Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse

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Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse
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Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. O. Schober
Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse
Was ist die Basedow-Krankheit?
Die Basedow-Krankheit der Schilddrüse ist eine
Autoimmunerkrankung, bei der das Abwehrsystem des Körpers „allergisch“ gegen körpereigenes Gewebe reagiert. Zellen des Abwehrsystems produzieren dann Antikörper, die gegen
das körpereigene Schilddrüsengewebe gerichtet
sind und zu einer Entgleisung der Schilddrüsenfunktion führen.
Was sind Symptome der Basedow-Krankheit?
Die Basedow-Krankheit kann sehr unterschiedlich verlaufen. Symptome können sein:
(1) Schmerzlose Vergrößerung der Schilddrüse
(Kropf). Viele Patienten klagen dann über ein
Kloßgefühl im Hals und können enge Kragen
oder Halsketten nicht vertragen.
(2) Schilddrüsenüberfunktion. Patienten berichten oft über innere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Schlafstörungen, Zittrigkeit, Schweißausbrüche, Unbehaglichkeit in warmen Räumen, Gewichtsverlust trotz gesteigerten Appetits, Durchfälle, Haarausfall, Muskelschwäche, Müdigkeit oder Erschöpfung. Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter haben oft vergleichsweise diskrete Beschwerden und fallen erst durch Herzbeschwerden
auf, oft ein Engegefühl im Brustkorb bei psychischer oder körperlicher Belastung (Angina pectoris) oder durch Herzjagen mit schnellem, unregelmäßigem Puls (Vorhofflimmern),
z. T. mit Luftnot.
(3) Augensymptome. Bei einigen Patienten kann
sich die fehlgeleitete körpereigene Abwehr
auch gegen das Auge richten. Das Gewebe
hinter dem Auge schwillt dann an. Da der Platz
in den knöchernen Augenhöhlen begrenzt ist,
treten dann die Augen hervor. Patienten berichten über Fremdkörpergefühl in den Augen, Augentränen und Blendungsempfindlichkeit. Ist der Schluß der Augenlider gestört,
so kann sich die Hornhaut des Auges entzünden. Durch Entzündung der Augenmuskeln
kann es zu Doppelbildern kommen.
Wie behandelt man die Basedow-Krankheit?
In der Regel zunächst mit Medikamenten, dann
aber auch mittels Schilddrüsenoperation oder
Radiojod. Wichtig ist:
(1) Meiden Sie unnötige Jodzufuhr, bis die
Krankheit zu Ende behandelt ist. Jod ist der
„Treibstoff“ für Ihre Schilddrüse. Befindet
sich die Schilddrüse noch in einer Überfunktion, so kann Jodzufuhr zu einer Entgleisung
der Stoffwechsellage führen. Jod ist enthalten in jodiertem Speisesalz, Jodtabletten, bestimmten Wundsalben und Desinfektionsmitteln, Algenpräparaten. Ist eine Röntgenuntersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel
nicht vermeidbar, sollte die Jodaufnahme in
Ihre Schilddrüse medikamentös unterbunden
werden.
(2) Lassen Sie auch nach erfolgreicher Behandlung die Funktion Ihrer Schilddrüse mindestens einmal pro Jahr kontrollieren. Auch
wenn dies mit zunehmender Zeit immer unwahrscheinlicher wird, kann die BasedowKrankheit auch nach Jahren noch wieder aufflammen – auch nach einer Schilddrüsenoperation oder nach der Radiojodtherapie.
Auch kann es spontan ohne Behandlung oder
durch die Behandlung zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommen, die dann durch Gabe
von Schilddrüsenhormon-Tabletten behandelt
werden muß. Eine Schilddrüsenunterfunktion
kann sich äußern durch Abgespanntheit, Lustlosigkeit, Müdigkeit, depressive Stimmung,
Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme trotz
verminderten Appetits oder Stuhlverstopfung.
Nicht immer werden die Symptome rechtzeitig von den Patienten bemerkt!
(3) Lassen Sie sich augenärztlich überwachen,
wenn bei Ihnen die oben beschriebenen
Augensymptome (Fremdkörpergefühl, Brennen, Tränen) auftreten. Wird die Behandlung
der Augen unnötig verzögert, so drohen u.
U. bleibende Schädigungen Ihres Sehvermögens.
Wie erfolgt die medikamentöse Behandlung
der Basedow-Krankheit?
