Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch

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Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch
Dipl.-Ing. Matthias Heinz
Abteilungsleiter Statik Dynamik Fluid
TECOSIM Technische Simulation GmbH
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Akustische Auslegung von
Reinluftresonatoren durch numerische
Simulation
Inhalt
Motivation ................................................................................................................ 3
Akustische Resonatoren in Ansauganlagen ............................................................. 3
Vorgehensweise ...................................................................................................... 4
Validierung der Ergebnisse ...................................................................................... 5
Umsetzung in der Serie ............................................................................................ 6
Fazit und Ausblick .................................................................................................... 6
Abbildungen ............................................................................................................. 7
Literatur.................................................................................................................. 10
Akustische Auslegung von Reinluftresonatoren durch numerische Simulation
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Motivation
Durch die zunehmende Integration neuer Funktionen und Bauteile in Gabelstapler ergeben sich neue
Herausforderungen mit Blick auf den erforderlichen Bauraum. Dies war auch bei den
Gabelstaplerserien 392/393 der Linde MaterialHandling der Fall, die als Facelift auf den Markt
kommen sollten. Dazu war es notwendig, den Resonator des Verbrennungsmotors zu versetzen, um
Platz für zusätzliche Komponenten zu schaffen (Abb. 1). Der Resonator selbst sollte auf ein Drittel
seiner ursprünglichen Größe reduziert werden, ohne dass seine akustische Leistungsfähigkeit
verringert wird. Im Detail bedeutete dies: Der neue Resonator durfte nur noch ein Drittel so groß sein
wie sein Vorgänger und sollte trotzdem die Geräusche mindestens im gleichen Umfang reduzieren –
und das über ein großes Frequenzband von 30 bis 200 Hertz hinweg.
Unterstützt bei diesem Projekt wurde Linde Material Handling durch die Tecosim Technische
Simulation GmbH, einem Spezialisten für Computer Aided Engineering. Die Ingenieure entwickelten
auf Basis von CFD (Computational Fluid Dynamics) ein Verfahren, mit dem das akustische Verhalten
des neuen Reinluftresonators für Linde berechnet und optimiert werden konnte.
Akustische Resonatoren in Ansauganlagen
Eine akustische Pegelbetrachtung außerhalb des Fahrzeuges zeigt auf, dass der größte Teil des an
der Ansaugmündung abgestrahlten Störgeräusches das Ladungswechselgeräusch darstellt, welches
durch die motorseitige Anregung der Luft im Ansaugsystem hervorgerufen wird. Während des
kurzeitigen Öffnens der Einlassventile infolge des Ladungswechsels, gelangen Druck- und
Stoßimpulse in die Rohrleitungen der Ansauganlage, wodurch einzelne Luftteilchen im Inneren des
Ansaugtraktes zu instationären Schwingungen, die sich in Form von akustischen Schallwellen
entgegengesetzt der Luftströmung ausbreiten, angeregt werden. Diese pflanzen sich bis zur
Lufteintrittsöffnung der Ansauganlage fort und werden an dieser als Störgeräusch in die Umgebung
abgestrahlt. Zur Dämmung der akustischen Wellenausbreitung werden oft Resonatoren verbaut,
deren akustische Auslegung sich häufig schwierig gestaltet. Der entscheidende Zielkonflikt findet sich
in der Forderung nach einer niedrigen Geräuschemission unter Verwendung einer kompakten,
platzsparenden Bauweise bei geringem Druckverlust und unveränderten Motoreigenschaften
bezüglich Leistung und Verbrauch wieder [1]. Einen guten Kompromiss aus allen genannten
Forderungen stellen Hohlraum-Resonatoren dar, weshalb sie auch am häufigsten in Ansauganlagen
von Verbrennungsmotoren verbaut werden [2]. Abbildung 2 zeigt verschiedene HohlraumResonatoren in schematischer Darstellung.
Sogenannte Helmholtz- und Hohlraum-Resonatoren, wie sie in Ansaugsystemen eingebaut werden,
können vereinfacht auch als Feder-Masse-Systeme angesehen werden, in denen die kompressible
Luft im Hohlkörper die Feder und die Luftstöße in der Öffnung die Masse darstellen. Gemäß
Abbildung 3 federt die Luft in der Öffnung des Resonators auf dem Luftpolster des Hohlkörpers und
bewirkt dadurch letztendlich die Dämmung der Schallausbreitung. Zur effektiven Geräuschdämmung
findet dabei in der Praxis die Auslegung der einzelnen Komponenten akustischer Resonatoren zu
sehr tiefen Resonanzfrequenzen statt.
