Praktikumsabschlussbericht Friedrich-Ebert

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Praktikumsabschlussbericht Friedrich-Ebert
Praktikumsabschlussbericht
Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Libanon (Beirut),
01.09. bis 01.12.2009
Auf die konkrete Idee Praktikant bei der FES in Beirut zu werden, hat mich ein Freund gebracht, der
dieses Praktikum selbst zwei Jahre vor mir absolviert hat. Hinzu kam mein Interesse an der
Geschichte und Kultur des Nahen Ostens – insbesondere an der des Libanon. Der
Politikwissenschaftler in mir hat sich von seinem Auslandsaufenthalt tiefere Einblicke in die Konflikte
im Libanon und der gesamten Region erhofft – und auch erhalten. Zudem wollte ich wissen, wie sich
die politische Stiftungsarbeit im Ausland gestaltet; auch hier habe ich sehr viel dazu gelernt.
Bei der Bewerbung habe ich mich nach der Website der FES Beirut (www.feslb.org) gerichtet, welche
genau die Anforderungen an Praktikanten beschreibt und alle dafür nötigen Dokumente aufzählt.
Dazu gehören ein tabellarischer Lebenslauf, Letters of Recommendation (akademische Gutachten,
Arbeitszeugnisse, etc.), eine Zusammenfassung aller akademischen Leistungen auf einem Transcript
(selbst angefertigt und unbeglaubigt genügt in der Regel) und – sehr wichtig – ein
Motivationsschreiben.
Am wichtigsten sind meiner Einschätzung nach jedoch der Lebenslauf und das Motivationsschreiben.
Mir wurde gesagt, dass es bei Praktika in politisch angespannten Regionen wichtig ist, sich im
Motivationsschreiben nicht als Abenteurer darzustellen, sondern ruhig in einem Nebensatz zu
erwähnen, dass man sich des Risikos einer politischen Eskalation bewusst ist. Zudem legt die FES –
oder zumindest das Büro Beirut - Wert auf die Fachbezogenheit ihrer Praktikanten sowie an einem
begründeten Interesse an der Stiftungsarbeit, der Region oder sozialem Engagement.
Politikwissenschaftler, Soziologen und Orientalisten haben bei der FES Beirut daher wohl die besten
Aussichten. Ein wirkliches Feedback zu meiner Bewerbung – von der Zusage abgesehen – habe ich
allerdings nicht erhalten, weshalb man mich hierbei nicht beim Wort nehmen sollte. Eine Mitgliedschaft
in der SPD spielt aber sicher keine Rolle. Jedenfalls bin ich kein Mitglied einer Partei.
Um sicher zu gehen, sollte man sich mindestens acht Monate vor gewünschtem Praktikumsbeginn
bewerben. Ich hatte mich beispielsweise im Januar 2009 beworben und hätte im Dezember anfangen
können. Da mein geplanter Vorgänger aber abgesprungen ist, konnte ich schon Anfang September
beginnen.
Vor Beginn des Praktikums wusste ich ungefähr über die Aktivitäten der FES im Libanon Bescheid:
Zum Programm gehören Aktivitäten, die im Großen und Ganzen zur Stärkung von Demokratie,
Rechtsstaat, Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Meist sind dies
Konferenzen, Workshops, wissenschaftliche Seminare und Podiumsdiskussionen; durchaus in
Kooperation mit anderen Stiftungen, NGOs, Kultur-Instituten und IGOs, wie z.B. UN-Agenturen.
Überrascht war ich nach der Aufnahme meiner Arbeit von der tatsächlichen Bedeutung, Resonanz
und den Kontakten, welche die FES im Libanon hat. Zu den meisten Konferenzen erscheinen
Minister, Parlamentsmitglieder, Diplomaten und andere hochrangige Persönlichkeiten. Fast jeder
Veranstaltung wird in den größten libanesischen Tageszeitungen ein Artikel gewidmet. Im Gegensatz
zu meinem Freund und Vorgänger, hatte ich einiges zu tun. Das lag größtenteils an der Jahreszeit. Im
Sommer und Winter passiert in der Regel weniger als im Frühjahr und Herbst.
