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Umstrittene Matratzen-Maut | 2
In Libanons Grenzland | 3
Klamme Kommunen wollen die Bettensteuer,
doch erfüllt sie auch die Erwartungen?
In der EU auf der Terrorliste, im Süden
Libanons Schutzmacht – die Hisbollah
im
z Farbenspiele
Wahlkampf | 15
Ein Gespenst
geht um – die
altbekannte
Debatte um
Rot-Rot-Grün
erschöpft
sich in
Geräuschen
Montag, 5. August 2013
68. Jahrgang/Nr. 180 ● Bundesausgabe 1,60 €, Auslandspreis 1,90 €
STANDPUNKT
Üben wie
drüben
Bayrische Staatsaffäre
Machtkampf
in Kairo
Fall Mollath: Höchste Alarmstufe für die Bürger
Proteste und Gespräche
Von Jirka Grahl
Das Urteil der Berliner Historiker
ist eindeutig: Auch in der alten
Bundesrepublik forschten Mediziner nach den wirksamsten Dopingmitteln, forderten Sportminister von Trainern, Ärzten und
Athleten vor allem Medaillen –
egal, wie. Westdeutsche Funktionäre verschleppten Kontrollen und
stellten Kritiker kalt. Sportmediziner aus Freiburg oder Köln verabreichten Anabolika an Minderjährige, DFB-Fußballer spielten unter
Einsatz unerlaubter Mittel bei den
Weltmeisterschaften 1954 und
1966 mit. Dass die Autoren der
Studie statt von systematischem
Doping à la Deutsche Demokratische Republik nur von »systemischem« Doping in der BRD sprechen, klingt spätestens angesichts
der Fakten, die am jetzt bekannt
wurden, haarspalterisch.
Handfest hingegen sind die
Hürden, die den Forschern vor der
Veröffentlichung in den Weg gestellt wurden. Vor allem die datenschutzrechtlichen Bedenken der
Auftraggeber vom Bundesinnenministerium wirken vorgeschoben,
wenn man sich die ziemlich unverhohlene Benennung all jener
DDR-Funktionäre und -Trainer
vergegenwärtigt, die scheinbar
ohne Bedenken an der Umsetzung
des Staatsplans 14.25 mitwirkten.
Dass derlei Ehrgeiz auch WestÜbungsleitern nicht fremd war,
weiß man 23 Jahre nach der Wiedervereinigung nun offensichtlich
mit Akten zu belegen. Ein Skandal,
der allerdings übertroffen wird von
der Tatsache, dass bei all dem
Hickhack um die Studie nicht zu
Ende geforscht wird. Die Zeit nach
1990 bleibt unerforscht – vorerst.
Unten links
Jürgen Trittin ist im Wahlkampf untergegangen. Bei einer Kanufahrt mit
anderen Grünen kenterte er auf der
Werra. Ausgerechnet auf jenem
Fluss, in den Einheimische wegen der
Piranhas schon lange nicht mehr
hüpfen. Und wenn die Klagen der
Grünen über den Salzgehalt in der
Werra zutreffen, könnte es dort ja
sogar Haie geben. Einen Eid darauf
will allerdings niemand leisten. Auch
kein Beileid. Ein Beileid ist schlimmer als ein Meineid. Inzwischen ist
Trittin auch schon wieder bei einer
Rede gesehen worden. Mehr Wasser
als sonst hatte er nicht im Mund. Es
fehlte auch nichts an ihm. Da leben
die Grünen in der Justizvollzugsanstalt Kassel gefährlicher. Regelmäßig
trifft sich die Knastgruppe unter der
Leitung von Armin Meiwes zur politischen Analyse. Der 45-Jährige ist als
der »Kannibale von Rothenburg« bekannt geworden. Da mögen die Grünen dementieren – ob jemand Grüner
ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Nur er weiß schließlich, ob
ihm sonst etwas fehlen würde. uka
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ISSN 0323-3375
Gustl Mollath – 2006 »unschuldig, grob rechtswidrig und vorsätzlich in die Psychiatrie verbracht«
Berlin (nd). Der seit siebeneinhalb Jahren anhaltenden Zwangsunterbringung von Gustl
Mollath in die Psychiatrie liegt nach Ansicht
des Publizisten Wilhelm Schlötterer eine konzertierte Aktion zugrunde. Der frühere bayrische Spitzenbeamte, Mitglied der CSU, veröffentlichte kürzlich das Buch »Wahn und Willkür« über den Fall Mollath. Gustl Mollath hatte
seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau angezeigt, die bei der HypoVereinsbank
Schwarzgeld in Millionenhöhe verschoben habe. Die Frau wiederum behauptet, Mollath sei
gewalttätig geworden. Der Fall entwickelte
sich zum Politikum, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Mollaths Vorwürfe gegen die
Bank richtig sind, aber vom Gericht nicht geprüft worden waren. Vor allem Bayerns Justizministerin Beate Merk steht wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung unter Druck, der Fall
Mollath wird zur Belastung für die CSU vor der
Foto: dpa/SWR/Report Mainz
bayrischen Landtagswahl. »Die Frau ist als Ministerin untragbar«, meint Schlötterer im ndInterview. Wenn Politiker so wie Merk ihre
Pflichten schwer verletzten, »dann ist für den
Bürger höchste Alarmstufe angesagt«. Schlötterer ist überzeugt, dass Mollath »unschuldig
ist und grob rechtswidrig und vorsätzlich in die
Psychiatrie verbracht wurde«, glaubt aber
nicht mehr an eine Freilassung vor der Wahl im
September.
