Hormone im Hals – Die Schilddrüse und ihre

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Hormone im Hals – Die Schilddrüse und ihre
Dr. med. Philipp Thoma, Facharzt FMH für Diabetologie und Endokrinologie
Hormone im Hals – Die Schilddrüse und ihre Erkrankungen
Die Schilddrüse ist ein wichtiger Taktgeber des Körpers. Ihre Hormone steuern lebenswichtige Abläufe. Störungen der Schilddrüse können Ursache für vielfältige Beschwerden sein. Ein Endokrinologe hat an einem Vortrag der Klinik Lindberg in Winterthur über die häufigsten Schilddrüsenerkrankungen informiert.
„Die Schilddrüse ist ein Organ, dessen Form an einen Schmetterling erinnert“, veranschaulicht Dr. med. Philipp Thoma, Diabetologe und Endokrinologe an der Klinik Lindberg. Die
beiden „Flügel“ der Schilddrüse liegen seitlich an der Luftröhre. Die Hauptaufgabe der
Schilddrüse besteht in der Produktion der Schilddrüsenhormone. Diese spielen eine wichtige
Rolle in der Stoffwechselregulation und der Steuerung der Energieverbrennung. Unverzichtbar sind die Schilddrüsenhormone auch für eine normale kindliche Entwicklung: Mangelt es
einem Ungeborenen oder einem Kleinkind an Schilddrüsenhormonen, können Wachstumsstörungen und geistige Behinderungen die Folge sein.
Wichtiges Jod
Damit die Schilddrüse die Hormone herstellen kann, benötigt sie Jod. Dieses ist vor allem in
Meeresfischen und -früchten enthalten. Da die meisten anderen Lebensmittel hierzulande
wenig Jod enthalten, wird in der Schweiz bereits seit den 1920er Jahren das Speisesalz mit
Jod angereichert. Die Jodergänzung von Nahrungsmitteln durch Salz ist eine sinnvolle und
sichere Prophylaxe gegen Jodmangel.
Der Hormonbote TSH
Die Produktion der Schilddrüsenhormone wird geregelt vom Steuerhormon TSH (Thyreoidea
stimulierendes Hormon). Wenn wenig Schilddrüsenhormon im Blut ist, stimuliert TSH die
Schilddrüse, Hormone herzustellen. Ist viel Hormon im Blut, sinkt das TSH und die Produktion von Schilddrüsenhormonen nimmt ab.
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Häufige Erkrankungen der Schilddrüse
Dicker Hals wegen Schilddrüsenvergrösserung
Chronischer Jodmangel lässt die Schilddrüse anwachsen. Je nach Ausprägung der Krankheit ist die vergrösserte Schilddrüse als Kropf am Hals (Struma) sichtbar. Schilddrüsenvergrösserungen sind sehr häufig, auch in der Schweiz. Meist produziert die Schilddrüse trotz
Struma aber noch ausreichend Schilddrüsenhormone. Ein Struma sollte behandelt werden,
bevor sie Symptome wie Schluckbeschwerden, Engegefühl im Hals oder gar Luftnot verursacht. Als Therapie kommt häufig eine Hormonersatztherapie zur Anwendung. Wenn die
Beschwerden trotz Therapie bleiben, kann auch eine Operation notwendig sein. (Siehe Therapien).
Schilddrüsenunterfunktion legt Körper lahm
Bei einer Unterfunktion (Hypothyreose) produziert die Schilddrüse zu wenige Schilddrüsenhormone. Als Folge laufen Stoffwechselvorgänge zu langsam ab. Patienten klagen über einen langsamen Herzschlag, niedrigen Blutdruck, Verstopfung, Gewichtszunahme, Kältegefühl, trockene Haut, geschwollenes Gesicht, Heiserkeit und Müdigkeit. Ältere Patienten erhalten nicht selten die Fehldiagnose „Altersdepression“. Bei Frauen kann eine Schilddrüsenunterfunktion auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Bei Kinderwunsch sollte die Therapie
frühzeitig erfolgen.
Wenn der Körper die Schilddrüse zerstört
Nebst Jodmangel gilt die Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis in westlichen Ländern
als häufigster Auslöser einer Schilddrüsenunterfunktion. Körperzellen greifen über Jahre
hinweg die Schilddrüse an und zerstören sie. Bei einer latenten Unterfunktion erfolgt die Behandlung nur, wenn Symptome auftauchen oder bei einer Schwangerschaft. Patienten mit
einer andauernden Schilddrüsenunterfunktion müssen lebenslänglich Schilddrüsenhormone
in Form von Tabletten einnehmen (siehe Therapien).
Überaktive Schilddrüse
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion produziert die Schilddrüse zu viele Hormone. Der Körper
läuft auf Hochtouren. Dies äussert sich in Schlaflosigkeit, Schwitzen, Durchfall, Gewichtsabnahme, hohem Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, Menstruationsstörungen, Osteoporose
und Diabetes. Eine Überfunktion wird meist hervorgerufen durch die Autoimmunkrankheit
Morbus Basedow oder durch eine sog. Schilddrüsenautonomie.