Sehr positiv überrascht war ich auch vom Spektrum meiner Aufgaben. Mit administrativen
Bürotätigkeiten oder beispielsweise dem berüchtigten „Kopieren und Kaffeekochen“ wurde ich nie
behelligt. Darüber hinaus hatte ich immer das Gefühl, dass meine Kollegen sich immer sehr darum
bemüht haben mir Aufgaben zu geben, von denen ich auch etwas haben würde, um somit den
Lerneffekt für mich so groß wie möglich zu gestalten. Die Atmosphäre im Büro war sehr familiär und
ich habe mich gleich von Anfang an wirklich sehr wohl gefühlt.
Entgegen vieler Vorurteile bezüglich Praktika, kam ich mir nie ausgenutzt vor. Im Gegenteil: Ich hatte
den Eindruck, dass die FES die Beschäftigung von Praktikanten auch als Auftrag sieht. Das bedeutet
aber nicht, dass ich mit Samthandschuhen angefasst wurde, sondern vielmehr, dass man mir
durchaus kontrolliert Verantwortung übertragen hat.
Die größte Überraschung in dieser Hinsicht kam für mich gleich zu Beginn des Praktikums, als ich für
den Büro-Chef die Eröffnungsrede für eine Konferenz schreiben durfte; bei dieser einen Rede sollte
es aber nicht bleiben. Es kamen im Verlauf meines Praktikums noch ein paar weitere hinzu.
Die Mehrzahl der schriftlichen Aufgaben wurde übrigens auf Englisch erledigt. Auf Deutsch verfasst
werden in der Regel nur die Berichte, die an die Stiftungszentrale nach Bonn gehen. In meinem Fall
gehörten hierzu unter anderem der Jahresbericht zur politischen Lage im Libanon 2009 oder diverse
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Kurzberichte zu isolierteren aktuellen politischen Themen. Französisch war aber ebenfalls von Vorteil,
da ab und zu Übersetzungen zu erledigen waren oder Berichte auch auf Französisch verfügbar
gemacht werden sollten. Verkehrssprachen innerhalb des FES-Büros sind vielmehr Englisch und
Arabisch als Deutsch. Arabischkenntnisse – insbesondere gesprochen - sind also auch von Vorteil.
Mit meinem algerischen Arabisch bin ich trotz einiger Unterschiede gut genug zurecht gekommen.
Bei ein paar der FES-Veranstaltungen, die nur an ein libanesisches Publikum gerichtet waren,
standen keine Dolmetscher zur Verfügung, was sonst immer der Fall war.
Auf Grund der begrenzten Anzahl solcher Konferenzen und Workshops kommt man zur Not aber auch
ohne oder mit nur wenig Arabisch aus. Die Stiftung gibt sich auf jeden Fall Mühe ihre Praktikanten
ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen, was die Sprache mit einschließt.
Mein Arbeitstag in Beirut begann meist mit einer ersten Durchsicht der Tagespresse, insbesondere
der Lektüre des „Daily Star“, der größten englischsprachigen Tageszeitung im Libanon, welche jeden
Morgen in die Stiftung geliefert wurde. Auf den Inhalt der meisten libanesischen Tageszeitungen kann
man zudem auch online zugreifen.
Mein erster Einsatz im „Außendienst“ fand bereits an meinem zweiten Arbeitstag an, als ich mit meiner
Chefin und einem Mitorganisator von der NGO „EuroMed-Platform“ nach Broummana, einen Vorort in
den Bergen vor Beirut fuhr, um Konferenzräume zu inspirieren.
Die Konferenz, die am folgenden langen Wochenende dort stattfand hieß „3rd Euro-Mediterranean
Youth Encounter“. Dort sind über 50 junge NGO-Aktivisten aus Ländern rund ums Mittelmeer, aber
auch aus Deutschland und Schweden zusammengekommen, um über die Auswirkungen der globalen
Finanzkrise auf die Chancen Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt zu diskutieren und
Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Die Konferenz konnte mit Hilfe von Dolmetschern – wie fast alle
Veranstaltungen der FES – auf Englisch, Französisch und Arabisch mitverfolgt und gestaltet werden.
