinen sie die Offenheit des globalen Finanzsystems gezielt
für ihre Zwecke eingesetzt zu
haben. Falls sich der Verdacht
erhärten sollte, dass terroristische Gruppen im Vorfeld der
Anschläge durch gezielte Spekulationen auf den internationalen Finanzmärkten hohe
Gewinne gemacht haben,
wäre das ein besonders perfider Aspekt des Ganzen. Es
wäre nicht nur eine Verhöhnung der westlichen Welt. Es
ist vor allem eine Verhöhnung
derer, für die sie sich angeblich einsetzen.
All dies vorausgeschickt, will
man sich eigentlich gar nicht
weiter die Frage nach der Logik dieser Verbrecher stellen.
Wir müssen uns allerdings
schon die Frage stellen, warum sich bei der Mehrheit
der Menschen in islamischen
Ländern – und diese Mehrheit unterstützt den Terror
keineswegs – ein Gefühl weltwirtschaftlicher Benachteiligung breitgemacht zu haben
scheint. Arabische und muslimische Länder gehören zu
den am wenigsten demokratisierten und – nach Schwarzafrika – zu den sich am langsamsten entwickelnden Regionen der Welt. Mursi Saad
el-Din, Herausgeber der Monatszeitschrift „Egypt Today“,
drückt es so aus: „Zu ändern
ist nicht nur der terroristische Teil dieser Welt, son-
dern auch der nicht-terroristische: den Menschen muss
die Hoffnung gegeben werden, sich wieder als ein Teil
dieser Welt zu begreifen.“
Globalisierung ist mit der Idee
der Freiheit, der Grenzenlosigkeit, der Offenheit und der Kooperation verbunden. Der Terror wird an diesem Befund im
Grundsatz nichts ändern. Er
hat aber gezeigt, dass unsere
Freiheit einen hohen Preis haben kann, dass die Freiheit
der Globalisierung schutzbedürftig ist.
Dies führt mich zur Frage
nach den Handlungsspielräumen politischer Gestaltung.
Dass Globalisierung eine gewisse Einschränkung rein nationalstaatlicher Handlungsmöglichkeiten mit sich gebracht hat, wurde bereits
ausgeführt. Aber es wäre völlig verfehlt, ein fatalistisches
Szenario zu entwerfen, in
dem der Staat angesichts gesichtsloser Mächte der Globalisierung, angesichts der anonymen Kräfte entfesselter
Märkte und des namenlosen
internationalen Spekulationskapitals handlungsunfähig
sei gegenüber Erscheinungen
wie dem Terrorismus. Im Gegenteil: unser Handlungsspielraum ist groß. Die Wahrung von Sicherheit ist eine
originär staatliche Aufgabe.
Aber wir müssen vor allem
gemeinsam handeln, um unsere Freiheit zu schützen. Für
die Lösung dieses Problems
werden wir – jenseits unserer
innenpolitischen Instrumente
– neue Formen finden müssen.
Wir wissen, dass wir die supranationale Zusammenarbeit stärken müssen. Die Allianz gegen den Terror ist darin ein wichtiger Schritt. Die
Beteiligung und das Engage-
ment Chinas begrüßen wir
alle sehr. Es ist nun Aufgabe
der Politik, in eine Diskussion
über die Dimensionen internationaler Sicherheit als einer Voraussetzung der Globalisierung zu treten. Unsere
Menschen und die globale
Wirtschaft müssen zu ihrer
Sicherheit mit globalen Regeln flankiert werden. Unser
eigentliches Thema nach
dem 11. September ist nicht
der Konflikt zwischen Religionen und Kulturen – gar nach
der These Samuel Huntingtons über die „clashes of civilizations“. Auch nicht unser
Thema ist die herkömmliche
Frage nach der Berechtigung
eines Krieges zwischen Staaten. Worum es geht, ist die
Durchsetzung des Rechts als
entscheidendem Faktor globaler Sicherheit und Ordnung.
Auch aus der globalen Erwärmung, den Gefahren atomarer Bewaffnung, aus Bevölkerungswachstum und Massenmigration wird es keine rein
nationalen Auswege geben.
Wir sollten uns daher auf
verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards einigen. Wir verstehen den Zusammenhang von Armut und
Umweltzerstörung mehr und
mehr. Wir werden das Konzept der „Public Private Partnership“ in der Entwicklungshilfe weiter vorantreiben. Der
Strom privaten Kapitals in
Schwellen- und Entwicklungsländer übersteigt die Entwicklungshilfe bereits um ein
Sechsfaches. Damit haben
wir geeignete Ansätze für die
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft in der Entwicklungshilfe geschaffen. Wir
müssen den Menschen in unterentwickelten Gesellschaften das Gefühl vermitteln,
Teil einer gemeinsamen Welt
zu sein...
27
9. Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs)
Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern, Dr. Cornelie
Sonntag-Wolgast, MdB, hielt anlässlich der 2./3. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Abschaffung des Religionsprivilegs) am 9. November 2001
vor dem Deutschen Bundestag eine Rede, in der sie u.a. darauf hinwies, dass dieses
Vorhaben schon länger bestand.
Als der Bundesinnenminister
am 5. September 2001 – also
6 Tage vor den Terroranschlägen auf Pentagon und World
Trade Center – den unmittelbar bevorstehenden Beschluss
des Kabinetts über die Änderung des Vereinsgesetzes
ankündigte, war das Echo in
den Medien mager. Mehr als
einen kleinen Zweispalter
war auch den überregionalen
Zeitungen die Nachricht
nicht wert. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert.
Die beiden Sicherheitspakete
sind inzwischen von der Bundesregierung verabschiedet;
und in ihren Rahmen fügt
sich die Abschaffung des so
genannten „Religionsprivilegs“.
Es soll das Vorgehen gegen
terroristische Organisationen
erleichtern, die sich als Religionsgemeinschaft tarnen, in
Wirklichkeit aber eine erhebliche kriminelle Energie entfalten, zu Straftaten aufrufen
oder Terroranschläge vorbereiten. Ich erwähne die Entstehungsgeschichte dieser Initiative der Bundesregierung,
um eines klar zu machen:
Von einem Hauruckverfahren
kann wahrhaftig keine Rede
sein. Im Gegenteil. Der Beschluss reifte vor den Terrorangriffen und stand schon
lange auf der Agenda. Und
Sie werden unschwer erraten,
welche Organisation die Bundesregierung in erster Linie
im Visier hatte: den islamis28
tisch ausgerichteten Kölner
Kalifatstaat, dessen Anführer
Metin Kaplan eine Strafe verbüßt und dessen Ziel der Sturz
der laizistischen Republik in
der Türkei ist, der aber massiv
auch die Bundesrepublik bedroht. Nach Erkenntnissen
des Verfassungsschutzes hat
es Kontakte der Organisation
zu Osama bin Laden gegeben.
Die Bundesregierung will das
Vereinsgesetz auf derartige
Religionsgemeinschaften und
Weltanschauungsvereinigungen ausdehnen, um Betätigungs- und Vereinsverbote
durchsetzen zu können. Organisationen, die unsere Gesetze und unsere verfassungsmäßige Ordnung aggressiv
bekämpfen und missachten,
muss das Handwerk gelegt
werden. Auch wenn sie im
Gewande der Glaubensgemeinschaft daherkommen!
Die Änderung des Vereinsgesetzes ist somit zugleich ein
Baustein im Gesamtkonzept
der Bundesregierung zur Eindämmung des internationalen Terrorismus.
Manche fragen: warum hatte
das Religionsprivileg überhaupt so lange Bestand? Eine
Begründung liegt zweifellos
darin, dass der Gesetzgeber
bei der Schaffung des Vereinsgesetzes im Jahr 1964 die
Probleme und Risiken so
nicht sehen konnte. Inzwischen haben wir andere Er-
fahrungen gesammelt, tritt
religiös motivierter Fundamentalismus sehr viel deutlicher zutage. Richtig ist auch,
dass seitens der Kirchen durchaus kritische Stimmen gegen
eine Änderung des Vereinsgesetzes zu hören waren.
Eine Sorge will ich deshalb
gleich ausräumen: die von
manchen beschworene Gefahr, dass religiöse und weltanschauliche Gruppen willkürlich zerschlagen werden
könnten, stellt sich nicht. Die
katholische und die evangelische Kirche sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Die Verfassung schützt
sie vor einem Verbot, weil sie
altkorporierte Religionsgemeinschaften sind, denen der
Körperschaftsstatus zugesprochen ist.
Abgesehen davon ist die
Schwelle für das Tätigwerden
des Staates hoch: Bei jeder
Entscheidung im Einzelfall ist
die grundrechtlich verbürgte
Religionsfreiheit zu beachten.
Alle Entscheidungen unterliegen selbstverständlich der gerichtlichen Überprüfung. Die
Maßstäbe für ein Vereinsverbot sind die gleichen wie bei
einem Parteiverbot. Nur liegt
die Entscheidungsbefugnis
bei „normalen“ Vereinen nicht
beim Bundesverfassungsgericht, sondern zunächst bei
den Innenministerien von
Bund und Ländern. Eines aber
muss eindeutig sein: Religiöse
oder weltanschauliche Motivation darf kein Freibrief sein
für Gewalt, Verfassungsbruch
und Mord. Das ist die Botschaft unserer Gesetzesänderung! Ich begrüße deshalb
sehr, dass wichtige Vertreter
der Muslime die Initiative
eindeutig und einmütig befürworten. Gerade weil wir
die Menschen islamischen
Glaubens nicht unter Generalverdacht stellen wollen, ist
der Vorstoß so wichtig. Wir
verstärken ja den Dialog mit
den friedlich in Deutschland
lebenden Muslimen; und wir
wollen möglichst viele Menschen dazu ermuntern, sich
differenziert mit dem Islam
zu befassen.
Deshalb ist die Abgrenzung
zu denjenigen Kräften so
nötig, die die Religion für
Terror und Menschenverachtung missbrauchen. Darum
möchte ich diejenigen Vertreter islamischer Organisationen beruhigen, die in den
vergangenen Wochen die Befürchtung geäußert haben,
die Aufhebung des Religionsprivilegs richte sich generell
gegen sie und würde sie in
der freien Ausübung ihres
Glaubens beeinträchtigen.
Diese Sorge ist nachvollziehbar, aber unbegründet. Die
ungestörte Religionsausübung
bleibt wie bisher für alle Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich gewährleistet.
Das gilt selbstverständlich
auch für islamische Religionsgemeinschaften.
Leichtfertig lässt sich ein Verbot ohnehin nicht aussprechen. Bereits nach geltendem
Recht muss einem Verein das
Verhalten seines Vorstandes
oder seiner Mitglieder erst
einmal zugerechnet werden.
Man sollte auch sorgfältig abwägen, ob ein Verbot unabdingbar ist. Der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit muss
strikt gewahrt werden; ebenso die Überlegung, wann das
Vorgehen gegen eine Ge-
meinschaft eher kontraproduktiv wirken oder zur Desintegration der Muslime in
Deutschland beitragen würde.
In einen „Verbotswettlauf“
wollen wir nicht eintreten.
Der Staat hat aber auch eine
Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern. Er muss möglichen Schaden abwenden und
Gefahren bannen. Das gilt für
religiöse Eiferer, wenn ihr
Fundamentalismus in Terrorismus umschlägt und gegen
den Geist der Völkerverständigung verstößt. Und: Mit
Langmut abzuwarten, ob militant formulierende Aktivisten und ihre Anhänger tatsächlich ihren möglicherweise blumigen Worten Taten
folgen lassen – das können
wir nicht. Dann ist es zu spät.
Lassen Sie uns deshalb im
Konsens der Demokraten das
Notwendige tun und das Religionsprivileg abschaffen!
Brutstätten des Terrorismus
können wir nicht dulden.
