RWWD BAURECHT Newsletter - Roggelin Witt Wurm Dieckert

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RWWD BAURECHT Newsletter - Roggelin Witt Wurm Dieckert
RWWD BAURECHT newsletter
NEUIGKEITEN AUS DEM BAURECHT
EDITORIAL
1. QUARTAL 2007
MÄNGELANSPRÜCHE
Kostenerstattung von Privatgutachten in Gerichtsverfahren
Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 23. Mai 2006, Aktenzeichen VII ZR 7/05
VON RECHTSANW ALT
DR. JÖRN KREUTZFELD, LL.M.
FACHANW ALT FÜR BAUUND ARCHITEKTENRECHT
Mit unserem ersten Newsletter in diesem Jahr berichten
wir über die wichtigsten Gerichtsentscheidungen
im
Bereich Baurecht und Architektenrecht, die im letzten
Quartal veröffentlicht worden
sind.
Dabei geht es um die Kostenerstattung von Privatgutachten im Gerichtsverfahren,
Schadensersatz für Mängel,
wenn noch keine Beeinträchtigung vorliegt, wann Sturmschäden höhere Gewalt darstellen und wann eine Mangelbeseitigung unverhältnismäßig aufwendig ist.
Außerdem berichten wir über
eine besondere Problematik
in Sanierungsgebieten, da die
Frei und Hansestadt Hamburg
nunmehr Ausgleichsbeträge
von Grundstückseigentümern
in St.-Georg einfordert, nachdem das Sanierungsverfahren
im
Sanierungsgebiet
St.Georg (S1) Lange Reihe
beendet wurde.
Hamburg, im Januar 2007
Dr. Jörn Kreutzfeld
Bei
der
gerichtlichen
Durchsetzung von Mängelansprüchen stellt sich
oftmals – insbesondere in
Bauprozessen – die Frage, ob die Kosten für ein
vorprozessuales Gutachten erstattungsfähig sind.
In der Praxis ist hinsichtlich der Beweissicherung
und der Mängeldokumentation nämlich regelmäßig
ganz kurzfristig zu entscheiden, ob hierfür ein
Privatgutachter beauftragt
oder
ein
gerichtliches
selbständiges Beweisverfahren eingeleitet werden
soll.
Vorteil des gerichtlichen
selbständigen Beweisverfahrens ist, daß die gutachterlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Gutachters in das
Hauptsacheverfahren
eingeführt werden können
und einer Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht
(
gleichstehen. Nachteilig ist
allerdings, daß ein selbständiges Beweisverfahren regelmäßig sehr viel
Zeit in Anspruch nehmen
kann und die Verfahrensdauer nicht selten ein Jahr
überschreitet.
Das Privatgutachten kann
dagegen in der Praxis
ganz kurzfristig erstellt
werden, allerdings ist der
Beweiswert nicht so hoch,
da es sich immer um ein
Privatgutachten
handelt
und wegen der Parteilichkeit angreifbar sein kann.
Wegen des immer größer
werdenden Zeitdrucks und
weil die technischen Geschehensabläufe
immer
komplizierter werden, ist
häufig die Einschaltung
eines
Privatgutachters
zwingend
erforderlich.
Dann stellt sich jedoch die
Frage, ob die Kosten eines
vorprozessual beauftragten Sachverständigen von
der Gegenseite zu erstatten sind. Mit genau dieser
Fragestellung hatte sich
der
Bundesgerichtshof
(BGH) in einer aktuellen
Entscheidung zu befassen.
Der BGH hat insoweit
ausgeführt, daß die Kosten für ein vorprozessuales Privatgutachten dann
erstattungsfähig
sind,
wenn
das
Gutachten
zweckentsprechend und
prozeßbezogen ist. Das ist
der Fall, wenn die Tätigkeit
des Privatgutachters in
unmittelbarer Beziehung
zum Rechtsstreit steht. Die
Vorlage eines in anderem
Zusammenhang erstellten
Gutachtens ist beispielsweise nicht ausreichend.
Die Beurteilung der Frage,
ob das Gutachten im konkreten Fall zweckentsprechend zu Wahrung der
Rechtsposition war, ist
danach auszurichten, ob
eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei diese die
Kosten auslösende Maßnahme als sachdienlich
ansehen durfte. Dabei darf
die Partei die zur vollen
Wahrnehmung ihrer Belange
erforderlichen
Schritte ergreifen. Über
diesen Blickpunkt kommt
eine Erstattung der Kosten
eines
Privatgutachters
dann in Betracht, wenn die
Partei in Folge fehlender
Sachkenntnisse nicht zu
einem
sachgerechten
Vortrag in der Lage ist.