Bei der Eröffnung haben neben unserem Büroleiter u.a. auch eine Repräsentantin der deutschen
Botschaft und ein Vertreter der EU-Kommission eine kurze Ansprache gehalten. Im Anschluss
konnten die Konferenzteilnehmer von einem Professor der American University of Beirut einen Vortrag
zum Thema hören.
Der Encounter dauerte drei Tage und war für mich auch eine willkommene Abwechslung, um das
erste Mal seit meiner Ankunft im Libanon aus der Stadt heraus und in die grünen Berge um Beirut zu
kommen. Bei der Konferenz, den einzelnen Workshops und Diskussionen habe ich größtenteils die
Rolle eines Teilnehmers schlüpfen dürfen und das Geschehen protokolliert. Es gab einige Gastredner,
aber auch viel interaktive Beteiligung, was den Jungaktivisten anscheinend gefallen hat: Eine kleine
Neuerung im Vergleich zum Vorjahr konnte ich nämlich beitragen, indem ich einen kurzen
Evaluationsbogen entworfen habe, welcher am Ende des Encounters von allen Teilnehmern ausgefüllt
wurde.
Auf dem Programm standen zudem ein gemeinsames Abendessen an der Küste in Byblos, ein
Ausflug in die Grotte von Jeita und der Besuch der Kirche von Harissa.
Abends ging das außerplanmäßige Programm dann auf den Flaniermeilen Beiruts noch ein wenig
weiter. Einer der libanesischen Teilnehmer hat uns nach dem letztlichen Ende der Konferenz noch
einen kleinen Spontantrip in die Altstadt von Sidon organisiert, was ungefähr vierzig Kilometer südlich
von Beirut liegt.
Das Treffen hat mir geholfen neue private Kontakte zu knüpfen und einige der Teilnehmer habe ich
danach weiterhin gesehen und werde es hoffentlich in Zukunft auch noch tun.
Der einzige deutsche Teilnehmer außer mir kam kurioserweise auch aus München, hat ebenfalls an
der LMU Politikwissenschaft studiert und wir haben einen gemeinsamen guten Freund. Davon einmal
abgesehen fand ich es außergewöhnlich und bereichernd einmal arabische NGO-Aktivisten, teilweise
auch aus den Palästinensergebieten kennen zu lernen.
In der Woche nach dem Encounter habe ich den Konferenzbericht auf Englisch und in gekürzter
Fassung für den Koorganisator von der EuroMed-Platform auf Französisch geschrieben. Letzterer
hatte mich zudem kurz vor Schluss des Treffens darum gebeten Notizen zu den Vorteilen einer
„Green Economy“ für sein darauf folgendes Interview im libanesischen Fernsehen vorzubereiten. Das
Interview selbst habe ich leider nicht zu sehen bekommen.
Weiter ging die Arbeit mit den Vorbereitungen für das Beirut Media Forum 2009 und einem
Wissenschaftsseminar mit dem Titel „State & Religion: Comparing Cases of Changing Relations“.
Dazu gehörten Flug-, Hotel- und Restaurantreservierungen, Absprachen mit den geladenen
Referenten sowie Treffen zur Koordinierung mit den entsprechenden Kooperationspartnern, wie zum
Beispiel dem Orient-Institut Beirut oder dem Institut français du Proche-Orient.
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Gleichzeitig begann von nun an die Recherche für den Jahresbericht zur politischen Situation im
Libanon 2009, wovon ich bis zum Ende meines Praktikums am 01.12. eine erste Fassung abgeben
musste. Der endgültige Bericht wird im Januar 2010 an die FES Zentrale geschickt.
