Das sind die fünf häufigsten Fehler

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Das sind die fünf häufigsten Fehler
FORTBILDUNG _ SCHWERPUNKT
FORTBILDUNG
SEMINAR
Hochdruckliga
Therapie
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des diabetischer Fußsyndroms
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Das sind die fünf häufigsten
Fehler
MMW-Fortbildungsinitiative:
Diabetologie für den Hausarzt
Autor
Regelmäßiger
Sonderteil
der
Bluthochdruck
im Blickpunkt
MMW-Fortschritte der Medizin
Regelmäßiger Sonderteil der
Herausgeber:
MMW-Fortschritte der Medizin.
Fachkommission Diabetes in Bayern –
Herausgeber: der Deutschen Dia­betesLandesverband
Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche
Gesellschaft,
Gesellschaft
für Hypertonie
und Prävention
Dr.
med. Andreas
Liebl (1. Vorsitzender)
Berliner Straße Bad
46, D-69120
Heidelberg;
m&i-Fachklinik
Heilbrunn
Tel.: 06221/58855-0,
Fax: Bad
06221/58855-25
Wörnerweg
30, D-83670
Heilbrunn
[email protected]
Redaktion:
Redaktion: Prof. Dr. med. Ulrich Kintscher,
Priv.-Doz.
Dr.d.M.Vorstandes)
Hummel, Rosenheim
Berlin (Vors.
(Koor­dination); Prof. Dr. L. Schaaf, München
(wissenschaftliche Leitung).
Prof. Dr. med.
Ralf Lobmann
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie
und Geriatrie,
Klinikum Stuttgart –
Bürgerhospital
−−
Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist
eine klassische interdisziplinäre Erkran­
kung. Bis zu 25% aller Diabetiker sind
während ihres Lebens von einer dia­
betischen Fußläsion betroffen. Mehr als
die Hälfte der 300 000 Patienten, die in
Deutschland jährlich an einem diabeti­
schen Fußsyndrom erkranken, muss mit
einer Amputation innerhalb von vier Jah­
ren nach Diagnosestellung rechnen. Das
DFS ist damit die häufigste nicht-trauma­
tische Ursache für eine Amputation.
Erhöhte plantare Fußdrücke in
Kombination mit einer diabetischen
Poly­neuropathie und/oder einer Angio­
pathie führen zusammen mit einer
systemischen Komponente der Wund­
heilungsstörung auf zellulärer Ebene bei
Diabetikern zur chronischen Fußläsion.
Pathogenese
Epidemiologische Daten zeigen, dass in
rund 50% der Fälle ausschließlich eine
Neuropathie, in bis zu 15% ausschließ­
MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18) lich eine periphere arterielle Verschluss­
krankheit (PAVK) und in 35% eine
Kombination von Neuro- und Angiopa­
thie als Auslöser für ein diabetisches
Fußsyndrom verantwortlich sind. Gera­
de der Anteil der angiopathisch-neuro­
pathischen Mischformen hat sich in den
vergangenen Jahren weiter erhöht.
Die Neuropathie der distalen unteren
Extremität kann in eine sensorische,
motorische und peripher autonome
Komponente unterteilt werden.
Zeichen einer sensorischen Neuropa­
thie sind die Reduktion oder der Verlust
des Vibrationsempfindens (Pallhypästhe­
sie) sowie der taktilen Oberflächensensi­
bilität (Druck, Berührung) und subjektiv
Parästhesien. Infolge der fehlenden
Schmerzsymptomatik neigen sowohl der
Patient als auch behandelnde Ärzte zu ei­
ner deletären Fehleinschätzung bei be­
reits gravierenden Fußläsionen.
Klinik
Das typische diabetische Ulkus findet
sich an klassischer prädisponierter Stel­
le (d. h. Stelle mit erhöhter Druckbelas­
tung wie z. B. plantar Höhe Metatarsale
I), ist meist kreisrund und von einem hy­
perkeratotischen Randwall umgeben.
Auch bei äußerlich blandem und teils
unscheinbar kleinem Aspekt zeigt sich
bei Sondierung oft eine unerkannte Tie­
fenausdehnung oder eine subklinische
©© R. Lobmann
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Verschleppte Diagnose, unzureichende Entlastung, inadäquat behandelte
Infektionen, mangelndes Debridement, keine stadiengerechte Therapie –
das sind typische Fehler bei der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Lesen Sie im nachfolgenden Beitrag, wie Sie diese Fallstricke durch
die richtige Diagnostik und Therapie umgehen können.