10. Finanzielle und personelle Ausstattung für die innere
Sicherheit wird 2002 erheblich ausgebaut
Zur Debatte um den Haushaltsentwurf 2002 und die Verwendung der zusätzlichen
Mittel aus dem sog. 3-Milliarden-Programm zur Bekämpfung des Terrorismus veröffentlichte Bundesinnenminister Otto Schily am 26. November 2001 eine Presseerklärung (Zahlenangaben daher teilweise noch in DM angegeben):
Die Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus
sind auf dem Weg. Die Sicherheitspakete werden in Kürze
in Kraft treten. Damit werden
die Instrumente zur Bekämpfung terroristischer Kriminalität deutlich verbessert. Mit
dem Haushalt 2002 wird nun
die finanzielle und personelle
Ausstattung der Sicherheits-
behörden weiter verstärkt.
Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz,
Bundesgrenzschutz und Bundesamt für die Sicherheit in
der Informationstechnik erhalten insgesamt 2.320 zusätzliche Stellen, der Sicherheitsbereich wird trotz der
notwendigen allgemeinen
Haushaltskonsolidierung im
nächsten Jahr um rund 700
Millionen DM aufgestockt. Damit kann auch das neu geschaffene rechtliche Instrumentarium rasch und wirksam umgesetzt werden. Mit
dem konzentrierten Einsatz
von mehr Personal bei weitergehenden Befugnissen und
besserer Finanzausstattung
werden wir den Terrorismus
wesentlich besser bekämpfen
können. Diese Anstrengungen
29
werden nicht nur einmalig
für den Haushalt 2002 geleistet, sondern sie sind gerade
hinsichtlich der personellen
Verstärkungen dauerhafte
Verbesserungen für die innere Sicherheit. Damit unterscheiden sie sich deutlich von
Einmalprogrammen mancher
Bundesländer. Nachstehende
Detailübersichten erläutern
die Entwicklung der Haushaltzahlen im Bereich Innere Sicherheit in den vergangenen
drei Jahren bis heute.
I. Haushaltsbilanz 1998–2002
1998–2002 wurden die Ausgaben im Sicherheitsbereich
(Bundesgrenzschutz, Bundeskriminalamt, Bundesamt für
Verfassungsschutz, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und Mittel
für Beschaffungen der Bereitschaftspolizeien der Länder)
um über elf Prozent angehoben. Während die Ausgaben
im Gesamtetat des Bundesinnenministeriums zum Zwecke
der Haushaltskonsolidierung
gesenkt wurden, wurden die
Ausgaben im Sicherheitsbereich angehoben. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert, den die Bundesregierung der inneren Sicherheit
beimisst. Zum Vergleich:
1998 beliefen sich die Ausgaben für die innere Sicherheit
auf 3,8 Mrd. DM, das Ausgaben-Soll für das laufende
Haushaltsjahr beträgt 4,1 Mrd.
DM, für das Jahr 2002 4,3 Mrd.
DM (2,2 Mrd. Euro).
Insbesondere die Ausstattung
des Bundesgrenzschutzes wird
wesentlich verbessert. So wurden in den vergangenen drei
Jahren modernste Hubschrauber mit Hinderniswarnsystemen (Volumen 220 Mio. DM)
und Seefahrzeuge (Volumen
60 Mio. DM) angeschafft.
30
Weitere Beschaffungen sind
durch die Bereitstellung von
weiteren 307 Mio DM in der
mittelfristigen Finanzplanung
gesichert. Damit werden unter anderem drei Patrouillenboote (Volumen rund 90 Mio.
DM) angeschafft.
setzt (s.u.), mit dem Ziel, die
Strukturverbesserungen im
BGS, statt wie von der früheren Regierung geplant erst
2010, schon 2003/2004 umzusetzen.
In die Luftsicherheit wurden
seit 1998 rund 1,2 Mrd. DM
investiert.
Für das kommende Haushaltsjahr stehen 4,3 Mrd. DM (2,2
Mrd. Euro) für den Sicherheitsbereich zur Verfügung.
Hinzu kommen die zusätzlichen Finanzmittel aus dem 3Mrd.-Antiterrorpaket der Bundesregierung in Höhe von
knapp 500 Mio DM. Das Bundesinnenministerium gibt
rund 60 Prozent des ihm zur
Verfügung stehenden Etats
von rund 7,1 Mrd. DM (3,630
Mrd. Euro) für die innere Sicherheit aus.
Im Bereich der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit (EUROPOL, Interpol,
Schengener Informationssystem) ist der deutsche Beitrag
von 1998 auf 2002 um über
10 Mio. DM auf insgesamt 27
Mio. DM angestiegen.
Zwischen 1998 und 2001 wurden im Bundesgrenzschutz
rund 1.700 zusätzliche Stellen
geschaffen.
Den ständig wachsenden Anforderungen an die Polizeivollzugsbeamten wird durch
ein umfangreiches Stellenhebungsprogramm beim Bundesgrenzschutz Rechnung getragen. In den vergangenen
drei Jahren wurden 3.772 Stellenhebungen vorgenommen
und 11.870 Beamtinnen und
Beamte befördert. 1999 wurde die von der Vorgängerregierung vorgesehene Zahl zu
hebender Stellen von 500 auf
1.050 mehr als verdoppelt,
2000 wurden im mittleren
Polizeivollzugsdienst statt der
von der alten Bundesregierung vorgesehenen 350 Hebungen 1.050 Stellen angehoben, also eine Verdreifachung
gegenüber der ursprünglichen Planung. Seit 1999 konnten damit rund 1.300 Polizeibeamte des mittleren Polizeivollzugsdienst in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes wechseln. Das
Programm wird 2002 fortge-
II. Haushalt 2002
Bundesgrenzschutz – Haushalt 2002
Dem Bundesgrenzschutz
(BGS) werden gegenüber den
Ist-Ausgaben des Haushaltsjahres 2000 rund 100 Mio. DM
(51 Mio. Euro) mehr zur Verfügung stehen. Insgesamt
wird der Bundesgrenzschutz
über 3,3 Mrd. DM (1,689 Mrd.
Euro) verfügen. 74 Prozent
werden für Personalkosten
ausgegeben. Das in den vergangenen Jahren begonnene
Stellenhebungsprogramm
wird fortgesetzt, in allen Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes werden insgesamt
1.208 Planstellen gehoben
und zusätzliche 2.600 Beförderungsmöglichkeiten geschaffen. In der Summe werden von 1999 bis Ende 2002
durch dieses Programm
15.800 Beförderungen ermöglicht. Dies erleichtert die Umstrukturierung des Bundesgrenzschutzes hin zum Einzeldienst und ermöglicht, Polizeivollzugsbeamte für ihre
verantwortungsvolle, mit
großem Engagement erledigte Aufgabenerfüllung auszuzeichnen.
In Vorbereitung der EU-Osterweiterung unterstützt Deutschland im Rahmen bilateraler
Zusammenarbeit die Grenzschutzbehörden der mittelund osteuropäischen Staaten,
mit dem Ziel, die illegalen
Einreisen, die hauptsächlich
über diese Länder erfolgen,
zu reduzieren. Dazu stellt das
Bundesinnenministerium vor
allem technische Ausstattung
für die Verbesserung von
Grenzkontrollen zur Verfügung. Hinzu kommt Ausstattungs- und Ausbildungshilfe
im Rahmen eines strukturierten Programms für Polizeien,
Grenzschutzbehörden und
Rauschgiftbekämpfungsbehörden. 2002 stehen dafür
über 6 Mio. DM (3,1 Mio. Euro)
zur Verfügung.
Zusätzliche Finanzmittel (AntiTerror-Paket) für den BGS
Zusätzlich stehen dem Bundesgrenzschutz 241,8 Mio.
DM (123,632 Mio. Euro) zur
Verfügung. Damit werden unter anderem 1.450 Planstellen
für Polizeivollzugsbeamte geschaffen, 50 Planstellen für ITPersonal (weitere 50 in 2003)
sowie die Finanzmittel für 470
Planstellen im Verwaltungsbereich bereitgestellt. Die zusätzlichen Mittel dienen unter anderem dazu, die Sicherheitsmaßnahmen im Luftverkehr weiter zu verstärken.
Dazu gehört beispielsweise
der Aufbau einer BGS-Einheit
zur Flugbegleitung (Skymarshals) oder die Beschaffung
von Kontrolltechnik. Weiterhin werden Objekt- und Personenschutzmaßnahmen ausgebaut, u.a. auch für deutsche Auslandsvertretungen.
Weitere Finanzmittel fließen
in den Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnik im BGS, in die Dokumentenprüftechnik und in
die Verbesserung des technischen ABC-Einsatzdienstes.
Bundeskriminalamt – Haushalt 2002
Das Bundeskriminalamt (BKA)
wird – bei einem Personalkostenanteil von 61 Prozent – gegenüber dem Vorjahr 80,2
Mio. DM (rund 41 Mio. Euro)
mehr zur Verfügung haben.
Wirksame Bekämpfung grenzüberschreitend tätiger und
zunehmend mobilerer Straftäter ist ein bedeutsames Feld
in der Kriminalitätsbekämpfung. Aus diesem Grund
steigt das Haushaltsvolumen
2002 von Europol im Vergleich zum Vorjahr um rund
14,6 Mio. DM (7,5 Mio. Euro)
auf über 82 Mio. DM (42 Mio.
Euro). Deutschland trägt damit 25 Prozent der Gesamtkosten von Europol.
Interpol erhält 2,74 Mio. DM
(1, 4 Mio. Euro) als Unterstützungsbeitrag. Zudem beteiligt sich Deutschland an einem europäisches Netzwerk
nationaler Ausbildungseinrichtung für Polizeiführungskräfte der EU-Mitgliedsstaaten (Europäische Polizeiakademie CEPOL), für die 1,76
Mio. DM (0,9 Mio. Euro) zur
Verfügung stehen.
Zusätzliche Finanzmittel
(Anti-Terror-Paket) für das
BKA
Das BKA erhält zusätzlich
85,3 Mio. DM (43,615 Mio.
Euro). 244 neue Planstellen
für die Bereiche Personenschutz, Ermittlung/Analyse/
Auswertung, des wissenschaft-
lich-technischen Bereichs und
für Europol werden eingerichtet. Das BKA rüstet technisch im Bereich der Kriminaltechnik und Kommunikation auf und setzt zusätzliche
Mittel im Bereich Logistik ein.
Zudem wird die Zentralstelle
für Geldwäscheangelegenheiten verstärkt.
Bundesamt für Verfassungsschutz – Haushalt 2002
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verfügt im
kommenden Haushaltsjahr
über insgesamt 251,9 Mio.
DM (128,8 Mio. Euro) und damit über 5,4 Prozent mehr
Mittel als im Vorjahr.
Zusätzliche Finanzmittel
(Anti-Terror-Paket) für das BfV
Das BfV erhält zusätzlich
18,972 Mio. DM (9,7 Mio. Euro)
zur Verstärkung seiner Beobachtung terroristischer Aktivitäten im Bereich Ausländerextremismus, Staatsterrorismus und Proliferation.
Bundesamt für Sicherheit in
der Informationstechnik –
Haushalt 2002
Dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stehen im kommenden Haushaltsjahr 70,61 Mio.
DM (36,1 Mio. Euro) zur Verfügung. Das BSI wird zum
zentralen IT-Sicherheitsdienstleister der Bundesregierung
ausgebaut. Das Bundesamt
richtet eine Einsatzzentrale
des Bundes bei IT-Gefährdungslagen ein, baut die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungs- und den Sicherheitsbehörden auf neuen Gebieten aus und richtet Verbindungsbüros in internationalen Technologiezentren und
am Sitz internationaler Orga31
nisationen ein. Zudem wird
das BSI seine Maßnahmen
zum Schutz Kritischer Infrastrukturen der Informationstechnik ausbauen.
Zusätzliche Finanzmittel
(Anti-Terror-Paket) für das BSI
Das BSI erhält zusätzlich
31,149 Mio. DM (15,926 Mio.
Euro) und zusätzlich 21 Planstellen, um die operativen
Fähigkeiten des BSI bei informationstechnischen Angriffen auszubauen und seine
Möglichkeiten, Schutzmaßnahmen zu entwickeln, zu
verbessern.