Stoff für den Bericht gab es genug, da im Juni 2009 Parlamentswahlen stattgefunden haben. Der
Sieger war – im Vergleich zu den meisten, wenn nicht allen anderen arabischen Staaten – vor der
Abstimmung noch nicht auszumachen. Es hätte gut sein können, dass das Wahlergebnis zu
bewaffneten Auseinandersetzungen geführt hätte. Dies ist glücklicherweise nicht passiert. Mein
Praktikum hätte ich dann sicher nicht angetreten. Die Lage blieb aber weiterhin noch etwas
angespannt, da sich die Kabinettsbildung noch bis November hinzog. Das machte das Verfassen des
Jahresberichts natürlich etwas kompliziert, da sich bis zur Regierungsbildung nichts abschließendes
sagen ließ.
Letztlich hat man sich nach einigen Reibereien auf ein „National Unity Government“ geeignet, dass
alle größeren Parteien an der Regierung beteiligt hat; von der Hisbollah bis zu Saad Hariris prowestlichem Future Movement. Letzterer wurde schließlich Premierminister.
Im Libanon muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass dieses Land gerade einmal vier
Millionen Einwohner hat und die politische Situation trotzdem seit Jahrzehnten so verfahren ist.
In der Zwischenzeit brauchte die FES-Zentrale auch ein so genanntes „Parteienmapping“, welches die
libanesische Parteienlandschaft darstellen sollte. Meine Chefin, die gerade libanesische Journalisten
auf einer Berlinreise begleitete, hatte zwar schon eine Version davon abgeschickt, aber es gab noch
ein paar Ergänzungswünsche. Letztlich habe ich mich also um die endgültige Version des Mappings
gekümmert und bei der Recherche einiges dazu gelernt.
Die nächste zweitägige Konferenz, auf der ich diesmal die meiste Zeit alleine die FES repräsentiert
habe, war der „Workshop on Electoral Law“. Dieser wurde nun komplett auf Arabisch gehalten und ich
musste mich am Ende etwas mehr auf die Berichterstattung der Presse verlassen als auf meine
eigenen Notizen, um den Konferenzbericht zu schreiben.
Der Workshop fand in Kooperation mit dem „Civil Society Movement“ statt, einer NGO, die
hauptsächlich aus jungen Aktivisten besteht und sich für Säkularismus einsetzt.
Man sollte hierzu wissen, dass das politische System des Libanon stark konfessionell ausgerichtet ist,
was viele, insbesondere historische Gründe hat. Die größten der insgesamt achtzehn religiösen
Gruppen sind schätzungsweise in dieser Reihenfolge Schiiten , Sunniten, Maroniten, Orthodoxe und
Drusen. Der Präsident ist immer Maronit, der Premier Sunnit und der Parlamentssprecher Schiit.
Jeder Gruppe wird im Parlament eine bestimmte Anzahl von Sitzen zugesichert.
Kurzum ist dieses System nicht für eine angemessene Repräsentierung der Bevölkerung geeignet und
sehr reformbedürftig. Die Wahl richtet sich zudem nach dem Mehrheitswahlrecht.
Um Alternativen aufzuzeigen sind diese jungen NGO-Aktivisten letztlich zusammengekommen und
konnten außerdem noch einigen Experten ihr Gehör schenken.
Einer von ihnen war der parteilose libanesische Innenminister, der vor seinem Amtsantritt Anwalt und
selbst führendes Mitglied einer NGO war, die sich für eine Wahlrechtsreform ausspricht.
Letztlich wurde ein säkulares Proporzwahlsystem vorgestellt, das bei den Teilnehmern des
Workshops den meisten Zuspruch fand. Auch an diesem Wochenende habe ich wieder viele
interessante Leute kennen gelernt und neue private Kontakte knüpfen können.
Das nächste wichtige Ereignis war das dreitägige und englischsprachige „Research Seminar on State
& Religion“ im Orient-Institut. Hier durfte ich wieder eine kleine Ansprache für den Chef und
anschließend den Konferenzreport schreiben.
