Was tun bei Wintersportverletzungen?
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Was tun bei Wintersportverletzungen?
12 Diagnose & Therapie MVZ im Helios — fachärztliche Kompetenz unter einem Dach Was tun bei Wintersportverletzungen? In Deutschland gehen jedes Jahr mehr als vier Millionen Skifahrer und Snowboarder auf die Piste. Mitunter endet der herrliche Tag im Schnee jedoch jäh in der Arztpraxis: Pro Jahr ziehen sich rund 45 000 Wintersportler eine Verletzung zu. Der mit Abstand gefährdetste Körperteil ist das Knie und hier vor allem die Kreuzbänder und Menisken. Im Gespräch mit TOPFIT erläutert der Münchner Orthopäde Dr. Werner Zirngibl vom MVZ im Helios, welche Möglichkeiten der modernen Orthopädie zur Verfügung stehen, um Knieverletzungen effektiv zu behandeln. Von Dr. Nicole Schaenzler Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz eines resorbierbaren Ankerhakens, mit dem die gerissenen Meniskusteile miteinander fixiert werden und so wieder zusammenwachsen können. Manchmal ist es zur vollständigen Heilung jedoch nötig, Anteile des verletzten Meniskus zu entfernen. Auch hier verfahren wir nach dem Grundsatz: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Dies gelingt am besten mithilfe der Arthroskopie. Wird eine Arthroskopie von geübten Händen durchgeführt, ist sie risikoarm und in hohem Maß erfolgversprechend. So sieht ein genähter Meniskus arthroskopisch aus. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Arthrolap Medizin technik München ◾ Wenn der Meniskus reißt Die beiden knorpelartigen Halbmondscheiben des Knies, der Innen- und Außenmeniskus, sind recht strapazierfähig, doch bei einer Sturzverletzung mit Überdrehung des Kniegelenks, wie dies im Skialpinsport besonders häufig vorkommt, können Teile eines Meniskus ein- oder zerreißen. Je nach Ort der Verletzung im Meniskusgewebe werden verschiedene Rissformen unterschieden, dementsprechend kann auch das Beschwerdebild variieren. Oft klagen die Betroffenen über Schmerzen im Kniegelenk, die Bewegungen im Gelenk sind nur eingeschränkt möglich. Ebenso können Gelenkblockaden und/ oder vorübergehende Reizerscheinungen, z. B. Schwellungen, auftreten. Wie wird ein Meniskusschaden behandelt? Dr. Zirngibl: Alle Rissformen müssen möglichst schnell operiert werden. Welche Art von Operation infrage kommt, richtet sich nach Art und Lage der Rissform des Meniskus sowie nach den Begleitverletzungen; Letztere kommen gerade bei Skiunfällen häufig vor. Deshalb müssen all diese Fragen zunächst mittels bildgebender Verfahren geklärt werden. Wenn möglich, operieren wir arthroskopisch, d. h. wir verschaffen uns über kleine Hautschnitte Zugang ins Gelenkinnere und beheben so den Schaden direkt vor Ort. Ziel ist es, den Meniskus zu erhalten, um Langzeitschäden wie einen vorzeitigen Verschleiß des Kniegelenks zu vermeiden. Kleinere, unkomplizierte Risse können genäht werden. Topfit 4 / 2014 Wie lange dauert der Heilungsprozess? Dr. Zirngibl: Bei der Meniskusnaht dauert der Heilungsprozess zwischen vier und acht Wochen, bevor das betroffene Kniegelenk wieder voll belastet werden kann. Während dieser Zeit geht der Patient an zwei Unterarmgehstützen, um das Knie zu entlasten. ◾ Bänderrisse am Knie Kreuzbänder sind sehr reißfest und machen einen Großteil der Kniegelenkstabilität aus. Entsprechend »wackelig« fühlen sich die meisten Patienten auf den Beinen, wenn das Kreuzband gerissen ist – beim vorderen Kreuzbandriss lässt sich oft das Schienbein gegenüber dem Oberschenkel nach vorn verschieben (SchubladenZeichen). Außerdem hat der Betroffene Schmerzen, das Knie schwillt an, und es bildet sich nicht selten ein Gelenkerguss. Wenn der Erguss blutig ist, liegt der Verdacht auf einen Kreuzbandriss nahe. Zur endgültigen Diagnose ist jedoch eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren, gegebenenfalls auch einer Arthroskopie, notwendig, die eine direkte Betrachtung des Gelenkinnenraums erlaubt. Auch ein Innenbandriss geht in der Regel mit (starken) Schmerzen einher. Das Knie wirkt nicht mehr stabil und ist meist in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Wie wird ein Bänderriss behandelt? Dr. Zirngibl: Entscheidend ist, welche Bänder betroffen sind und ob Begleitverletzungen