„last mile“ – Chancen und Herausforderungen für
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„last mile“ – Chancen und Herausforderungen für
„last mile“ – Chancen und Herausforderungen für oberösterreichische Unternehmen Die zukünftige Gesellschaft wird flexibler, individueller und mobiler. Die Konsumentinnen und Konsumenten der Zukunft sind häufig „digital natives“, also Personen, die entweder mit den neuen Technologien bereits aufgewachsen sind oder damit umgehen, als wären sie damit aufgewachsen. Sie sind neugierig auf technologische Entwicklungen und haben keine Scheu vor digitalen Kaufabschlüssen. Die steigende Anzahl an „Online-Shoppern“ erhöht die Anforderungen an Verpackungs- und Zustelldienste. Verstopfte Innenstädte, die Versorgung ländlicher Regionen, erhöhte Emissionen durch steigenden Zustellverkehr fordern neue Geschäftsmodelle für die Logistik. Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist „die letzte Meile“ bis zur Kundin bzw. zum Kunden nicht zu vernachlässigen, verursacht sie doch für die Unternehmen überproportional hohe Kosten. Der Automobil-Cluster der Business Upper Austria und die Oö. Zukunftsakademie unterstützt vom Verein Netzwerk Logistik veranstalteten im Rahmen eines Branchenfocus der Initiative Connected Mobility einen Kooperationsworkshop rund um das Thema „last mile“. Frau Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig von der Technischen Universität Hamburg-Harburg öffnete die „last mile“-Problematik mit einem umfassenden Blick auf die Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlichen Veränderungsprozessen, Raum und der Mobilität von Gütern und Personen. Logistische Herausforderungen werden oftmals nur aus der Unternehmerperspektive betrachtet, nicht aber aus dem Blickwinkel der Verkehrssysteme oder des öffentlichen Raumes. Einerseits sind es die sich verändernden Rahmenbedingungen, wie die wachsende Weltbevölkerung, die räumlich ausdifferenzierte Verstädterung, der demographische Wandel und Umweltbeeinträchtigungen (z.B. erhöhte Lärm- und Emissionswerte) die die Logistik auf der „letzten Meile“ beeinflussen, andererseits auch das Wirtschaftssystem selbst, das vom technologischen Wandel, der Innovationsfähigkeit und geänderten Unternehmensstrategien gekennzeichnet ist. Zudem ist die Logistikbranche zunehmend mit räumlichen und zeitlichen Restriktionen konfrontiert, etwa umweltbedingte städtische Einfahrverbote. Innovationen sind in der Regel nicht sofort etwas völlig Neues. Sie entstehen in kleinen Schritten. In der Logistik ist es wichtig, dass der letzte Depotknoten nahe an den Konsumierenden ist, es besteht ein Zusammenhang zwischen der Depotlage, den Stoppdichten und Touren. Der derzeitigen Entwicklung folgend reduzieren sich die Sendungsgrößen auf Päckchengröße, was die Logistikbranche vor ökonomische Herausforderungen stellt. Packstationen für Pakete eines Logistikunternehmens oder auch unternehmensunabhängige Paketstellen verbreiten sich. Dadurch verringert sich das Güterverkehrsaufkommen der Unternehmen zu Lasten des Personenverkehrs, da die Konsument/innen, die Pakete an der zentralen Logistikstation selbst abholen. Durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung könnte die Zukunft durch neue Lösungen gekennzeichnet sein, etwa: 1 Flexible Verschiebung der Lieferadresse: Die Möglichkeiten der IT können Zusteller/in und Empfänger/in auch außerhalb einer fixen, vorher definierten Ortsangabe zusammenführen. Neue Fahrzeuge auf einer existierenden Infrastruktur: z.B. Autonome Fahrzeuge Cargo Cap: Das Konzept für den automatisierten unterirdischen Gütertransport in Ballungsgebieten könnte im Zuge der zunehmenden Urbanisierung an Bedeutung gewinnen. Es beruht auf einem Netz von Fahrrohrleitungen mit einem Durchmesser von 2 Metern. Spezielle elektrisch betriebene Transportfahrzeuge mit einer Aufnahmekapazität von zwei Euro-Paletten bringen die Güter entweder zum Direktanschluss des Empfängers oder an die nächstgelegene Anschlussstelle. Die letzten Meter werden über einen Lieferservice an der Oberfläche bewerkstelligt. „Shared Economy“ führt zu neuen logistischen Geschäftsmodellen (z.B. „Uber“ für Pakete) Wie die IT die Optimierung des Güterverkehrs auf der „letzten Meile“ bis zur Kundin bzw. dem Kunden unterstützen kann, zeigt das mehrfach ausgezeichnete und umgesetzte Projekt „food4all@home“ der RISC Software GmbH in Hagenberg und dem Logistikum Steyr. Für Mag. Stefanie Kritzinger, PhD ist die immer weiter verbreitete Lieferung am selben Tag zu einem gewissen Zeitpunkt eine große Herausforderung der Logistikbranche, die vor allem für die flächendeckende Lieferung frischer Lebensmittel entscheidend ist. Günstige Voraussetzungen zur Ausweitung des Paketdienstes hat hier die Post AG, da ohnedies viele Haushalte täglich angefahren werden. Um die Tourenplanung mit Einbindung der Verkehrslage zu bewerkstelligen, ist die Einrechnung von Echtzeitverkehrsdaten erforderlich. Eine besondere Problematik besteht in der Bewältigung der täglichen rush hours, bei denen die Ermittlung verkehrsabhängiger Distanzen wertvoll ist. Dafür wurde ein Berechnungstool entwickelt, das bereits erfolgreich eingesetzt wird. Kosten- bzw. CO2- Einsparungen von 515% gegenüber der derzeit bestehenden Praxis werden mit dem Tool ermöglicht. Im dritten fachlichen Input stellte DI (FH) Nikolaus Skarabela von Schachinger Logistik die beiden Logistikprojekte „EMILIA“ und „LEEFF“ vor. Die Klimaschutzziele und der Erhalt der regionalen Wertschöpfung führten zu diesen ehrgeizigen Projekten, um die Entwicklungskompetenz im Bereich „Nachhaltiger Logistik“ in Oberösterreich zu fördern. „EMILIA - Electric Mobility for Innovative Freight Logistics in Austria“: Hauptziel des Projektes ist die speziell auf den Einsatz von Elektrofahrzeugen zugeschnittene Entwicklung und experimentelle Implementierung neuartiger Güterlogistikkonzepte für urbane Gebiete. Die Logistikkonzepte werden mit der technologischen Optimierung von kleinen Elektrofahrzeugen integriert, wobei dabei deren Reichweiten erhöht und die Kosten reduziert werden sollen. Dies wird durch die Entwicklung effizienter Fahrzeugkomponenten wie energieeffizienter Antriebsstränge für Lastendreiräder und leichter Nutzfahrzeuge sowie dem Leichtbaudesign für einen hybriden Straßentransportzug erreicht. (vgl. http://www.emilia-project.at) 2 „LEEFF - Low Emission Electric Freight Fleets”: Im Fokus des Projektes steht die Fragestellung, wie die durch den städtischen Lieferverkehr verursachten Emissionen durch ein smartes und innovatives Flottenmanagement um 20 - 40 % gesenkt sowie ein wirtschaftlich rentabler Betrieb aufrechterhalten werden kann. (vgl. https://www.klimafonds.gv.at/assets/Uploads/LEEFF-Projektbeschreibung.pdf) Die drei anschließenden „World Café“-Diskussionen beschäftigten sich mit unterschiedlichen Fragestellungen. Die folgenden Punkte geben zentrale Gedanken aus der Diskussion wieder: Ist die „UBER-isierung“ zu stoppen? (Gesellschafts-)kritische Aspekte neuer Businessmodelle Im derzeitigen Digitalisierungshype wird auf die Chance von internetbasierten Geschäftsmodellen hingewiesen, teilweise ohne Risiken und Folgen kritisch zu betrachten. Es stellt sich hierbei die Frage, ob die Tempoverschärfung in Zusammenhang mit der Lieferung von Waren rund um die Uhr wirklich dem Bedürfnis der Kunden/innen entspricht und ob nicht sogar zum Teil eine Entschleunigung neue Geschäftsmodelle eröffnen würde. Die Chancen der fortschreitenden „UBER-isierung“ werden in neuen Bündelungen, Netzwerken und Kooperationen gesehen, die flexibler und komplexer sind. Wobei es erforderlich sein wird, vorgegebene Rahmenbedingungen und gesetzliche Vorgaben zu analysieren und gegebenenfalls zu adaptieren, damit diese neuen Geschäftsmodelle eingebunden werden können. Der Aspekt der Standardisierung und die Qualitätssicherheit stehen dabei im Vordergrund. Eine Vernetzung von bestehenden Unternehmen und neuen Privatanbietern ist durchaus wertvoll für den Endkunden/die Endkundin, jedoch müssen dafür entsprechende Bedingungen beachtet und erarbeitet werden. Man denke dabei beispielsweise an den Transport von Gefahrengut oder an das Angebot von Dienstleistungen durch nicht qualifizierte Personen. Ein großes Thema bei der Vielzahl an internetbasierten Modellen ist einerseits die Datensicherheit und andererseits die Schnittstellenthematik. Bei der technischen Weiterentwicklung sollte nicht auf die Bedürfnisse der Nutzer/innen vergessen werden. Auf eine Humanisierung der Prozesse (z.B. die Verwendung einer leicht verständlichen Sprache) und auf den Ökonomiegedanken sollte geachtet werden. Einschränkungen von „last mile“-Konzepten auf kommunalpolitischer