Zu dem Seminar waren Professoren aus dem Libanon, aus Deutschland und Indonesien sowie eine
Anwältin aus Nigeria eingeladen. Jeder der Teilnehmer hat über das Verhältnis von Kirche und Staat
in einem bestimmten Land dargestellt. Es gab Beiträge zu Deutschland, Frankreich, der Türkei, dem
Libanon, Nigeria, Malaysia, Indonesien, dem Irak, der EU, liberalen islamischen Auffassungen und
anschließende Diskussionen.
Amüsant war die Frage eines der Professoren auf dem Rückweg zum Hotel am zweiten Seminartag,
ob ich nicht etwas Zeit für eine kleine Stadtführung hätte. So kam es, dass ich nachts mit fünf
deutschen Uni-Professoren eine Beirut by Night Tour gemacht habe und wir letztlich im „By the Way“,
eines der „revolutionären“ Bars im Stadtviertel Hamra das Seminar haben ausklingen lassen.
Ebenfalls erwähnen möchte ich den dreitägigen „European-Arab Dialogue“ der International Union of
Socialist Youth (IUSY). IUSY ist die Jugendvereinigung der Sozialistischen Internationalen mit Sitz in
Wien, in der die meisten sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien – u.a. die SPD –
vertreten sind. Auf diese Konferenz wurde ich als Repräsentant abgeordnet, da die FES als Sponsor
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aufgetreten ist. Leider konnte ich wegen Überschneidungen mit einer weiteren Konferenz nicht an der
gesamten Veranstaltung teilnehmen.
Letztlich bestand meine Aufgabe dort darin bei organisatorischen Fragen zur Verfügung zu stehen
und – wie sonst auch - Aufzeichnungen zu machen und diese in einem Report zusammenzufassen.
Beim Dialog selbst habe ich mich herausgehalten. Diese Konferenz möchte ich erwähnen, da sie mir
die seltene Chance gegeben hat hautnah mitzuerleben, wie ein Dialog mit den Jugendrepräsentanten
der Hisbollah aussehen kann. Ebenfalls anwesend waren im junge Vertreter der palästinensischen
Fatah, anderer libanesischer Parteien, den Jusos und Sozialdemokraten aus Griechenland,
Schweden und Italien. Sehr kontrovers diskutiert wurde der Nahostkonflikt zwischen Palästina und
Israel. Trotz einiger Differenzen hat man sich aber freundschaftlich darauf geeinigt den Dialog im
Rahmen weiterer Konferenzen weiterzuführen.
Interessant war ebenfalls die Konferenz-Reihe „Training on Human Rights“ bei der Beiruter
Anwaltskammer, welche ab November startete und jeden Freitag noch bis Januar 2010 abgehalten
wird. An der Eröffnungssitzung sowie zwei weiteren Veranstaltungen habe ich noch teilnehmen
können und natürlich wieder einen Kurzbericht abgeliefert.
Die letzte größere Konferenz, an der ich beteiligt war, war das Beirut Media Forum am 20. November
2009. Das Thema hieß „Mobilizations on Stage“. Geladen waren an die zehn internationale
Wissenschaftler, Journalisten und Filmemacher, die über den Einfluss der Medien auf politisches
Verhalten insbesondere in der Arabischen Welt referiert haben. Es wurden Filmausschnitte präsentiert
und zum Abschluss des eintägigen Forums gab es eine Podiumsdiskussion im Rahmen derer
vermehrt Fragen aus dem Publikum beantwortet wurden. Auch hier hatte ich wieder die Gelegenheit
mich beim Abschlussessen in einem lockeren Rahmen mit den Referenten zu unterhalten. Das war
insgesamt einer der wirklich interessantesten Aspekte meines Praktikums.
Die Inhalte meines Praktikums waren ein perfekter Mix aus Theorie und Praxis und haben insgesamt
viel Spaß gemacht sowie meinen Horizont in nahezu jeder Hinsicht sehr erweitert.
Mein Wissen aus dem Politikstudium konnte ich wunderbar anwenden. Hierbei denke ich nur an die
zahlreichen Berichte, in dem mir meine Kenntnisse aus dem Teilbereich „Politische Systeme“ und
„Internationale Beziehungen“ sehr zu Gute gekommen sind.