III. Übrige zusätzliche Finanzmittel Anti-Terror-Paket
Im Übrigen werden die dem
Bundesinnenministerium zur
Verfügung stehenden zusätzlichen Finanzmittel aus dem
Anti-Terror-Paket wir folgt
aufgeteilt:
Bereitschaftspolizeien der
Länder
• 28 Mio. DM (14,315 Mio.
Euro) als Beitrag des Bundes für die Ausstattung der
Bereitschaftspolizeien der
Länder. Dazu gehören unter anderem Einsatzfahrzeuge, Foto- und Videoausrüstungen sowie Körperschutzausstattung.
Bundesverwaltungsamt
• 18,637 Mio. DM (9,528 Mio.
Euro) für Maßnahmen zur
technischen Verbesserung
und Umsetzung gesetzlicher Neuregelungen im Bereich Ausländerzentralregister, Visa und IT-Sicherheit
einschließlich Ausweichlagezentrum, 44 Planstellen
werden eingerichtet.
32
Zivilschutz
• 25,453 Mio. DM (13,014 Mio.
Euro) werden zusätzlich im
Bereich des Zivilschutzes
zum Aufbau einer Informationszentrale für Krisenfälle
mit dem „Deutschen Notfallvorsorgeinformationssystem“, zur zusätzlichen Beschaffung von ABC-Erkundungs- und -Dekontaminierungsfahrzeugen, Krankentransportern und Betreuungsfahrzeugen eingesetzt.
Das satellitengestützte Kommunikations- und Warnsystem für die schnelle Weitergabe von Hinweisen an
Rundfunkanstalten wird
ausgebaut. Geplant ist die
Erweiterung der Warnung
per Mobilfunksysteme. Die
Akademie für Notfallplanung und Zivilschutz wird
ausgebaut und weiterentwickelt zum Kompetenzzentrum für Bund-LänderKrisenmanagement. Schließlich werden finanzielle Mittel zur Erste-Hilfe-Ausbildung
der Bevölkerung und für
die Zivilschutzforschung bereitgestellt.
Bundesanstalt Technisches
Hilfswerk (THW)
• Das THW erhält zusätzlich
25,007 Mio. DM (12,786
Mio. Euro) zur Verbesserung seiner Ausstattung im
Bereich der Bergungsaufgaben, der Kapazitäten zur
Stromerzeugung und Beleuchtung und des Helferschutzes.
Bundesministerium des Innern
• Zusätzliche Mittel in Höhe
von 4,443 Mio. DM (2,280
Mio. Euro), 36 neue Stellen
zur personellen Verstärkung in den Fachabteilun-
gen mit Sicherheitsbezug
sowie ergänzende Ausstattung in den Bereichen Infrastruktur und Informationstechnik.
Bundeszentrale für Politische
Bildung (BpB)
• Für den Ausbau des Bildungsangebotes zu den
Themen „politischer Extremismus“, „Internationaler
Terrorismus“, „Fundamentalismus“ und „Sicherheitspolitik“ kann die Bundeszentrale für Politische Bildung zusätzlich 1,956 Mio. DM
(1 Mio. Euro) einsetzen und
damit ihren Beitrag zur geistig-politischen Auseinandersetzung beitragen.
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
• 5,87 Mio. DM (3 Mio. Euro)
für die Verstärkung der ITSicherheit und sonstiger Sicherheitsmaßnahmen.
Sonstige
• Zusätzliche Finanzmittel in
Höhe von 999 TDM (511 Tb)
sind vorgesehen für einen
Ausbau des interreligiösen
Dialogs mit den muslimischen Gemeinschaften wie
der Einrichtung eines Gesprächskreises Islam mit islamischen Organisationen,
Vertretern der Bundesregierung, der Länder und mit
Experten, die Initiierung
und Unterstützung eines
Koordinierungsrates für
den christlich-islamischen
Dialog, der Förderung von
Netzwerken nicht-organisierter Muslime sowie interkulturelle Informationsveranstaltungen.
Weitere 501 TDM (256 Tb)
werden für die geistig-politische Auseinandersetzung mit
terroristischen und extremistischen Bestrebungen zur Verfügung stehen. Dazu ge-
hören verstärkte Maßnahmen
zur Integration insbesondere
muslimischer Mitbürger, Forschung über das Zusammenleben mit den muslimischen
Bürgern, Aufklärungskampag-
nen in Bezug auf das wechselseitige Verständnis zwischen
deutschen und muslimischen
Mitbürgern.
11. Bundesinnenminister verbietet islamistische Vereinigung
„Kalifatsstaat“
Bundesinnenminister Otto Schily verbot am 12. Dezember 2001 die islamistische extremistische Vereinigung „Kalifatsstaat“, die dazugehörende Stiftung „Diener des Islam“ (Stichting Dienaar aan Islam) sowie 19 Teilorganisationen, die insgesamt rund
1.100 Mitglieder hatten. Das Verbot wurde am gleichen Tag vollzogen. Insgesamt erfolgten in sieben Bundesländern rund 200 Durchsuchungen. Dazu veröffentlichte das
Bundesinnenministerium folgende Presserklärung:
Rechtsgrundlage des Verbotes
sind die §§ 3, 14 und 15 des
Vereinsgesetzes. Der „Kalifatsstaat“ und seine Teilorganisationen richten sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung
und den Gedanken der Völkerverständigung; sie gefährden die innere Sicherheit sowie erhebliche – insbesondere außenpolitische – Belange
der Bundesrepublik Deutschland. Entsprechendes gilt für
die in den Niederlanden eingetragene „Stichting Dienaar
aan Islam“, die in Deutschland verboten wurde.
Das Verbot wurde durch die
Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz möglich, die am 8. Dezember
2001 in Kraft getreten ist.
Dazu erklärt Bundesminister
Otto Schily:
„Der so genannte „Kalifatsstaat“ hetzt seine Anhänger
gegen die Demokratie, gegen
Andersgläubige und gegen die
Republik Türkei auf. Besonders
widerwärtig sind seine antise-
mitischen und antiisraelischen
Tiraden. Bisher stand einem
Verbot das Religionsprivileg
im Vereinsgesetz entgegen.
Dieses Religionsprivileg wurde auf meinen Vorschlag vom
Bundestag durch eine Änderung des Vereinsgesetzes beseitigt. Diese Gesetzesänderung habe ich übrigens schon
vor dem 11.9. auf den Weg
gebracht, weil die Sicherheitsbehörden die Bedrohung
durch den extremistischen Islamismus bereits vor den Anschlägen von New York und
Washington erkannt hatten.
Extremistische und verfassungsfeindliche Vereine können ihre Aktivitäten jetzt
nicht mehr mit dem Deckmantel der Religionsausübung tarnen.
Das Verbot dieser islamistischen Organisation war notwendig, um deren extremistische Aktivitäten zu unterbinden. Neben solchen staatlichen Maßnahmen besteht
aber weiter die Notwendigkeit, dass wir uns geistig-poli-
tisch mit den Feinden von Demokratie und Rechtsstaat auseinandersetzen. Nur wenn
wir diese Auseinandersetzung
selbstbewusst und entschlossen führen, werden wir Terrorismus und Extremismus erfolgreich bekämpfen können.
Dabei appelliere ich an die
gesetzestreuen Islamanhänger in unserem Land, sich an
dieser Auseinandersetzung zu
beteiligen. Auch sie müssen
deutlich werden lassen, dass
islamistischer Extremismus
und Terrorismus nichts mit
Religionsausübung zu tun haben, sondern kriminelle Aktivitäten sind.“
Ergänzende Informationen
zum „Kalifatsstaat“
Der „Kalifatsstaat“ (Hilafet Devleti) strebte unter der Führung seines selbst ernannten
„Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime“, Metin Kaplan, die Beseitigung des laizistischen türkischen Staatsgefüges sowie die Einführung
einer islamischen Ordnung
auf der Grundlage der Scha33
ria an. Endziel war die Weltherrschaft des Islam unter
der Führung eines einzigen
„Kalifen“. Dabei verstand der
„Kalifatsstaat“ sich als Wiederbelebung des durch Kemal Atatürk 1924 in der Türkei abgeschafften „Kalifats“.
Es handelte sich nach dem
Selbstverständnis seiner Anhänger nicht um einen Staat
im Exil oder einen „Phantomstaat“, sondern um ein real
existierendes Staatsgebilde
mit der Hauptstadt Istanbul.
Allerdings gingen die Aktivitäten „vorübergehend“ von
der derzeit faktischen „Hauptstadt“ Köln aus, da das Staatsgebiet nach den Vorstellungen der Mitglieder des „Kalifatsstaates“ von der türkischen
Regierung „besetzt“ ist.
Als Mittel zur „Wiederbelebung“ des „Kalifatsstaates“
wurde seit 1996 der „Jihad“
(„Heiliger Krieg“) bzw. der
„Befreiungskampf“ durch die
„Soldaten und Generalstabsmitglieder des Kalifatstaates“,
erforderlichenfalls unter Einsatz des „Schwertes“ und unter Inkaufnahme des Todes,
propagiert.
Die Entwicklung des „Kalifatsstaates“ war eng mit der Person Cemaleddin Kaplans verbunden. Dieser kam 1981
nach Deutschland und vertrat
die Auffassung, dass allein
durch die kompromisslose
Verkündung des Islam das
Ziel eines Islamstaates erreicht werden könne. Das Parteienwesen, wie überhaupt
jegliche demokratische Staatsform, lehnte er ab. Unter Mitnahme seiner Anhänger aus
einer anderen Vereinigung
gründete Cemaleddin Kaplan
eine eigene Bewegung und
ließ sich 1983 in Köln zum
„Emir“ (Führer) der Bewegung
„wählen“. 1984 wurde diese
34
als „Verband der islamischen
Vereine und Gemeinden
(ICCB) – so die damalige offizielle Bezeichnung des Verbandes – im Vereinsregister
eingetragen. 1992 rief Cemaleddin Kaplan den „Föderativen Islamstaat Anatolien“ aus
und ließ sich als „Emir der
Gläubigen“ und – damals
noch stellvertretenden – „Kalifen“ bestätigen. Seit seiner
Ernennung zum „Kalifen“ im
März 1994 sah sich die Organisation als Träger des „Kalifatsstaates“ und benutzte
hierfür nur noch ausschließlich die türkische Bezeichnung „Hilafet Devleti“. Nach
dem Tode Cemaleddin Kaplans übernahm 1995 sein
Sohn Metin Kaplan die Leitung des „Kalifatsstaates“ und
rief sich zum „Kalifen“ aus.
Die Organisationsstruktur des
„Kalifatsstaates“ imitierte
staatliche Verhältnisse historischer Art in islamischen Ländern. Der „Kalifatsstaat“ war
hierarchisch aufgebaut und in
Deutschland in verschiedene
Gebiete („Bölge“) gegliedert,
an deren Spitze jeweils ein
„Gebietsemir“ stand. In diesen
Gebieten in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen
und Rheinland-Pfalz leben die
rund 1.100 Anhänger des „Kalifatsstaates“, die sich gegenüber dem „Kalifen“, Metin
Kaplan, zum Gehorsam verpflichtet haben. Sie wurden
regelmäßig aufgefordert, an
die Zentrale in Köln „Steuern“
abzuführen und anlassbezogen zu spenden.
Der „Kalifatsstaat“ verfügte
über ausgeprägte Verbandsstrukturen, u. a. über ein „Generalpräsidium“ mit verschiedenen „Abteilungen“ sowie
einen „Generalstab“. Der „Ka-
lif“ hatte einen Beraterstab
von rund zehn Personen, der
sich als „Zentrale“ („Merkez“)
um die Ausführungen der Arbeiten z. B. in der verbandseigenen Zeitung („Ümmet-i Muhammet“), im Lebensmittelhandel („Hakk-Bir“) oder bei
der Stiftung („Stichting Dienaar aan Islam“) kümmerte.