Interview Seite 5
Staatsdoping West
Die Studie über systematisches Doping in der BRD soll veröffentlicht werden
Von Jirka Grahl
Plötzlich geht es schnell: Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums
verkündete am Sonntag, man werde
gegenüber dem Bundesinstitut für
Sportwissenschaft darauf hinwirken, die umstrittene Studie über
Doping in der BRD bald zu veröffentlichen. Die »Süddeutsche Zeitung« hatte zuvor das systematischen Doping seit 1970 geschildert.
Der Zeitung liegt der 800 Seiten
starke Abschlussbericht der
Forscher um den Geschichtsprofessor Giselher Spitzer von
der Humboldt-Universität Berlin vor, am Wochenende veröffentlichte sie spannende Aussagen daraus. Demnach wurde
auch im Westen Dopingforschung vom Staat finanziert –
seit 1970 auf Geheiß und Kosten
des für Sport zuständigen Bundesinnenministeriums.
Nach Ansicht der Autoren
der Studie »Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus
historisch-soziologischer Sicht
im Kontext ethischer Legitimation« bildete ausgerechnet die
Gründung des Bundesinstitutes
für Sportwissenschaft (BISp) im
Jahre 1970 die Grundlage für
das systematische Doping, wie
es bisher stets allein in der DDR
verortet wurde.
Vom BISp, das seit seiner
Gründung dem Bundesinnenministerium untersteht, sind die
Mittel demnach an die Forschungsorte Freiburg und Köln
vergeben worden, mindestens
zehn Millionen D-Mark sind belegt. Über Jahrzehnte wurde
dort mit leistungssteigernden
Substanzen wie Testosteron,
Östrogen oder seit 1988 sogar
schon mit EPO experimentiert.
516 Forschungsvorhaben sind
auf einer Liste verzeichnet, doch
der genaue Umfang der Forschungen lässt sich heute nicht
mehr rekonstruieren.
Der Berliner Studie zufolge
wurde in der Bundesrepublik
nicht als Reaktion auf das DDRDoping
geforscht,
sondern
gleichzeitig, aus eigenem Antrieb. Zeitzeugen berichten
demnach von 14-Jährigen, die
mit Dopingmitteln versorgt
worden seien; in einem Antrag
des Freiburger Professors Joseph Keul sei von 16- und sogar
11-Jährigen die Rede, an denen
der Einfluss des Alters auf die
Wirkung von Anabolika untersucht worden war. Laut »SZ«
duldete die Politik das Vorgehen
des BISp offenkundig und trieb
die Forscher insbesondere vor
den Olympischen Spielen 1972
in München zum Handeln an.
Ex-Bundesinnenminister
Hans-Dietrich Genscher widersprach in der »Bild am Sonn-
tag« der Behauptung der Forscher, 1972 sei besonderer
Druck auf die Sportmediziner
ausgeübt worden: »Ich wüsste
nicht, wer einen solchen Druck
ausgeübt haben sollte. Ich halte
das für völlig ausgeschlossen.«
Pikanterweise
war
die
525 000 Euro teure Studie ausgerechnet vom BISp initiiert
worden, gemeinsam mit dem
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Um die Veröffentlichung der
Forschungsergebnisse schwelte
bereits seit Herbst 2012 ein
Streit zwischen der Forschergruppe aus Berlin und dem
Auftraggeber BISp. Seit April
2013 liegt der Abschlussbericht
beim BISp vor, der die Namen
vieler Politiker, Sportfunktionäre, Sportmediziner und Athleten enthält. Noch immer ist
der Bericht nicht veröffentlicht
worden.