Auch bei den Konferenzen hat mir dieses Wissen sehr geholfen; das betrifft insbesondere den bereits
erwähnten Workshop zum Wahlrecht im Libanon oder das Human Rights Training.
Mein zweijähriges abgebrochenes Jurastudium war mir bei der FES sogar einmal von Nutzen, als ich
ein arbeitsrechtliches Gutachten aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt habe.
Erfahrungen hinsichtlich internationalem Dialog zwischen Jugendlichen zu politischen Themen hatte
ich schon Dank meiner Mitgliedschaft in den LMU-Delegationen zum National Model United Nations
(NMUN) und der BRIGHT Konferenz, was durchaus von Vorteil war. Dank NMUN fiel mir das
Schreiben von Reden auf Englisch außerdem relativ leicht.
Da übrigens bei NMUN in New York arabische Studenten ausgesprochen unterrepräsentiert sind und
mir während des Euro-Med Encounters viel Potenzial aufgefallen ist, versuche ich momentan
herauszufinden, ob es evtl. mit Hilfe der FES möglich wäre, eine arabische oder Euro-Med-Delegation
auf die Beine zu stellen.
Kontakt zu Einheimischen konnte ich natürlich schon im Büro der FES aufbauen, da die meisten der
acht Mitarbeiter, inklusive des Büroleiters Libanesen sind. Bei den Konferenzen hatte ich ebenfalls
viele Gelegenheiten Leute kennen zu lernen.
Privat habe ich natürlich während meiner Zeit bei der FES auch Kontakte zu Libanesen knüpfen
können. Mein WG-Zimmer habe ich durch meinen Bekannten und Vorgänger bei der FES vermittelt
bekommen. Im Haus waren einige junge internationale Studenten und Journalisten.
Zudem ist mein ehemaliger Mitbewohner und inzwischen sehr guter Freund – ein U.S.-Libanese, von
denen es wirklich viele gibt – Teilzeit-Stadtführer (bebeirut.org), wodurch mir natürlich Wissen über die
Stadt sowie die Orientierung in ihr wunderbar zugänglich waren.
Das Viertel „Hamra“ in Beirut ist berüchtigt für seine vielen jungen Ausländer, auch „Expats“ genannt.
Das liegt wohl hauptsächlich an der Tatsache, dass sich dort die American University of Beirut (AUB)
und die Lebanese American University (LAU) befinden.
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Hamra erleichtert einem das Einleben in Beirut unheimlich, da man nur in eines der vielen, auf engem
Raum konzentrierten Cafés, Bars oder Restaurants gehen muss, um Leute kennen zu lernen. Dazu
gehören Café Younes, Café de Prague, Captain’s Cabin, Graffiti, By The Way, Neighbors, Baromètre,
Bread Republic und sicher noch ein paar andere. Oft, wenn ich nach der Arbeit nur „kurz und auf gut
Glück dort vorbeischauen“ wollte, bin ich dort stundenlang geblieben. Das Café Younes hat sich
deshalb in meinem Freundeskreis den Namen „The Blackhole“ eingehandelt.
Bei einem Praktikum in den USA hätte ich nicht mehr Amerikaner kennen lernen können als in Beirut.
Aber man trifft auch auf Leute aus nahezu allen europäischen Staaten. Ich komme jeden Tag dazu
Englisch, Arabisch und Französisch zu sprechen; mit Ausländern wie Libanesen gleichermaßen.
Will man diesem Trubel entgehen, dann empfiehlt es sich eher zum Beispiel nach Achrafiyeh zu
ziehen.
Möchte man abends etwas länger unterwegs sein, dann sollte man sich mit dem Taxi nach
Gemmayzé begeben, wo in der Hauptstraße ein Lokal an das andere gereiht ist und die zahlreichen
Ferrari, Lamborghini und SUVs nicht vorankommen sondern im Stau stehen; es aber auch möchten.
