Forschend lernen
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Forschend lernen
Forschend lernen in Mathematik und Naturwissenschaften Über PRIMAS PRIMAS steht für „Promoting inquiry-based learning (IBL) in mathematics and science across Europe“, d.h. für die europaweite Förderung des forschenden Lernens im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht. Forschendes Lernen kann das natürliche Interesse von Schülerinnen und Schülern an der Mathematik und den Naturwissenschaften steigern. Gleichzeitig fördert es die Entwicklung wichtiger Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, selbstgesteuertes Lernen und die Fähigkeit, selbständig neue Wissensbereiche zu erkunden. Lehrerinnen und Lehrer sind die Schlüsselfiguren, wenn es darum geht, das Konzept des forschenden Lernens in der Praxis des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts zu verankern und das Potential, das in diesem Ansatz steckt, sichtbar zu machen. Vorrangiges Ziel von PRIMAS ist es daher, Unterrichtsmaterialien und Lehrerfortbildungen anzubieten und auf diese Weise Lehrkräfte in professionellen Lerngemeinschaften beim forschenden Unterrichten zu unterstützen. Das PRIMAS-Projekt wird im Rahmen des 7. EUForschungsrahmenprogramms im Programmbereich „Wissenschaft in der Gesellschaft“ finanziell gefördert. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren (2010-2013) und wird in 12 europäischen Ländern umgesetzt: Dänemark, Deutschland, Malta, die Niederlande, Norwegen, Rumänien, die Slowakei, Spanien, die Schweiz, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Zypern. Koordinierende Einrichtung ist die Pädagogische Hochschule Freiburg. Weitere Informationen über das Projekt finden Sie auf der PRIMAS-Website http://www.PRIMAS-project.eu oder auf der deutschsprachigen Seite http://www.offeneaufgaben.de. Forschend lernen in Mathematik und Naturwissenschaften Theorie und Praxis – Beispiele – Erfahrungsberichte Inhalt Autoren Ana M. Abril, Daniel Aguirre, Anna-Maria Aldorf, Szilárd András, Erzsébet Antal, Marta R. Ariza, Morten Blomhøj, Corine den Boer, Patrick Bronner, Soňa Čeretková, Michiel Doorman, Jean-Luc Dorier, José Manuel Escobero, Josette Farrugia, Maria I. M. Febri, Fco. Javier García, Tünde Kontai, Henk van der Kooij, Ragnhild Lyngved, Katja Maaß, Janka Melušová, Ad Mooldijk, Nicholas G. Mousoulides, Eli Munkebye, Antonio Quesada, Zoltánné Sápi, Mikael Skånstrøm, Dana Strejčková, Malcolm Swan, Csaba Tamási Redaktion Katja Maaß, Karen Reitz-Koncebovski Deutsche Übersetzung www.peschel-communications.de Illustration Robert Len Layout Lubo Balko Einleitung .............................................................................................3 Zwei Unterrichtsstunden im Vergleich ..............................................4 Was ist forschendes Lernen? ..............................................................7 Warum forschendes und entdeckendes Lernen? .............................9 Was bedeutet forschendes Lernen für die LehrerInnen? ..............10 Wie lernen Lehrkräfte, im forschenden Stil zu unterrichten? ........11 Beispielaufgaben für das forschende und entdeckende Lernen ...14 Forschendes und entdeckendes Lernen im Unterrichtsalltag .......74 Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen ...................76 CC by-sa PRIMAS Project, www.PRIMAS-project.eu Koordination: Katja Maaß, Pädagogische Hochschule Freiburg 2013 ISBN 978-3-00-044285-8 Das PRIMAS-Projekt (Promoting inquiry in mathematics and science across Europe) wird innerhalb des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union (RP7/2007-2013) unter Zuschussvereinbarung Nr. 244380 finanziell gefördert. Die vorliegende Publikation gibt die Ansichten der Autoren wieder. Die Europäische Union übernimmt keinerlei Haftung für die darin enthaltenen Beiträge. Die vorliegende Publikation beinhaltet Links zu Internetauftritten Dritter. Die Gültigkeit der Links wurde bei Drucklegung überprüft. Da wir den Inhalt dieser Internetauftritte nicht kontrollieren, können wir weder für verwendete Inhalte haften noch die Gültigkeit der Links garantieren. |1 Einleitung Einleitung Die vorliegende Broschüre bietet eine allgemeine Einführung in das forschende und entdeckende Lernen. Wir hoffen, dass die Lektüre Sie dazu anregt, Ihren eigenen Unterricht zu reflektieren und Neues auszuprobieren. Zielgruppen sind LehrerInnen und LehrerausbilderInnen. Die Botschaft ist für beide Zielgruppen gleich: Wir alle lernen am besten, wenn wir unseren aktuellen Wissensschatz und unsere bisherige Herangehensweise aktiv hinterfragen und analysieren. Mit dieser Broschüre möchten wir aufzeigen, was forschendes und entdeckendes Lernen für die Unterrichts- und die Fortbildungspraxis bedeuten. Ihr Kernstück bilden inspirierende Beispiele gelungener Unterrichtsstunden in Mathematik und Naturwissenschaften für die Grundschule und die Sekundarstufe. Ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Aufgabenstellungen finden Sie auf der PRIMAS-Website. Im letzten Teil der Broschüre wird über Erfolge und Schwierigkeiten reflektiert, die Lehrkräfte bei der Einbindung des forschenden Lernens in die tägliche Unterrichtspraxis erleben. LehrerInnen aus verschiedenen europäischen Ländern berichten von ihren persönlichen Erfahrungen. |3 Zwei Unterrichtsstunden im Vergleich Zwei Unterrichtsstunden im Vergleich Zwei Unterrichtsstunden im Vergleich Die beiden unten beschriebenen Unterrichtsstunden erscheinen auf den ersten Blick sehr ähnlich. Bei beiden handelt es sich um einen praktischen Versuch mit einem Pendel, dennoch zeigen sich auf anschauliche Weise die zahlreichen Unterschiede zwischen reiner Wissensvermittlung und forschendem Lernen. Herr Shaw betritt die Klasse mit den Worten: „Heute lernen wir das Pendel kennen“. Zunächst zeigt er den Schülern, wie ein Pendel aussieht, und führt sogleich vor, dass die Schwingungsdauer des Pendels von seiner Länge abhängt. Er erklärt: „Seht ihr, je länger das Pendel desto langsamer schwingt es.“ Dann gibt er jeder Zweiergruppe von Schülern ein Stück Schnur, ein Gewicht, eine Stoppuhr und etwas Millimeterpapier. „Eine(r) von euch schwingt das Pendel, der oder die andere stoppt die Zeit bis zur 20. Schwingung. Eine Schwingung bedeutet: Das Pendel muss einmal nach vorne und wieder zurück pendeln. Und jetzt öffnet euer Buch auf Seite 43. Zeichnet die Tabelle ab, füllt sie aus und folgt dabei genau den Arbeitsanweisungen.