Diversity als Teil der Unternehmens-DNA
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Diversity als Teil der Unternehmens-DNA
66 D G F P i n s i g h t „Diversity als Teil der Unternehmens-DNA“ interview mit google-Personalchef Frank Kohl-Boas FRANK KOHL-BOAS ▶ Head of Human Resources DACH & Nordics, Google Germany GmbH, Hamburg google hat in knapp 14 Jahren den sprung vom einfachen Anbieter einer suchmaschine zum weltweit agierenden internetkonzern geschafft. Auf dem 20. DgFP-Kongress am 7./8. Mai 2012 wird google-Personalchef Frank Kohl-Boas über innovation und Wachstum als herausforderung für das Personalmanagement referieren. PERsOnALFÜhRUng sprach mit ihm vorab über Vielfalt, Vertrauenskultur und Enterprise 2.0. Herr Kohl-Boas, Google ist einer der Gewinner des Deutschen Diversity Preises, der Ende 2011 erstmals verliehen wurde. Wie sieht Diversity bei Google konkret aus? urlaub‘, wenn sie ein Kind adoptiert oder ihre Partnerin ein Kind gebärt. FRANK KOHL-BOAS Es ist unser erklärtes Ziel, die weltweit verfügbaren Informationen zu organisieren und jedermann frei zugänglich zu machen. Bereits aufgrund dieses Unternehmenszweckes sind wir auf die Vielfalt unserer Mitarbeiter mit ihren verschiedenen Sprachen (einschließlich der Gehörlosensprache und Blindenschrift), ihrer ethnischen und geografischen Herkunft und dem jeweiligen kulturellen Hintergrund angewiesen. Außerdem wollen wir für die besten IT-Ingenieure weltweit der Arbeitgeber sein, bei dem durch die Zusammenarbeit von passionierten, kreativen und intelligenten Kollegen ein inspirierendes Umfeld herrscht, in dem Innovationen entstehen. Der Austausch von Ideen bedingt Vertrauen, Vertrauen braucht Respekt und die Wertschätzung der individuellen Verschiedenheit. Diversity ist damit Teil unserer ‚Unternehmens-DNA‘‛und die Diversity unserer Belegschaft ein klarer Wettbewerbsvorteil. Bei einer Bewerbung wollen wir kein Foto sehen und kein Alter sowie keinen Familienstatus wissen, weil es für die zu besetzende Position irrelevant ist. Und durch die Auswahl unserer Interview-Panels versuchen wir ebenfalls sicherzustellen, dass wir die Vielfalt aufrechterhalten und ausbauen. Ein Schwerpunkt unserer weltweiten Maßnahmen liegt in der Förderung von und dem gleichberechtigten Zugang zu Bildung. Über Stipendien und die Unterstützung von Lehrstühlen und Netzwerken versuchen wir vor allem Frauen für ITStudiengänge und IT-Berufe zu begeistern. Daneben setzt sich Google für die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Biund Transsexuellen ein. Unsere betriebliche Altersvorsorge macht in der Hinterbliebenenversorgung keinen Unterschied in der Frage, ob ein ‚Googler‘‛in einer hetero- oder homosexuellen Partnerschaft lebt. Und selbstredend erhält eine in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebende Frau den ‚Vaterschafts- ARBEitSumFELD ALS iNvEStmENt Auch in Sachen Gesundheitsmanagement, Work-Life-Balance und flexibles Arbeiten gilt Google als vorbildlich. Was machen Sie anders als andere unternehmen? und was ist die Kehrseite der medaille? KOHL-BOAS Das wichtigste Element ist unsere Vertrauenskultur, die es den Arbeitnehmern ermöglicht, mit viel Freiraum ihre Arbeitszeiten und ihren Arbeitsort im Rahmen der Geschäftserfordernisse weitgehend selbst zu bestimmen. Dazu statten wir alle Googler unabhängig von der Hierarchieebene oder ihrer Tätigkeit mit Laptops und Smartphones aus, damit sie die technischen Möglichkeiten haben, dies auch zu tun. Daneben gehört es zu unserer Philosophie, das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen als Investment und nicht als Kostenfaktor anzusehen. Unsere Cafeterien beziehen viele Lebensmittel aus biologischem Anbau und artgerechter Aufzucht. Mitarbeiter können sich frischen Orangensaft pressen und haben tagsüber Zugang zu Frühstück und Mittagessen, gutem Kaffee, kostenlosem Obst und kostenlosen Getränken. Die Büros haben viele Sitzecken, PERsOnALFÜhRUng 3/2012 67 Bei Google sieht die Arbeitswelt wie eine Freizeitlandschaft aus: Per Rutsche geht’s im Züricher Office direkt in die Kantine, Surfen in der Hängematte. Tischtennisplatten, Billardtische und Tischfußballspiele, die zu einer kurze Erholung beim gleichzeitigen informellen Wissensaustausch mit Kollegen einladen. Daneben gibt es Ruheräume und Massagestühle und teilweise „on-site“-Massagen. In Hamburg haben wir seit Neuestem ein Fitnessstudio, das gut angenommen wird. Basis-Gesundheitsvorsorgechecks sind ebenso selbstverständlich wie Trainingsangebote zum Thema „Manage Your Energy“. Ich sehe keine Kehrseite, sondern allenfalls die Gefahr, dass sich der eine oder andere in unserem Office so zu Hause fühlt, dass er auf die Idee kommt, seine eigene Wohnung zu kündigen (lacht). PASSiON uND OPtimiSmuS Nicht jeder mitarbeiter passt zu jeder unternehmenskultur. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Bewerber aus beziehungsweise über welche Eigenschaften muss der „ideale mitarbeiter“ in ihrem unternehmen verfügen? KOHL-BOAS Der Recruitment-Prozess ist für uns nach wie vor der wichtigste Personalprozess. Neben der Fachkompetenz legen wir unter anderem Wert auf „Leadership“ und „Googliness“. Wir gehen davon aus, dass jeder in seinem Leben „Leadership“ gezeigt haben kann, selbst wenn er oder sie noch keine Personalverantwortung hatte. Wir alle setzen uns täglich eigene Ziele, beeinflussen andere, treffen Entscheidungen und lernen aus Erfahrungen. Den Begriff „Googliness“ kann man vielleicht als die Bereitschaft umschreiben, sich für eine Sache mit Passion und Optimismus einzubringen und Neuem mit Offenheit, Lernbereitschaft und Freude gegenüberzustehen. Es ist eine positive, angenehme Art der Selbstsicherheit, die man spürt, wenn sie da ist, und viele PERsOnALFÜhRUng 3/2012 Googler sagen lässt, „das Beste bei Google sind die Kollegen, mit denen ich zusammenarbeiten kann“. insbesondere das Google Office in der Schweiz zeichnet sich durch ein sehr kreatives bis nahezu verspielt wirkendes Arbeitsumfeld aus. Zieht sich das als roter Faden durch die gesamte unternehmenslandschaft? KOHL-BOAS Unser Office in Zürich ist sicherlich eines unserer bekanntesten, aber auch unsere deutschen Büros sind sehens- und erlebenswert, was Kreativität und Ideenreichtum angeht. In der Tat soll sich Kreativität als roter Faden durch die gesamte Unternehmenskultur ziehen und darf dabei auch spielerisch erscheinen. Wir sind ein Unternehmen, das Softwareprodukte rund um das Internet erfindet oder integriert, und wir sind überzeugt davon, dass wir mit IT-Lösungen eine Menge großer Probleme lösen können. Diese Innovationsstärke beruht im Wesentlichen auf der Kreativität unserer Googler und wird durch das physische Arbeitsumfeld ebenso sehr gefördert wie die Gewährung von Zeit für das Verfolgen von eigenen Ideen (20-Prozent-Projekte) und der Austausch mit anderen Googlern. Letzteres wird am deutlichsten in unserem wöchentlichen „TGiF“ (Thank God it’s Friday), den wir weltweit abhalten und bei dem in Mountain View unsere Gründer Larry und Sergey Neues berichten und auf Fragen aller Googler eingehen. BEDEutuNG vON ENtERPRiSE 2.0 Neue Kompetenzen, Nachhaltigkeit, Enterprise 2.0 – das sind zentrale themen des diesjährigen DGFP-Kongresses. Wo sehen Sie derzeit die wichtigsten Herausforderungen für das deutsche HR-management? 68 D G F P i n s i g h t Google-Büro in der Europa-Zentrale in Dublin. KOHL-BOAS Es wäre von mir vermessen, für das gesamte deutsche HR-Management sprechen zu wollen. Ich ziehe meinen Hut vor den Kollegen und Sozialpartnern, die zuletzt mit viel Weitsicht den großen Herausforderungen, die die Volatilität der Finanzund Weltmärkte mit sich gebracht hat, erfolgreich mit Arbeitszeitflexibilisierung und anderen personalpolitischen Maßnahmen begegnet sind. Soweit ich das beurteilen kann, stehen viele Unternehmen beim Thema „Enterprise 2.0“, also der Übertragung interaktiver Prozesse in das Unternehmen, noch ganz am Anfang. Wir werden Network-Modelle, Crowdsourcing, „Dory Pages“, MitarbeiterSelf-Services, Unternehmens-Wikis und weitere Kommunikations- und Konsensfindungsmodelle aus dem Internet in unsere Unternehmenskommunikation integrieren müssen. Diese neuen Arten der Kommunikation werden ein Mehr an Transparenz mit sich bringen. Das wird vielfach eine Verhaltensänderung bedingen beziehungsweise erzwingen. Zweitens verschwimmen die Trennlinien zwischen Arbeitsund Privatleben immer mehr. Wir sollten daher „Arbeitszeit“ in immer mehr Berufen neu denken und müssen den Begriff durch andere Kriterien ersetzen oder ergänzen. Das Modell „time in office“ hat durch das Schlagwort „always on“ vielfach ausgedient und bedingt in vielerlei Hinsicht einen Wandel. Herr Kohl-Boas, vielen Dank für das Gespräch! • Das Gespräch führte marita Schönhals, Redaktion PERSONALFüHRuNG. PERsOnALFÜhRUng 3/2012