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Vorgehensweise
Für die Resonatorauslegung wurde ein Verfahren entwickelt, das auf den klassischen Methoden des
CFD (Computational Fluid Dynamics = numerische Strömungssimulation) aufsetzt. Mittels CFD
werden üblicherweise Strömungsverhältnisse in und um beliebige Geometrien berechnen. Hierzu
wird der um- oder durchströmte Raum durch ein Berechnungsgitter diskretisiert und iterativ durch
Lösung partieller Differentialgleichungen Werte für Geschwindigkeiten, Drücke, Temperaturen usw.
ermittelt. Üblicherweise werden mit Hilfe der CFD so Druckverluste von Leitungen, Widerstandsbeiwerte von Fahrzeugen, Temperaturen von Bauteilen durch Aufheizung, z.T. inkl. der Verbrennung,
und vieles andere berechnet.
Da mit diesem Verfahren die Druckverteilungen in der Luft sehr genau berechnet werden kann, sollte
sich das Verfahren auch auf akustische Phänomene insofern übertragen lassen, als dass Schall
durch Anregung kleiner zeitlich und örtlich verteilter Schwankungen der Luftdichte und den damit
einhergehenden Druckschwankungen entsteht. Die Berechnung von akustischen Phänomenen ist
bereits bei verschiedenen Aufgaben, wie den Luftgeräuschen bei geöffneter Seitenscheibe oder
Schiebedach im Fahrzeuginneren mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt worden. Eine Schwierigkeit
bei dieser Vorgehensweise ist dabei die notwendige Genauigkeit der geringen Druckschwankungen
örtlich und zeitlich aufzulösen, da hierzu große Berechnungsgitter mit sehr langen Rechenzeiten
notwendig sind.
Bei der Auslegung von Resonatoren spielt das grundsätzliche Strömungsverhalten nur eine
untergeordnete Rolle, da das Augenmerk auf die Druckschwankungen im System aufgrund von
äußeren Anregungen, die das akustische Verhalten beschreiben, liegt.
In diesem Fall wird ein Berechnungsmodell des gesamten Ansaugtraktes, wie es z.B. zur Ermittlung
des Druckverlustes eingesetzt wird, erstellt. Dieses wird auf der Motorseite mittels synthetischer
Signale angeregt. Hierdurch entstehen Druckpulsationen, die durch das System propagiert werden
und hierbei Änderungen in Amplituden und Frequenzen erfahren. Die verschiedenen Bauteile, wie
Leitungen, Luftfilter und nicht zuletzt der Resonator, bewirken hierbei eine Erhöhung oder Dämpfung
der Druckamplituden bei verschiedenen Frequenzen. Die Antwortfunktion des Systems, also die
Signale auf der Ansaugseite, dort, wo die Ansauggeräusche an die Umwelt abgegeben werden,
lassen sich detektieren und Auswerten. Die Aufprägung eines einfachen Drucksprungs erzeugt
Schwingungen im Ansaugtrakt, die mit den verschiedenen Eigenfrequenzen des Systems korrelieren.
Um die verschiedenen Eigenfrequenzen den Bauteilen zuordnen zu können, ist es notwendig
verschiedene Rechnungen für die Einzelteile und den Zusammenbau durchzuführen.
Eine Herausforderung besteht in der Interpretation der Ergebnisse. Die Schwingungen sind nicht
kontinuierlich, sondern unterliegen Dämpfungen, wobei das Berechnungsverfahren selbst durch den
Effekt der numerischen Diffusion zu dieser Dämpfung beiträgt. Deshalb ist es notwendig, die
verschiedenen Effekte voneinander unterscheiden zu können. Weiterhin ist es notwendig, aus den
zeitlich verändernden Schwingungen einfache interpretierbare Signale zu extrahieren. Da es sich bei
den Druckschwankungen um analoge Druckpulsationen im Zeitbereich handelt, ist es sinnvoll, diese
durch eine FFT (Fast-Fourier-Transformation) in Amplituden im Frequenzbereich umzuwandeln.