“ Die SchülerInnen sehen im Buch ein Schaubild des Pendels und darunter eine Tabelle, in die sie ihre Daten eintragen sollen. In der obersten Reihe steht „Länge des Pendels in Zentimetern“, in der zweiten Reihe steht „Zeit bis zur 20. Schwingung in Sekunden“. Darunter sind auf Millimeterpapier zwei Achsen aufgezeichnet: Die horizontale Achse zeigt die Länge des Pendels von 0 bis 125 Zentimetern an und die vertikale Achse zeigt die Zeit bis zur 20. Schwingung von 0 bis 50 Sekunden an. Unter der Grafik stehen 4| verschiedene Arbeitsanweisungen und Fragen: „Zeichne eine Kurve anhand der gemessenen Daten für die Längen 50 cm, 75 cm, 100 cm und 125 cm. Lies von deiner Kurve ab, wie lange das Pendel sein muss, damit die Schwingungsdauer genau eine Sekunde beträgt.“ Die SchülerInnen arbeiten sich fleißig durch die Aufgabe. Hin und wieder hebt ein(e) SchülerIn die Hand und fragt Dinge wie „Stimmt das so? Soll die Kurve gerade sein?“ Der Lehrer beauftragt die SchülerInnen, das Experiment für jede Länge drei Mal zu wiederholen und die Kurve anhand der gemessenen Durchschnittswerte zu zeichnen, um sicherzugehen, dass die Ergebnisse auch wirklich stimmen. Gegen Ende der Stunde erklärt der Lehrer, wie die Kurve aussehen sollte, und überprüft, ob die SchülerInnen die Frage zur Länge des Pendels bei einsekündiger Schwingungsdauer richtig beantwortet haben. Einige von ihnen haben die richtige Lösung gefunden und werden gelobt. Herr Hammond betritt die Klasse und zeigt den SchülerInnen eine Reihe von Bildern alter Pendeluhren. „Habt ihr schon einmal so eine Uhr gesehen?“, fragt er. „Was wisst ihr darüber?“ Dann führt er zwei Pendel vor, die aus einer Schnur gebastelt wurden. „Seht euch die Pendel einmal genau an. Schreibt alle Fragen und Beobachtungen auf, die euch dazu einfallen.“ Zunächst schreiben die SchülerInnen Beobachtungen auf: „Das eine ist länger“, „Das längere Pendel schwingt langsamer“, „Sie schwingen mit der Zeit immer langsamer“. Dann sprudeln viele Fragen hervor: „Können wir einen Zeitmesser basteln?“, „Wie lange dauert eine Schwingung?“, „Können wir eine Uhr bauen?“ Eine Zeit lang werden diese und andere Fragen diskutiert. Sie versuchen nun, genauere Fragen zu stellen: „Was genau bedeutet eigentlich ‘eine Schwingung‘?“ Anschließend fordert Herr Hammond die SchülerInnen auf, ein Pendel zu basteln, das genau eine Sekunde braucht, um nach vorne und wieder zurück zu schwingen. Die SchülerInnen dürfen sich aus einer Sammlung von Hilfsmitteln im Klassenraum alles nehmen, was sie brauchen: eine Schnur, Reißnägel, eine Stoppuhr, ein Lineal, Bleistifte und Millimeterpapier. (Foto: Quadell at en.wikipedia) Unterricht bei Herrn Shaw Unterricht bei Herrn Hammond Erst probieren die SchülerInnen einfach aus, passen die Länge der Schnur oder die Zeit an usw. Herr Hammond lässt einige Minuten verstreichen. Als Kevin meint, er sei fertig, begutachten zwei andere Schüler seine Arbeit und stellen fest, dass die Präzision des Pendels noch zu wünschen übrig lässt: In zehn Sekunden schwingt es fast elf Mal. Sie finden das Pendel zu kurz. „Kannst du das Pendel besser, also noch genauer machen?“ Colin erklärt: „Wenn du ein langes Pendel bastelst und stoppst, wie lange es für eine Schwingung braucht, und wenn es dann – sagen wir mal – zwei Sekunden braucht, könntest du die Länge des Pendels abmessen und sie halbieren. Dann hättest du genau die richtige Länge.“ Herr Hammond meint ebenfalls, dass das eine gute Idee sei, und schlägt Colin vor, es einmal auszuprobieren. Colin bastelt ein Pendel mit einer Länge von einem Meter und misst zunächst die Dauer von zehn Schwingungen, um dann die Dauer einer Schwingung zu berechnen. Er stellt fest, dass es knapp 20 Sekunden dauert und schließt daraus, dass eine Schwingung zwei Sekunden dauert. Er halbiert die Länge seines Pendels und startet einen neuen Versuch. Zu seiner Überraschung stellt er fest, dass es jetzt 15 Sekunden dauert, d. h. eine Schwingung benötigt 1,5 Sekunden. Er ist verwirrt: „Das kommt mir unlogisch vor.“ „Und jetzt?“, fragt Herr Hammond. „Wie können wir herausfinden, wie sich Länge und Schwingungszeit des Pendels zueinander verhalten?“ Eine Weile sagt niemand etwas. Ein Schüler schlägt schließlich vor, die Schwingungszeit und die Länge des Pendels in einem Schaubild ins Verhältnis zueinander zu setzen. Möglicherweise kam ihm die Idee beim Anblick des Millimeterpapiers. Einige stimmen zu. Dann machen sich die SchülerInnen an die Arbeit. Die Messpunkte legen sie selbst fest. „Wir brauchen mehr Ergebnisse, denn das wird keine gerade Linie“, meint Susan. „Warum nicht?“, fragt ein |5 Zwei Unterrichtsstunden im Vergleich Was ist forschendes Lernen? Was ist forschendes Lernen? anderer Schüler. „Weil das 50-cm-Pendel einmal pro Sekunde hätte schwingen sollen. Eine Schwingung dauerte aber 1,5 Sekunden“, erklärt Susan. Die SchülerInnen basteln weitere Pendel unterschiedlicher Länge und zeichnen Kurven. Davon leiten sie ab, dass ein Pendel, das für eine Schwingung exakt eine Sekunde braucht, ungefähr 25 cm lang sein sollte. Sie basteln ein entsprechendes Pendel und freuen sich, dass das Ergebnis stimmt. Abschließend bittet der Lehrer die SchülerInnen, ihren Gedankengang der restlichen Klasse vorzustellen. Die unten stehende Tabelle zeigt einige Unterschiede zwischen den beiden Unterrichtsstunden auf. Welche Unterrichtsstunde halten Sie für wirksamer? „Für mich war das forschende Lernen eine überaus positive Lernerfahrung. Wenn die SchülerInnen etwas auf eigene Faust entdecken dürfen, fallen ihnen Dinge ein, an die ich vielleicht nie gedacht hätte.“ (Luca Gallea, Lehrer aus Malta) Unterricht bei Herrn Hammond Der Lehrer stellt die Fragen, die es zu lösen gilt. Der Lehrer sorgt für einen Impuls und bittet die SchülerInnen zu beobachten, zu beschreiben und Fragen zu stellen. Er weckt ihre Neugier. Der Lehrer gibt jeder Zweiergruppe von SchülerInnen die nötigen Hilfsmittel. Die SchülerInnen suchen sich die Hilfsmittel selbst aus. Es gibt keine Zeit für Vorhersagen und zum Ausprobieren. Fehler und falsche Annahmen werden vermieden. Vermutungen werden offen diskutiert und ausprobiert. Zum Beispiel gehen die SchülerInnen davon aus, dass das Verhältnis zwischen der Pendellänge und der Schwingungsdauer linear ist und testen diese Annahme. Die Aufgabe wird genauso durchgeführt wie es im Lehrbuch steht. Die SchülerInnen haben einen sehr kleinen Entscheidungsspielraum und folgen hauptsächlich Anweisungen. Die SchülerInnen dürfen die Aufgabe mit einem beliebigen Lösungsweg angehen. Auch das Prinzip „Versuch und Irrtum“ ist erlaubt. Sie treffen eigenständige Entscheidungen. Der Lehrer fordert die SchülerInnen auf, die Richtigkeit ihrer Ergebnisse zu überprüfen. Die SchülerInnen überprüfen die Ergebnisse ihrer MitschülerInnen. Der Lehrer gibt hauptsächlich Anweisungen, informiert und bewertet die Arbeit der SchülerInnen. Der Lehrer hinterfragt und regt die SchülerInnen dazu an, selbständig Überlegungen anzustellen. Die SchülerInnen präsentieren ihre eigene Arbeit und bewerten die Arbeit der anderen. * Teilweise