Abb. 1 Diabe­tisches Ulkus: meist an
Stellen mit erhöhter Druckbelastung.
Begleitinfektion in das umgebende Ge­
webe (Abb. 1).
Diagnostik
Die internistische Basisuntersuchung
mit Erhebung des neurologischen und
des Gefäßstatus ist richtungsweisend für
den weiteren diagnostischen und thera­
peutischen Verlauf (Abb. 2). Insbesonde­
re sind hier anamnestisch Risikofaktoren
der Läsionsentstehung, aber auch Aspek­
te, die möglicherweise die Wundheilung
beeinträchtigen könnten, zu erheben.
Besonderes Augenmerk ist der Beur­
teilung der Wunde zu widmen. Nach die­
ser richten sich die folgenden therapeu­
tischen Maßnahmen.
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FORTBILDUNG _ SEMINAR
Abbildung 2
Diagnostisch-therapeutisches Procedere bei Erstvorstellung eines diabetischen Fußes
Labor
• CRP
• Thrombozyten
• HbA1c
• Blutzucker
Dokumentation
• PTT
• Albumin
• Kreatinin
Tissue
(Gewebe)
Fußbefund
Digitale Fotografie
Standardisierte Dokumentation
Infection
Moisture
imbalance
(Infektion)
Epidermal margin
(Wundrandanfrischung)
(Wundfeuchtigkeit)
Klinische
Maßnahmen
Klinisches
Ergebnis
Klinischer Status
Debridement
(regelmäßig)
• autolytisch
• chirurgisch
• enzymatisch
• mechanisch
• biologisch
Fokus muss entfernt
werden
topisch/systemisch
Antibiotika
Anti-inflammatorisch
Protease-Inhibitoren
• Wundauflagen, die die
Feuchtigkeit ausgleichen
• Kompression
• Vakuum-Therapie
Vitaler
Wundgrund
Kontrolle der Infektion
Ausgeglichenes Angebot
von Feuchtigkeit in der
Wunde
Neurologie
Angiologie
• Reflexe
• Stimmgabel
• Warm-Kalt-Test
• NLG*
• EMG
• Pulsstatus
• Knöchel/ArmIndex
• Duplex
Erneute Evaluation der
möglichen Störung
Einsatz innovativer oder
erweiterter Verfahren
• Debridement
• „bioengineered“ Haut
• Hauttransplantate
pathologisch
i.a. DSA
MRA
Allgemein
Fuß
• Röntgen
• MRT
* bei Charcot
* bei Osteomyelitis
• Kardiale Erkrankung
• Hypertonie
• Hyperlipidämie
• Hyper-/Hypothyreose
• Nephropathie
• Niereninsuffizienz
• Malignom
pathologisch
orthopädische
Intervention
Optimierung
Verbesserte
Epithelialisierung und
Remodeling
pathologisch
©© Mod. n. Lobmann Internist 2011
suffiziente
Entlastung
• Total Contact Cast
• Orthese
• Entlastungsschuhe
• Rollstuhl
• Immobilisation
nicht heilende Wunde
Maßnahme
gefäßchirurgisch
interventionell-radiologisch
Re-Evaluation des Procedere
Einsatz innovativer Techniken
Hauttransplantation
Wachstumsfaktoren
Protease-Inhibitoren
Optimierung der Gefäßsituation
Verbesserung durch einen lokal begrenzten chirurgischen Eingriff
Ist der Fuß warm und rosig?
Im Gegensatz zur PAVK, der wichtigsten
Differenzialdiagnose, die entscheidend
das weitere therapeutische Management
beeinflusst, ist der Fuß beim Vorliegen
einer Neuropathie warm, hat tastbare
Fußpulse und ein rosiges Hautkolorit.
Die Lokalisation der Läsion ist hier oft
auf druckbelastete Regionen fokussiert
(Metatarsale I, Ferse). Aber auch Läsio­
nen im Zehenbereich, dann primär
durch zu enges und ungeeignetes Schuh­
werk induziert, sind häufig anzutref­fen
und dürfen nicht den Trugschluss
einer primär führenden PAVK nach sich
ziehen.
Bei der klinischen Untersuchung ist
eine Inspektion von Gang- und Stand­
bild des Fußes (Hautintegrität, Muskel­
apparat, knöcherne Anteile, weitere
Fußdeformierungen wie Krallenzehen,
Hallux valgus oder rigidus, Hohl-, Knickoder Senkfuß) und des Schuhwerks un­
erlässlich. Auffällig ist eine meist trocke­
ne und rissige Haut mit Rhagaden und
Hyperkeratosen.
