Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch
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Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch
Dipl.-Ing. Matthias Heinz Abteilungsleiter Statik Dynamik Fluid TECOSIM Technische Simulation GmbH Ferdinand-Stuttmann-Straße 15 D - 65428 Rüsselsheim Phone +49 6142 8272-250 Mobile +49 171 789 1164 Fax +49 6142 8272-249 E-Mail [email protected] www.tecosim.com Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Inhalt Motivation ................................................................................................................ 3 Akustische Resonatoren in Ansauganlagen ............................................................. 3 Vorgehensweise ...................................................................................................... 4 Validierung der Ergebnisse ...................................................................................... 5 Umsetzung in der Serie ............................................................................................ 6 Fazit und Ausblick .................................................................................................... 6 Abbildungen ............................................................................................................. 7 Literatur.................................................................................................................. 10 Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 2 Motivation Durch die zunehmende Integration neuer Funktionen und Bauteile in Gabelstapler ergeben sich neue Herausforderungen mit Blick auf den erforderlichen Bauraum. Dies war auch bei den Gabelstaplerserien 392/393 der Linde MaterialHandling der Fall, die als Facelift auf den Markt kommen sollten. Dazu war es notwendig, den Resonator des Verbrennungsmotors zu versetzen, um Platz für zusätzliche Komponenten zu schaffen (Abb. 1). Der Resonator selbst sollte auf ein Drittel seiner ursprünglichen Größe reduziert werden, ohne dass seine akustische Leistungsfähigkeit verringert wird. Im Detail bedeutete dies: Der neue Resonator durfte nur noch ein Drittel so groß sein wie sein Vorgänger und sollte trotzdem die Geräusche mindestens im gleichen Umfang reduzieren – und das über ein großes Frequenzband von 30 bis 200 Hertz hinweg. Unterstützt bei diesem Projekt wurde Linde Material Handling durch die Tecosim Technische Simulation GmbH, einem Spezialisten für Computer Aided Engineering. Die Ingenieure entwickelten auf Basis von CFD (Computational Fluid Dynamics) ein Verfahren, mit dem das akustische Verhalten des neuen Reinluftresonators für Linde berechnet und optimiert werden konnte. Akustische Resonatoren in Ansauganlagen Eine akustische Pegelbetrachtung außerhalb des Fahrzeuges zeigt auf, dass der größte Teil des an der Ansaugmündung abgestrahlten Störgeräusches das Ladungswechselgeräusch darstellt, welches durch die motorseitige Anregung der Luft im Ansaugsystem hervorgerufen wird. Während des kurzeitigen Öffnens der Einlassventile infolge des Ladungswechsels, gelangen Druck- und Stoßimpulse in die Rohrleitungen der Ansauganlage, wodurch einzelne Luftteilchen im Inneren des Ansaugtraktes zu instationären Schwingungen, die sich in Form von akustischen Schallwellen entgegengesetzt der Luftströmung ausbreiten, angeregt werden. Diese pflanzen sich bis zur Lufteintrittsöffnung der Ansauganlage fort und werden an dieser als Störgeräusch in die Umgebung abgestrahlt. Zur Dämmung der akustischen Wellenausbreitung werden oft Resonatoren verbaut, deren akustische Auslegung sich häufig schwierig gestaltet. Der entscheidende Zielkonflikt findet sich in der Forderung nach einer niedrigen Geräuschemission unter Verwendung einer kompakten, platzsparenden Bauweise bei geringem Druckverlust und unveränderten Motoreigenschaften bezüglich Leistung und Verbrauch wieder [1]. Einen guten Kompromiss aus allen genannten Forderungen stellen