Der „Kalifatsstaat“ verfügte
über eine „Fetwa-Instanz“, die
religiöse Rechtsgutachten erstellte, sowie über eine eigene „Gerichtsbarkeit“. Für den
Bereich der Jugendarbeit gab
es in jedem Gebiet einen „Jugendemir“ und in der Zentrale einen „Generaljugendemir“.
Der „Kalifatsstaat“ arbeitete
weitgehend konspirativ. Die
Funktionsträger des Verbandes trugen teilweise nur religiös geprägte Decknamen,
die tatsächlichen Namen waren vielen Angehörigen der
Gemeinde nicht bekannt.
Informationen an die Mitglieder wurden über die verbandseigene Zeitung „Ümmet-i Muhammed“ („Die Gemeinde
Muhameds“) verbreitet. Sie
erschien wöchentlich mit einer Auflage von mehreren
tausend Exemplaren und
nahm für die Organisation
gleichzeitig eine Art Sprecherfunktion wahr. Seit 1997
produzierte die Vereinigung
mit „Hakk-TV“ (sinngemäß:
Wahres islamisches Fernsehen) eine eigene Fernsehsendung. Im Internet war der
„Kalifatsstaat“ mit eigenen
Webseiten vertreten.
Als finanzielles Rückgrat für
seine Aktivitäten diente dem
„Kalifatsstaat“ die in den Niederlanden registrierte „Stichting Dienaar aan Islam“. Sie
förderte seine verfassungswidrigen Bestrebungen, indem sie alle logistischen Unterstützungshandlungen vor-
nahm. Sie ist Eigentümerin
der acht verbandseigenen Liegenschaften. Die Stiftung war
für das Sammeln und Verwalten von Spendengelder verantwortlich und organisierte
Pilgerreisen nach Mekka.
Der „Kalifatsstaat“ richtete
sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen das Demokratie- und das Rechtstaatsprinzip. Er verstieß gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Agitation gegen die
Türkei, Israel und andere Staaten sowie gegen Juden). Seine
politische Betätigung gefährdete die innere Sicherheit. Namentlich seine auf Umsturz
der türkischen Staatsordnung
gerichtete Zielsetzung gefährdete schließlich sonstige erhebliche (außenpolitische) Belange der Bundesrepublik.
Die zum Verbot führende verfassungsfeindliche Zielrichtung ließ sich den Publikationen der Vereinigung, vor allem der organisationseigenen
Zeitung „Ümmet-i Muhammed“, diversen Flugblättern
und den im organisationseigenen Fernsehsender „HakkTV“ verbreiteten Äußerungen
entnehmen.
Die gesellschaftlichen Vorstellungen des „Kalifatsstaates“
sind mit den Grundprinzipien
der parlamentarischen Demokratie nicht vereinbar. In der
geforderten, an der Scharia
ausgerichteten islamischen
Ordnung bleibt für demokratische Institutionen und Regeln kein Platz.
Äußerungen in der Zeitschrift
„Ümmet-i Muhammed“ zeigten die ablehnende Haltung
zur Demokratie: „... Die
schlimmste Krankheit unse-
rer Zeit ist die Demokratie!
Sie ist gefährlicher und tückischer als Krebs, Aids, als die
Pest und vergleichbare Krankheiten. Die Demokratie ist die
größte Krankheit. Es geht so
weit, dass diese Krankheit die
Menschheit vernichtet. ...“
Ferner: „... Es lebe die Hölle
für die Ungläubigen! Und nieder mit allen Demokratien
und allen Demokraten!“
Im Strafverfahren gegen Metin Kaplan vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gab der
als Zeuge vernommene „Jugend-Emir“ von Hessen zu
verstehen, dass die deutschen
Gesetze für den „Kalifatsstaat“
keine Relevanz besäßen:
„...Wenn eine Gesetzesbestimmung der Scharia entspricht,
wird sie befolgt, wenn nicht,
wird sie nicht befolgt. Der Koran ist das Maß aller Dinge.
Denn er beinhaltet Gottes Gesetz. Alle anderen Gesetze sind
nur von Menschen gemacht...
Unser Bestreben ist, dass Sie
(d.h. das Gericht) es mit Nachsicht behandeln, wenn wir
Ihre Gesetze nicht einhalten...“
Die aggressive Propaganda
verstieß gegen den Gedanken
der Völkerverständigung. Zur
Türkei hieß es in „Ümmet-i
Muhammed“: „... Das Gericht
des Kalifatsstaates hat die
Türkische Republik bereits
verurteilt...“ und „Wenn der
Kalifatsstaat das gesamte
Land Anatolien beherrscht,
wird man nach der Gründung der Gerichte einzeln
mit den Glaubensabtrünnigen abrechnen und sie hinrichten!“ Das Existenzrecht
des Staates Israel wurde bestritten: „... Wenn es einen islamischen Staat gegeben hätte, dann wäre noch nicht einmal so etwas wie der Name
Israel übriggeblieben. ...“ In
volksverhetzender Weise wur-
de gegen Juden agitiert:
„Wenn wir Juden sagen, dann
werden alle Muslime von einem Schauer erfasst und sie
müssen sich zuerst einmal
schütteln. Diese Gesellschaft
von nicht einmal einigen Millionen Menschen lässt eine
Milliarde Muslime Blut
spucken. Die jüdische Gesellschaft ist eine Gesellschaft,
die die Propheten ermordete,
sich gegenüber den Gottesgaben undankbar zeigte und
Hinterhältigkeit und Gewalttätigkeit zu ihrer Parole
machte. ...“
Die Vorgehensweise des „Kalifatsstaates“ gegen „Abtrünnige“ stellt eine Gefährdung
der inneren Sicherheit dar.
Abweichler wurden in massiver Form, bis hin zur „Todesstrafe“, bedroht. Das OLG Düsseldorf sah es als erwiesen an,
dass Metin Kaplan auf einer
Hochzeitsfeier in Berlin im
September 1996 und drei Wochen später auf einer Versammlung von Funktionären
des „Kalifatsstaates“ zur Tötung von Halil Ibrahim Sofu
aufgerufen hatte. Der ehemalige Vertraute von Cemaledin
Kaplan hatte sich vom „Kalifatsstaat“ getrennt und 1996
in Berlin zum (Gegen-) „Kalifen“ ausgerufen. Sofu wurde
in der Nacht zum 8. Mai 1997
in seiner Wohnung in Berlin
von bisher unbekannten Tätern durch mehrere Schüsse
getötet. Vor diesem Hintergrund hat das OLG Düsseldorf
Metin Kaplan am 15. November 2000 wegen öffentlicher
Aufforderung zu Straftaten (§
111 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ein weiterer angeklagter
Funktionär, Hasan Gökbulut,
erhielt eine Freiheitsstrafe
von drei Jahren, ein dritter
Angeklagter wurde freigesprochen (das Urteil gegen
35
Kaplan und Gökbulut ist seit
dem 25.10.01 rechtskräftig,
Hasan Gökbulut befindet sich
seit dem 24.10.00 auf der
Flucht). Ein weiterer Funktionär wurde wegen des gleichen Delikts in Augsburg verurteilt.
Der „Kalifatsstaat“ vertrat seine Zielsetzung in aktiv-kämpferischer, aggressiver Form.
Das Programm, die Publikationen und die öffentlichen
Äußerungen der Funktionsträger erschöpften sich
nicht in bloßer Kritik an bestehenden politischen Zuständen. Ideologisches Endziel
war die vollständige Vernich-
tung der verfassungsmäßigen
Grundordnung. Dies ergab
sich auch aus der verwendeten Diktion wie „Umsturz“,
„Befreiungskampf“ oder „Jihad“. Aussagen wie „... Es ist
eine kanonische Pflicht, gegen die Ungläubigen den Jihad zu führen. Diese Pflicht
besteht auch dann, selbst
wenn nicht die Ungläubigen
es sind, die den Krieg begonnen haben. ... Es bestehen keine Bedenken, auf die Ungläubigen zu schießen, ... Die Ungläubigen werden gezielt beschossen, auch wenn sie sich
hinter muslimischen Kindern
oder Gefangenen verschanzt
haben. ...“ verdeutlichen dies.
Die Aktivitäten des „Kalifatsstaates“ genießen nicht den
Schutz des Grundrechts der
Religionsfreiheit nach Art. 4
GG. Zwar konnte der „Kalifatsstaat“ als eine Vereinigung angesehen werden, deren zumindest partieller
Zweck die Förderung und
Pflege eines religiösen Bekenntnisses war. Die aufgeführten Äußerungen des „Kalifatsstaates“ gehen jedoch
weit über den religiösen Bereich hinaus; sie stellen eine
politische Betätigung dar, die
nicht nach Art. 4 GG geschützt ist.
12. Solidarität mit Amerika
Erklärung von Bundesinnenminister Otto Schily anlässlich eines Treffens mit dem
Justizminister der Vereinigten Staaten von Amerika, John Ashcroft, am 14. Dezember
2001 vor der Presse in Berlin
Meine Damen und Herren,
wir haben uns sehr gefreut
und sind glücklich darüber,
dass heute der Attorney General der Vereinigten Staaten
von Amerika, Mr. Ashcroft,
uns besucht hat.
Wir hatten eine sehr intensive und konstruktive Unterredung, wir sind beide wechselseitig dankbar für die enge
und freundschaftliche Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden unserer beiden
Länder. Wir teilen die Überzeugung, dass wir alles tun
müssen, damit Verbrechen,
wie sie in New York und in
Washington stattgefunden
haben, sich nicht wiederholen werden, dass wir aber
auch alles tun müssen, um
die für diese abscheulichen
Verbrechen Verantwortlichen
36
aufzuspüren und vor Gericht
zu stellen. Dass wir im Übrigen alles tun müssen, um diese terroristischen Netzwerke
zu zerschlagen und dass dafür alle dafür gebotenen Mittel eingesetzt werden müssen.
Ich habe meinem Kollegen
Ashcroft die gesetzlichen
Maßnahmen, die wir ergreifen, die wir auch heute im
Bundestag beraten werden,
erläutert und auch die anderen Maßnahmen auf administrativem Gebiet, die wir nach
dem 11. September in die
Wege geleitet haben, aber
auch darauf hingewiesen,
dass das Problem des internationalen islamistischen Terrorismus nun nicht erst am 11.
September erkannt worden
ist, sondern dass wir mit dieser Bedrohung schon früher
konfrontiert waren und auch
schon zuvor Maßnahmen zu
deren Bekämpfung eingeleitet haben.
Wir vertreten aber gemeinsam die Überzeugung, dass
das, was am 11. September
stattgefunden hat, die Tiefendimension dieser Bedrohung
erkennen lässt. Wir haben
auch kurz das Video erörtert,
was ja jetzt auch in den Fernsehsendern ausgestrahlt worden ist, und was in der Person von bin Laden eine Verkommenheit, eine moralische
Verkommenheit, in einer
Form erkennen lässt, die eigentlich das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt.
Wir waren auch gemeinsam
der Überzeugung, dass das,
was vor allen Dingen auch in
New York stattgefunden hat,
nun nicht ein Angriff allein
auf die Vereinigten Staaten
von Amerika ist, sondern ein
Angriff auf die gesamte zivilisierte Menschheit, was auch
in der Tatsache zum Ausdruck
kommt, dass die Opfer, die zu
Tode gekommen sind im
World Trade Center, aus mehr
als 80 Nationen stammen.
Und für Deutschland ist New
York ohnehin ein Symbol der
Freiheit und der Demokratie.