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*NLG = Nervenleitgeschwindigkeit
Eine Osteomyelitis im Zehenbereich
äußert sich in dem typischen Bild des
sog. „sausage-toe“ mit kolbenförmiger
Auftreibung (Abb. 3a, b).
da z. B. gerade ein „Gehtraining“ bei die­
sen Patienten, bei denen eine Immobili­
sierung angezeigt ist, einen Kunstfehler
darstellt.
Auch an Mykosen denken
Arterielle Durchblutung abklären
Häufig vergessen wird leider auch die In­
spektion der Zehennägel und der Zehen­
zwischenräume. Vielfach findet sich bei
Dia­betikern – insbesondere mit Fußsyn­
drom – eine Nagel- oder Interdigitalmy­
kose. Diese kann ebenfalls die Heilung
benachbarter Läsionen stören.
Prinzipiell ist ein sorgfältiger Gefäßsta­
tus (palpatorisch und auskultatorisch)
zu erheben, da durch diesen die weiteren
operativen Maßnahmen determiniert
werden. Ist der periphere Pulsstatus auf­
fällig, muss eine weitere angiologische
Diagnostik erfolgen (Abb. 2).
Merke: Grundsätzlich darf, insbesondere
ohne qualifizierte angiologische Dia­
gnostik und entsprechende radiologische
Bildgebung (DSA, Angio-MRT), keine
Amputation vorgenommen werden.
Kein Gehtraining bei Charcot-Fuß
Eine weitere Blickdiagnose ist die diabe­
tische Neuro-Osteoarthropathie, der
sog. Charcot-Fuß. Dieser ist primär
durch eine reaktive Hyperämie mit
deutlicher Schwellung und Destruktion
der knöchernen Strukturen mit einem
Zusammensintern des Mittelfußes ge­
kennzeichnet. Eine Fehleinschätzung
hinsichtlich einer Thrombose oder einer
PAVK kann zu einem deletären Verlauf
(bis zum Verlust der Extremität) führen,
Therapie
Basis aller konservativen und operativen
Schritte ist die Schaffung eines gut
durchbluteten Wundbettes durch ein lo­
kales Wund-Debridement und durch re­
vaskulisierende Maßnahmen. Neben der
Revaskularisation ist in der Akutphase
MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18)
FORTBILDUNG _ SEMINAR
die frühzeitige und breit angelegte Anti­
biotikatherapie in Stadien mit den klini­
schen Zeichen einer Infektion unab­
dingbar. Erst nach Stabilisierung der
Wundverhältnisse und dem Beginn der
Granulationsphase sind Wundauflagen,
die die Wundheilung aktivieren sollen,
sinnvoll.
Merke: Besonders problematisch sind
Läsionen mit Begleitinfektion und /oder
begleitender peripherer Arteriosklerose.
Konservative Therapie
Ein Grundprinzip der Behandlung des
diabetischen Fußes ist die Stoffwech­
seloptimierung mit normnaher Blutzu­
ckereinstellung (evtl. auch durch eine
zeitlich begrenzte Insulintherapie) und
mit strukturierter Patientenschulung.
Wesentlichste Voraussetzung für die
Abheilung trophischer Störungen ist
eine konsequente Druckentlastung. Die
am besten in Studien untersuchte Ent­
lastungstechnik ist der „total contact
cast“, der derzeit noch als Goldstandard
für die Entlastung zu gelten hat. Aber
auch andere Hilfsmittel wie Unterarm­
gehstützen, Orthesen oder auch die Ent­
lastung mittels Rollstuhl können ange­
wendet werden. Ebenso kann die völlige
Immobilisierung des Patienten (initial)
notwendig sein.
Daraus ergeben sich allerdings bei
den vorwiegend älteren Patienten oft
weitere Probleme (z. B. ein erhöhtes
Thrombose- oder Pneumonierisiko). In
späteren Heilungsphasen (ab dem Stadi­
um der Granulation) kann u. U. eine
ausreichende Druckreduktion mittels
Verbands- oder Entlastungsschuhen er­
zielt werden.
Ziel des Debridements ist die Wieder­
herstellung eines vitalen Wundgrundes.
Als besondere weitere Verfahren zur In­
duktion der Wundheilung sowie Reduk­
tion der Therapiedauer hat sich die Va­
kuumtherapie (VAC® [Vacuum Assisted
Closure®]) oder Niederdrucktherapie
(VISTA®) etabliert.