Hohlraum-Resonatoren dar, weshalb sie auch am häufigsten in Ansauganlagen von Verbrennungsmotoren verbaut werden [2]. Abbildung 2 zeigt verschiedene HohlraumResonatoren in schematischer Darstellung. Sogenannte Helmholtz- und Hohlraum-Resonatoren, wie sie in Ansaugsystemen eingebaut werden, können vereinfacht auch als Feder-Masse-Systeme angesehen werden, in denen die kompressible Luft im Hohlkörper die Feder und die Luftstöße in der Öffnung die Masse darstellen. Gemäß Abbildung 3 federt die Luft in der Öffnung des Resonators auf dem Luftpolster des Hohlkörpers und bewirkt dadurch letztendlich die Dämmung der Schallausbreitung. Zur effektiven Geräuschdämmung findet dabei in der Praxis die Auslegung der einzelnen Komponenten akustischer Resonatoren zu sehr tiefen Resonanzfrequenzen statt. Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 3 Vorgehensweise Für die Resonatorauslegung wurde ein Verfahren entwickelt, das auf den klassischen Methoden des CFD (Computational Fluid Dynamics = numerische Strömungssimulation) aufsetzt. Mittels CFD werden üblicherweise Strömungsverhältnisse in und um beliebige Geometrien berechnen. Hierzu wird der um- oder durchströmte Raum durch ein Berechnungsgitter diskretisiert und iterativ durch Lösung partieller Differentialgleichungen Werte für Geschwindigkeiten, Drücke, Temperaturen usw. ermittelt. Üblicherweise werden mit Hilfe der CFD so Druckverluste von Leitungen, Widerstandsbeiwerte von Fahrzeugen, Temperaturen von Bauteilen durch Aufheizung, z.T. inkl. der Verbrennung, und vieles andere berechnet. Da mit diesem Verfahren die Druckverteilungen in der Luft sehr genau berechnet werden kann, sollte sich das Verfahren auch auf akustische Phänomene insofern übertragen lassen, als dass Schall durch Anregung kleiner zeitlich und örtlich verteilter Schwankungen der Luftdichte und den damit einhergehenden Druckschwankungen entsteht. Die Berechnung von akustischen Phänomenen ist bereits bei verschiedenen Aufgaben, wie den Luftgeräuschen bei geöffneter Seitenscheibe oder Schiebedach im Fahrzeuginneren mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt worden. Eine Schwierigkeit bei dieser Vorgehensweise ist dabei die notwendige Genauigkeit der geringen Druckschwankungen örtlich und zeitlich aufzulösen, da hierzu große Berechnungsgitter mit sehr langen Rechenzeiten notwendig sind. Bei der Auslegung von Resonatoren spielt das grundsätzliche Strömungsverhalten nur eine untergeordnete Rolle, da das Augenmerk auf die Druckschwankungen im System aufgrund von äußeren Anregungen, die das akustische Verhalten beschreiben, liegt. In diesem Fall wird ein Berechnungsmodell des gesamten Ansaugtraktes, wie es z.B. zur Ermittlung des Druckverlustes eingesetzt wird, erstellt. Dieses wird auf der Motorseite mittels synthetischer Signale angeregt. Hierdurch entstehen Druckpulsationen, die durch das System propagiert werden und hierbei Änderungen in Amplituden und Frequenzen erfahren. Die verschiedenen Bauteile, wie Leitungen, Luftfilter und nicht zuletzt der Resonator, bewirken hierbei eine Erhöhung oder Dämpfung der Druckamplituden bei verschiedenen Frequenzen. Die Antwortfunktion des Systems, also die Signale auf der Ansaugseite, dort, wo die Ansauggeräusche an die Umwelt abgegeben werden, lassen sich detektieren und Auswerten. Die Aufprägung eines einfachen Drucksprungs erzeugt Schwingungen im Ansaugtrakt, die mit den verschiedenen Eigenfrequenzen des Systems korrelieren. Um die verschiedenen Eigenfrequenzen den Bauteilen zuordnen zu können, ist es notwendig verschiedene Rechnungen für die Einzelteile und den Zusammenbau durchzuführen. Eine Herausforderung besteht in der Interpretation der Ergebnisse. Die Schwingungen sind nicht kontinuierlich, sondern unterliegen Dämpfungen, wobei das Berechnungsverfahren selbst durch den Effekt der numerischen Diffusion zu dieser Dämpfung beiträgt. Deshalb ist es notwendig, die verschiedenen Effekte voneinander unterscheiden zu können. Weiterhin