Wir haben nicht vergessen,
dass gerade New York immer
ein Zielpunkt war für Menschen, die auf der Flucht wa-
ren vor totalitären Regimen,
es ist ein Symbol für Freiheit
und Demokratie, und deshalb
ist das, was diese Verbrecher
begangen haben, ein unmittelbarer Angriff auf diese
Ideale, die uns verbinden –
Amerika und Deutschland –
und deshalb ist das, was wir
tun in gemeinsamer Arbeit in
der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, nicht
nur ein selbstverständliches
Zeugnis für die enge und unverbrüchliche Freundschaft
zwischen unseren beiden
Ländern, sondern geschieht
auch in unserem eigenen, ureigensten Interesse. Wir sind
auch der Meinung, dass die
Bekämpfung des internationalen Terrorismus nur gemeinsam erfolgreich sein
kann, eine isolierte Bekämpfung gar nicht möglich ist
und dass wir unsere Maßnahmen in dieser Weise auch
aufeinander abstimmen müssen – sicherlich unter Beachtung unterschiedlicher Rechtsordnungen und unterschiedlicher rechtlicher Traditionen.
13. Das zweite Antiterrorgesetz in der Kritik
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 14. Dezember 2001 nahm FritzRudolf Körper, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern
(Auszug), zur Kritik am Sicherheitspaket II Stellung
Frage: Herr Körper, haben
Sie...Sorgen, dass die Justiz
die Ermittlungen generell behindern bzw. verzögern könnte, oder warum sind die Erweiterungen der Befugnisse
der Dienste notwendig?
Parl. Statssekretär Körper:
Ich habe manchmal den Eindruck, dass so mancher Kritiker unser Gesetz und unsere
Vorschläge nicht gelesen hat.
Die Befugnisse, welche die
Verfassungsschützer bekommen sollen, sind immer im
Geltungsbereich, nämlich dahingehend, wo gegen den Gedanken der Völkerverständigung – insbesondere gegen
das friedliche Zusammenleben der Völker – verstoßen
wird. Das ist diese Umschreibung, diese Befugnisse, die
sich dort orientieren. Und
diese Fragen, die diskutiert
worden sind, haben auch in
der Anhörung eine Rolle gespielt. Im Übrigen haben wir
da die Anregungen auch aufgenommen, beispielsweise
diese Frage der Kontrolle, dahingehend, dass wir nun
auch in diesem Bereich das
so genannte G-10-Gesetz anwenden, d.h. auch ein rechtsstaatliches Mittel, was an anderer Stelle unbestritten ist.
Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass aufgrund der
Ereignisse, die wir uns alle
nicht gewünscht haben, diese
Maßnahme notwendig ist,
denn wir wussten und wissen
einfach zu wenig.
Frage: Dann gehen wir doch
mal ins Detail. Ist es möglich,
ist es richtig, dass Verfassungsschützer künftig auch ohne
richterliche Anordnung Telefonate abhören können sollen?
Parl. Statssekretär Körper:
Es geht um die Telekommunikationsverbindungen. Das
darf im Einzelfall beobachtet
werden. Ich sage ganz be-
wusst, im Einzelfall. Genauso,
was die Dinge bei Kreditinstituten anbelangt.
Frage: Da muss nicht vorher
ein Richter gefragt werden?
Parl. Statssekretär Körper:
Nein, es ist genauso, wie beispielsweise bei einer Telefonabhörung. Das geht auch
nach den G-10-Richtlinien. Ich
denke, das ist dort unumstritten und sollte auch dort unumstritten sein.
Frage: Also verfassungsrechtlich für Sie unbedenklich?
Parl. Statssekretär Körper:
Sie müssen übrigens auch
wissen – es wird immer in
gleicher Ebene diskutiert –,
dass das Bankgeheimnis beispielsweise kein Grundrecht
ist. Nichtsdestotrotz haben
wir beispielsweise diese Maßnahmen über das so genannte G-10-Gesetz eingefügt. Ich
37
denke, es ist absolut unbedenklich. Im Übrigen, auch
die Kritiker, die sich hier und
da geäußert haben, sind absolut damit einverstanden.
Frage: Das Sicherheitspaket
soll ja regelrecht durch die
Instanzen gepaukt werden:
heute im Bundestag, nächste
Woche im Bundesrat. Das
geht alles sehr schnell, da ist
schon vom Eilverfahren die
Rede, und manche Parlamentarier fühlen sich übergangen. Sie haben gerade auch
beklagt, dass manche Kritiker
das Gesetz und die Entwürfe
gar nicht richtig kennen würden. Warum war denn diese
Eile notwendig? Hätte man
sich nicht mehr Zeit lassen
können?
Parl. Statssekretär Körper:
Nein, Herr Capellan, ich habe
gesagt, dass man sie nicht
richtig gelesen hatte. Die
Möglichkeit bestand, dass das
natürlich ein ungewöhnliches Verfahren ist. Das wird
an der Tatsache deutlich,
dass es sich um ungewöhnliche Ereignisse handelt. Es
gibt eine UN-Resolution, die
uns auch verpflichtet, in einem bestimmten Zeitraum
Maßnahmen vorzulegen, und
ich denke, wir sollten auch
bemüht sein, dass wir uns im
internationalen Vergleich sehen lassen können. Sie wissen, wir leben nicht alleine
auf einer einsamen Insel,
sondern wir werden verglichen, das wollen wir, deswegen wollen wir dieses Verfahren bis Ende des Jahres abschließen.
Frage: Wo hilft denn dieses
Paket ganz konkret im Kampf
gegen Terroristen? Wovon
versprechen Sie sich in dieser
Hinsicht am meisten?
Parl. Statssekretär Körper:
Wir haben einfach zu wenig
gewusst. Wir haben zu wenig
gesehen. Und es ist ein Hauptproblem, sich darauf einstellen zu können. Deswegen ist
das hier ein entscheidender
Ansatz. Nicht umsonst haben
Sie mich auf eine Maßnahme
angesprochen, die dieses Paket vorsieht, nämlich auf das
Thema der Dienste – da gibt
es ja noch viele ganz andere
Punkte, über den Bundes-
grenzschutz, Bundeskriminalamt, Ausländerrecht, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, um
nur einige Punkte zu nennen
– das ein ganz wichtiger und
entscheidender Punkt ist, so
dass wir bessere Informationen haben, um auch präventiv tätig sein zu können.
Frage: Lassen Sie uns noch einen Punkt ansprechen, die
Einführung biometrischer Daten im Pass: der Fingerabdruck oder die Gesichtskonturen. Man hat sich da nicht
festgelegt. Warum nicht?
Parl. Statssekretär Körper:
Da hat man sich dahin gehend
festgelegt, dass man das ausdrückliche Verbot im Passund Personalausweisgesetz,
nämlich das Verbot zur Aufnahme biometrischer Merkmale, herausgenommen hat.
Das ist ein ganz wichtiger
Schritt. Alles Weitere wird
den Beratungen und dem Gesetzesweg überlasen sein – es
sind ja auch ein paar technische Fragen zu regeln und zu
klären –. Ich glaube, das ist
ein ganz entscheidender
Schritt in diesem Paket.
14. Basisinformation für Journalisten zum Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern
Auf Grund zahlreicher Anfragen zum Einsatz bewaffneter Flugbegleiter an Bord deutscher Luftfahrzeuge veröffentlichte das Bundesinnenministerium am 15. Jaunar 2002
eine Pressemitteilung zu diesem Thema am 15. Januar 2002. Darin hieß es:
Detaillierte Auskünfte können wir aus Sicherheitsgründen zu diesem Thema nicht
erteilen.
Bundesinnenminister Schily
hat dazu kürzlich erklärt: „Es
ist notwendig, Sicherheitsbegleiter einzusetzen. Früher
38
gab es seitens der Luftfahrtgesellschaften und der Piloten
zahlreiche Vorbehalte. Heute
sind aber auch sie der Meinung, dass wir Flugsicherheitsbegleiter brauchen. Für
diese verantwortungsvolle
Aufgabe benötigt man gut
ausgebildetes Personal. Be-
waffnete Flugsicherheitsbegleiter sind besonderen Anforderungen ausgesetzt. Sie
müssen über körperliche Fitness, hohe psychische Belastbarkeit und eine entsprechende Berufserfahrung im polizeilichen Alltag verfügen.
Deshalb werden wir eine ei-
gene Einheit für diese Aufgabe ausbilden.“
Das Sicherheitspaket II weist
dem Bundesgrenzschutz die
Aufgabe der bewaffneten
Flugsicherheitsbegleitung zu.
So sieht es eine Beschränkung des Einsatzes bewaffneter Flugsicherheitsbegleiter
auf Polizeivollzugsbeamte des
Bundesgrenzschutzes vor. Sicherheitskräfte privater Unternehmen können lediglich
unbewaffnet – wie bisher auch
– im Auftrag von Luftfahrtunternehmen eingesetzt werden.
Alle Flugsicherheitsbegleiter,
die derzeit zum Schutz der
Fluggäste eingesetzt werden,
haben eine spezielle Fortbildung für diese Aufgabe
durchlaufen.
Die neue Flugsicherheits-Einheit wird bereits aufgebaut:
Besonders erfahrene und belastbare Polizeivollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes
werden gezielt auf ihren Einsatz im Luftverkehr vorbereitet. Sie unterliegen einem besonderen Auswahlverfahren
und durchlaufen ein speziel-
les Training. Die Fortbildung
der Flugsicherheitsbegleiter
erfolgt für das gesamte Aufgabenspektrum durch qualifiziertes Lehrpersonal in einer
Ausbildungseinrichtung des
Bundesgrenzschutzes. Details
zur Fortbildung können aus
Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben werden.
Die Größe der aufzubauenden Einheit wird sich an der
Entwicklung der Sicherheitslage und an den vorhandenen Personalkapazitäten orientieren.
15. Datennetze gegen Anschläge sichern – Alarm per Internet
und künftig auch per Handy
Im Anschluss an ein Gespräch mit Telekom-Chef Dr. Ron Sommer über die Sicherheit
von Datennetzen und moderne Warnsysteme erklärte Bundesinnenminister Otto Schily
am 16. Januar 2002:
„Die Ereignisse des 11. September haben uns vor Augen
geführt, dass terroristische
Anschläge sich gegen die
Nervenzentren der modernen
Zivilisation richten können.
Deshalb habe ich Gespräche
mit den Vertretern aller Infrastruktureinrichtungen in
Deutschland geführt, um Bedrohungspotenziale zu erkennen und Gegenmaßnahmen
zu ergreifen. Ein Element dieser Gegenstrategie ist beispielsweise die im Sicherheitspaket II vorgesehene Überprüfung des Personals, das in
sicherheitsempfindlichen Bereichen von Infrastrukturunternehmen arbeitet.
Zu den wichtigsten Nervensträngen moderner Gesellschaften gehören die Informations- und Kommunikationsnetze eines Landes. Die
Infrastruktur großer Volks-
wirtschaften mit ihren vielen
Verknüpfungen und Wechselbeziehungen ist immer an einigen Punkten gefährdet.
Auch wenn Katastrophenszenarien von „Cyber War“
völlig überzeichnet sind, müssen sich Staat, Gesellschaft
und Wirtschaft doch gegen
Anschläge auf ihre Datennetze wappnen. Daher muss uns
an dem zuverlässigen Schutz
dieser Netze besonders liegen.
Die Bundesregierung arbeitet
hierbei sehr konstruktiv mit
der Wirtschaft zusammen.
Auf dem Gebiet der Sicherheit von Informations- und
Kommunikationstechnik gibt
es bereits seit langem eine
enge Kooperation mit den
Unternehmen dieser Branche,
sei es mit IBM, mit dem Branchenverband BITKOM oder
mit anderen. Heute habe ich
mit Ron Sommer die Fort-
schritte und Zwischenergebnisse der Zusammenarbeit
mit der Deutschen Telekom
erörtert, dabei haben wir eine
sehr positive Bilanz gezogen.
Dies gilt auch für die gemeinsamen Arbeiten bei der Entwicklung neuer Alarmierungssysteme für die Bevölkerung.