Merke: Das Debridement ist die erste
und wichtigste Stufe der Therapie, da die
zerstörte Matrix und der Zelldetritus die
Wundheilung nachhaltig stören. Dabei
muss jegliches nicht vitales infiziertes
Gewebe, auch knöcherne Strukturen,
entfernt werden.
Infektbekämpfung
Das diabetische Fußulkus fungiert als
Portal für eine systemische Infektion
(ausgehend von der Begleitinfektion der
Weichteile in unmittelbarer Nachbar­
schaft des diabetischen Ulkus oder der
begleitenden Osteomyelitis). Da eine lo­
kale bakterielle Kontamination in allen
Wunden vorhanden ist, ist gerade beim
Diabetes, der zu den sekundären Im­
mundefizienzkrankheiten gezählt wird,
die Entwicklung einer Sepsis möglich.
Daher müssen das Debridement und die
antibiotische Therapie so schnell wie
möglich initiiert werden.
Ebenso muss die Hyperglykämie
behandelt werden, da diese die Viru­lenz der Mikroorganismen verstärken
kann.
Ein mikrobiologischer Abstrich soll­
te bereits bei der ersten Vorstellung des
Patienten vorgenommen werden. Dieser
sollte möglichst aus der Tiefe erfolgen.
Ideal wäre eine Biopsie oder ggf. die As­
servierung eines Knochensequesters,
um eine möglichst hohe Aussagekraft zu
erhalten. Bei gesicherter Infektion muss
eine frühzeitige antibiotische Therapie
begonnen werden.
Merke: Im Rahmen der antibiotischen
Therapie ist die lokale Applikation von
Antibiotika unbedingt zu vermeiden, da
keine ausreichenden Wirkspiegel er­
reicht werden, vermehrt lokale allergi­
sche Reaktionen ausgelöst und die Ent­
wicklung von Resistenzen gefördert wer­
den können.
Welches antibiotische Regime?
Das Abschätzen des Schweregrades der
Infektion bei diabetischem Fußsyndrom
ist essenziell für die Auswahl eines anti­
biotischen Regimes: Die Schwere der In­
fektion beeinflusst die Applikationsart
des Antibiotikums, die Notwendigkeit
einer Hospitalisierung und den Einsatz
chirurgischer Maßnahmen.
Eine große Anzahl von Major-Ampu­
tationen und Langzeithospitalisierungen
kann durch eine frühzeitige chirur­gische
Intervention und den adäquaten Einsatz
von Antibiotika vermieden wer­den.
Eine Antibiotikagabe im Stadium 1
(nach Wagner/Armstrong, s. Tab. 1) ist –
Praktisches Vorgehen bei der
konservativen Wundbehandlung
MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18) ©© R. Lobmann
Debridement
Durch das chirurgische Debridement
mit einem Skalpell (alternativ scharfem
Löffel o. Ä.) sollte jegliches devitalisier­
tes Gewebe entfernt werden. Ideal ist,
wenn nach dem Debridement das Kapil­
larbett, sichtbar an kleinsten Punktblu­
tungen im behandelten Wundbereich,
erreicht wird. Alternativ kann ein enzy­
matisches oder biologisches Debride­
ment erwogen werden.
a
b
Abb. 3 Osteomyelitis im Zehenbereich (a). Typisch ist das Bild des sog. „sausage-toe“ (b).
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FORTBILDUNG _ SEMINAR
Wundfeuchtigkeit und Wundrand
Tabelle 1
Klassifikation nach Wagner/Armstrong
A
0
1
2
3
4
5
Prä- oder
postulzerative Läsion
Oberflächliche
Wunde
Wunde bis
zur Ebene
von Sehne
oder Kapsel
Wunde bis
zur Ebene
von Knochen
oder Gelenk
Nekrose
von Fußteilen
Nekrose
des
­ge­samten
Fußes
B
mit Infektion
C
mit Ischämie
D
mit Infektion und Ischämie
auch prophylaktisch – nicht notwendig,
ab Stadium 2 allerdings meist obligat;
mit Vorliegen eines Stadium 2B sollte
mit einer intravenösen Phase rasch ein
ausreichender Wirkspiegel aufgebaut
werden. Nach ein- bis zweiwöchiger The­
rapie kann, sofern die Entzündungszei­
chen rückläufig sind und es auch der kli­
nische Lokalbefund erlaubt, auf eine
orale Gabe umgestellt werden.
Liegt ein Stadium 3 vor, erfolgt die
Antibiotikagabe entsprechend den Leit­
linien der Therapie der Osteomyelitis. In
den Stadien 4 und 5 ist die Dauer in Ab­
hängigkeit vom Erfolg der Defektsanie­
rung (z. B. im Rahmen einer Minor-Am­
putation) und dem klinischen Bild indi­
viduell zu adaptieren.