vorliegen. Einen Innenbandriss am Knie beispielsweise behandeln wir im Allgemeinen konservativ: Der Patient trägt vier bis sechs Wochen eine Schiene, wodurch das Knie bei Beugung und Streckung stabilisiert wird. Anders verhält es sich bei einem Kreuzbandriss: Hier greift eine konservative Therapie meist zu kurz, um eine dauerhafte Stabilität des Knies zu gewährleisten. Deshalb befürworten wir vor allem bei jüngeren, sportlich aktiven Patienten in der Regel eine operative Versorgung. Vorausgesetzt, es bestehen keine weiteren Verletzungen am Knie, operieren wir erst dann, wenn der Reizzustand abgeklungen ist und weitgehende Schmerzfreiheit besteht, dies ist etwa sechs Wochen nach dem Unfall der Fall. Ein gerissenes Kreuzband kann nicht einfach genäht werden, sondern es muss vollständig durch ein Transplantat (Kreuzbandplastik) ersetzt werden. Dazu wird eine körpereigene Sehne (z. B. Patellarsehne oder Semitendinosussehne) operativ in den ursprünglichen Verlauf des gerissenen Kreuzbands eingebracht. Der Betroffene hat durch die Entfernung der Sehne von ihrer ursprünglichen Lage keine Nachteile. Wie geht es nach der Operation weiter? Dr. Zirngibl: Zunächst steht eine konsequente Physiotherapie zum Muskelaufbau und zur allmählichen Steigerung der Beweglichkeit im Vor- Zur Person Dr. med. Werner Zirngibl ist als Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin im Münchner MVZ im Helios niedergelassen. Als ehemaliger Profi-Tennisspieler war er 14-mal Deutscher Tennismeister, er spielte beim Daviscup und anderen international renommierten Turnieren. Heute gehören zu Dr. Zirngibls Leistungsspektrum u. a. die konventionelle und operative Therapie von Knie- und Sprunggelenksverletzungen. Außerdem nimmt er minimal-invasive Wirbelsäulen eingriffe vor und arbeitet mit innovativen schmerztherapeutischen Verfahren. Nähere Infos: www.mvz-im-helios.de Diagnose & Therapie 13 dergrund. Meist können die Patienten nach etwa 14 Tagen auf Gehstütze und Orthese (Kunststoffschiene) verzichten, nach vier bis sechs Wochen kann das Knie dann wieder voll belastet werden. ◾ Knorpelschäden am Kniegelenk Die Knorpelschicht im Kniegelenk fungiert vor allem als Stoßdämpfer, federt Stöße ab und verhindert, dass die Knochen direkt aufeinander prallen. Kommt es, z. B. infolge eines Sturzes, zu einer Knorpelverletzung im Knie, hängt die therapeutische Versorgung entscheidend davon ab, wie ausgeprägt der Knorpelschaden ist. Wie wird ein Knorpelschaden behandelt? Dr. Zirngibl: Kleinere, oberflächliche Knorpelschäden lassen sich häufig konservativ behandeln. Sind jedoch ganze Knorpelstücke oder eine größere Knorpelschicht »herausgeschlagen«, ist ein chirurgischer Eingriff unerlässlich. Hierbei kommen verschiedene Vorgehensweisen infrage. Beispielsweise können ausgefranste oder instabile Knorpelanteile im Rahmen einer Arthroskopie abgetragen werden. Mitunter ist es möglich, abgesprengte Knorpelteile wieder anzukleben oder anzuschrauben. Es kann aber auch sein, dass sie entfernt werden müssen, damit sie nicht die Gelenkmechanik behindern. Bei größeren und tiefen Knorpeldefekten kann eine Knorpelzelltransplantation (Autologe Chondrozytentransplantation, ACT) sinnvoll sein. Fotos: gudella / 123RF Stockfoto, fotolia.de (Klaus Eppele) Wie sieht die Nachbehandlung aus? Dr. Zirngibl: Wie lange der Heilungsprozess tatsächlich dauert, hängt wesentlich vom Ausmaß des Knorpelschadens ab. Gerade bei schweren Knorpelverletzungen ist es notwendig, dem Betroffenen einen individuellen Nachbehandlungsplan an die Hand zu geben, der neben einer angemessenen Zeit der Schonung und Entlastung auch eine Physiotherapie nach einem individuellen Belastungsschema unter fachlicher Anleitung vorsieht. Nachgefragt Wie sinnvoll sind Rückenprotektoren? Rückenverletzungen, etwa durch einen Sturz oder einen Aufprall, sind im Wintersport ebenfalls keine Seltenheit. Schutz sollen Rückenprotektoren bieten. Die »Rückenpanzer« gibt es im Wesentlichen in zwei Ausführungen: als reine Protektoren, die mit Schulter- und Bauchgurt am Körper befestigt werden, sowie als Protektorenwesten, bei denen der Protektor in die (ärmellose) Weste integriert ist. »Wichtig ist, dass die Größe stimmt und dass der Protektor die Wirbelsäule wirklich