Optimierung von Kühlsystemen durch Zyklus
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Optimierung von Kühlsystemen durch Zyklus
SPEKTRUM Optimierung von Kühlsystemen durch Zyklus- und Erstarrungssimulationen Das Ziel jeder Auslegung eines Kühl- und Temperiersystems ist die Erreichung einer optimalen Teilequalität und einer langen Standzeit des Werkzeuges. Die Simulation kann wichtige Hinweise liefern, wie nah Kühlbohrungen an die Formkontur gelegt werden können, um diese Ziele zu erreichen. VON ROLF KRACK, LAICHINGEN E ine breite Diskussion findet in der Druckgussbranche darüber statt, wie weit entfernt eine Kühlbohrung von der Formkontur sein kann, um einerseits noch einen Einfluss auf die Temperatur des Teiles zu erreichen und andererseits die entstehenden Thermospannungen in der Form begrenzt zu halten. Durch die Beeinflussung der Temperatur im Teil sollen insbesondere Materialanhäufungen herabgekühlt werden, um die Lunkerbildung zu verringern. Die Thermospannungen müssen in Grenzen gehalten werden, um Risse in der Kontur der Form zu vermeiden. Besonders eine Wasserkühlung führt zu einem großen Temperaturgradienten zwischen Kühlung und Formkontur. Um zu dieser Frage aussagefähige Ergebnisse zu erhalten, wurden bei der Schaufler Tooling GmbH & Co. KG, Laichingen, Zyklus- und Erstarrungssimulationen mit verschiedenen Kühlungsvarianten mit Hilfe der Simulationssoftware flow-3d durchgeführt. Simulation als Hilfsmittel Bei der Konstruktion und Entwicklung eines neuen Druckgießwerkzeuges wurde die Simulation in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel. Bei der Beurteilung der Simulationsergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Simulation eine Modellbildung des realen physikalischen Ablaufes darstellt. Diese Modellbildung kann die Realität nicht vollkommen exakt wiedergeben. Führende Simulationsprogramme erzielen inzwischen bei Beachtung obiger Einschrän- Bild 1: Initiierung der Kühlbohrungen für die Simulation 78 GIESSEREI 94 11/2007 kung eine hohe Genauigkeit, so dass, wie noch gezeigt wird, bei einem Vergleich mit realen Gießergebnissen eine gute Übereinstimmung feststellbar ist. Für die Auslegung von Kühlsystemen werden Simulationen noch selten genutzt. Da die Strömungsgleichungen und Wärmeleitgleichungen, auf denen die Berechnungen beruhen, äußerst komplex und mathematisch sehr schwierig zu handhaben sind, berechnen die üblicherweise verwendeten Simulationsprogramme nicht noch zusätzlich den Durchfluss des Kühlmediums in den Kühl- und Temperierkanälen. Will man diese Einflüsse ebenfalls erfassen, wird bei der Simulation der physikalische Einfluss der Kühlund Temperierbohrungen berechnet, indem der Kühlkanal als Hohlraum in der Form definiert wird, der einen Wärmeü- bergangskoeffizienten, eine Temperatur des Kühlmediums und eine wärmeabgebende Oberfläche hat. Beispiele für das Festlegen solcher Randbedingungen sind in Bild 1 zu sehen. Beispiel einer Kühlungsoptimierung Das Ziel einer Kühlungsoptimierung hängt sehr stark vom zu gießenden Bauteil ab. Dünnwandige Strukturteile erfordern eine möglichst gleichmäßige Temperierung der Form in Konturnähe. Besonders bei Gussteilen aus Magnesiumlegierungen muss dabei mehr geheizt als gekühlt werden. Anders verhalten sich dickwandige Teile wie zum Beispiel Motorblockformen. In diesem Fall kann oft die Wärme nicht allein mit den Kühlbohrungen abgeführt werden. Zusätzlich ist das Sprühen von wasserhaltigem Trennmittel erforderlich. Die Kühlung hat gerade bei diesen dickwandigen Teilen neben der allgemeinen Wärmeabfuhr die Aufgabe, Materialanhäufungen im Bauteil, die so genannten Hot Spots herabzukühlen, um die Lunkerbildung zu verringern oder, falls dies nicht möglich ist, die Lunker in weniger qualitätsrelevante Bereiche zu verlagern. Dazu kommt das notwendige Herabkühlen von überhitzten Bereichen oder von Kernen, die sonst Gefahr laufen, in kurzer Zeit auszufallen. Um Aussagen darüber zu erhalten, wie sich Kühlungen auf Form und Teil auswirken, wird bei Schaufler Tooling wie folgt vorgegangen: Eine Erstarrungssimulation a Bild 2: Temperaturverteilung nach der Erstarrung des Bauteils mit einer einheitlichen Formtemperatur und deren Analyse dient dem