Morbus Basedow
Patienten mit Morbus Basedow, häufiger Frauen, bilden Antikörper, welche die Schilddrüse
fälschlicherweise als das Steuerhormon TSH identifizieren. In der Folge wird die Schilddrüse
zur vermehrten Hormonproduktion angeregt. Eine medikamentöse Therapie hemmt die Produktion der Schilddrüsenhormone (siehe Therapien). Tritt keine Spontanheilung ein, sondern
führt das Absetzen des Medikaments nach etwa 6 bis 12 Monaten zu einem Rückfall, muss
die Schilddrüse operativ oder mittels der Radiojodtherapie (siehe Therapien) behandelt werden.
Schilddrüsenautonomie
Verursacht durch einen langdauernden Jodmangel werden Teile der Schilddrüse selbständig
und produzieren unabhängig vom Steuerhormon TSH vermehrt Hormone. Mit der Zeit kann
die Hormonproduktion so stark werden, dass es zur Schilddrüsenüberfunktion kommt. Zur
Behandlung eignet sich die Radiojodtherapie oder eine Operation (siehe Therapien).
Schilddrüsenknoten
Knotige Veränderungen der Schilddrüse sind bei bis zu 40 Prozent der älteren Menschen
nachzuweisen. Die Ursache für die meist gutartigen Knoten ist häufig Jodmangel, manchmal
auch Schilddrüsenkrebs. Während gutartige Knoten kaum wachsen, können ein schnelles
Wachsen des Knotens und Heiserkeit auf einen bösartigen Schilddrüsenkrebs hinweisen.
Meist ist eine Kombination verschiedener Untersuchung notwendig, um den Knoten als gutoder bösartig zu identifizieren. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Bei gutartigen
Knoten reicht es vielfach aus, den Krankheitsverlauf zu beobachten. Bösartige Knoten werden medikamentös, mit der Radiojodtherapie oder operativ behandelt (siehe Therapien).
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Diagnoseverfahren
Abtasten
Durch das Abtasten des Halses kann der Arzt die Grösse der Schilddrüse und von Schilddrüsenknoten feststellen.
Ultraschall
Die Ultraschalluntersuchung ermittelt die definitive Grösse der Schilddrüse. Sie erkennt auch
Schilddrüsenknoten und deren Konsistenz. Das Schallmuster kann Hinweise auf die Art einer Erkrankung geben.
Szintigraphie
Nach der Injektion einer radioaktiven Substanz wird mithilfe einer speziellen Kamera festgehalten, wie sich die Substanz in der Schilddrüse verteilt. Dies gibt Aufschluss darüber, wo
in der Schilddrüse und in welchem Ausmass die Hormonproduktion stattfindet. Die Strahlenbelastung bei der Szintigraphie ist sehr gering.
Punktion
Aus einem verdächtigen Schilddrüsenknoten entnimmt der Arzt mit einer Kanüle Zellen. Die
anschliessende Untersuchung gibt Aufschluss über die Art des Knotens. Die Punktion ist
eine einfache und sichere Massnahme zur Diagnosestellung.
Bluttest
Bluttests zeigen die Konzentration der Schilddrüsenhormone und des Steuerhormons TSH
im Blut. Bei Verdacht auf die Autoimmunerkrankungen Morbus Basedow und Hashimoto
Thyreoiditis wird zusätzlich auf Antikörper getestet.
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Therapien bei Schilddrüsenerkrankungen
Radiojodtherapie
Nach dem Schlucken einer Kapsel mit radioaktivem Jod lagert sich ein Grossteil des Jods in
der Schilddrüse ab. Die Strahlen schädigen das defekte Gewebe der Schilddrüse und ihre
Funktion lässt nach. Auf diese Weise lassen sich Schilddrüsenüberfunktionen, -krebs und
Strumen behandeln. Die Radiojodtherapie eignet sich nicht für Schwangere und stillende
Frauen. Die Strahlenbelastung ist bei der Therapie gutartiger Erkrankungen sehr gering und
birgt keine Risiken für Spätschäden. Die Therapie erfolgt stationär.
Medikamentöse Therapie
Die Einnahme von spezifischen Medikamenten hemmt die Bildung oder die Ausschüttung
der Schilddrüsenhormone.
Hormonersatztherapie
Die Einnahme der Schilddrüsenhormone als Tablette unterdrückt das Steuerhormon TSH.
Dadurch wird die Schilddrüse weniger angeregt, selber Hormone zu produzieren. Bei einem
Struma kann so die Schilddrüse wieder schrumpfen. Damit keine Überfunktion entsteht, ist
die richtige Dosierung das A und O.
Operation
Je nach Krankheitsbild wird die Schilddrüse ganz oder teilweise entfernt. Zu den Komplikationen zählen Verletzungen der Stimmbandnerven und der Nebenschilddrüsen sowie Heiserkeit (meist vorübergehend). Der Anteil an Operationen ist zu Gunsten der Radiojodtherapie in den letzten Jahren zurückgegangen.