Seite 20
Kairo (dpa/nd). Einen Monat nach dem Sturz
des ägyptischen Präsidenten Mohammed
Mursi wollen die Islamisten mit neuen Massenkundgebungen seine Wiedereinsetzung
durchsetzen. Die Muslimbruderschaft hatte
für Sonntag zu einer »Demonstration der Millionen« aufgerufen. Nach Protesten von Mursi-Anhängern war es zuvor in der Provinz AlMinia zu Gewalt zwischen Christen und Muslimen gekommen. Tausende harren derweil in
zwei Protestcamps in Kairo aus, in denen sie
bleiben wollen, bis der Ex-Präsident wieder
im Amt ist. Das Innenministerium erneuerte
seinen Aufruf, die Lager umgehend zu verlassen. Wer nicht an gewaltsamen Aktionen beteiligt gewesen sei und nicht zum Terrorismus
aufgerufen habe, müsse keine Strafverfolgung
fürchten. Die Organisatoren würden aber diverser Verbrechen wie Mord und illegaler
Waffenbesitz verdächtigt und müssten zur
Verantwortung gezogen werden.
Wie Armeechef Abdel Fattah al-Sisi erklären ließ, bestehe »noch die Chance auf eine
friedliche Lösung, vorausgesetzt, dass Gewalt
vermieden wird«. Er traf am Wochenende mit
vier islamischen Geistlichen zusammen, die
nicht selbst der Muslimbruderschaft angehören, aber eine Art Vermittlerrolle spielen
dürften. Al-Sisi forderte die USA zugleich dazu
auf, sich bei den Islamisten für die freiwillige
Beendigung ihrer Dauerproteste einzusetzen.
Al-Sisi erinnerte in seinem ersten Interview
seit dem Umsturz gegenüber der »Washington
Post« daran, dass ihn »30 Millionen Menschen« bei Anti-Mursi-Kundgebungen unterstützt hätten. Sie erwarteten, dass er etwas
tue. Der Militär gilt als der starke Mann in
Ägypten und ist erster Vize-Ministerpräsident
sowie Verteidigungsminister. Der Westen will
die Übergangsregierung von neuer Gewalt gegen die entmachteten Islamisten abhalten.
Außenminister Nabil Fahmi betonte bei einem
Treffen mit US-Vizeaußenminister William
Burns, die Entscheidung liege allein bei seiner
Regierung. Burns wollte am Sonntag auch AlSisi treffen. Der jemenitischen Friedensnobelpreisträgerin Karman, einer Mursi-Unterstützerin, ist die Einreise verwehrt worden.
SPORT
Bundesligisten blamieren sich
Saarbrücken (nd). Mit Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach und Eintracht
Braunschweig haben sich am Sonntagnachmittag gleich drei Fußball-Bundesligisten in
der ersten Runde des DFB-Pokals blamiert.
Bremen unterlag zum dritten Mal in Folge bei
einem Drittligisten. Beim 1. FC Saarbrücken
musste sich das Team des neuen Trainers Robin Dutt mit 1:3 nach Verlängerung geschlagen geben. Gladbach scheiterte an Drittligisten SV Darmstadt (4:5 im Elfmeterschießen),
Braunschweig unterlag bei Zweitligist Arminia Bielefeld (1:2).
Schwache Schwimmer
Barcelona (dpa). Ein Jahr nach dem OlympiaDebakel von London sind die deutschen Beckenschwimmer auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro nicht
sichtbar vorwärts gekommen. Einziger Lichtblick war die Silbermedaille von Marco Koch
über 200 Meter Brust. Steffen Deibler verpasste dagegen über 100 Meter Schmetterling
die erhoffte Medaille als Vierter nur knapp.
Britta Steffen ließ ihre sportliche Zukunft weiter offen.
Bronze für Beach-Frauen
Klagenfurt (dpa). Die Europameistertitel im
Beachvolleyball im österreichischen Klagenfurt gingen bei den Männern an die Spanier
Pablo Herrera und Adrian Gavira sowie bei
den Frauen an die österreichischen Schwestern Doris und Stefanie Schwaiger. Die Hamburgerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst holten Bronze.
Seiten 18 bis 20