Es geht in Beirut oft sehr darum zu sehen und gesehen zu werden. Die Rue Monot, eine weitere
Ausgehmeile, in der übrigens die FES ihr Büro hat, ist Gemmayzé sehr ähnlich.
Wer glaubt in Beirut deutlich mehr Kaufkraft zu haben als in Deutschland hat sich geirrt. Für mehr
arabisches Flair und um einiges günstigere Preise, sollte man dann eher Damaskus in Betracht
ziehen, was auch sehr schön ist. Ich schätze, dass Beirut oder viele Teile davon eher Tel Aviv
gleichen als den meisten anderen arabischen Städten.
Kulturell hat Beirut sonst sehr viel zu bieten. Es gibt ständig Filmfestivals, Musikfestivals, Konzerte,
viele Kinos, Kunstgalerien und in Hamra natürlich auch genug Interessierte, die einen dorthin
begleiten.
Mit meinen Freunden bin ich fast jeden Sonntag in die „Art Lounge“, eine Kunstgalerie / Bar / Disco
gegangen, die etwas außerhalb liegt, mit dem Taxi aber gut erreichbar ist. Sonntags, gibt es in diesem
alten Lagerhaus, was inzwischen ein Loft ist und designmäßig ähnlichen Einrichtungen in Berlin oder
New York in nichts nachsteht immer ein gratis Filmscreening.
Ich zahle für mein möbliertes WG-Zimmer – zwar mitten in Hamra – 370 US-Dollar Kaltmiete, was
noch günstig ist, da ich Glück hatte. Rechnen sollte man aber mit zwischen 400 USD und 500 USD.
Ich musste einmal umziehen, da das erste Haus in dem ich gewohnt habe bald abgerissen wird.
Sollte man keine Unterstützung bei der Wohnungssuche erhalten, dann kann man sich auf
www.ahlein.net auch Wohnungsannoncen anschauen.
Zur Zeit wohne ich mit einem australischen freien Journalisten und einem englischen Journalisten
zusammen, der beim Daily Star arbeitet und dessen Artikel ich bei meiner FES-Presserevue oft
ausgewertet habe. Beide sind - wie ich auch – Mitte zwanzig. Interessanten Gesprächsstoff gab es
dadurch natürlich oft genug. Die meisten der ausländischen Daily-Star-Journalisten wohnen auch in
Hamra und ich kenne einige von ihnen.
Das libanesische Pfund ist fix an den US-Dollar gebunden und es macht letztlich keinen Unterschied
womit man zahlt. Die überall vorhandenen Geldautomaten bieten beide Währungen an. Empfehlen
kann ich ein gebührenfreies Studentenkonto in Deutschland bei der Comdirect Bank. Man erhält bei
dessen Eröffnung eine gleichermaßen kostenlose Visa-Kreditkarte, mit der man weltweit ohne Gebühr
Geld abheben kann und nur den offiziellen Wechselkurs zahlt. Ein Barclaycard-Kreditkartenkonto ist
ähnlich gut und erlaubt einem zusätzlich, seine Rechnungen erst einen Monat später zu bezahlen.
Telefonieren ist im Libanon relativ teuer. Es gibt zwei Mobilfunkanbieter, Alfa und MTC, denen von
einigen unterstellt wird gemeinsam ein Kartell zu unterhalten. Eine Minute telefonieren kostet knapp
einen Dollar, SMS ungefähr zehn Cent. Trotzdem ist es ratsam sich eine libanesische Sim-Karte
zuzulegen. Das Internet ist im Libanon eher langsam und ein Satelliten-Modem kostet neu circa 200
USD. Gebraucht findet man mit etwas Glück eines für 100 USD. Wie das Handy auch, muss man
seinen Online-Account, bei Cyberia, Terranet, etc. mit Guthaben-Karten aufladen, die es an jeder
Ecke zu kaufen gibt. Die langsame Volumenflatrate, die man damit erhält kostet ca. 50 USD im Monat.
Eine Alternative sind aber die Hotspots, u.a. in den meisten der oben genannten Cafés, in die man
sich umsonst einloggen kann.