von oben bis unten schützt – also von der Hals- bis hin zur Lendenwirbelsäule. Zudem gibt es Protektoren, die zusätzlich den Schulterbereich und/ oder die R ippenbögen schützen«, erklärt der Münchner Orthopäde Dr. Felix Söller vom MVZ im Helios im Gespräch mit TOPFIT. Herr Dr. Söller, profitieren Ski- oder Snowboardfahrer davon, wenn sie Rückenprotektoren tragen? Dr. Söller: F est steht: Seit immer mehr Skifahrer und Snowboarder Protektoren tragen, ist die Zahl der schweren Wirbelsäulen- bzw. Rückenmarksverletzungen deutlich gesunken. Dabei hat sich gezeigt, dass Rückenprotektoren nicht nur bei einem Zusammenprall sinnvoll sind, sondern dass sie die Wirbelsäule auch bei schweren Stürzen schützen. Gänzlich verhindern können aber auch die »Rückenpanzer« eine Verletzung im Rückenbereich infolge eines Unfalls im Schnee nicht. Von welchen Verletzungen am Rücken sind Wintersportler b esonders häufig betroffen? Dr. Söller: D ie Bandbreite reicht von leichteren Blessuren wie Muskelverspannungen und Gelenkblockaden bis hin zu langwierigeren Verletzungen, etwa an der knöchernen Wirbelsäule oder der Bänder, über die die Wirbelkörper miteinander verbunden sind. Durch einen heftigen Sturz auf den Rücken kann auch das Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine starke Quetschung oder Schädigung des Rückenmarks infolge eines Skiunfalls ist jedoch zum Glück inzwischen selten — was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass immer mehr Skifahrer Rückenprotektoren tragen. Welche konservativen Maßnahmen können helfen? Dr. Söller: W elche Behandlung im Einzelfall infrage kommt, kann Forum Orthopädie Zum 16. Mal in Folge referieren und diskutieren am 7. März 2015 auf Einladung der Münchner GfPO e. V. renommierte Fachärzte im Hörsaalgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) über bewährte und neue Ansätze zur Vorbeugung und Behandlung von Arthrose und Rückenschmerzen. Geleitet wird die Veranstaltung vom Präsidenten der Gesellschaft für Prophylaktische Orthopädie und einer der Gründer des MVZ im Helios, Dr. med. Heribert Konvalin. immer erst nach einer eingehenden Untersuchung geklärt werden. Hierfür kann es notwendig sein, auch bildgebende Verfahren einzusetzen. Bei leichteren Verletzungen lassen sich akute Schmerzen meist gut mit Medikamenten, gezielten Injektionen, etwa zur Behandlung einer Gelenkblockade, aber auch mit lokalen Kälte- oder Wärmeanwendungen lindern. Auch eine Ruhigstellung kann sinnvoll sein, z. B. durch Tragen einer Halskrause bei einer Halswirbelsäulen-Dis- torsion (»Schleudertrauma«) oder eines Stützkorsetts, um gestauchte Wirbelkörper zu stabilisieren. Diese richten sich dann nach ein bis drei Monaten wieder von selbst auf. Wie wird ein Wirbelkörperbruch behandelt? Dr. Söller: A uch in diesem Fall ist erst einmal eine exakte Diagnose unerlässlich, um dann die individuell geeignete Therapiestrategie festzulegen. Häufig kommt eine Kyphoplastie in Betracht, ein minimal-invasives Verfahren, mit dem die normale Höhe der Wirbelkörper wiederhergestellt und gleichzeitig die Fraktur stabilisiert wird. Hierbei wird der eingefallene Wirbel zunächst mithilfe eines speziellen Ballons wieder aufgerichtet und dann mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Eine andere Möglichkeit ist die Stabilisierung eines gebrochen Wirbelkörpers mithilfe von Schrauben. Dies ist eine Option, wenn die Hinterkante des Wirbelkörpers betroffen ist. Der Eingriff erfolgt in der Regel perkutan, d. h. er wird direkt durch die Haut — ohne große Schnitte — vorgenommen. Auf diese Weise wird die Gewebsschädigung auf ein Minimum reduziert, sodass die postoperativen Schmerzen gering bleiben und der Heilungsprozess relativ kurz ist. Zur Person Dr. med. Felix Söller ist Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Akupunktur und praktiziert zusammen mit seinen Kollegen Dr. med. Heribert Konvalin, Dr. med. Werner Zirngibl und Dr. med. Steffen Zenta im MVZ im Helios. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten gehören neben minimal-invasiven Wirbelsäuleninterventionen auch die operative Behandlung von Schulter-, Hand- und EllbogenErkrankungen sowie von Knie- und Vorfuß-Erkrankungen. Nähere Infos: www.mvz-im-helios.de Topfit 4/ 2014