Im konkreten Fall hat der
BGH diese Frage bejaht,
weil die Partei selbst die
erforderlichen Sachkenntnisse nicht hatte, die erforderlich sind, um den zur
Rechtsverfolgung
oder
-verteidigung
erforderlichen Vortrag halten zu
können. In einem solchen
Fall kann die Partei regelmäßig
sachverständige
Hilfe in Anspruch nehmen
und kann daher nicht darauf verwiesen werden,
zunächst die Einholung
eines Sachverständigengutachtens durch das
Gericht abzuwarten. Jedenfalls ist es in einem
solchen Fall zweckmäßig,
wenn die Partei sich sachkundig beraten läßt, ehe
sie vorträgt.
Im Ergebnis steht diese
Entscheidung des BGH im
Einklang mit seiner bisherigen
Rechtsprechung,
wonach die Kosten für ein
Privatgutachten in Bauprozessen über Ursache
und Ausmaß der eingetretenen oder vielleicht noch
zu erwartenden Mängel
als Mängelfolgeschäden
zu erstatten sind.
RWWD BAURECHT
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1. QUARTAL 2007
MÄNGELANSPRÜCHE
Verstoß gegen DIN-Normen ist bei einem VOB/B-Bauvertrag immer
ein Mangel
Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 16.05.2006, Aktenzeichen 14 U 185/05
Das
Oberlandesgericht
(OLG) Celle hatte sich in
einer aktuellen Entscheidung mit der Frage zu
befassen, ob Bauarbeiten
auch dann einen Mangel
aufweisen können, wenn
noch kein konkreter Schaden vorliegt und die Nutzung der Bausache nicht
beeinträchtigt ist.
In dem zu entscheidenden
Fall hatte der Kläger den
beklagten Architekten mit
der
Pflasterung
eines
Parkplatzes
beauftragt.
Die Parteien hatten die
VOB/B wirksam in den
Bauvertrag
einbezogen.
Ferner hatten die Parteien
eine DIN-gerechte Ausführung der Bauarbeiten vereinbart.
Das von den Beklagten mit
der Baumaßnahme beauftragte Unternehmen führte
die Pflasterung des Parkplatzes durch, berücksichtigte dabei jedoch nicht,
daß die Fläche das notwendige Quergefälle aufwies. Deshalb kam es
nach Durchführung der
Bauarbeiten bei Regenwetter zu Pfützenbildungen.
Der Kläger verlangte von
dem Beklagten Zahlung
von Schadenersatz. Der
Beklagte habe die DINgerechte Ausführung der
Pflasterungsarbeiten nicht
hinreichend beaufsichtigt
und die Arbeit der Baufir-
ma ohne Beanstandung
abgenommen. Dem hielt
der Beklagte entgegen,
daß noch nicht einmal ein
Schaden eingetreten sei.
Das OLG Celle gab dem
Kläger Recht und verurteilte den Beklagten auf Zahlung von Schadenersatz.
Entgegen der Auffassung
des Beklagten hängt der
Schadenersatzanspruch
nämlich nicht vom Eintritt
eines konkreten Schadens
ab. Die Parteien haben die
DIN-gerechte Ausführung
der Bauarbeiten vereinbart
und die VOB/B in den
Geltungsbereich des Bauvertrages
einbezogen.
Diese
Vereinbarungen
haben zur Folge, daß
selbst dann ein Mangel im
Sinn von § 13 Nr. 1 VOB/B
vorliegt, wenn noch kein
konkreter Schaden eingetreten ist und die Nutzung
der Bausache nicht beeinträchtigt ist.
Im streitgegenständlichen
Fall hat die Baufirma gegen die einschlägige DINNorm verstoßen, weil die
Baufirma nicht das notwendige Quergefälle hergestellt hat. Da der Beklagte die Bauarbeiten
trotz dieses Mangels abgenommen hat, haftet er
dem Kläger wegen der
Vereitelung von dessen
Ersatzansprüchen gegenüber der Baufirma auf
Schadenersatz.
Die Höhe des Schadenersatzanspruchs bemißt sich
dabei nach der Höhe des
Minderungsanspruchs, §
13 Nr. 6 VOB/B, der dem
Kläger gegenüber der
Baufirma
zugestanden
hätte. Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich die Höhe des
Schadenersatzanspruchs
jedoch nicht nach der
Höhe eines etwaigen Anspruchs auf Nachbesserung. Das wäre unverhältnismäßig, weil der einzige
Nachteil der nicht DINgerechten Ausführung der
Bauarbeiten daran besteht, daß das Regenwasser langsamer abfließt. Die
Nutzung des Parkplatzes
ist jedoch weiterhin möglich.