Arabischkurse kann man entweder an der AUB machen oder sich an private Schulen wie das ALPS
oder das Saifi-Institute halten. Man muss sich dann entscheiden, ob man den libanesischen Dialekt
oder „Fos’ha“, sprich Hocharabisch, lernen möchte. Letzteres hilft einem mehr beim Lesen und
Verstehen von Texten, nützt im Alltag jedoch eher wenig.
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Was den Transport anbelangt, ist man in Beirut quasi auf Taxis angewiesen. Hier nennt man diese
aber „Service“. Ein Service kostet 2.000 libanesische Pfund, was zur Zeit ungefähr einem Euro
entspricht und er erlaubt dem Taxifahrer auf dem Weg noch andere Fahrgäste einzusammeln. Sagt
man „Taxi“, dann hat man den Wagen zwar für sich allein, zahlt aber gleich an die 10.000 Pfund. Bei
vier oder fünf Leuten auf längeren Distanzen lohnt sich „Taxi“ aber manchmal. Nachts wird das
Service-Angebot rar. Ist man alleine, dann verlangt der Fahrer oft „Sevicein“ – nach arabischer
Deklination der „Dual“ von Service-, was einen doppelten Service, also 4.000 Pfund bedeutet. Auf
manchen Strecken gibt es auch viele private Kleinbusse mit Nummern, welche man einfach auf der
Straße anhalten kann. Die mehr oder weniger fixen Strecken sollte man vorher kennen. Die
Busfahrten sind mit 1.000 Pfund allerdings sehr günstig.
Wenn man Sport machen möchte, kann man sich entweder in die AUB einschleichen und deren
Sportplatz benutzen (oder an der Pforte seinen Ausweis abgeben), an der Promenade (Corniche)
joggen oder in ein Fitnessstudio gehen, was um die sechzig Dollar im Monat kostet.
Supermärkte sind in etwa so teuer wie in Deutschland. Sandwiches wie Shawarma oder Man’oushe
(libanesische zusammengeklappte Pizza) kosten mehr oder weniger die Hälfte. Das kommt darauf an,
wo man hingeht. Amerikanische Fastfoodketten sind besser vertreten als in Deutschland und genauso
teuer.
Man sollte letztlich, wenn man durchschnittlich leben und nicht auf jeden Cent schauen möchte
mindestens 1000 USD pro Monat einplanen, um in Beirut zu leben.
Das Stipendium von Student und Arbeitsmarkt in Höhe von monatlich 325 Euro habe ich deshalb
wirklich sehr gut brauchen können. Der große Vorteil dieses Stipendiums ist die unkomplizierte Art
und Weise es zu erhalten.
Da ich inzwischen ein zweites dreimonatiges Praktikum beim Carnegie Endowment for International
Peace, einem amerikanischen Thinktank in Beirut mache, kenne ich auch die Prozedur des LMUStipendienprogramms „Hochschule International“, welche etwas komplizierter ist. Ich musste dafür
zum Beispiel in Beirut noch einen Englischtest machen, um das Ergebnis nach München zu schicken.
Zudem musste ich noch ein Motivationsschreiben, ein beglaubigtes Transcript und akademische
Empfehlungsschreiben einreichen. Ohne Hilfe in München, nette Dozenten und Vollmachten ist das
von Beirut aus quasi nicht möglich. Letztlich habe ich mit einmalig 410 Euro auch deutlich weniger
finanzielle Unterstützung erhalten, was aber dennoch eine erhebliche Erleichterung darstellt.
Abschließend kann ich sagen, dass es wohl eine meiner besten Entscheidungen war mal ein
Urlaubssemester zu nehmen und in Beirut etwas praktische Erfahrung in einer sehr pulsierenden und
vielseitigen Stadt zu sammeln. Ich weiß jetzt, was ich vorher schon vermutet hatte: Die Jobaussichten
für Politikwissenschaftler gehen weit über das Taxifahren hinaus.
Fragen zum Praktikum und zu Beirut versuche ich gerne zu beantworten:
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