Ebene: Welche Restriktionen gibt es? Im Hinblick auf die kommunale Verkehrsplanung wurden sowohl die Restriktionen, aber auch die Chancen für die Zukunft gesehen. Örtliche Fahrverbote und Umweltzonen in Innenstädten können die unmittelbaren Zustellfirmen in ihren 3 Handlungsspielräumen beeinträchtigen. Andererseits können sie aber auch Möglichkeiten zur Entwicklung zukunftsträchtiger Antriebs- und Lieferformen (CO2neutrale Logistik durch Elektroantriebe etc.), die auch selbst in alle Welt verkauft werden könnten, eröffnen. Hingewiesen wurde darauf, dass eine Kooperation einzelner Unternehmen zur Minimierung der Wegstrecken und damit der Ressourcenschonung fallweise kartellrechtlichen Regelungen unterliegen können. Daher müssen einzelne Dienstleister eine singuläre Optimierung ihres Distributionsnetzes vornehmen, das ungünstiger als eine gesamthafte Betrachtung kooperierender Anbieter ist. Vielfach sind Restriktionen "in den Köpfen" vorhanden, für die sich die Gründung von Modellregionen bewährt hat, um neue Wege der Zusammenarbeit einzuschlagen. Angesprochen wurde die Idee, großräumiger neutraler – d.h. von einzelnen Speditionsfirmen unabhängiger - Umschlagsterminals (z.B. für den Großraum Linz). Besonders wichtig erscheint eine langfristig vorausschauende Infrastrukturplanung im Zentralraum. Bürokratische Hürden bei Projektförderungen für Alternativantriebe sollten abgebaut werden, da sie für die in Oberösterreich stark vertretenen Klein- und Mittelbetriebe abschreckend wirken. Langfristig werden Entwicklungen wie das "intelligente Paket" und völlig neue CO2neutrale Zustellformen als zukunftsweisend angesehen, für die die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden sollten. E-Commerce-Entwicklungen in einzelnen Branchen: Mit welchen Konsumenten/innen-Verhalten ist zu rechnen und wie können die Lieferformen aussehen? Bei vielen Warengruppen fließt Geld und Wertschöpfung ins Ausland ab. Die derzeitige Geschäftspolitik der Online-Riesen beschert den Konsumentinnen und Konsumenten eine bis jetzt nicht gekannte Bequemlichkeit. Der Druck auf den stationären Handel steigt. Wie kann der stationäre Handel sich neu orientieren? Welche Formen der Last-Mile-Gestaltung, welche Formen der nutzerstiftenden Zusammenarbeit mit Logistikern würde von den Konsumentinnen und Konsumenten angenommen werden? Für den stationären Handel ist ein Online-Auftritt grundsätzlich günstig („multichannel“), wobei der tatsächliche Kaufabschluss vom Produkt abhängig ist: Elektro wird gerne online gekauft, Mode lieber in einem physischen Geschäft ausgewählt und anprobiert. Für Online-Anbieter ist gerade bei Produkten, die probiert werden, das Retourenmanagement ökonomisch entscheidend. Als innovatives Beispiel für eine Kombination stationärer Handel mit Online- 4 Dienstleistungen wurde die Möglichkeit der Online-Vorbestellung der Waren genannt. Der fertig zusammengestellte Einkauf kann später in der gewünschten Filiale bezahlt und abgeholt werden – ohne ein Kundenkonto anlegen zu müssen. Die Bequemlichkeit des Online-Einkaufs muss mit der Gewährleistung von Privacyund Datenschutz einhergehen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass auch im stationären Handel über die Benützung von Kundenkarten das Einkaufsverhalten der Käuferinnen und Käufer analysiert wird. Die gläserne Kundin bzw. der gläserne Kunde ist bereits vielfach Realität und zieht aus gezielten Angeboten auch eigenen Nutzen. Durch die Überwachungs- und Auswertungsmöglichkeiten der eingesetzten ITSysteme wird die Logistikbranche selbst zunehmend durchsichtiger. Besonders Zustellerinnen und Zusteller, die einem „real time tracking“ unterliegen, werden durch Scannerdaten und GPS zu jeder Zeit örtlich verlinkt. Zukünftig wird davon ausgegangen, dass für die älter werdende Bevölkerung Dienstleistungen bis in die eigene Wohnung wichtiger werden. Logistik wird zudem variabler (z.B. „real time“-Umleitungen von Paketen). Eine gemeinsame anbieterunabhängige Logistikplattform z.B. auf Regionsebene könnte das Auslieferungsmanagement verbessern und damit die Touren und gefahrenen Kilometer verringern. Weitere Informationen zu „last mile“ und zukünftiger Mobilität finden Sie auf der Homepage der Oö. Zukunftsakademie www.ooe-zukunftsakademie.at unter Veranstaltungen und im Themenbereich „Ressourcen und Technologie“. 5