wurden die Namen der Lehrkräfte aus Gründen des Datenschutzes verändert. Die echten Namen sind der Redaktion bekannt. Foto: Daniel Aguirre 6| Unterricht bei Herrn Shaw |7 Was ist forschendes Lernen? Der Unterricht von Herrn Shaw weist zahlreiche Eigenschaften herkömmlichen Schulunterrichts auf. Der fungiert als Wissensvermittler und gibt Anweisungen. Die SchülerInnen nehmen eine passive Rolle ein: Sie sollen Arbeitsanweisungen befolgen, faktisches Wissen aufnehmen und eine bestimmte Vorgehensweise durch deren wiederholte Ausführung üben. In Herrn Hammonds Unterrichtsstunde hingegen wird die Wichtigkeit der aktiven Teilnahme der SchülerInnen deutlich: Sie stellen Fragen, treffen Entscheidungen, denken sich Versuche aus, stellen Prognosen auf, probieren alternative Lösungsstrategien, diskutieren, arbeiten zusammen, überprüfen die Arbeit der MitschülerInnen, ziehen Schlüsse und teilen ihre Ergebnisse mit. Der Lehrer bleibt nicht im Hintergrund und spielt nicht nur eine Moderatorenrolle, sondern nimmt aktiv am Geschehen teil, stellt Fragen und regt Was ist forschendes Lernen? die SchülerInnen dazu an, selbständig Überlegungen anzustellen und ihre Gedankengänge zu erläutern. Beim forschenden und entdeckenden Lernen geht es nicht allein um die Verwendung neuer Aufgabenstellungen. Es geht auch nicht um das praktische Experimentieren. Natürlich müssen die Aufgaben und Materialien es den SchülerInnen ermöglichen, selbständig zu entscheiden und zu arbeiten, aber das allein ist noch keine Garantie dafür, dass die SchülerInnen forschend lernen. Vielmehr geht es um eine spezifische Sichtweise auf das Lernen, die zu einer neuen Lernkultur im Unterricht führt. Das hier gezeigte Schaubild ist ein Versuch, das Konzept des forschenden Lernens über seine Lernziele, die Lernkultur im Unterricht, die Lernumgebung und die Rollen von Lehrkräften und SchülerInnen zu charakterieren: Wichtige Zielsetzungen SchülerInnen • Forscherdrang • lebenslanges Lernen • Verständnis des Wesens von Mathematik und Naturwissenschaften • stellen Fragen • forschen: entwickeln Interesse, untersuchen, präsentieren, evaluieren • arbeiten zusammen Lernkultur LehrerInnen • gemeinsames Ziel und geteilte Verantwortung • Wertschätzung aller Beiträge, auch der Fehler • dialogisch • knüpfen an Erfahrungen der SchülerInnen an • wertschätzen Schüleräußerungen • fördern und unterstützen Schüleraktivitäten Dieses Verständnis eröffnet eine ganze Reihe von Möglichkeiten, forschendes Lernen in den täglichen Unterricht einzubinden: von kurzen und einfachen Aufgaben, bei denen vielleicht nur ein einziges Element des forschenden Lernens zum Tragen kommt, bis hin zu größeren und komplexeren Aufgaben, bei denen die SchülerInnen den gesamten Kreislauf des forschenden Lernens durchlaufen (Erkundung der Situation, Planung der Untersuchung, systematisches Experimentieren, Interpretation und Bewertung der Ergebnisse, Kommunikation und Präsentation). Im forschenden Stil zu unterrichten bedeutet, den SchülerInnen aktives Lernen zuzutrauen; darauf zu vertrauen, dass sie lernen können, interessante Antworten auf gegebene Fragestellungen zu finden, dass sie lernen können, eine Situation auf eigene Faust zu erkunden, ihre Ergebnisse vorzustellen und ihre Vorgehensweise zu begründen. „Ich erinnere mich noch an die allererste Unterrichtsstunde. Viele SchülerInnen haben gefragt: ‚Und jetzt? Was soll ich jetzt machen?‘ Das kommt inzwischen praktisch gar nicht mehr vor. Vor kurzem habe ich ihnen die Aufgabe zum Goldenen Rechteck gegeben. Ich habe gar nichts weiter dazu erklärt, einfach das Blatt ausgeteilt und gesagt: ‚Das ist wieder eine dieser Problemlöseaufgaben, seht sie euch mal an‘. Sie meinten nur: ‚Ok, machen wir. Los geht’s!‘“ (Euan Saunders, Lehrer aus England) Forschendes und entdeckendes Lernen heißt nicht, dass mathematische und naturwissenschaftliche Inhalte vernachlässigt werden – ganz im Gegenteil. Wir gehen nämlich davon aus, dass die SchülerInnen durch forschendes Lernen Fähigkeiten entwickeln, die ihr Verständnis auf inhaltlicher Ebene fördern und vertiefen. Lernumgebung • offene Fragestellungen mit mehreren Lösungswegen • authentisch und/oder wissenschaftlich relevant • bedeutsam für die Lernenden Abbildung 1: Vielschichtiges Verständnis des forschenden und entdeckenden Lernens 8| |9 Warum forschendes und entdeckendes Lernen? Warum forschendes und entdeckendes Lernen? Um den SchülerInnen diese Denkprozesse näher zu bringen, müssen die Lehrkräfte von den herkömmlichen Schulbuchaufgaben, bei denen das Abfragen von Grundwissen und das Einüben von Routinen überwiegen, absehen. Die Lehrkraft muss Situationen schaffen, die genügend Denkanstöße geben und authentische Fragen aufwerfen, die für die SchülerInnen greifbar und gleichzeitig anspruchsvoll genug sein sollten. In dieser Broschüre finden Sie zahlreiche Beispiele, die sich für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht in der Grundschule oder in der Sekundarstufe eignen. Neuer didaktischer Ansatz „Für mich geht es beim forschenden Lernen im Kern darum, dass bestimmte Aufgabenstellungen ohne oder mit so wenig fremder Hilfe wie möglich bearbeitet werden können. Sind die Kinder frei, selbständig zu denken, können sie lernen kooperativ zusammenzuarbeiten und die Ideen anderer Kinder einzubeziehen.“ (Zsófia Borbás, Lehrerin aus Ungarn) 10 | Was bedeutet forschendes Lernen für die LehrerInnen? Wahl geeigneter Aufgaben Die Umstellung von der reinen Wissensvermittlung zum forschenden Lernen bedeutet, dass sowohl die SchülerInnen als auch die Lehrkräfte sich an eine neue Art des Lernens bzw. Lehrens gewöhnen müssen – was anfangs durchaus eine Herausforderung sein kann. Wozu also das Ganze? In unserer modernen, sich rasant entwickelnden Gesellschaft reicht es zur Vorbereitung der SchülerInnen auf ihre Zukunft nicht mehr aus, sie mit Faktenwissen zu versorgen. Welches Wissen in den nächsten Jahren gefragt sein wird, ist nur schwer absehbar. Was wir allerdings jetzt schon wissen ist, dass Arbeitgeber auch in Zukunft von ihren Mitarbeitern erwarten werden, dass sie in der Lage sind, Probleme außerhalb des Regelfalls zu lösen, Daten zu analysieren, Dinge mit ihren Kollegen zu besprechen, ihre Ergebnisse zu kommunizieren und selbständig zu arbeiten. Wo sollen sich die SchülerInnen diese Fähigkeiten aneignen, wenn nicht in der Schule? Das forschende und entdeckende Lernen unterstützt die SchülerInnen bei der Entwicklung genau dieser Fähigkeiten. Was bedeutet forschendes Lernen für die LehrerInnen? Aus didaktischer Sicht ist die Umstellung vom Ansatz der Wissensvermittlung, bei dem die Erklärungen, Beispiele und Übungen der Lehrkraft dominieren, hin zu einem kooperativen Ansatz erforderlich, bei dem die SchülerInnen