Konstrukteur zunächst als Hilfsmittel zur Festlegung der Kühlungen (Bild 2). Danach werden so genannte Zyklussimulationen unter Berücksichtigung der Kühlund Temperierbohrungen durchgeführt. Wie in der Produktionsrealität, bei der erst nach 5 bis 10 Teilen ein quasistationäres Temperaturniveau und die erforderliche gleichmäßige Teilequalität erreicht wird, werden mehrere Gießzyklen berechnet. Somit gelangt man zu einer der Reali- tät nahekommenden simulierten Formtemperatur. Danach folgt die eigentliche Erstarrungssimulation. Bei der Auswertung der Simulation wird die Temperaturverteilung im Bauteil und die Wirkung der Kühlung beurteilt (Bild 3). Danach wird die Auslegung der Kühlung verändert und eine erneute Simulation durchgeführt. Ziel der Kühlungsoptimierung ist es, eine Erstarrungsführung zu erreichen, die ein langes Nachdrücken des Kolbens der Druckgießmaschine während der Erstarrung ermöglicht. b Bild 3: Anteil an erstarrter Schmelze im Gussteil nach 5 s (a) und Formtemperatur bei Zyklusbeginn (b) GIESSEREI 94 11/2007 79 SPEKTRUM Abstand der Kühlung von der Kontur Für die Untersuchung von Temperatur und Spannung im Detail wurde anschließend jeweils nur ein Ausschnitt aus Gussteil und Form, bestehend aus einem Wandausschnitt des Teils und dem Formausschnitt mit Stichkühlungen auf beiden Seiten der Wand, analysiert (Bild 4). Um einschätzen zu können, wie sich die Nähe der Kühlbohrung zur Kavität auf das Erstarrungsverhalten des Teils sowie auf Spannungen und Materialermüdungen in der Form auswirken, ist der tatsächliche Verlauf der Formtemperatur von großer Bedeutung. Das Ergebnis der Simulation zeigt: Die höchste Temperatur in der Form tritt nicht bei der Entnahme des Teils auf, sondern im simulierten Beispiel ca. 4 s nach Erstarrungsbeginn. Beim Sprühen von wasserhaltigem Trennmittel wird die Oberfläche der Form stark abgekühlt, was sich in einer Temperaturabsenkung in diesem Bereich zeigt. Bis zum Beginn des nächsten Zyklus wandert die Temperatur von der Mitte des Bauteils wieder in Richtung Kontur (Bild 5). In der Simulation wurde nun eine 6 mm dicke Wand des Teils angenommen (Abstand der Kühlung 15 mm) (Bild 6). Der Einfluss der Kühlung auf die Formtemperatur und die Temperatur des erstarrenden Teils wurden ermittelt. Das Ergebnis war eine Absenkung der Teiletemperatur im Bereich der Kühlung um ca. 5 °C. Wird eine Wanddicke des Teils Bild 4: Simulierter Ausschnitt – in der Mitte Wandausschnitt des Teils, links und rechts die Kühlbohrungen von 20 mm angenommen, bleibt das Temperaturniveau des Teiles und der Form im Vergleich zur 6 mm dicken Wand wesentlich höher. Der Temperaturgradient, der als wichtige Größe die räumlichen Temperaturunterschiede angibt, ist in Folge dessen bei einer Wanddicke von 20 mm in der Form mit ca. 20 °C/mm wesentlich größer als bei einer 6 mm dicken Wand mit ca. 15 °C/mm (Bilder 6 und 7). Im Weiteren wurde in der Simulation der Abstand der Kühlung von der Wand des Teils variiert. Diese Variationen ergaben, dass bei 30 mm Entfernung der Kühlung von der Kontur bei der 6 mm dicken Wand nur noch ein minimaler Einfluss und bei der 20 mm dicken Wand kein direkter Einfluss mehr auf die Temperatur des Teiles feststellbar ist. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die Kühlung einzel- Bild 5: Temperatur in der Form zwischen Teil (rechter Hohlraum) und Kühlbohrung (linker Hohlraum) 80 GIESSEREI 94 11/2007 ner Materialanhäufungen geht. Die Kühlbohrung hat natürlich auf das Temperaturniveau der Form insgesamt einen großen Einfluss. Für die Herabkühlung von Hot Spots ergibt sich jedoch die Schlussfolgerung, dass Kühlbohrungen erstens nur wirksam werden können, wenn sie möglichst nahe an der Kontur liegen, zweitens sind dickwandige Bereiche generell durch Kühlungssysteme nur schwer zu beeinflussen. Oft sind hier Gießoptimierungen des Teils mit Vermeidung von Materialansammlungen der einzige Weg, um die Lunkerbildung in diesem Bereich zu vermeiden. Als dritte Schlussfolgerung aus den Simulationen ergibt sich, dass durch die Verwendung von mehreren parallel angeordneten Stichkühlungen im Abstand von 15 mm eine gleichmäßige Absenkung der Teiletemperatur erreicht werden kann (Bild 8). Thermospannungen