Faktoren, die die Heilung
beeinflussen
Faktoren, die den Heilungsprozess posi­
tiv beeinflussen, sind Infektionen ohne
Knochenbeteiligung, tastbare Popliteal­
pulse oder ein absoluter Perfusions­
druck der A. dorsalis pedis bzw. A.
tibialis posterior von > 80 mmHg und
eine Leukozytose im peripheren Blut
< 12 000/mm3.
Unabhängig davon beeinträchtigen
insbesondere auch Problemkeime (wie
MRSA, Pseudomonas oder Proteus-Spe­
zies etc.) den Heilungsverlauf.
Ziel aller Maßnahmen ist die Infek­
tionskontrolle. Gelingt diese nicht, führt
dies zu den meisten, notwendigen Ampu­
tationen beim Diabetes mellitus.
Fazit für die Praxis
TOP 5 der Fehler beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS)
1. Verschleppte Diagnose: Eine Wunde
ohne Größenreduktion während eines
Behandlungszeitraumes von vier
Wochen ist bereits als chronisch
anzusehen.
2. Unzureichende Entlastung: a. Patient
trägt die verordneten Entlastungs­
schuhe nicht. b. Keine adäquate Ent­
lastung verordnet (z. B. VacoDiaped,
AirCast, Totel Contact Cast [TCC])
3. Inadäquat behandelte Infektion:
Oft ist es auf Grund der veränderten
loka­len und systemischen Immun­
kompe­tenz schwierig, eine Infektion zu
erkennen. Die Klassischen Zeichen
(Rötung, Schmerzen, Induration,
Überwärmung etc.) können fehlen.
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4. Mangelhaftes Debridement: Insbe­
sondere das initiale Wunddebride­ment
ist als eine die Wundheilung aktivieren­
de Maßnahme und durch die dabei
erfolgende Entfernung von bakteriellem
Biofilm bzw. der Reduktion der
bakteriellen Last Grundvoraussetzung
für eine Optimierung der Wundheilung.
Ein gründliches und regelmäßiges
Debridement hat einen höheren
Stellenwert in der Therapie als die Wahl
einer bestimmten Wundauflage.
5. Keine stadiengerechte Therapie:
Die Behandlung des DFS erfolgt sta­
dien­adaptiert. Auch Wundauflagen
müssen daher dynamisch an das Wund­
heilungsge­schehen angepasst werden.
Die sog. „feuchte Wundbehandlung“ hat
sich als grundlegendes Prinzip der Be­
handlung chronischer Wunden etabliert.
Gerade die Austrocknung der Wunde
verlangsamt, neben der Förderung der
Entwicklung einer Nekrose oder Mumi­
fikation, die Migration von Epithelzellen.
Dagegen führt ein Überschuss von
Feuchtigkeit zu einer Mazeration. Daher
ist es entscheidend, ein ausgeglichenes
Feuchtigkeitsmilieu zu erzielen. Hier
sind die modernen Wundauflagen ein
hilfreiches Mittel. Weiterhin kann das
Exsudat mittels Kompressions- oder
auch der Vakuumtherapie kontrolliert
werden.
Diese Maßnahmen zielen auf eine
Wiederherstellung der epithelialen Mo­
bilität, der Ödemvermeidung (mit nach­
folgend reduzierter arterieller Versor­
gung des Wundgebietes), der Kontrolle
der Exsudatmenge und der Vermeidung
von Störungen der Hautintegrität (z. B.
Mazeration) ab.
Ein Stopp der Wundheilung erfordert
eine erneute Evaluation des gewählten
Therapieregimes. Neben einer erneuten
chirurgischen Anfrischung sollte eine
Hauttransplantation (z. B. Mesh-Graft
oder Reverdin-Transplantat) erwogen
werden. Durch eine Migration von biolo­
gisch aktiven Keratinozyten und Wund­
zellen sollen ein verbessertes Remodeling
und eine vollständige Epithelialisierung
erreicht werden.
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Ralf Lobmann
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie
und Geriatrie
Klinikum Stuttgart – Bürgerhospital
Tunzhofer Straße 14–16
D-70191 Stuttgart
E-Mail: [email protected]
Keywords
Diabetic foot: How to avoid thera­
peutic mistakes
Diabetic foot – wound management –
mistakes – sausage-toe
MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (18)
FORTBILDUNG _ SEMINAR
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