Die eindeutige Entscheidung des OLG Celle ist zu
begrüßen. Die Entscheidung entspricht im wesentlichen
der
aktuellen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Mangelbegriff.
Bauarbeiten
sind nämlich schon dann
mangelhaft,
wenn
die
Arbeiten nicht DIN-gerecht
ausgeführt worden sind,
die Parteien aber eine
DIN-gerechte Ausführung
der Bauarbeiten vereinbart
haben und die VOB/B in
den Geltungsbereich des
Vertrages
einbezogen
worden ist.
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1. QUARTAL 2007
An dieser Stelle möchten
wir Ihnen unser RWWDTeam sowie unsere Tätigkeitsschwerpunkte vorstellen:
Dezernat Baurecht
MÄNGELANSPRÜCHE
Wann liegt höhere Gewalt vor?
Urteil des Landgerichts Mannheim vom 01.09.2006, Aktenzeichen: 4 O 3/05
Das
Landgericht
(LG)
Mannheim hatte sich in
einer aktuellen Entscheidung mit der Frage zu
befassen, wann ein Sturm
als höhere Gewalt einzustufen ist und damit naturbedingte Beschädigungen
nicht vom Werkunternehmer zu ersetzen sind.
Dr. Jörn Kreutzfeld, LL.M. ist
seit 2001 als Rechtsanwalt
tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Hamburg und Stellenbosch
(Südafrika).
Im
Anschluß promovierte er an
der Universität Hamburg.
Dr. Kreutzfeld ist Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht
und betreut im Rahmen seiner
anwaltlichen Tätigkeit sämtliche am Bau Beteiligte vom
Handwerksunternehmen bis
zum Bauträge, aber auch
Privatpersonen im privaten
Bau- und Architektenrecht.
Neben der gerichtlichen Vertretung begleitet er Bauvorhaben beratend von Anfang an,
um zeit- und kostenintensive
Gerichtsprozesse möglichst
gar nicht aufkommen zu
lassen.
Rechtsanwalt Dr. Kreutzfeld
ist zudem Lehrbeauftragter an
der HafenCity Universität,
Fachbereich Bauingenieurwesen für Baurecht und Referent
für den Norddeutschen Fachverband Elektro- und Informationstechnik e.V. (NFE).
In dem zu entscheidenden
Fall war ein Gerüstbauer
von dem Bauherren beauftragt, ein Gebäude zur
Durchführung von Fassadenarbeiten einzurüsten.
In einer Januar-Nacht
lösten sich in Folge eines
Sturm Gerüstbohlen aus
der Verankerung. Die Bohlen wurden durch den
Sturm gegen die Fassade
auf das Dach geschleudert. Dadurch wurden
einzelne Fassadenelemente, Fensterbänke, Rolloverkleidungen, die Abdichtung des Daches und ein
Lichtelement beschädigt.
Der Bauherr begehrt die
Zahlung von Schadensersatz
in
Höhe
von
€ 16.382,28.
Der Gerüstbauer meint, er
sei zum Ersatz des Schadens nicht verpflichtet, weil
es sich bei dem Sturm um
höhere Gewalt gehandelt
habe, für die er nicht einzustehen brauche.
Zwischen den Parteien ist
unstreitig, daß in der
streitgegenständlichen
Nacht Windgeschwindigkeiten bis 22,9 m/Sek.
(Windstärke 9) vorhanden
waren. Da das Bauvorhaben darüber hinaus in
einer Talsenke lag, trug
der Gerüstbauer vor, daß
die Windstärken dort sehr
viel höher, nämlich 28,5
m/Sek. (Windstärke 11)
gewesen seien. Darüber
hinaus trug er vor, er habe
sämtliche
Gerüstbohlen
durch Zurrbänder hinreichend gesichert. Weitere
Absicherungen seien nicht
vorgeschrieben. Im übrigen habe die Bauberufsgenossenschaft und der
Architekt des Bauherren
das Gerüst abgenommen.
Das LG Mannheim gab
dem Bauherren recht. In
der Begründung führte das
Gericht aus, daß Windstärke 9 nicht als ungewöhnliches Wetterereignis
einzustufen ist und damit
auch keine höhere Gewalt
vorliegt. Ein Sturmereignis
ist erst dann als höhere
Gewalt einzustufen, wenn
es einmal in fünf bis einmal zehn Jahren auftritt.