Die Schilddrüsenüberfunktion wird behandelt
durch Medikamente, die die Produktion von Hormon durch die Schilddrüse hemmen: zumeist
Thiamazol, Carbimazol oder Propylthiourazil
oder, nur noch selten, Natrium-Perchlorat. Die
Dosierung dieser Medikamente muß laufend an
die aktuelle Schilddrüsenfunktionslage angepaßt
werden und erfordert dazu regelmäßige Kontrollen des Blutes durch Ihren Hausarzt.
Seltene Nebenwirkungen können dabei sein:
(1) Hautausschlag oder Hautjucken (1 – 5 %).
Bitte verständigen Sie davon Ihren Arzt. Diese
Symptome verschwinden in der Regel nach
einem Umsetzen des Medikaments, u. U. auch
trotz Fortführung desselben Medikaments.
(2) Anstieg der Leberwerte, in der Regel nur vom
Arzt anhand einer Blutprobe bemerkt.
(3) Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen. Hinweise können sein: unklares Fieber, Mandel- und Rachenentzündungen. Suchen Sie sofort Ihren Arzt auf, wenn diese
Beschwerden auftreten. Ihr Arzt wird dann
die Zahl der weißen Blutkörperchen überprüfen und ggf. das Medikament sofort absetzen. Unter Umständen werden Sie in eine Klinik aufgenommen werden, bis sich das blutbildende Knochenmark wieder erholt hat.
Zusätzlich gibt man oft Betablocker (z. B.
Propranolol), um die durch Streßhormon vermittelten Folgen einer Schilddrüsenüberfunktion zu
mildern.
„Definitive“ Behandlung: Operation oder
Radiojodbehandlung?
Kommt es nach entsprechend langer medikamentöser Behandlung – zumeist über 12 bis 18 Monate – nicht zu einem Stillstand der Erkrankung,
so empfiehlt sich die „definitive“ Behandlung der
Krankheit durch Radiojod oder Schilddrüsenoperation. Ziel beider Behandlungen ist es, die
Menge an Schilddrüsengewebe so weit zu ver-
mindern, daß der verbliebene Schilddrüsen-Rest
nicht mehr Hormon produzieren kann, als vom
Körper benötigt wird. Um den Erfolg der Behandlung sicherzustellen, nimmt man dabei eine
Schilddrüsenunterfunktion in Kauf. Anders als
eine Schilddrüsenüberfunktion ist die Schilddrüsenunterfunktion aber einfach und nebenwirkungsfrei durch die Gabe von Schilddrüsenhormon-Tabletten zu behandeln.
Bei der Operation wird der überwiegende Teil
des Schilddrüsengewebes bis auf einen kleinen
Rest durch einen Hautschnitt am Hals entfernt.
Bei der Radiojodbehandlung schluckt der Patient eine Kapsel mit einer individuell berechneten
Menge an radioaktivem Jod. Dieses wird dann
von der Schilddrüse angereichert und verursacht
innerhalb der ersten Wochen eine in der Regel
symptomlose Entzündung der Schilddrüse, die
dazu führt, daß die Schilddrüse teilweise vernarbt
und schrumpt. Der wesentliche Effekt der Behandlung stellt sich nach ein bis drei Monaten ein.
Vorteile der Schilddrüsenoperation sind: (1)
Sofortige Beseitigung der Schilddrüsenüberfunktion. (2) Wirksame Verkleinerung großer
Schilddrüsen. Nachteile: (1) In ca. 1 – 4 % Beschädigung eines oder beider Stimmbandnerven
mit der Folge einer heiseren, tonlosen Stimme
(wichtiger Gesichtspunkt für Patienten mit „sprechenden“ Berufen!). (2) In ca. 1 % Schädigung
der Nebenschilddrüsen mit der Folge eines zu
niedrigen Blutkalziumspiegels, der eine u. U. lebenslange Behandlung mit Kalziumtabletten und
Vitamin-D-Präparaten erfordert.
Vorteile der Radiojodbehandlung sind: (1)
Schonende Behandlung ohne Wundschmerz und
Narkoserisiko. (2) Wiederholbarkeit, bis zu drei
und mehr Behandlungen sind möglich, auch nach
vorausgegangener Schilddrüsenoperation. Nachteile: (1) Voller Wirkungseintritt erst nach ein bis
drei Monaten, und nicht immer schon nach der
ersten Behandlung. (2) Eine Schwangerschaft
sollte innerhalb der ersten sechs Monate nach Behandlung vermieden werden. (3) Eine Erhöhung
des Krebsrisikos wurde zwar immer wieder diskutiert, konnte jedoch trotz Behandlung großer
Patientenzahlen seit Beginn der 50er Jahre bis
heute nicht belegt werden.
© WWU Münster 1998

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