gemeinsam an Aufgaben arbeiten, die sie als sinnvoll und herausfordernd erleben. Die Lehrkraft nimmt eine veränderte Rolle ein, charakterisiert durch: konstruktive Nutzung des Vorwissens der SchülerInnen, Herausforderung und Inspiration der SchülerInnen durch entsprechende Fragen, Moderation von Diskussionen in kleinen Gruppen und mit der ganzen Klasse, Förderung der Diskussion alternativer Standpunkte und Unterstützung der SchülerInnen bei der Zusammenführung unterschiedlicher Ideen. Schaffung einer günstigen Lernatmosphäre Die Atmosphäre im Unterricht ist ein entscheidender Faktor für erfolgreiches forschendes Lernen. Es sollte eine Kultur herrschen, in der nicht eine wissende Autoritätsperson im Vordergrund steht, sondern die Ideen aller respektiert und akzeptiert werden, wenn sie durch Nachweise und logische Überlegungen begründet werden können. In einer solchen Atmosphäre werden Fehler zu Lernchancen, jeder fühlt sich für den Unterricht verantwortlich und alle haben ein gemeinsames Ziel. „Seit ich vom Konzept des forschenden Lernens gehört habe, hat sich meine Art des Unterrichtens geändert. Nicht der Lehrer, sondern die SchülerInnen stehen im Mittelpunkt. Ich habe festgestellt, dass die SchülerInnen mit mehr Spaß an die Sache herangehen, wenn sie eine aktive Rolle übernehmen dürfen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die SchülerInnen im Mittelpunkt des Lehr- und Lernprozesses stehen. Vorher sah ich mich selbst als den Fachmann und die SchülerInnen als Empfänger. Meine Aufgabe war es, die Empfänger mit Wissen zu füllen. Ich sah Wissen als etwas Absolutes an, etwas, das sich nicht hinterfragen lässt. Jetzt sehe ich das anders. Die SchülerInnen dürfen alles hinterfragen und in kleinen Gruppen besprechen, wie sie eine bestimmte Aufgabe angehen möchten.“ (Gabriel Abela, Lehrer aus Malta) Wie lernen Lehrkräfte, im forschenden Stil zu unterrichten? Wie lernen Lehrkräfte, im forschenden Stil zu unterrichten? Wie lernen Lehrkräfte, im forschenden Stil zu unterrichten? Die Umstellung auf einen forschenden Unterrichtsstil wirft zahlreiche didaktisch-methodische Fragen auf: • • • • • Wie kann ich meine SchülerInnen dazu anregen, selbständig Fragen zu stellen und ihnen nachzugehen? Wie kann ich den SchülerInnen dabei helfen, sich auf sinnvolle Weise mit diesen Fragen auseinanderzusetzen? Was mache ich, wenn die SchülerInnen nicht weiterkommen – wie greife ich ein, ohne die Oberhand zu übernehmen? Wie kann ich den SchülerInnen beibringen, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen? Wie steht es mit dem Lernen von Begriffen und Inhalten? Man kann von den SchülerInnen schließlich nicht erwarten, dass sie mathematische oder naturwissenschaftliche Konzepte von sich aus neu erfinden! 12 | In den Fortbildungsmaterialien werden diese und ähnliche Fragen Schritt für Schritt angegangen. Es gibt sieben Module, wobei jedes Modul sich in drei Phasen gliedert: Erleben, Implementieren und Reflektieren. In der ersten Phase analysieren die LehrerInnen ihre eigene Unterrichtspraxis, sehen sich Video-Clips zu unterschiedlichen Unterrichtsansätzen an, erörtern die entsprechenden didaktisch-methodischen Ideen und bereiten eine Unterrichtsstunde vor. In der zweiten Phase geht es darum, die verschiedenen Ideen im Unterricht auszuprobieren. Die dritte Phase (in der Regel am folgenden Fortbildungstag) bietet Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und zur Reflexion, wobei die eigenen Erfahrungen zu den Fortbildungsinhalten in Beziehung gesetzt werden. Die untenstehende Tabelle gibt einen Überblick über die einzelnen Module. 1. Forschungsfragen entwickeln In diesem Modul werden verschiedene Phänomene vorgestellt, zu denen Sie Fragen stellen und Fragen selbst nachgehen sollen. Sie erfahren also selbst, wie es ist, wie ein Mathematiker oder Naturwissenschaftler zu denken, und können später eine ähnliche Übung mit Ihren SchülerInnen durchführen und über die Ergebnisse reflektieren. Welche Fragen fallen Ihnen beispielsweise zu diesem Foto ein? Foto: cc-by-sa Thesupermat, Wikimedia Commons Innerhalb des Projekts PRIMAS wurden Materialien für Lehrerfortbildungen entwickelt. Die Materialien sind sowohl für Fortbildungskurse konzipiert als auch für das Selbststudium von LehrerInnen in einer Gruppe. Alle Fortbildungsunterlagen finden Sie auf der PRIMAS-Website: www.primas-project.eu bzw. http://primas.ph-freiburg.de. 2. Unstrukturierte Aufgaben meistern. Dieses Modul regt Sie dazu an zu reflektieren, welche Entscheidungen Sie für Ihre SchülerInnen treffen, wenn Sie ihnen eine strukturierte Aufgabe stellen. Strukturierte und unstrukturierte Versionen derselben Aufgabe werden miteinander verglichen und es wird erörtert, welche Anforderungen und Herausforderungen unstrukturierte Aufgaben im Unterricht mit sich bringen. Sie können die unstrukturierte Version einer Lehrbuchaufgabe im Unterricht testen und anschließend von dieser Erfahrung berichten. 3. Inhalte forschend lernen. Dieses Modul beleuchtet, wie Elemente forschenden Lernens beim Vermitteln mathematisch-naturwissenschaftlicher Inhalte eingesetzt werden können. Zwei Aspekte des Lernens werden häufig voneinander getrennt: einerseits die Vermittlung von Inhalten im Sinne von Fakten und Fertigkeiten, die nachgemacht und beherrscht werden sollen, andererseits die Förderung prozessbezogener Kompetenzen durch Forschen und Entdecken, ohne dass dabei wichtige Inhalte vermittelt werden. Die Integration von Inhalten und Prozessen stellt uns vor hohe didaktisch-methodische Herausforderungen. Hier geht es um Prozesse wie: beobachten und visualisieren, klassifizieren und definieren, darstellen und von einer Darstellung in eine andere übersetzen, Zusammenhänge herstellen, schätzen, messen, quantifizieren, bewerten, experimentieren und Variablen kontrollieren. 4. Fragen stellen und Impulse geben. Dieses Modul beinhaltet eine Reihe von Denkanstößen zu folgenden Themen: Wie sieht eine Frage aus, die die SchülerInnen anregt zu reflektieren, zu überlegen und vernünftig zu urteilen? Wie kann man SchülerInnen dazu animieren, ausführliche und gut durchdachte Antworten zu geben – ohne dass sie Angst davor haben, etwas Falsches zu sagen? Wie können LehrerInnen in einem kooperativen Unterrichtsambiente Schülerinnen durch „lautes Denken“ an das logische Argumentieren heranführen? Wie in den vorhergehenden Modulen versuchen Sie an dieser Stelle, ihr eigenes Fragerepertoire zu entwickeln, und berichten Ihren KollegInnen anschließend von der Erfahrung im Unterricht. 