Denn bei Katastrophenfällen
müssen wir uns für die Warnung der Bevölkerung die
neuen Techniken zu Nutze
machen. Wo früher die Sirenen heulten, soll künftig das
Handy alarmieren, die Funkuhren schrillen und bei jedem, der gerade im Internet
surft, sich ein Warnfenster
öffnen. Dies ist moderne Kommunikation.“
Bei der Warnung der Bevölkerung in Zivil- und Katastrophenschutzangelegenheiten
strebt das Bundesinnenminis39
terium eine Einbindung von
T-online an. Warnmeldungen
sollen künftig über das satellitengestützte Kommunikationssystem nicht nur an die
Rundfunkanstalten und Nachrichtenagenturen, sondern
auch an T-online übermittelt
werden. T-online wird sie
dann schnell und effizient an
die T-online-Kunden weitergeben. Hier sind noch einige
Fragen zu klären, aber es
zeichnet sich ab, dass mit T-online der erste Internetanbieter in das Warnsystem eingebunden wird. Dies hat Vorbildcharakter, denn Staat und
Wirtschaft nutzen mit dieser
Zusammenarbeit die Vorteile
schneller, moderner und kostengünstiger Kommunikationsinfrastruktur. Auch andere
Anbieter sind aufgerufen,
sich künftig an diesem System schneller Warnung der
Bevölkerung zu beteiligen.
Eine besonders erfolgreiche
Zusammenarbeit zwischen
Bundesregierung und Deutscher Telekom besteht beim
Informationsverbund BerlinBonn (IVBB). Dieses Netzwerk
gewährleistet eine sichere
und moderne Regierungskommunikation.
Mit einigen Zahlen lässt sich
verdeutlichen, wie wertvoll
eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur für die
40
Regierungsarbeit ist: Das EMail-Aufkommen stieg von
40.000 Anfang 1999 auf mittlerweile 1,7 Mio. E-Mails pro
Monat. Eine noch intensivere
Nutzung des IVBB ist zu erwarten: Eine Erweiterung des
E-Mail-Systems für eine Kapazität von 5 Mio. E-Mails pro
Monat (bei einem Transport
innerhalb von 60 Sekunden)
ist bereits durchgeführt worden: Im ersten Halbjahr 2002
werden die Bandbreite und
die Ausfallsicherheit des zentralen Datennetzes erhöht.
Ebenfalls in 2002, das hat
nicht zuletzt durch den 11.
September an Bedeutung gewonnen, wird die Verschlüsselung auf weitere Kommunikationsleitungen ausgedehnt.
Ein weiteres Feld enger Kooperation mit der Telekom
besteht gerade auf dem Gebiet der IT-Sicherheit. Hier
hat sich eine vertrauensvolle
und zukunftsgerichtete Zusammenarbeit zwischen der
Telekom und dem Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik entwickelt, von
der beide Seiten profitieren.
Es liegt im Interesse der Bundesregierung, dass in sensiblen Bereichen vertrauenswürdige und robuste Technik
eingesetzt wird. Für die Kooperation in besonders sensiblen IT-Sicherheitsfragen wurde daher eine ständige Arbeitsgruppe des Bundesamts
für Sicherheit in der Informationstechnik mit der Telekom
eingerichtet.
Das Bundesinnenministerium
und die Telekom haben eine
langfristig-strategische Zusammenarbeit und einen vertrauensvollen Austausch von
Experten vereinbart, um im
Bedarfsfall koordiniert und
schlagkräftig auf akute Bedrohungen der nationalen informationstechnische Infrastruktur reagieren zu können.
Dazu werden die CERTs (die
so genannten Computer Emergency Response Teams) der
beiden Partner eng zusammenarbeiten. Zwischen CERT
Telekom und CERT Bund werden besondere Kommunikations- und Alarmierungswege
vereinbart, die einen unmittelbaren und verschlüsselten
Austausch vertraulicher Informationen zur Verbesserung
der Reaktionsfähigkeit in besonderen Lagen ermöglichen.
Die Kooperation zwischen
CERT Bund und CERT Telekom ermöglicht es für beide
Seiten, die jeweiligen Analysen sicherheitsrelevanter Ereignisse besser abzusichern.
Diese Zusammenarbeit empfiehlt sich als Modell auch für
andere Unternehmen, Bundesinnenministerium und BSI
stehen als Sicherheitspartner
bereit.
16. Geldwäsche mit modernen Instrumentarien effektiv
bekämpfen
Am 20. Februar 2002 stimmte das Bundeskabinett einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers zur verbesserten Geldwäschebekämpfung zu (Gesetz zur Verbesserung der
Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus,
kurz: Geldwäschebekämpfungsgesetz). Dazu veröffentlichte das Bundesinnenministerium folgende Presseerklärung:
Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus sollen in
Zukunft noch effektiver bekämpft werden. Die vorgesehenen Instrumentarien ergänzen
die Maßnahmen des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen
Terrorismusbekämpfungsgesetzes im Bereich der Geldwäschebekämpfung. Als einer der
ersten Staaten in der Europäischen Union wird Deutschland mit dem vorliegenden
Gesetz die EU-Geldwäscherichtlinie vom 28. Dezember 2001
umsetzen. Der Gesetzentwurf
trägt den internationalen Bedingungen und Vorgaben zur
Bekämpfung der Geldwäsche
voll Rechnung. Neuen Geldwäscherisiken und -techniken
durch Nutzung moderner
Kommunikationsmittel tritt das
neue Gesetz mit entsprechenden Regelungen entgegen.
Bundesinnenminister Otto
Schily erklärt dazu:
„Der internationale Terrorismus hat mit den furchtbaren
Anschlägen am 11. September eine bis dahin nicht gekannte Dimension erreicht.
Hinter solchen Gräueltaten
stecken Logistik und vor allem große finanzielle Ressourcen. Illegale Finanzströme müssen entschlossen
bekämpft und die finanzielle
Quellen des Terrorismus wirkungsvoll ausgetrocknet werden. International wie national werden wir einen ver-
stärkten multidisziplinären
Ansatz bei der Bekämpfung
der Geldwäsche verfolgen.
Der Entwurf des Geldwäschebekämpfungsgesetzes führt in
herausragender Weise polizeiliche sowie strafverfolgungs- und bankenaufsichtsrechtliche Maßnahmen zusammen.“, Um die Finanzierung des Terrorismus und kriminelle Geschäftemacherei
zu unterbinden, müsse die
Pflicht zur Erstattung von
Verdachtsanzeigen auf alle
im Finanzsektor tätigen Institute ausgeweitet werden, so
Schily weiter. „Die Identifizierungs- und Anzeigepflichten
bei verdächtigen Transaktionen werden verschärft. Das
Gesetz schafft außerdem die
Voraussetzungen für eine bessere und effektivere Kooperation zwischen den an der
Geldwäschebekämpfung beteiligten Ermittlungs- und Finanzaufsichtsbehörden. Die
bestehende Zentralstelle für
Geldwäscheverdachtsanzeigen beim Bundeskriminalamt
wird verbessert und ausgebaut.
Der Bundesinnenminister hob
hervor, dass die neuen Maßnahmen kritisch begleitet und
kontinuierlich auf den Prüfstand gestellt würden. Effektivität und Kohärenz mit den internationalen Standards seien
hierfür die entscheidenden
Kriterien. Dies gelte nicht zuletzt für die Ausgestaltung und
Struktur der deutschen „Finan-
cial Intelligence Unit“ (FIU),
der zentralen Analyse- und Informationsstelle für Verdachtsanzeigen beim Bundeskriminalamt. Vor dem Hintergrund
der internationalen Anforderungen an die Organisation einer Zentralstelle und der Entwicklungen im Verdachtsanzeigenwesen wird diese drei
Jahre nach In-Kraft-Treten des
Gesetzes überprüft werden.
Der Gesetzentwurf orientiert
sich im Wesentlichen an folgenden Schwerpunkten:
• Mit dem Gesetzentwurf
setzt die Bundesregierung
die europäische Geldwäsche-Richtlinie innerstaatlich um (Richtlinie
2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 4. Dezember
2001 zur Änderung der
Richtlinie 91/308/EWG des
Rates zur Verhinderung der
Nutzung des Finanzsystems
zum Zwecke der Geldwäsche, Amtsblatt L. EG Nr. L
344 S. 76). Die europäische
Richtlinie sieht die Einbeziehung neuer Berufsgruppen (insbesondere Immobilienmakler, Händler hochwertiger Güter, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer)
in den Pflichtenkreis des
Geldwäschegesetzes vor.
Bislang unterliegen der Dokumentations- und Identifizierungspflicht ab 15.000
41
Euro nur Banken und Versicherungsunternehmen.
Künftig sollen auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer identifizieren und dokumentieren. Anwälte und
Notare müssen dies nur
dann tun, wenn bestimmte
Geschäfte für ihre Klienten
abwickeln (z. B. Grundstückskäufe). Die Novelle
des deutschen Geldwäschegesetzes sieht entsprechend
den europäischen Vorgaben vor, dass die vier Berufsgruppen ebenfalls der
Pflicht zur Verdachtsanzeige unterliegen. Ausnahme:
Angehörige freier Berufe
werden nicht verpflichtet,
Informationen weiterzugeben, die sie im Zusammenhang mit ihrer Prozessvertretung oder im Rahmen
ihrer rechtsberatenden
Tätigkeit erlangen.
• Innerstaatliche Umsetzung
der vom führenden interna-
tionalen Gremium „Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF)“ aufgestellten Vorgaben (Sondersitzung zur Bekämpfung
des Terrorismus und seiner
Finanzierung, Oktober 2001
in Washington): Diese gebieten insbesondere die
Nutzung des vorhandenen
„Geldwäscheinstrumentariums“ zur Bekämpfung der
Finanzierung des Terrorismus.
• Ausgestaltung der deutschen Zentralstelle für Verdachtsanzeigen („Financial
Intelligence Unit – FIU“) im
Bundeskriminalamt zur
Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Financial Intelligence Units im
Ausland: Hierzu gehören
insbesondere der Ausbau
von Clearing- und Auswertekapazitäten der Zentralstelle sowie Regelungen
zum Verfahren des Daten-
austauschs mit Zentralstellen anderer Staaten. Die
FIU soll interdisziplinär
zunächst mit rund 15 Mitarbeitern – Strafverfolger,
Staatsanwälte und Finanzexperten – besetzt werden.
• Umsetzung bisheriger Erfahrungen mit dem geltenden Geldwäschegesetz:
Hierzu gehören insbesondere die Berücksichtigung der
verstärkten Nutzung der
neuen Medien bei der
Durchführung von Finanztransaktionen, aber auch
der Abbau von bürokratischen Hemmnissen. Elektronisches Geld wird Bargeld gleichgestellt. Das ist
insbesondere für die effektive Arbeit der Zollbehörden
von Bedeutung, um dem
Missbrauchspotenzial von
elektronischem Geld bei
Grenzkontrollen entgegenzuwirken.
Anhang I: Information zum Terrorismusbekämpfungsgesetz
Zum In-Kraft-Treten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (BGBl. 2002 I, 361) veröffentlichte das Bundesministerium des Innern am 11. Januar 2002 im Internet
(www.bmi.bund.de) ein Informationspapier zum wesentlichen Inhalt des Gesetzes.
Der komplette Gesetzestext ist ebenfalls auf der BMI-Homepage abrufbar.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist in Kraft getreten. Es
enthält eine Reihe neuer gesetzlicher Regelungen, die die
Arbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus
verbessern und unterstützen.
Zahlreiche Sicherheitsgesetze
werden der neuen Bedrohungslage angepasst. Das
Bundesverfassungsschutzgesetz, das MAD-Gesetz, das
BND-Gesetz, das Bundesgrenzschutzgesetz, das Bundeskri42
minalamtgesetz sowie das
Ausländergesetz und andere
ausländerrechtliche Vorschriften werden geändert, um
• den Sicherheitsbehörden
die nötigen gesetzlichen
Kompetenzen zu geben,
• den erforderlichen Datenaustausch zwischen den
Behörden zu verbessern,
• bereits die Einreise terroristischer Straftäter nach
Deutschland zu verhindern,
• identitätssichernde Maß-
nahmen im Visumverfahren zu verbessern,
• den Einsatz bewaffneter
Flugbegleiter des BGS auf
deutschen Luftfahrzeugen
zu ermöglichen,
• Grenzkontrollmöglichkeiten zu verbessern und
• sich bereits im Inland befindliche Extremisten besser zu erkennen.
Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das Passgesetz, das
Gesetz über Personalauswei-
se, das Vereinsgesetz, das
Luftverkehrsgesetz, das Bundeszentralregistergesetz, das
Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs und das Energiesicherungsgesetz werden geändert, um
• Sicherheitsüberprüfungen
für Mitarbeiter in lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen zu ermöglichen,
• Rechtsgrundlagen für die
Aufnahme biometrischer
Merkmale in Pässe und Personalausweise zu schaffen,
• den Gebrauch von Schusswaffen in zivilen Luftfahrzeugen Polizeivollzugsbeamten vorzubehalten,
• Aktivitäten extremistischer
Ausländervereine in
Deutschland rascher unterbinden zu können,
• die Rasterfahndung durch
die Einbeziehung von bestimmten Sozialdaten wirkungsvoller zu gestalten,
• die uneingeschränkte Energieversorgung sicherzustellen.
Zu den gesetzlichen Änderungen im Einzelnen:
Dem Verfassungsschutz
kommt bei der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der
Vorfeldaufklärung eine wichtige Aufgabe zu. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält daher das Recht, auch
solche Bestrebungen zu beobachten, die sich gegen den
Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der
Völker richten, da sie ein gefährlicher Nährboden für den
wachsenden Terrorismus
sind. In verschiedenen Landesverfassungsschutzgesetzen
sind solche Bestrebungen bereits als Gegenstand der nachrichtendienstlichen Beobach-
tung genannt. Informationen
über Geldströme und Kontobewegungen von Organisationen und Personen, die extremistischer Bestrebungen oder
sicherheitsgefährdender bzw.
geheimdienstlicher Tätigkeiten verdächtigt werden, können zur Feststellung von Tätern und Hintermännern
führen. Zur Erforschung dieser Geldströme und Kontobewegungen erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz die
Befugnis, Informationen bei
Banken und Finanzunternehmen über Konten und Konteninhaber einzuholen. Ferner sind Auskunftsbefugnisse
gegenüber Postdienstleistern,
Luftverkehrsunternehmen, Telekommunikations- und Teledienstleistern vorgesehen.
Die originären Ermittlungskompetenzen des Bundeskriminalamtes werden erweitert,
indem das Bundeskriminalamt bei bestimmten schweren
Erscheinungsformen von Datennetzkriminalität die Strafverfolgungsbefugnisse wahrnimmt, ohne dazu ersucht
oder beauftragt worden zu
sein. Zudem werden die Zentralstellenkompetenzen des
Bundeskriminalamtes gestärkt. Durch den Wegfall eines bürokratischen Hemmnisses soll die Informationsbeschaffung des Bundeskriminalamtes zur Ergänzung vorhandener Sachverhalte und zur
Durchführung von Auswerteprojekten erleichtert werden.
Für den Bereich des Bundesgrenzschutzes sieht das Gesetz insbesondere eine klarstellende Regelung im Bundesgrenzschutzgesetz für den
Einsatz von Sicherheitskräften
des Bundesgrenzschutzes an
Bord von deutschen Luftfahrzeugen (Flugsicherheitsbegleiter) vor. Darüber hinaus er-
weitert das Gesetz die Befugnis des Bundesgrenzschutzes,
im Rahmen seiner räumlichen und sachlichen Zuständigkeit Personen nicht nur
anhalten und befragen, sondern auch die mitgeführten
Ausweispapiere überprüfen
zu können.
Ein weiterer Schwerpunkt des
Gesetzes liegt in der Schaffung
der notwendigen gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Verbesserung des Informationsaustausches, die Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland und notwendige identitätssichernde Maßnahmen.
Die vorgenommen Änderungen im Ausländergesetz sehen vor, dass Personen keine
Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen erhalten und einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in Deutschland unterliegen, die die freiheitliche
demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland
gefährden, sich bei der Verfolgung politischer Ziele an
Gewalttätigkeiten beteiligen,
öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufen oder einer
Vereinigung angehören, die
den internationalen Terrorismus unterstützt. Darüber hinaus wird die Grundlage für
eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen mit den Sicherheitsbehörden geschaffen.
Die Möglichkeiten der Identitätssicherung, insbesondere
durch Schaffung einer Rechtsgrundlage für identitätssichernde Maßnahmen von
Auslandsvertretungen im
Sichtvermerksverfahren, werden erweitert. Weiterhin sind
innerstaatliche Regelungen
enthalten zur maschinenlesbaren Zone für die EU-Aufent43
haltstitel sowie Duldung und
Aufenthaltsgestattung, wobei
bei letzterer die Anforderungen hinsichtlich der Fälschungssicherheit deutlich
angehoben wurden. Die Einführung von fälschungssicheren Ausweisen wird auch auf
Asylbewerber und Duldungsinhaber erstreckt.
Im Asylverfahrensgesetz wird
eine gesetzliche Grundlage
für eine Sprachaufzeichnung
geschaffen, anhand derer
eine identitätssichernde
Sprachanalyse zur Bestimmung der Herkunftsregion
erfolgen kann. Auf die Erhebung muss der Ausländer vorher hingewiesen werden (offene Datenerhebung). Die
Aufzeichnung erfolgt außerhalb der förmlichen Asylanhörung. Fingerabdrücke und
andere im Zusammenhang
mit Asylverfahren gewonnene
identitätssichernde Unterlagen werden künftig zehn Jahre ab Unanfechtbarkeit der
Asylentscheidung aufbewahrt,
um den Sicherheitsbehörden
langfristig Erkenntnismöglichkeiten zu verschaffen.
Ebenso werden künftig die
Fingerabdrücke von Asylbewerbern automatisch mit
dem polizeilichen Tatortspurenbestand des Bundeskriminalamtes abgeglichen werden
können.
Schließlich wird die Erkenntnisgewinnung aus dem Ausländerzentralregister durch
wichtige Änderungen des
Ausländerzentralregistergesetzes verbessert. Die Visadatei, in der derzeit grundsätzlich nur Daten über Visaanträge gespeichert werden,
wird zu einer Visaentscheidungsdatei ausgebaut, um
eine verbesserte Kontrolle des
einreisenden Verkehrs zu gewährleisten. Der Zugriff für
44
Polizeibehörden bei abstrakten Gefahren, also z. B. im
Rahmen von Personenkontrollen, wird verbessert, damit sie sofort feststellen können, ob sich ein Ausländer legal in Deutschland aufhält.
Die Möglichkeit, Gruppenauskünfte einzuholen, wird in
Zukunft auch auf Personen
mit verfestigtem Aufenthaltsstatus erstreckt. Darüber hinaus sind Gruppenauskünfte
künftig auch bei abstrakten
Gefahren zulässig. Um die Arbeit der Sicherheitsdienste effektiver zu gestalten, erhalten
sie die Möglichkeit, künftig
den gesamten Datenbestand
im automatisierten Verfahren
abzurufen.
Weitere Änderungen sieht für
das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das Luftverkehrsgesetz, das Bundeszentralregistergesetz, das Passgesetz, das
Gesetz über Personalausweise, das Vereinsgesetz, das
Zehnte Buch Sozialgesetzbuch und das Energiesicherungsgesetz vor.
Im Sicherheitsüberprüfungsgesetz werden erstmals Vorschriften für Maßnahmen des
vorbeugenden personellen Sabotageschutzes geschaffen.
Personen, die in lebens- oder
verteidigungswichtigen Einrichtungen tätig sind oder
werden sollen, werden künftig sicherheitsüberprüft.
Mit der Änderung des Luftverkehrsgesetzes erfolgt eine
Klarstellung, dass der Gebrauch einer Schusswaffe an
Bord eines zivilen Luftfahrzeuges Polizeivollzugsbeamten, insbesondere des Bundesgrenzschutzes im Rahmen ihrer Sicherheitsbegleitung, vorbehalten ist. Weitere Regelungen betreffen eine Verbesserung und Klarstellung der ge-
setzlichen Grundlage für die
Zuverlässigkeitsüberprüfungen hinsichtlich des bei Flugplatz- und Luftfahrtunternehmen in sicherheitsrelevanten
Bereichen beschäftigten Personals. Die Art und Weise der
Durchführung dieser Überprüfung ist gerade durch Verordnung vom 8. Oktober 2001
geregelt worden. Mit dem
vorliegenden Gesetz wird die
Überprüfung auf das beim
Flugsicherungsunternehmen
beschäftigte Personal sowie
auf Personen, die für entsprechende Aufgaben bevollmächtigt sind, ausgedehnt.
Im Lichte der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil sowie der Forderung desselben Gerichts, alle Tatbestände, die wesentliche Rechte des Betroffenen berühren,
gesetzlich und nicht im Verordnungswege zu regeln (sog.
Wesentlichkeitstheorie), wird
auch die bestehende Ermächtigungsgrundlage angepasst.
Die Folgeänderung des Bundeszentralregistergesetzes ermöglicht den Luftfahrtbehörden die Einholung einer unbeschränkten Auskunft über
den im geänderten § 29d
LuftVG genannten Personenkreis, der zudem über den bisher erfassten Kreis hinausgeht.
Im Pass- und Personalausweisrecht wird die Grundlage geschaffen, um die Möglichkeiten zur computergestützten
Identifizierung von Personen
auf der Grundlage der Ausweisdokumente zu verbessern
und zu verhindern, dass Personen sich mit fremden Papieren ähnlich aussehender
Personen ausweisen. Zur Erreichung dieser Zielsetzung
sieht der Entwurf im Wesentlichen vor, dass neben dem
Lichtbild und der Unterschrift
ein weiteres biometrisches
Merkmal in den Pass und den
Personalausweis – auch in
verschlüsselter Form – aufgenommen werden darf. Die
näheren Einzelheiten sind in
einem besonderen Bundesgesetz zu regeln. Damit kann
zukünftig zweifelsfrei überprüft werden, ob die Identität
der betreffenden Person mit
den im Dokument abgespeicherten Originaldaten übereinstimmt.
Nach der Streichung des „Religionsprivilegs“ ergänzen die
vorgesehenen Änderungen
des Vereinsgesetzes die staatlichen Handlungsoptionen
zur Bekämpfung extremistischer Vereinigungen mit Auslandsbezug. So kann künftig
mit der Neufassung und Ausweitung der Vereinsverbotsgründe für Ausländervereine
und ausländische Vereine z. B.
verhindert werden, dass gewalttätige oder terroristische
Organisationen von Ausländervereinen in Deutschland
unterstützt werden. Das Ver-
bot der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine wird effektiviert.
Die Regelungen zum Bundesverfassungsschutzgesetz, dem
BND-Gesetz, dem MAD-Gesetz, dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz sowie dem § 7
Abs.2 des BKA-Gesetzes werden auf fünf Jahre befristet.
