Piezo-Injektoren gewinnen Zukunftspreis

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Piezo-Injektoren gewinnen Zukunftspreis
DEVELOPMENT
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SOLUTIONS
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Von Dr. Harald Wüst,
Robert Bosch GmbH,
und Stephan Schall,
freier Redakteur
Piezo-Injektoren
gewinnen
Zukunftspreis
Entwicklung einer umweltfreundlichen
und sparsamen Dieseleinspritzung für die
Serienreife
Seit 1997 zeichnet der Deutsche Bundespräsident hervorragende technische Innovationen mit dem Deutschen Zukunftspreis aus. Diesjährige Gewinner: Zwei Teams, die
unabhängig voneinander Piezo-Injektoren für die Treibstoffeinspritzung zur Serienreife
entwickelt haben.
G
roßen Bahnhof gab es am 11. November 2005 für die vier nominierten Entwicklerteams, die es bis
in die Endrunde des Zukunftspreises
geschafft haben. Erstmals ging der mit
250.000 Euro dotierte Preis an Teams
aus zwei Unternehmen, die am Markt
der Automobilzulieferer im Wettbewerb zueinander stehen: Bosch und
Siemens VDO.
Bruchteile eines Millimeters
Bewegungshub
Mit immensem finanziellen Aufwand,
allein bei Bosch wurden seit 2000
5 Mrd. Euro in Dieselhochdruck-Einspritzsysteme investiert, entwickelten
die beiden Unternehmen seit Mitte der
90er Jahre unabhängig voneinander
Piezo-Injektoren bis zur Großserienreife. Die neuen Injektoren, sie stehen
der Automobilbranche seit dem Jahr
2003 zur Verfügung, nutzen den PiezoEffekt bestimmter Kristalle zur Steuerung der direkten Treibstoffeinspritzung in Motoren.
Der Piezo-Effekt besagt, dass bei
einem Festkörper durch Verformen
eine elektrische Spannung generiert
werden kann – oder umgekehrt – dass
sich dieser durch Anlegen einer Spannung verformen lässt (inverser Effekt).
Piezo-Injektoren nutzen die dabei auftretende Längenänderung.
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Entdeckt wurde der Piezo-Effekt bereits 1880, er fällt damit in die Epoche
der ersten Otto- und Dieselmotoren.
Die durch den Piezo-Effekt bewirkte
Längenänderung bewegt sich jedoch
lediglich im Bereich von einem Promille und reicht bei weitem nicht aus,
um den notwendigen Schaltventilhub
darzustellen.
Der Aktor eines Piezo-Injektors besteht
deshalb aus 350 schichtförmig gestapelten Piezo-Lagen, deren Bewegungshub sich bei Spannungen um
150 Volt auf rund 40 µm addiert, genug, um das Einspritzventil zuverlässig
schalten zu können.
Mehr Spielraum für Einspritzstrategien
Entwickelt wurden Piezo-Injektoren
vor allem wegen der kurzen Schaltzeiten, die ein genauer dosiertes Einspritzen zulassen. Bosch nutzt diesen
Vorteil kompromisslos bei den PiezoInline-Injektoren, die 2003 mit der
dritten Generation der Common-RailEinspritztechnik erstmals auf den
Markt kamen. Der Piezo-Aktor überträgt hierbei den Bewegungshub
direkt auf das Schaltventil im Injektor. Gegenüber herkömmlichen elektromagnetischen Einspritzern ist ein
solcher Injektor vier- bis fünfmal
schneller.
Fertigung von Piezo-InlineInjektoren für Dieselmotoren
(Bilder Bosch).
Das Öffnen oder Schließen des Einspritzventils dauert nur noch 100 µs,
pro Zyklus sind damit bis zu sieben Einspritzungen mit 1800 bar Einspritzdruck möglich (in Planung: 2000 bar).
Selbst Kleinstmengen von nur 1 mm3
pro Hub sind mit Piezo-Injektoren
mühelos erreichbar.
Die momentan in Fahrzeugen eingesetzten Piezo-Inline-Injektoren bewirken durch genauer dosierbare
Nacheinspritzungen eine bessere
Verbrennung und somit gegenüber
konventionellen Injektoren eine Emissionsreduzierung um bis zu 20 %.
Zugleich werden Dieselmotoren mit
diesen Injektoren nicht nur sauberer,
sondern auch hörbar leiser. Der dazu
erforderliche sanfte Verlauf des Druckanstiegs lässt sich durch präzise Voreinspritzung kleinster Treibstoffmengen erreichen.
In der seit gut 110 Jahren andauernden Entwicklung der Dieseltechnologie sind Piezo-Inline-Injektoren
gegenwärtig der neueste Stand der
Technik im Hinblick auf umweltfreundliche und sparsame Dieseleinspritzung.
Steuergeräte-Entwicklung mit
ETAS-Werkzeugen
Berührungspunkte zwischen der PiezoEinspritztechnik und ETAS finden sich
in den elektronischen Motorsteuergeräten, deren Software für die Steuerung der komplexen Einspritzvorgänge zuständig ist. Die Software muss
dabei mit Regelungs- und Korrekturfunktionen die genaue Abgabe der
jeweiligen Einspritzmenge über die
gesamte Lebensdauer eines Injektors
hinweg gewährleisten. Erster Berührungspunkt ist das Betriebssystem
dieser Steuergeräte: Aktuelle DieselSteuergeräte von Bosch laufen unter
dem Echtzeit-Betriebssystem ERCOSEK
von ETAS.
Zweiter Berührungspunkt: In der Entwicklungs- und Applikationsphase
eines Steuergeräts werden für den
Mikrocontroller gerne Speicheremulatoren verwendet. Diese ermöglichen
eine performante Erfassung von Messdaten, das Ändern von Steuer-, Regelund Diagnoseparametern und ein
schnelles Laden neuer Programmdateien, ohne dass EPROM- oder
Flash-Speicher neu programmiert
werden müssen. ROM, Flash oder
EPROM werden generell durch RAM
ersetzt. Bosch verwendet als Speicheremulator intensiv den ETK von ETAS.
Ein ETK ist fahrzeugtauglich und an
viele Mikrocontroller adaptierbar. Er
passt wegen der kleinen Abmessungen ohne größere Änderungen selbst
auf schon produktionsreife Steuergeräte.
Parallel zum ETK setzt Bosch während der Steuergeräte-Entwicklung
das Mess- und Kalibrierwerkzeug INCA
ein. Dieses ETAS-Werkzeug lässt ein
gleichzeitiges Bearbeiten von Messund Verstellaufgaben zu, es bietet die
Auswertung von Messdaten, das Programmieren des Flash-Speichers von
Mikrocontrollern und das Verwalten
von Applikationsdaten.
Für die umfangreichen Software- und
Systemtests zur Qualitätssicherung
der sicherheitskritischen SteuergeräteSoftware kommen weiterhin LABCARs
von ETAS als Open- bzw. Closed-LoopTestsysteme sowie viele weitere ETASKomponenten (ES6xx, ES7xx etc.) zum
Einsatz.
Die neue CommonRail-Generation von
Bosch (Bild Bosch).
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