5. In Gruppen arbeiten. Dieses Modul bietet die Gelegenheit, über die Merkmale einer lernfördernden Diskussion von SchülerInnen untereinander nachzudenken: Welche Vorbehalte haben Sie selbst gegen die Einführung von Gruppendiskussionen und wie können sie diese ausräumen? Welche bewährten Methoden gibt es für fruchtbare Schülerdiskussionen? Und welche Rolle spielt die Lehrkraft, wenn sie Schülerdiskussionen initiiert und begleitet? Sie planen und führen eine Unterrichtsstunde mit großem Diskussionsanteil durch und berichten Ihren Kollegen anschließend von dieser Erfahrung. 6. An Vorwissen anknüpfen. In diesem Modul geht es um verschiedene Möglichkeiten der lernbegleitenden Diagnose, um möglichst effektiv an das Vorwissen der SchülerInnen anknüpfen zu können. Folgende Fragen stehen im Vordergrund: Wie können offene Aufgaben zur Leistungsbewertung genutzt werden? Wie kann diese Art der Bewertung das Lernen begünstigen? Welche Arten von Rückmeldung sind für SchülerInnen hilfreich, welche weniger hilfreich? Wie können die SchülerInnen am Bewertungsprozess beteiligt werden? 7. Selbstbewertung und gegenseitige Bewertung. In diesem Modul wird eine Diskussion zu folgenden Themen angeregt: Wie können wir den SchülerInnen dabei helfen, Prozesse des forschenden und entdeckenden Lernens bewusster wahrzunehmen und deren Bedeutung für die Problemlösung zu erkennen? Wie können wir die SchülerInnen dazu bringen, mehr Verantwortung für ihren persönlichen Lernprozess innerhalb des forschenden Lernens zu übernehmen? Wie können wir die SchülerInnen dazu ermutigen, ihre Arbeit gegenseitig zu evaluieren und zu verbessern? | 13 Beispielaufgaben für das forschende und entdeckende Lernen Beispielaufgaben für das forschende und entdeckende Lernen Im Folgenden wird eine Reihe von Beispielaufgaben vorgestellt. Es gibt Aufgaben für die Grundschule und die Sekundarstufe, jeweils aus der Mathematik und den Naturwissenschaften. Die Aufgaben wurden von LehrerInnen in verschiedenen Ländern Europas erprobt, weiterentwickelt und für die Veröffentlichung in der Primas-Aufgabensammlung aufbereitet. Die Autoren schreiben „von Kollegen für Kollegen“ – das ist gemeint, wenn in den folgenden Texten von „wir“ die Rede ist. Zugehörige Arbeitsblätter und eine ausführliche Beschreibung der jeweiligen Aufgabe sind auf der PRIMAS-Website verfügbar. „Die Aufgaben funktionieren wirklich! Ein ganz anderer Unterricht wird möglich... Macht echt Spaß!“ Bei den abgedruckten forschenden Aufgaben geht es nicht nur um die fachlichen Inhalte sondern gleichberechtigt auch um den Erwerb von Kompetenzen wie Abschätzen, Argumentieren, Präsentieren. Beispielaufgaben Schwimmer oder Nichtschwimmer? (N 4-9) ...............................16 Tierspuren (N 4-9, 10-14) ..............................................................20 Geometrie mit Papierstreifen (M 4-9 oder 10-14 ) .....................23 Der Riesenstuhl (M 6-9 oder 10-14) .............................................27 Tiere auf dem Bauernhof (M/N 6-9) ............................................30 Wasserversorgung (M/N 6-9 oder 10-14) ...................................33 Ein Morgen im Zeichen der Mathematik (M 10-14) ...................37 Mehr Kaffee oder mehr Milch? (M 10-14 oder 15-18) ...............40 Keimbedingungen (N 10-14) .........................................................44 Schaukeln aus Eisen (N 10-14) ......................................................47 Kerzenversuch (N 10-14 oder 15-18) ...........................................50 Definiere! (M/N 10-14 oder 15-18) ..............................................53 Algebraische Zahlenpyramiden (M 12-14) ...................................55 Perlen und Formeln (M 15-18) .....................................................58 Kniffeleien mit Papierstreifen (M 15-18) .....................................61 Spielen mit Feldern und Farben (M 15-18) ..................................64 Bitte kühl lagern! (N 15-18) ...........................................................67 Schütteltaschenlampe (N 15-18) ..................................................71 (Marcel Winter, Lehrer aus Deutschland) M = Mathematik Foto: Patrick Bronner Die Aufgabensammlung soll Ideen und Impulse geben und dazu motivieren, eigene forschende Fragestellungen für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht zu entwickeln. Lassen Sie sich inspirieren und von der Kreativität Ihrer SchülerInnen überraschen. 14 | Beispielaufgaben N = Naturwissenschaften Die Ziffer in Klammern gibt die empfohlene Altersgruppe für die Aufgabe an. | 15 Schwimmer oder Nichtschwimmer? (N 4-9) „Der Stein sinkt, weil er noch nicht gelernt hat zu schwimmen.“ „Kann eine Kartoffel schwimmen?“ Wenn sich Ihre SchülerInnen fragen, ob ein Gegenstand im Wasser schwimmen kann oder zu Boden sinken wird, warum manche Gegenstände schwimmen bzw. sinken oder wie man einen Gegenstand baut, damit er schwimmt oder sinkt, dann dürfte Sie diese Aufgabe interessieren. Ziel der Aufgabe ist es, jungen SchülerInnen einen Rahmen zu bieten, in dem sie auf eigene Faust entdecken können, wie sich ein bestimmter Gegenstand im Wasser verhält. Die SchülerInnen sollen erfahren, wie man forschende Fragen nutzen und wie man daraus lernen kann. Gleichzeitig wird die Grundlage für das Verständnis von Kräften, Auftrieb, dem archimedischen Prinzip und Dichte geschaffen. Häufig sind diese Begriffe selbst für ältere Kinder schwer fassbar. Zeitbedarf: ein bis zwei Unterrichtsstunden Didaktisch-methodische Ideen Die SchülerInnen stellen Hypothesen darüber auf, ob bestimmte Gegenstände schwimmen oder sinken, und erklären warum. Dann testen sie, was passiert, wenn sie die Gegenstände aufs Wasser setzen. Der Test besteht aus mehreren Teilen: Beobachtung der Phänomene, Klassifizierung in sinkende und schwimmende Gegenstände, Aufstellung von Hypothesen, 16 | warum ein Gegenstand schwimmt bzw. sinkt, Interpretation der Ergebnisse, Erkennen von Mustern und Zusammenhängen, Dokumentation der Ergebnisse (mündlich oder schriftlich) und Formulierung von Versuchsanordnungen für eine weiterführende systematische Untersuchung. Unsere Aufgabe ist es, die SchülerInnen bei ihren Untersuchungen zu begleiten, aber nicht diejenigen zu sein, die alle Schritte planen. Außerdem müssen wir uns vor Augen halten, dass die SchülerInnen Zeit brauchen, um ihre Ergebnisse zu besprechen, sie mit ihren Hypothesen abzugleichen und über die Fragen nachzudenken: Habe ich richtig vermutet? Warum/ warum nicht? Je nach Alter und Reife der SchülerInnen werden sie verschiedene Hypothesen aufstellen, die meist in Zusammenhang mit dem Gewicht, der Größe, der Form und dem Material des Gegenstands stehen. Dabei ist es sehr wichtig, den SchülerInnen das Gefühl zu vermitteln, dass ihr Beitrag geschätzt wird – egal ob ihre Antwort richtig oder falsch ist. Die Aufgabe erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität, denn die Reichweite der Untersuchungen hängt vom Alter, der Reife und dem Wissensstand der Kinder ab. Dieses Thema wird im Fortbildungsmodul 2: Unstrukturierte Aufgaben meistern ausführlich diskutiert. Der nächste Abschnitt zeigt Erfahrungen aus dem Unterricht mit Fünfjährigen. Die Aufgabe kann mit weiterführenden Fragen auch für höhere Jahrgangsstufen angepasst werden. Erfahrungen aus dem Unterricht Die Aufgabe wurde von Referendaren mit einer Gruppe von Fünfjährigen durchgeführt (Sortland, 2012). Bevor die Kinder die Gegenstände zu Wasser ließen, stellten sie ihre Hypothesen auf. Ein Kind meinte: „Der Klotz ist ja nur aus Holz, also wird er schwimmen.