Anhang II: Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen 1368 vom 12. September 2001 und 1373 vom
28. September 2001
(Quelle: Auswärtiges Amt–www.auswaertiges-amt.de)
Vereinte Nationen
Resolution 1368 vom
12.9.2001
Der Sicherheitsrat –
in Bekräftigung der Ziele und
Grundsätze der Charta der
Vereinten Nationen, entschlossen, die Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch terroristische Gewalttaten mit allen Mitteln zu bekämpfen, in
Anerkennung des naturgegebenen Rechtes zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung in Übereinstimmung mit der Charta:
1. verurteilt unmissverständlich und auf das Schärfste
die abscheulichen terroristischen Gewalttaten, die am
11. September 2001 in New
York, Washington (DC) und
Pennsylvania verübt wurden, und betrachtet diese
Gewalttaten wie jede inter-
nationale terroristische Gewalttat als Bedrohung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit;
2. spricht den Opfern und
ihren Familien sowie dem
Volk und der Regierung
der Vereinigten Staaten
von Amerika sein tiefstes
Mitgefühl und Beileid aus;
3. ruft alle Staaten auf, dringend zusammenzuarbeiten, um die Täter, Drahtzieher und Förderer dieser
terroristischen Anschläge
vor Gericht zu bringen,
und betont, dass diejenigen, die den Tätern, Drahtziehern und Förderern helfen, sie unterstützen oder
ihnen Zuflucht gewähren,
zur Rechenschaft gezogen
werden;
4. ruft ferner die internationale Gemeinschaft auf,
ihre Anstrengungen erheblich zu verstärken, um ter-
roristische Gewalttaten zu
verhindern und zu unterdrücken, auch durch intensivierte Zusammenarbeit
und vollständige Umsetzung der einschlägigen internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des
Terrorismus und der Resolutionen des Sicherheitsrats, insbesondere der Resolution 1269 vom 19. Oktober 1999;
5. bekundet seine Bereitschaft, alle notwendigen
Schritte zu unternehmen,
um auf die terroristischen
Anschläge vom 11. September 2001 zu antworten,
und jede Form des Terrorismus in Übereinstimmung
mit seinen Verantwortlichkeiten nach der Charta der
Vereinten Nationen zu
bekämpfen;
6. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.
45
Resolution 1373 (2001)
verabschiedet auf der 4385. Sitzung des Sicherheitsrats am
28. September 200l
(Quelle: Auswärtiges Amt – www.auswaertiges-amt.de)
in Bekräftigung seiner Resolutionen 1269 (1999) vom 19.
Oktober 1999 und 1368 (2001)
vom 12. September 2001,
arbeit und durch die volle
Durchführung der einschlägigen internationalen Übereinkünfte betreffend den Terrorismus zu verhüten und zu
bekämpfen,
sowie in Bekräftigung seiner
unmissverständlichen Verurteilung der Terroranschläge,
die am 11. September 2001 in
New York, Washington und
Pennsylvania stattgefunden
haben, und mit dem Ausdruck
seiner Entschlossenheit, alle
derartigen Handlungen zu
verhüten,
in der Erkenntnis, dass die
Staaten die internationale Zusammenarbeit durch zusätzliche Maßnahmen ergänzen
müssen, um die Finanzierung
und Vorbereitung terroristischer Handlungen in ihrem
Hoheitsgebiet mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu verhüten und zu bekämpfen,
in Bekräftigung des naturgegebenen Rechts zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, das in der Charta der Vereinten Nationen anerkannt und in der Resolution 1368 (2001) bekräftigt wird,
in Bekräftigung des von der
Generalversammlung in ihrer
Erklärung vom Oktober 1970
(Resolution 2625 XXV aufgestellten und vom Sicherheitsrat in seiner Resolution 1189
(1998) vom 13. August 1998
bekräftigten Grundsatzes,
dass jeder Staat verpflichtet
ist, die Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung terroristischer Handlungen in einem anderen Staat oder die
Teilnahme daran oder die
Duldung organisierter Aktivitäten in seinem eigenen Hoheitsgebiet, die auf die Begehung solcher Handlungen gerichtet sind, zu unterlassen,
Der Sicherheitsrat,
in Bekräftigung der Notwendigkeit, durch terroristische Handlungen verursachte Bedrohungen des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit mit
allen Mitteln, im Einklang mit
der Charta der Vereinten Nationen, zu bekämpfen,
zutiefst besorgt über die in
verschiedenen Weltregionen
zu verzeichnende Zunahme
terroristischer Handlungen,
die durch Intoleranz oder Extremismus motiviert sind,
mit der Aufforderung an die
Staaten, dringend zusammenzuarbeiten, um terroristische
Handlungen namentlich
durch verstärkte Zusammen46
tätig werdend nach Kapitel
VII der Charta der Vereinten
Nationen,
beschließt, dass alle Staaten
die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten
und bekämpfen werden;
die vorsätzliche Bereitstellung
oder Sammlung von Geldern,
gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar, durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem
Hoheitsgebiet mit der Absicht
oder in Kenntnis dessen, dass
diese Gelder zur Ausführung
terroristischer Handlungen
verwendet werden, unter
Strafe stellen werden;
unverzüglich Gelder und
sonstige finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen von Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen
versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen
oder diese erleichtern, sowie
von Institutionen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen stehen, und von Personen und
Institutionen, die im Namen
oder auf Anweisung dieser
Personen und Institutionen
handeln, einfrieren werden,
einschließlich der Gelder, die
aus Vermögen stammen
oder hervorgehen, das unmittelbar oder mittelbar im
Eigentum oder unter der
Kontrolle dieser Personen
und mit ihnen verbundener
Personen und Institutionen
steht;
d) ihren Staatsangehörigen
oder allen Personen und
Institutionen in ihrem Hoheitsgebiet untersagen
werden, Gelder, finanzielle
Vermögenswerte oder wirt-
schaftliche Ressourcen
oder Finanz- oder damit
zusammenhängende
Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar zum
Nutzen von Personen zur
Verfügung zu stellen, die
terroristische Handlungen
begehen, zu begehen versuchen, erleichtern oder
sich daran beteiligen, oder
zum Nutzen von Institutionen, die unmittelbar oder
mittelbar im Eigentum
oder unter der Kontrolle
dieser Personen stehen
oder zum Nutzen von Personen und Institutionen,
die im Namen oder auf Anweisung dieser Personen
handeln;
2. beschließt außerdem, dass
alle Staaten
a) es unterlassen werden, Institutionen oder Personen,
die an terroristischen Handlungen beteiligt sind, in irgendeiner Form aktiv oder
passiv zu unterstützen, indem sie namentlich die Anwerbung von Mitgliedern
terroristischer Gruppen unterbinden und die Belieferung von Terroristen mit
Waffen beendigen;
b) die erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden,
um die Begehung terroristischer Handlungen zu
verhüten, namentlich
durch die frühzeitige Warnung anderer Staaten im
Wege des Informationsaustauschs;
c) denjenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen
oder begehen oder die
den Tätern Unterschlupf
gewähren, einen sicheren
Zufluchtsort verweigern
werden;
d) diejenigen, die terroristische
Handlungen finanzieren,
planen, erleichtern oder begehen, daran hindern werden, ihr Hoheitsgebiet für
diese Zwecke gegen andere
Staaten oder deren Angehörige zu nutzen;
e) sicherstellen werden, dass
alle Personen, die an der
Finanzierung, Planung,
Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen oder an deren Unterstützung mitwirken, vor
Gericht gestellt werden,
dass diese terroristischen
Handlungen zusätzlich zu
allen sonstigen Gegenmaßnahmen als schwere
Straftaten nach ihrem innerstaatlichen Recht umschrieben werden und dass
die Strafe der Schwere dieser terroristischen Handlungen gebührend Rechnung trägt;
f) einander größtmögliche
Hilfe bei strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfahren im Zusammenhang
mit der Finanzierung oder
Unterstützung terroristischer Handlungen gewähren werden, einschließlich
Hilfe bei der Beschaffung
des für die Verfahren notwendigen Beweismaterials,
das sich in ihrem Besitz befindet;
g) die Bewegung von Terroristen oder terroristischen
Gruppen verhindern werden, indem sie wirksame
Grenzkontrollen durchführen und die Ausgabe von
Identitätsdokumenten und
Reiseausweisen kontrollieren und Maßnahmen zur
Verhütung der Nachahmung, Fälschung oder des
betrügerischen Gebrauchs
von Identitätsdokumenten
und Reiseausweisen ergreifen;
3. fordert alle Staaten auf,
a) Wege zur Intensivierung
und Beschleunigung des
Austauschs operationaler
Informationen zu finden,
insbesondere im Bezug auf
Handlungen oder Bewegungen von Terroristen
oder Terroristennetzen, auf
gefälschte oder verfälschte
Reiseausweise, den Handel
mit Waffen, Sprengstoffen
oder sicherheitsempfindlichem Material, die Nutzung
von Kommunikationstechnologien durch terroristische Gruppen und die Gefahr, die von Massenvernichtungswaffen im Besitz
terroristischer Gruppen
ausgeht;
b) im Einklang mit dem Völkerrecht und dem jeweiligen innerstaatlichen Recht
Informationen auszutauschen und in Verwaltungsund Justizfragen zusammenzuarbeiten, um die Begehung terroristischer
Handlungen zu verhüten;
c) insbesondere im Rahmen bilateraler und multilateraler
Regelungen und Vereinbarungen zusammenzuarbeiten, um Terroranschläge zu
verhüten und zu bekämpfen
und Maßnahmen gegen die
Täter zu ergreifen;
d) so bald wie möglich Vertragsparteien der einschlägigen internationalen Übereinkünfte und Protokolle
betreffend den Terrorismus
zu werden, namentlich des
Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung
der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember
1999;
47
e) ihre Zusammenarbeit zu
verstärken und die einschlägigen internationalen
Übereinkünfte und Protokolle betreffend den Terrorismus sowie die Resolutionen des Sicherheitsrats
1269 (1999) und 1368
(2001) vollinhaltlich durchzuführen;
f) bevor sie einer Person
Flüchtlingsstatus gewähren,
im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen
Rechts und des Völkerrechts, einschließlich der
internationalen Menschenrechtsnormen, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen,
um sich zu vergewissern,
dass der Asylsuchende keine terroristischen Handlungen geplant oder erleichtert oder sich daran beteiligt hat;
g) in Übereinstimmung mit
dem Völkerrecht sicherzustellen, dass diejenigen, die
terroristische Handlungen
begehen, organisieren oder
erleichtern, den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen und dass angebliche
politische Beweggründe
nicht als Grund anerkannt
werden, Anträge auf die
Auslieferung mutmaßlicher
Terroristen abzuweisen
48
4. nimmt mit Besorgnis
Kenntnis von der engen Verbindung zwischen dem internationalen Terrorismus und
der grenzüberschreitenden
organisierten Kriminalität,
unerlaubten Drogen, der
Geldwäsche, dem unerlaubten Waffenhandel und der
unerlaubten Verbringung nuklearer, chemischer, biologischer und anderer potenziell
tödlicher Materialien und betont in diesem Zusammenhang, dass die Anstrengungen auf einzelstaatlicher, subregionaler, regionaler und internationaler Ebene besser
koordiniert werden müssen,
um die weltweite Reaktion
auf diese ernste Herausforderung und Bedrohung der internationalen Sicherheit zu
verstärken;
5. erklärt, dass die Handlungen, Methoden und Praktiken
des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten
Nationen stehen und dass die
wissentliche Finanzierung
und Planung terroristischer
Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten
Nationen stehen;
6. beschließt, im Einklang mit
Regel 28 seiner vorläufigen
Geschäftsordnung, einen aus
allen Ratsmitgliedern bestehenden Ausschuss des Sicherheitsrats einzusetzen, der die
Durchführung dieser Resolution unter Heranziehung geeigneten Sachverstands überwachen wird, und fordert
alle Staaten auf, dem Ausschuss spätestens 90 Tage
nach Verabschiedung dieser
Resolution und anschließend
nach einem von dem Ausschuss vorzuschlagenden
Zeitplan über die Schritte Bericht zu erstatten, die sie zur
Durchführung dieser Resolution ergriffen haben;
7. weist den Ausschuss an, seine Aufgaben festzulegen, binnen 30 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution
ein Arbeitsprogramm vorzulegen und im Benehmen mit
dem Generalsekretär zu erwägen, welche Unterstützung er
benötigt;
8. bekundet seine Entschlossenheit, im Einklang mit seinen Verantwortlichkeiten
nach der Charta alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die vollinhaltliche
Durchführung dieser Resolution sicherzustellen;
9. beschließt, mit dieser Angelegenheit befasst zu bleiben.
Impressum
Redaktionsschluss: 01. März 2002
Herausgeber:
Bundesministeriums des Innern
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10559 Berlin
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Redaktion:
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Gesamtgestaltung und Redaktion:
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Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.
Dies gilt für Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie
das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel.
Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in
einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zu Gunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

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