Das ist erst bei Sturmereignissen ab Windstärke
12 festzustellen.
Ob in der Talsenke die
Windgeschwindigkeit höher als Windstärke 9 gewesen sei, läßt sich nicht
mehr feststellen, es sei im
übrigen aber auch nicht
erheblich, da Zweifel zu
Lasten des Werkunternehmers gehen. Auf die
herrschenden
Windgeschwindigkeiten
mußte
sich der Gerüstbauer einstellen, das heißt, er hätte
das Gerüst samt Gerüstbohlen so sichern müssen,
daß keine Gefahr von dem
Gerüst ausgeht und eine
Beschädigung der Fassade und des Dachs des
Bauherren ausgeschlossen wird. Ob im vorliegenden Fall das Gerüst und
die Gerüstbohlen ordnungsgemäß
gesichert
waren, läßt sich im Nachhinein nicht mehr klären
und geht daher zu Lasten
des
beweisbelasteten
Gerüstbauers. Der Umstand, daß die Bauberufsgenossenschaft und der
Architekt des Bauherren
das Gerüst abgenommen
haben, spielt keine Rolle.
Eine Abnahme befreit den
Gerüstbauer nicht von
seiner Verpflichtung, ein
Gerüst sturmsicher zu
stellen.
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1. QUARTAL 2007
ÖFFENTLICHES BAURECHT
Dezernat Steuerrecht
„Extra-Steuer“
für Grundeigentümer in Hamburger Sanierungsgebieten
Ausgleichsbeträge nach § 154 Baugesetzbuch (BauGB)
_________________________________________________________________________
Ralf Holz seit 1997
Rechtsanwalt tätig.
als
Bevor er Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg studierte, hatte er bereits
das Studium an der Fachhochschule für öffentliche
Verwaltung,
Fachbereich
Finanzen, erfolgreich mit dem
akademischen
Grad
des
Diplom-Finanzwirtes beendet
und im Anschluss daran bei
Hamburger
Finanzämtern
gearbeitet.
Ralf Holz ist vorwiegend
steuerberatend, gesellschaftsrechtlich und steuerstrafrechtlich tätig. Im Rahmen der
steuerberatenden
Tätigkeit
begleitet er Wirtschaftsprüfungen, erstellt Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für Betriebe jeglicher
Rechtsform und von Privatpersonen und berät in steuerlichen und bilanziellen Fragen.
Neben der ausführenden
steuerberatenden
Tätigkeit
betreut er steuer- und gesellschaftsrechtlich übergreifend
und gestalterisch Existenzgründungen sowie (Teil-)
Übertragungen von Unternehmen und Unternehmensanteilen.
Ein
weiterer
Schwerpunkt der Tätigkeit ist
die
steuerstrafrechtliche
Betreuung im Rahmen von
steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren.
Rechtsanwalt Holz ist Autor
zahlreicher steuerlicher Veröffentlichungen z.B. „Der Umgang mit den Fahndungsbehörden“ in „Recht und Steuern“, Hannover 1998.
In Hamburg St.-Georg
werden die Grundeigentümer von der Stadt Hamburg zur Zeit zur Kasse
gebeten. Nachdem sich
der Stadtteil St.-Georg zu
einem der angesagtesten
Wohnquartiere in Hamburg
entwickelt hat, will offenbar
nun auch die Stadt hiervon
profitieren und verschickt
aktuell Bescheide an die
Grundeigentümer zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages für eine Bodenwerterhöhung an die Stadt.
Rechtsgrundlage für die
Erhebung dieser „ExtraSteuer“ ist § 154 BauGB.
Nach dieser Norm hat der
Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet
gelegenen
Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die
Stadt einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten,
der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung
des Bodenwertes seines
Grundstücks
entspricht.
Die durch die Sanierung
bedingte Erhöhung des
Bodenwertes des Grundstücks besteht aus dem
Unterschied zwischen dem
Bodenwert, der sich für
das Grundstück ergeben
würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt
noch durchgeführt worden
wäre (Anfangswert), und
dem Bodenwert, der sich
für das Grundstück durch
die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des
förmlich festgelegten Sanierungsgebiet
ergibt
(Endwert).
Gegen einen solchen Ausgleichsbetragsbescheid
kann als Rechtsmittel Widerspruch und bei erfolglosem Widerspruch Anfechtungsklage
erhoben
werden.