“ Ein anderes Kind aber behauptete: „Nein, er wird sinken, er ist zu schwer!“ Interessanterweise begründete das erste Kind seine Hypothese mit der Art des Werkstoffs (Holz), das zweite mit dem Gewicht („Er ist schwer“). Auffallend war, dass die richtige Vermutung eines Kindes die falsch liegenden Kinder nicht in Verlegenheit brachte, sondern sie zum Nachdenken und erneutem Überlegen animierte. Die Stimmung war so, dass die Kinder „trotz“ ihrer Vermutungen geschätzt und anerkannt wurden. Für eine Unterrichtsatmosphäre, die forschendes Lernen begünstigt, ist dies eine entscheidende Voraussetzung. Sogar höchst unplausible Aussagen wurden nicht abgelehnt: „Menschen können schwimmen und Prinzessinnen können nicht untergehen, oder?“ (sie waren gerade dabei, eine Prinzessinnenpuppe ins Wasser zu legen) oder: „Schau! Sie geht unter! Vielleicht hätte sie eine Schwimmweste gebraucht.“ | 17 Naturwissenschaften Alter: 4-9 Jahre Naturwissenschaften Alter: 4-9 Jahre Schwimmer oder Nichtschwimmer? Schwimmer oder Nichtschwimmer? (N 4-9) Schwimmer oder Nichtschwimmer? (N 4-9) Die Kinder erklärten sich das Phänomen je nach Vorwissen auf dem Gebiet zum Beispiel so: „Diejenigen, die schwimmen, sind oben drauf“ und „diejenigen, die sinken, gehen unter“. Diese Kinder wussten, dass die Bedeutung der Wörter schwimmen und sinken etwas mit der Position des Gegenstandes im Wasser zu tun hat. Ein anderes Kind erklärte: „Der Styroporball schwimmt, weil er stark genug ist“. Die Erklärung bezog sich auf seinen eigenen Schwimmunterricht. Begriffe wie Gewicht und Materialeigenschaften kamen im Laufe der Stunde ebenfalls zur Sprache. Anhand des folgenden Beispiels möchten wir zeigen, auf welche Weise Begriffe wie Volumen, Kräfte und Auftrieb in den Erklärungen der Kinder auftauchten, ohne dass sie explizit benannt wurden. „Das Wasser hilft dem Holzklotz, oben zu bleiben. Es nutzt seine unsichtbaren Kräfte.“ Einer der Referendare schrieb: „Ich habe die Kinder gefragt, ob sie wissen, warum der Wasserspiegel steigt, sobald wir den Ballon nach unten drücken. Jon sagte einfach nur: ‚Das Wasser stieg immer weiter‘. ‚Vielleicht weiß ich, warum!‘, warf Kristin ein, ‚das passiert, weil der Ballon das 18 | Folgende Reflektion eines Referendars über die Gedanken der Kinder gibt vielleicht einen guten Einblick in das Lernergebnis: „Die Kinder haben die Erfahrung gemacht, wie toll es ist, wenn man sich selbst von etwas überzeugt hat. Außerdem erfuhren sie viel über den Zusammenhang zwischen schweren und leichten Gegenständen und deren Verhalten im Wasser. Sie lernten auch, dass das Gewicht allein nicht ausschlaggebend dafür ist, ob ein Gegenstand schwimmt oder nicht, und machten sich die Form der Gegenstände bewusst. Einige große Gegenstände waren zwar schwer, konnten aber dennoch schwimmen. Auch wenn die Kinder falsche Hypothesen aufstellten, so hatten sie Freude daran, ihre Annahme mit eigenen Worten und neu gelernten Ausdrücken über die Schwimmfähigkeit von Gegenständen zu formulieren.“ (Sortland, 2012) Wasser verdrängt!‘“ „Als der Ballon in das Wasser gedrückt wurde“, schrieb die Lehrkraft, „erkannten die Kinder die Kraft des Wassers, den Ball oben zu halten (Auftrieb).“ Der Begriff der Dichte kam im Laufe des Versuchs ebenfalls zur Sprache. In dem Zusammenhang verwendeten die Kinder die folgenden Ausdrücke: • • Viel/wenig Luft im Gegenstand: „Ein Stück Holz kann schwimmen, weil es ganz viel Luft enthält.“ Der Gegenstand ist leichter/schwerer als Wasser: „Die Prinzessinnenpuppe ist schwerer als Wasser.“ Autor: Maria I.M. Febri, Sør-Trøndelag University College (HiST), Trondheim, Norwegen Quelle: Leif Wedøe in L. Wedøe (2005). Fysikkaktiviteter i barnehage og småskole. Cappelen Forlag, Oslo, 45-54. Die Zitate im Abschnitt „Erfahrungen aus dem Unterricht“ stammen aus einem Vortrag von Merete Ø. Sortland: ‘Naturfagomgrep i barnehagen – NatGrep’, gehalten im Rahmen des National Seminar for Science Teacher Educators in Hell, Norwegen, am 16.11.2012. Fotos: Maria I.M. Febri (Verschiedene Gegenstände), Wibeche Anita Døvik (Wird die Kartoffel schwimmen?), Nina Haug Saltnes (Ins Wasser gedrückter Ballon) Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/physik/211-schwimmer-odernichtschwimmer | 19 Naturwissenschaften Alter: 4-9 Jahre Naturwissenschaften Alter: 4-9 Jahre Bei der Bewältigung der Aufgabe durften die Kinder selbst entscheiden, wie sie die Tipps der Lehrkraft (in Form vorsichtig lenkender Fragen) aufgreifen wollten. Einige Kinder fingen an, Nägel an einem Styroporball zu befestigen. Sortland berichtete, dass die Kinder auf folgende Frage neugierig reagierten: „Was glaubt ihr wird mit dem Ball passieren? Wird er mit vielen Nägeln immer noch schwimmen?“ (Sortland, 2012). Die Frage motivierte die SchülerInnen, selbständig weiter zu experimentieren und herauszufinden, ab wie vielen Nägeln der Ball sinken würde. Schwimmer oder Nichtschwimmer? (N 4-9) Tierspuren (N 4-9 oder 10-14) Tierspuren Diese Aufgabe fördert sowohl die Kreativität als auch die Fähigkeit, Beobachtetes zu interpretieren. Ziel ist es, an das Umweltwissen der SchülerInnen anzuknüpfen und zur Nahrungskette überzuleiten. Die Aufgabe hat nicht nur eine richtige Lösung, sondern ganz unterschiedliche. Die Ideen und Vermutungen der SchülerInnen stellen einen guten Ausgangspunkt für das Argumentieren und Diskutieren dar. Zeitbedarf: eine Unterrichtsstunde Ziel dieser Aufgabe ist es, die Beobachtungs-, Interpretations- und Argumentationsfähigkeit der SchülerInnen zu stärken. Die SchülerInnen werden aufgefordert, Vermutungen zu formulieren, was es mit den Spuren auf sich hat. Die Aufgabe unterstützt das forschende Lernen, weil sie Aspekte wie das Erklären, Bewerten und Kommunizieren von Ergebnissen aufgreift. Gleichzeitig wird die Grundlage für das Verständnis von Zusammenhängen in der Umwelt und Wissen über verschiedene Tierarten, Spuren, Nahrungsketten und den natürlichen Wettkampf geschaffen. Häufig finden auch ältere Kinder diese Themen interessant. Je nach Alter und Reife der SchülerInnen werden sie vermutlich unterschiedliche Erklärungen vorschlagen. Die SchülerInnen sollten ausreichend Zeit zur Verfügung haben, sich mit der Aufgabe auseinanderzusetzen und Argumente für ihre Vermutungen vorzubringen. 