Dadurch lässt sich jede Frequenz in Bezug auf Ihre Amplitude, welches einem bestimmten
Schalldruck entspricht, direkt auf ihre Änderung hin untersuchen (Abb. 4).
Durch Vorgabe einfacher Drucksprünge lassen sich so zwar Eigenfrequenzen des Systems ermitteln,
eine Beurteilung des Dämpfungsverhaltens über einen weiten Frequenzbereich ist hierdurch aber nur
bedingt möglich. Da es sich bei den Simulationen um transiente, also zeitabhängige Simulationen
handelt, sind die Rechenzeiten entsprechend lang. Ein effizienter Ansatz, der es erlaubt die
verschiedenen Frequenzen im Bereich bis 200 Hz direkt gleichzeitig zu untersuchen besteht darin,
synthetische Signale zu erzeugen, die Anregungen bei allen interessierenden Frequenzen
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gleichzeitig beschreiben und damit eine Untersuchung des gesamten Frequenzbandes erlauben. Um
die nötige Genauigkeit bei vertretbarem Rechenaufwand zu erreichen, wurden durch systematische
Untersuchungen die Randbedingungen und die Zeitdiskretisierung mit den vorgegebenen
Zeitschrittweiten und Anzahl der Zeitschritte optimiert.
Validierung der Ergebnisse
Da nicht auf bereits bestehende Konstruktionen zurückgegriffen wurde, sondern ein Bauraum
weitgehend frei zur Verfügung stand, wurden zuerst die grundlegenden geometrischen Verhältnisse,
wie Volumen des Resonators, Längen und Durchmesser der zu- und abführenden Leitungen, sowie
die Positionierung innerhalb des Ansaugtraktes zielgerichtet ermittelt. Aus diesen Eckdaten liess sich
ein Prototyp des neuen Resonators ableiten und bauen. Dieser wurde für erste Tests in einen
Gabelstapler eingebaut und unter realen Bedingungen vermessen. Parallel dazu wurde aus den
Geometriedaten des Prototyps ein Berechnungsmodell erstellt, dass diesem geometrisch genau
entsprach, um eine Vorhersage für das akustische Verhalten genau dieses Bauteils zu simulieren.
Die Berechnung ergab dabei, dass der Prototyp im Vergleich zum Serienmodell eine etwas geringere
Dämpfung im Standgasbetrieb, dafür eine gleichwertige Dämpfung bei allen anderen Drehzahlen
aufweisen würde (Abb. 5).
Dadurch, dass das simulatorisch vorhergesagte Verhalten vollständig bestätigt wurde, war der
Nachweis erbracht, dass das Verfahren für die Auslegung des Resonators geeignet ist (Abb. 6). Ein
weiterer Vorteil der Vorgehensweise ist, dass hierdurch der Druckverlust des Systems direkt mit
ermittelt werden kann. Dies ist insofern wichtig, als dass oft eine Reduzierung der
Leitungsquerschnitte zu einer besseren akustischen Dämpfung, aber auch einem erhöhten
Druckverlust führt. Hier sind also Kompromisse einzugehen, die durch die Simulation direkt parallel
abgeprüft werden können. Insbesondere zeigt sich bei den Untersuchungen, dass eine weitere
Absenkung der Geräusche im Standgasbetrieb mit unzulässig hohem Druckverlust einhergehen
würde (Abb. 7).
Zeitgleich zur Entwicklung des Resonators wurde das Berechnungsverfahren im Rahmen einer
Bachelor-Arbeit einer genauen Prüfung unterzogen. Die Aufgabe bestand vor allem darin, die
Methode anhand von akustischen Elementen, wie Rijke-Rohren, Helmholtz- und
Hohlraumresonatoren, deren Verhalten genau bekannt sind und sich analytisch beschreiben lassen,
zu verifizieren.
Dabei wurden für die verschiedenen Geometrien sowohl die Eigenfrequenzen, als auch das
akustische Dämpfungsverhalten bestimmt. Ausserdem wurden die Vorgehensweisen zur
Bestimmung der Berechnungsparameter weiter verfeinert, um die Genauigkeit und Geschwindigkeit
der Berechnungen weiter zu erhöhen. Hierbei hat es sich gezeigt, dass sich so die Eigenfrequenzen
der Systeme bis auf ein Hertz genau bestimmen lassen und die Dämpfungscharakteristik sehr genau
widergegeben wird. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen konnten direkt in die Entwicklung des
Resonators eingebracht werden und haben somit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Projekts
beigetragen.