Ein zweiter Aspekt bei der Auslegung von Kühlsystemen ist – neben dem Erstarrungsverhalten des Teils – die Rissbildung im Werkzeugstahl und damit die Standzeit der Form. Der Temperaturgradient in der Form zwischen Teilekontur und Kühlbohrungen kann als Maßstab für die Thermospannungen in der Form herangezogen werden. Die Ergebnisse der Simulation zeigen: Zu Beginn der Erstarrung des Teils entsteht ein großer Temperaturgradient direkt an der Kontur. Dies führt nach 1 s zu einer hohen Druckspannung in diesem Bereich. Im weiteren Verlauf wandert die Temperatur in die Form. Es kommt nach 11 s zu einem annähernd linearen Temperaturverlauf. Der größte Temperaturgradient auf der Seite der Kühlbohrungen tritt nach ca. 25 s auf und erreicht einen Wert von ca. 35 °C/mm. Die Simulation des Sprühens mit Bild 6: Einfluss der Kühlung auf die Temperatur des Teils und der Form bei einer Wanddicke von 6 mm und einem Kühlungsabstand von 15 mm Bild 7: Einfluss der Kühlung auf die Temperatur des Teils und der Form bei einer Wanddicke von 20 mm und einem Kühlungsabstand von 15 mm ANZEIGE 1/3 174 x 85 GIESSEREI 94 11/2007 81 SPEKTRUM Bild 8: Einfluss einer und mehrerer parallel angeordneter Stichkühlungen Bild 9: FEM-Berechnung der Thermospannungen 82 GIESSEREI 94 11/2007 wasserhaltigem Trennmittel zeigt, dass sich die Formoberfläche nach 45 s um 20 °C abkühlte. Die Folge ist eine Zugspannung an der Kontur der Form. Um einen Anhaltswert für die entstehenden Thermospannungen zu erhalten, wurden die mit der Simulation erzielten Werte in ein FEM-Programm übertragen (Sdrc Ideas) und damit die Spannungen in der Form berechnet (Bild 9). Die Spannungsberechnung ergab folgende Werte: Bei einer Wanddicke des Teils von 6 mm und einem Kühlungsabstand von 10 mm beträgt der Temperaturgradient ca. 17 °C/ mm. Die Zugspannung in der Form ereicht ca. 400 N/mm2 an der Kühlbohrung. Bei der Variante mit 15 mm Kühlungsabstand trat der höchste Temperaturgradient mit 15,6 °C/mm nach ca. 8 s auf. Da der Temperaturgradient auch ein Maßstab für die Spannung ist, wird diese unter den berechneten 400 N/mm2 liegen. Der beim Druckgießen häufig eingesetzte Stahl 1.2343 hat eine relativ hohe Festigkeit von Rp0,2 = 1370 N/mm2. Bei Festigkeitsberechungen an Formen ist es sinnvoll, die Spannungsgrenze mit einer zweifachen Sicherheit bei ca. 600 N/mm² anzusetzen. Eine weitere wichtige Schlussfolgerung aus der Untersuchung ist daher, dass der Abstand der Kühlung zur Kavität bei einer Gussteilwanddicke von 6 mm durchaus bei 10 mm liegen kann. Befürchtungen, dass dadurch Risse in der Kontur entstehen, sind also unbegründet. Wie sich die Temperaturgradienten bei Gussteilwanddicken von ca. 20 mm auswirken, sollen weitere Analysen zeigen. Bild 10: Simulation – Formtemperatur auf der ISO-Surface des Teiles ANZEIGEN Bild 11: Formtemperatur, aufgenommen mit der Thermokamera Verifizierung von Erstarrungssimulationen Um die Ergebnisse der Simulation zu verifizieren, wurde ein Vergleich von analysierten und im realen Gießprozess erhobenen Werten vorgenommen. Die Werkzeugtemperatur wurde mit einer Thermokamera festgehalten. Ein Vergleich der Simulationsbilder mit denen der Thermokamera zur selben Zeit, nämlich bei Formöffnung, ergibt folgende Ergebnisse: Die mittlere Temperatur am Gießlauf liegt bei Simulation und Kamerabildern bei ca. 130 °C. Die höchste Formtemperatur liegt bei der Simulation bei 230 °C, beim Kamerabild bei 235 °C (Bilder 10 und 11). Erstaunlich ist also die sehr gute Übereinstimmung von Messergebnissen und Simulation. Dies bestätigt den Nutzen des Einsatzes einer Simulation zur Analyse und Optimierung von Druckgießprozessen. Für den Konstrukteur kann die Simulation damit wertvolle Hinweise für die Auslegung von Kühl- und Temperiersystemen liefern, insbesondere dann, wenn es um die eine möglichst kavitätsnahe und dennoch den Werkzeugstahl schonende Positionierung der Kühlkanäle geht. Der Artikel basiert auf dem Vortrag des Autors „Gießgerechte Auslegung von Druckgießformen“ bei der Tagung „Fachgespräch zwischen Industrie und Hochschule“ zum Thema „Innovative Prozesse im Werkzeug und Formenbau“ am 14. bis 15. März 2007 an der Universität Dortmund. GIESSEREI 94 11/2007 83