Die Anfechtung des Ausgleichsbetragsbescheid
hat Aussicht auf Erfolg,
wenn
a)
der Bescheid inhaltlich
nicht hinreichend bestimmt
ist und sowohl die Höhe
des in Geld geschuldeten
Betrages als auch den
Zahlungspflichtigen nicht
angibt. Dabei ist die Höhe
des Ausgleichsbetrages,
die für seine Bemessung
maßgebenden
Anfangsund Endwerte sowie die
sich daraus ergebenden
Bodenwerterhöhungen zu
nennen;
b)
die Feststellung fehlt, daß
der Ausgleichsbetrag einen Monat nach Bekanntgabe/Zustellung des Bescheides zu zahlen ist;
c)
der Hinweis, daß der Ausgleichsbetragspflichtige
den Antrag stellen kann,
den Ausgleichsbetrag in
ein Darlehen umzuwandeln, sofern ihm nicht zugemutet werden kann, die
Verpflichtung bei Fälligkeit
mit eigenen oder fremden
Mitteln zu erfüllen und daß
beantragt werden kann,
den zur Finanzierung der
Bebauung oder Moderni-
sierung
erforderlichen
Grundpfandrechten
den
Vorrang vor einem zur
Sicherung des Tilgungsdarlehens
bestellten
Grundpfandrecht
einzuräumen nicht vorhanden
ist;
d)
dem Grundeigentümer die
erforderlichen Informationen zur Ermittlung der
Bodenwerte nicht mitgeteilt
worden sind.
Anzumerken ist allerdings,
daß der Widerspruch und
die
Anfechtungsklage
gegen die Aufforderung
zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages
keine
aufschiebende
Wirkung
haben. Das heißt, daß der
Ausgleichsbetrag gleichwohl gezahlt werden muß,
auch wenn Rechtsmittel
eingelegt werden.
Für die Beurteilung, ob der
Ausgleichsbetragsbescheid rechtsmäßig ist,
wird es somit darauf ankommen, ob die Freie und
Hansestadt
Hamburg
sämtliche Formalien eingehalten hat und ob die
Bewertung der Bodenwerte zutreffend ermittelt sind.
Im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung wird
allerdings lediglich geprüft
werden, ob der „Schätzungsspielraum“ bei der
Bodenwertermittlung eingehalten worden ist. Sofern die Formalien nicht
erfüllt sind oder die Bewertung des Anfangs- und
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1. QUARTAL 2007
Endwertes für die Bodenwertermittlung nicht nachvollziehbar bzw. richtig
ermittelt wurde, bestehen
gute
Erfolgsaussichten,
den Ausgleichsbetragsbescheid anzufechten.
Im Ergebnis kann daher
festgehalten werden, daß
die Umwandlung eines
Sanierungsgebietes
zu
einer Top-Wohnlage sicherlich eine Erhöhung
des Bodenwertes nach
sich zieht. Fraglich dürfte
aber sein, ob die Sanierungsmaßnahmen
der
Stadt im vorliegenden Fall
allein für die Bodenwerterhöhung ursächlich waren.
Maßgeblichen Anteil an
der Aufwertung des Stadtteils dürften auch die
Grundeigentümer
selbst
gehabt haben, in dem sie
ihre Immobilie aufwendig
instand gesetzt und saniert
haben. Insofern ist ein
besonderer
Augenmerk
auf die Anfangs- und Endwerte der Bodenwertermittlung zu legen.
Es bleibt abzuwarten, ob
die Freie und Hansestadt
Hamburg weitere Stadtteile förmlich als Sanierungsgebiete festlegt, um dann
zu einem späteren Zeitpunkt die „Extra-Steuer“ in
Form des Ausgleichsbetrages von den Grundeigentümern zu kassieren.
In Anbetracht des immer
knapper
werdenden
Wohnraums in zentraler
Lage in Hamburg dürfte
die
Wahrscheinlichkeit
hierfür recht hoch sein.
Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
in der Arzneimittelversorgung
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Derzeit sind z. B. Teile von
St.-Pauli, Altona, Ottensen, Eimsbüttel, BarmbekNord, Harburg und Wilhelmsburg
als
Sanierungsgebiet eingestuft.
Schließlich dürfte die Erhebung der Ausgleichsbeträge auch dazu führen,
daß die Preise für Wohnraum und Gewerberaum in
den entsprechenden Gebieten ganz erheblich anziehen dürften, weil die
Grundeigentümer
den
Ausgleichsbetrag in Form
von Miet- bzw. Pachterhöhungen an die Mieter und
Pächter durchreichen werden.