ist es notwendig, aus den zeitlich verändernden Schwingungen einfache interpretierbare Signale zu extrahieren. Da es sich bei den Druckschwankungen um analoge Druckpulsationen im Zeitbereich handelt, ist es sinnvoll, diese durch eine FFT (Fast-Fourier-Transformation) in Amplituden im Frequenzbereich umzuwandeln. Dadurch lässt sich jede Frequenz in Bezug auf Ihre Amplitude, welches einem bestimmten Schalldruck entspricht, direkt auf ihre Änderung hin untersuchen (Abb. 4). Durch Vorgabe einfacher Drucksprünge lassen sich so zwar Eigenfrequenzen des Systems ermitteln, eine Beurteilung des Dämpfungsverhaltens über einen weiten Frequenzbereich ist hierdurch aber nur bedingt möglich. Da es sich bei den Simulationen um transiente, also zeitabhängige Simulationen handelt, sind die Rechenzeiten entsprechend lang. Ein effizienter Ansatz, der es erlaubt die verschiedenen Frequenzen im Bereich bis 200 Hz direkt gleichzeitig zu untersuchen besteht darin, synthetische Signale zu erzeugen, die Anregungen bei allen interessierenden Frequenzen Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 4 gleichzeitig beschreiben und damit eine Untersuchung des gesamten Frequenzbandes erlauben. Um die nötige Genauigkeit bei vertretbarem Rechenaufwand zu erreichen, wurden durch systematische Untersuchungen die Randbedingungen und die Zeitdiskretisierung mit den vorgegebenen Zeitschrittweiten und Anzahl der Zeitschritte optimiert. Validierung der Ergebnisse Da nicht auf bereits bestehende Konstruktionen zurückgegriffen wurde, sondern ein Bauraum weitgehend frei zur Verfügung stand, wurden zuerst die grundlegenden geometrischen Verhältnisse, wie Volumen des Resonators, Längen und Durchmesser der zu- und abführenden Leitungen, sowie die Positionierung innerhalb des Ansaugtraktes zielgerichtet ermittelt. Aus diesen Eckdaten liess sich ein Prototyp des neuen Resonators ableiten und bauen. Dieser wurde für erste Tests in einen Gabelstapler eingebaut und unter realen Bedingungen vermessen. Parallel dazu wurde aus den Geometriedaten des Prototyps ein Berechnungsmodell erstellt, dass diesem geometrisch genau entsprach, um eine Vorhersage für das akustische Verhalten genau dieses Bauteils zu simulieren. Die Berechnung ergab dabei, dass der Prototyp im Vergleich zum Serienmodell eine etwas geringere Dämpfung im Standgasbetrieb, dafür eine gleichwertige Dämpfung bei allen anderen Drehzahlen aufweisen würde (Abb. 5). Dadurch, dass das simulatorisch vorhergesagte Verhalten vollständig bestätigt wurde, war der Nachweis erbracht, dass das Verfahren für die Auslegung des Resonators geeignet ist (Abb. 6). Ein weiterer Vorteil der Vorgehensweise ist, dass hierdurch der Druckverlust des Systems direkt mit ermittelt werden kann. Dies ist insofern wichtig, als dass oft eine Reduzierung der Leitungsquerschnitte zu einer besseren akustischen Dämpfung, aber auch einem erhöhten Druckverlust führt. Hier sind also Kompromisse einzugehen, die durch die Simulation direkt parallel abgeprüft werden können. Insbesondere zeigt sich bei den Untersuchungen, dass eine weitere Absenkung der Geräusche im Standgasbetrieb mit unzulässig hohem Druckverlust einhergehen würde (Abb. 7). Zeitgleich zur Entwicklung des Resonators wurde das Berechnungsverfahren im Rahmen einer Bachelor-Arbeit einer genauen Prüfung unterzogen. Die Aufgabe bestand vor allem darin, die Methode anhand von akustischen Elementen, wie Rijke-Rohren, Helmholtz- und Hohlraumresonatoren, deren Verhalten genau bekannt sind und sich analytisch beschreiben lassen, zu verifizieren. Dabei wurden für die verschiedenen Geometrien sowohl die Eigenfrequenzen, als auch das akustische Dämpfungsverhalten bestimmt. Ausserdem wurden die Vorgehensweisen zur Bestimmung der Berechnungsparameter weiter verfeinert, um die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Berechnungen weiter zu erhöhen. Hierbei hat es sich gezeigt, dass sich so die Eigenfrequenzen der Systeme bis auf ein Hertz genau bestimmen lassen und die Dämpfungscharakteristik sehr genau widergegeben wird. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen konnten direkt in die Entwicklung des Resonators eingebracht werden und haben somit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Projekts beigetragen. Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 5 Umsetzung in der Serie Nach den erfolgreichen Tests am Prototyp wurde ein fertigungsgerechtes und in den Bauraum passendes Design auskonstruiert (Abb. 7). Durch die Anforderungen an den Bauraum und dem Zusammenspiel mit den umliegenden Bauteilen, ließen sich die geometrischen Verhältnisse des Prototypen nicht direkt vollständig umsetzen. Insbesondere die zu- und ableitenden Luftführungen mussten hierbei noch einmal geändert werden. Auch hierbei war es notwendig, das verfügbare Resonatorvolumen mit den Luftleitungen detailliert aufeinander abzustimmen, um das gewünschte Verhalten zu erreichen. Durch die Simulation war es aber möglich, auch kleinere Änderungen schnell und einfach zu bewerten und so in sehr kurzer Zeit eine größere Anzahl verschiedener Varianten zu untersuchen. Insbesondere bei der Ausführung der luftführenden Kanäle wurde so ein Optimum in Bezug auf Druckverlust und Dämpfungscharakterisitik ermittelt. Schließlich konnte eine Version erstellt werden, die alle Ansprüche an Platzbedarf, maximalem Druckverlust und akustisches Verhalten erfüllt. Sowohl Messungen, als auch subjektive Geräuschabnahmen haben gezeigt, dass der neue Resonator seine Aufgaben wie gewünscht meistert und damit den Nachweis geliefert, dass die Methodik der simulatorischen Auslegung von akustischen Komponenten funktioniert. Fazit und Ausblick Es wurde ein Verfahren vorgestellt, mit dem sich durch CFD Resonatoren in Hinblick auf ihre akustischen Dämmeigenschaften beurteilen lassen. Hierdurch ist es möglich, durch Simulationen Entwürfe von Resonatoren insbesondere mit Berücksichtigung der Einbausituation akustisch auszulegen und optimale Designs zu entwickeln. Das Verfahren wurde im Rahmen einer fachwissenschaftlichen Arbeit validiert und verfeinert. Anhand eines konkreten Resonators eines Gabelstaplers ist das Verfahren zur Optimierung erfolgreich eingesetzt worden. Durch diese Vorgehensweise lässt sich die Effizienz eines Resonators innerhalb kürzester Zeit bestimmen, noch bevor CAD-Geometrien oder Prototypen vorliegen. Das Verfahren ist auf alle Frequenzbereiche anwendbar und lässt sich mit wenig Aufwand auf andere Bereiche, z.B. Abgasanlagen, adaptieren. Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 6 Abbildungen Abbildung 1: Lage ursprünglicher Resonator Abbildung 2: Schematische Darstellung von Hohlraum- bzw. Interferenz-Resonatoren [7] einfacher Querschnittssprung (a), Expansionskammer (b), Abzweig-Resonator (c), Umweg-Leitung (d) Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 7 Abbildung 3: Vereinfachte Darstellung eines Helmholtz-Resonators als Feder-Masse-System [3] Abbildung 4: Schalldruck an der Ansaugmündung mit und ohne Resonator Abbildung 5:Schalldruck mit altem Resonator, Prototyp und neuem Resonator Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 8 Abbildung 6: Messung: ohne Resonator (a), alter Resonator (b),Prototyp Resonator (c) Abbildung 7: Druckverlust im Prototyp Abbildung 8: Geometrie des neuen Resonators Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 9 Literatur [1] Zeller, Peter: „Handbuch Fahrzeugakustik – Grundlagen, Auslegung, Berechnung, Versuch“, 1.Auflage, Vieweg + Teubner, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 [2] Fuchs, Helmut V.: „Schallabsorber und Schalldämpfer“, 2., wesentlich erweiterte und bearbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2007 [3] Gobin, Oliver: „Entwicklung und Test eines Low-Order Modells zur Beschreibung von λ/4Resoantoren im Absorberring einer Raketenschubkammer“, theoretische Semesterarbeit, München 2005 Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation Seite 10