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Umsetzung in der Serie
Nach den erfolgreichen Tests am Prototyp wurde ein fertigungsgerechtes und in den Bauraum
passendes Design auskonstruiert (Abb. 7). Durch die Anforderungen an den Bauraum und dem
Zusammenspiel mit den umliegenden Bauteilen, ließen sich die geometrischen Verhältnisse des
Prototypen nicht direkt vollständig umsetzen. Insbesondere die zu- und ableitenden Luftführungen
mussten hierbei noch einmal geändert werden. Auch hierbei war es notwendig, das verfügbare
Resonatorvolumen mit den Luftleitungen detailliert aufeinander abzustimmen, um das gewünschte
Verhalten zu erreichen. Durch die Simulation war es aber möglich, auch kleinere Änderungen schnell
und einfach zu bewerten und so in sehr kurzer Zeit eine größere Anzahl verschiedener Varianten zu
untersuchen. Insbesondere bei der Ausführung der luftführenden Kanäle wurde so ein Optimum in
Bezug auf Druckverlust und Dämpfungscharakterisitik ermittelt.
Schließlich konnte eine Version erstellt werden, die alle Ansprüche an Platzbedarf, maximalem
Druckverlust und akustisches Verhalten erfüllt. Sowohl Messungen, als auch subjektive
Geräuschabnahmen haben gezeigt, dass der neue Resonator seine Aufgaben wie gewünscht
meistert und damit den Nachweis geliefert, dass die Methodik der simulatorischen Auslegung von
akustischen Komponenten funktioniert.
Fazit und Ausblick
Es wurde ein Verfahren vorgestellt, mit dem sich durch CFD Resonatoren in Hinblick auf ihre
akustischen Dämmeigenschaften beurteilen lassen. Hierdurch ist es möglich, durch Simulationen
Entwürfe von Resonatoren insbesondere mit Berücksichtigung der Einbausituation akustisch
auszulegen und optimale Designs zu entwickeln. Das Verfahren wurde im Rahmen einer
fachwissenschaftlichen Arbeit validiert und verfeinert. Anhand eines konkreten Resonators eines
Gabelstaplers ist das Verfahren zur Optimierung erfolgreich eingesetzt worden.
Durch diese Vorgehensweise lässt sich die Effizienz eines Resonators innerhalb kürzester Zeit
bestimmen, noch bevor CAD-Geometrien oder Prototypen vorliegen. Das Verfahren ist auf alle
Frequenzbereiche anwendbar und lässt sich mit wenig Aufwand auf andere Bereiche, z.B.
Abgasanlagen, adaptieren.
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Abbildungen
Abbildung 1: Lage ursprünglicher Resonator
Abbildung 2: Schematische Darstellung von Hohlraum- bzw. Interferenz-Resonatoren [7] einfacher
Querschnittssprung (a), Expansionskammer (b), Abzweig-Resonator (c), Umweg-Leitung (d)
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Abbildung 3: Vereinfachte Darstellung eines Helmholtz-Resonators als Feder-Masse-System [3]
Abbildung 4: Schalldruck an der Ansaugmündung mit und ohne Resonator
Abbildung 5:Schalldruck mit altem Resonator, Prototyp und neuem Resonator
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Abbildung 6: Messung: ohne Resonator (a), alter Resonator (b),Prototyp Resonator (c)
Abbildung 7: Druckverlust im Prototyp
Abbildung 8: Geometrie des neuen Resonators
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Literatur
[1] Zeller, Peter: „Handbuch Fahrzeugakustik – Grundlagen, Auslegung, Berechnung, Versuch“,
1.Auflage, Vieweg + Teubner, GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
[2] Fuchs, Helmut V.: „Schallabsorber und Schalldämpfer“, 2., wesentlich erweiterte und
bearbeitete Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2007
[3] Gobin, Oliver: „Entwicklung und Test eines Low-Order Modells zur Beschreibung von λ/4Resoantoren im Absorberring einer Raketenschubkammer“, theoretische Semesterarbeit,
München 2005
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