20 | Was ist hier passiert? Wie viele Tiere waren hier? Was haben sie gemacht? Welche Tiere waren es? Waren sie alle gleichzeitig hier? Als Lehrkräfte spielen wir bei dieser Aufgabe eine besonders wichtige unterstützende Rolle, denn wir müssen die SchülerInnen dazu animieren, selbständig Überlegungen anzustellen, selbständig Fragen zu formulieren und eigene Antworten auf diese Fragen zu finden. Wir sollten die SchülerInnen ermutigen, laut zu denken und zu argumentieren. Außerdem sollten wir genau nachfragen und Beispiele bereithalten, falls sie nicht mehr weiter wissen. Wir unterstützen die SchülerInnen dabei, auf einer höheren Ebene zu denken als bisher. Erfahrungen aus dem Unterricht Diese Aufgabe wurde von Referendaren mit einer Gruppe von Zwölfjährigen bearbeitet. Die SchülerInnen stellten viele gute Vermutungen auf, was möglicherweise passiert war. Die Tatsache, dass es nicht nur eine richtige Antwort gab, war allerdings gar nicht so einfach zu vermitteln. Nach der Unterrichtsstunde sollten die Referendare von ihren Erfahrungen mit dieser Art von Aufgabe und dem forschenden Ansatz berichten. Hier einige Antworten: „Ich denke, diese Aufgaben kommen bei den SchülerInnen gut an. Außerdem müssen sie ihr Wissen hier auf eine neue, ungewohnte Weise einsetzen. Ich habe den Eindruck, dass die SchülerInnen diese Vorgehensweise als sehr motivierend empfunden haben.“ „Es ist wichtig, gut auf die zahlreichen neugierigen Fragen vorbereitet zu sein. Ich habe gemerkt, dass man die SchülerInnen mit dieser Art von Unterricht wirklich faszinieren kann. Die Kinder finden die Aufgabe unterhaltsam, eignen sich neues Wissen an und ganz nebenbei wird auch noch ihr Interesse an den Naturwissenschaften gefördert.“ „Ich habe gesehen, dass forschendes Lernen bei den SchülerInnen sehr gut ankommt und es in der Umsetzung gar nicht so schwierig ist. Es entsteht ein konstruktiver Dialog mit den SchülerInnen und es macht Spaß, ihre Ideen und Erklärungen zu hören.“ | 21 Naturwissenschaften ∙ Alter: 4–9 oder 10–14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 4–9 oder 10–14 Didaktisch-methodische Ideen Tierspuren (N 4-9 oder 10-14) Tierspuren (N 4-9 oder 10-14) „Ich habe gelernt, dass man die Kinder aktiv am Unterricht teilnehmen lassen und ihnen die Möglichkeit geben sollte, die Dinge in eigenen Worten zu erklären. Wenn wir es schaffen, bei den SchülerInnen Neugier und Staunen hervorzurufen, können wir aus dem Unterricht viel mehr machen.“ Geometrie mit Papierstreifen (M 4-9 oder 10-14 ) Geometrie mit Papierstreifen Bei dieser Aufgabe geht es darum, verschiedene geometrische Formen zu erforschen. Die SchülerInnen legen zwei Papierstreifen übereinander und betrachten die Formen, die sich durch die Überschneidung ergeben. Experimentell erzeugen die SchülerInnen verschiedene geometrische Formen und untersuchen ihre Eigenschaften wie z. B. die mögliche Parallelität zweier Seiten, Eigenschaften der Diagonalen und Zusammenhänge zwischen Seitenlängen oder Winkelgrößen. Didaktisch-methodische Ideen Diese Unterrichtseinheit eignet sich für die Grundschule und je nach Komplexität der angesprochenen Lehrplaninhalte auch für die Sekundarstufe I. Die SchülerInnen lernen die Eigenschaften verschiedener Arten von Vierecken kennen und stellen Zusammenhänge zwischen ihnen her. (Vgl. Fortbildungsmodul 3: Inhalte forschend lernen.) Autoren: Eli Munkebye und Ragnhild Lyngved, Sør-Trøndelag University College (HiST), Trondheim, Norwegen Angeregt durch http://www.pbs.org/wgbh/nova/education/activities/2117_ash_01.html Fotos: Anja Strasek (Desierto de Tabernas bei Almería, Andalusien, Spanien) Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/biologie/212-tierspuren 22 | Wenn die ersten Ergebnisse vorliegen oder wenn Sie von Anfang an strukturierter vorgehen möchten, können Sie den SchülerInnen vorbereitete Papierstreifen geben und ihnen bestimmte Fragen stellen. Es ist wichtig, dass die SchülerInnen während der gesamten Dauer der Stunde zwei zentrale Dinge im Auge behalten: (1) die Eigenschaften der Streifen (parallele Seiten oder nicht) und (2) den Winkel, in dem sie übereinandergelegt werden. Je nach Winkel und je nachdem, ob die längeren Seiten der Papierstreifen parallel sind oder nicht, entstehen unterschiedliche Arten von Vierecken. Fortgeschrittene können auch Drei- und Fünfecke bilden, wenn sie die Streifen entsprechend übereinanderlegen. Wenn Sie die Unterrichtseinheit sehr offen gestalten möchten, können die SchülerInnen ihre eigenen Papierstreifen ausschneiden, experimentieren, Fragen stellen, Hypothesen formulieren und Schlussfolgerungen ziehen. Dabei werden Fragen aufkommen wie: Was passiert, wenn ich zwei rechteckige Streifen mit der gleichen (oder unterschiedlicher) Breite übereinanderlege? Wie bastelt man daraus einen Drachen? | 23 Mathematik ∙ Alter: 4-9 oder 10-14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 4–9 oder 10–14 Zeitbedarf: ungefähr zwei Unterrichtsstunden Entstehen eigentlich immer nur Vierecke oder sind auch Dreiecke (oder Fünfecke) möglich? (siehe Fortbildungsmodul 1: Forschungsfragen entwickeln.) Geometrie mit Papierstreifen (M 4-9 oder 10-14 ) Am Ende der Stunde können die SchülerInnen die Eigenschaften der Papierstreifen und den Winkel, in dem sie übereinandergelegt werden, zur Form der entstehenden Schnittfigur in Beziehung setzen und so mögliche Definitionen von Parallelogramm, Trapez und symmetrischem Trapez erschließen. Die Unterrichtseinheit kann auf unterschiedliche Weise erweitert werden. Hier einige Beispiele: Schnell merkten die SchülerInnen, dass sie damit Quadrate bilden konnten und einige entdeckten, dass sich so auch Rauten bilden lassen. Der Lehrer bat die Kinder, in Gruppen zusammenzuarbeiten und zu überlegen, welche Eigenschaften die Streifen haben mussten, damit ein Quadrat entsteht. Nach einigen Überlegungen nannten sie drei Eigenschaften, die auf der Tafel festgehalten wurden: (1) parallele Seiten, (2) gleiche Breite und (3) senkrechter Winkel beim Übereinanderlegen. Erfahrungen aus dem Unterricht Diese Aufgabe wurde mit Viertklässlern einer Grundschule in Atarfe (Granada, Spanien) durchgeführt. Der Lehrer gab an, dass die SchülerInnen schon mit Vielecken, Vierecken und Parallelogrammen zu tun hatten. Deshalb schien die Aufgabe keine große Herausforderung zu sein. 24 | Jetzt wussten die SchülerInnen, wie das Spiel funktionierte und wonach zu suchen war, so dass sie zu weiterer Erforschung übergehen konnten: Könnt ihr andere Formen finden? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine bestimmte Form entsteht? Notiert die Formen, die ihr findet, zusammen mit den Bedingungen in euren Heften. Dennoch dachte er, es sei einen Versuch wert. Der Lehrer stellte das nötige Material bereit: Transparentpapier mit unterschiedlicher Linierung sowie Scheren. Die SchülerInnen sollten Papierstreifen mit parallelen Längsseiten und unterschiedlicher Breite sowie Streifen mit nicht parallelen Längsseiten zurechtschneiden. Anschließend hatten die SchülerInnen Gelegenheit damit zu spielen und ihnen fielen sofort einige Dinge auf. Um sicherzugehen, dass die SchülerInnen die Aufgabe richtig verstanden hatten, bat der Lehrer sie, zwei Streifen mit parallelen Seiten und derselben Breite übereinanderzulegen. Die SchülerInnen arbeiteten in Dreier- oder Vierergruppen und der Lehrer ging von Gruppe zu Gruppe, um den SchülerInnen bei Bedarf durch geschickte Fragen auf die Sprünge zu helfen. Nach kurzer Zeit traten erste Schwierigkeiten auf. Die SchülerInnen fanden es einfach, Rechtecke zu bilden und die Bedingungen für Rechtecke zu nennen; die Bildung von Rauten, Parallelogrammen, Trapezen oder symmetrischen Trapezen sorgte jedoch für Verwirrung. Manche SchülerInnen versuchten sich an einem Schaubild verschiedener Vierecke an der Wand zu orientieren, aber die schematische Darstellung der Viereckarten bot wenig Hilfestellung. | 25 Mathematik ∙ Alter: 4-9 oder 10-14 Mathematik ∙ Alter: 4-9 oder 10-14 1. Verlorene Papierstreifen: Die SchülerInnen erzeugen eine Form durch Übereinanderlegen zweier Papierstreifen und scheiden diese mit einer Schere aus. Dann tauschen sie die ausgeschnittenen Formen untereinander aus und bearbeiten den Auftrag: Dein(e) Mitschüler(in) hat mit zwei Papierstreifen diese Form erzeugt, aber die Papierstreifen verloren. Kannst du die verwendeten Streifen nochmals ausschneiden? 2. Flächeninhalt: Lege zwei Papierstreifen so übereinander, dass die entstehende Form den größtmöglichen (kleinstmöglichen) Flächeninhalt hat. 3. Verdeckte Formen: Durch das Übereinanderlegen von Papierstreifen sind verschiedene Formen entstanden, aber ein Teil der Form ist jeweils verdeckt. Kannst du uns dabei helfen herauszufinden, wie die Form jeweils aussieht? Geometrie mit Papierstreifen (M 4-9 oder 10-14 ) Geometrie mit Papierstreifen (M 4-9 oder 10-14 ) Nach der Erforschungsphase bat der Lehrer die SchülerInnen, den anderen von ihren Ergebnissen zu berichten. Die SchülerInnen sollten erklären, welche Formen sie erkannt hatten und welche Bedingungen dafür gegeben sein müssten, was zu einer höchst interessanten Diskussion über verschiedene Arten von Vierecken und deren Eigenschaften führte. In der nächsten Stunde arbeiteten die SchülerInnen in Gruppen an einem großen Plakat. Ziel war es, die Ergebnisse strukturiert darzustellen. Der Riesenstuhl Große Stühle werden gerne als Werbeträger vor Möbelhäusern verwendet. Mit einem solchen Objekt lässt sich im Unterricht jede Menge Mathematik machen. Die Unterrichtsstunde fängt mit den Fragen der SchülerInnen an: “Wie groß ist der Mensch, der auf diesem Stuhl Platz nimmt?”, “Wie viele normale Stühle passen auf die große Sitzfläche?”, ... Die verschiedenen Fragen werden in Gruppen bearbeitet und von den SchülerInnen gegenseitig korrigiert. Zeitbedarf: ungefähr vier Unterrichtsstunden Didaktischmethodische Ideen Bei der Aufgabe handelt es sich um eine klassische Modellierungsaufgabe. Als Unterrichtseinstieg eignet sich ein Bild mit einem Menschen neben dem Riesenstuhl zum Größenvergleich. In einer ersten Phase werden mathematische Fragen mit der Methode Ich-Du-Wir gesammelt. In Gruppen von drei bis vier Personen erarbeiten die Schülerinnen und Schüler Lösungen zu ihren Fragen. Anhand des Bildes können sie einen Maßstab bestimmen und damit Größenverhältnisse berechnen. Weitere Informationen sind aus dem Alltagswissen zu entnehmen oder können im Internet recherchiert werden. Die Ergebnisse und Rechenwege werden schließlich auf Postern festgehalten. Die Präsentation erfolgt im Rahmen eines Galeriespaziergangs mit Fremd- und Selbstbewertung durch die Schüler. Autoren: José Manuel Escobero und Fco. Javier García, Universität von Jaén, Spanien Fotos: Fco. Javier García Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/213-geometriemit-papierstreifen 26 | | 27 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Mathematik ∙ Alter: 4-9 oder 10-14 Während der Bearbeitung der Aufgabe erkannten wir, dass der Kenntnisstand der SchülerInnen über die geometrischen Formen zu Beginn doch niedriger als erwartet war. Durch den Forschungsprozess gelang es ihnen, ein deutlich besseres Verständnis aufzubauen, Zusammenhänge herzustellen und neue Definitionen zu erarbeiten. Der Riesenstuhl (M 6-9 oder 10-14) Der Riesenstuhl (M 6-9 oder 10-14) Der Riesenstuhl (M 6-9 oder 10-14) Erfahrungen aus dem Unterricht Bericht der Klasse in der Schulzeitschrift: “Unser Mathelehrer hat uns in der ersten Stunde nach den Ferien vom neuen Möbelhaus in Freiburg erzählt. Begeistert war er vor allem vom riesigen roten Stuhl auf dem Parkplatz (typisch Mathelehrer!). Deshalb hat er sich gleich davor fotografieren lassen und uns das Bild in die Schule mitgebracht. Wie winzig der große Lehrer vor diesem Mammutstuhl wirkte! Mit Hilfe des Bildes haben wir uns verschiedene mathematische Fragen zum Stuhl ausgedacht und diese an der Tafel gesammelt. Zum Bestimmen der Lösung haben wir ausführlich gerechnet, logisch begründet und viel über unseren Rechenweg mit anderen Gruppen diskutiert. Die Rechenschritte und die Antwort zu unserer Frage haben wir schließlich auf einem Lösungsblatt aufgeschrieben. Das war ganz schön viel Arbeit! Unseren fertigen Sammelband: „Mathematik rund um den Riesenstuhl“ haben wir schließlich an das Möbelhaus geschickt und wurden vom Geschäftsleiter prompt zum Mittagessen eingeladen.” (Klasse 8a, Friedrich-Gymnasium Freiburg) 28 | Autor und Fotos: Patrick Bronner, Pädagogische Hochschule Freiburg, Deutschland Quellen: Katja Maaß, PRIMAS Workbook: You need maths in life. Heurekas word problems for children ages 8-10, Freiburg 2011, p. 13; Friedrich-Gymnasium Freiburg, Jahresbericht 2012/2013 Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/191-mathe-rundum-den-xxl-stuhl | 29 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Wir wurden schließlich in Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe hat sich eine Frage zum Riesenstuhl herausgesucht. Danach wurde es richtig schwierig: Die Frage musste beantwortet werden! Als Maßstab hatten wir nur das Bild mit dem Mathelehrer vor dem roten Stuhl. Weitere Informationen besorgten wir uns im Internet. Tiere auf dem Bauernhof (M/N 6-9) Tiere auf dem Bauernhof (M/N 6-9) Tiere auf dem Bauernhof bestimmte Farbe festlegen (z. B. Huhn – grün, Kuh/ Rind – blau, Schwein – orange). Dann werden die SchülerInnen gebeten, die entsprechende Anzahl von Zellen (eine Zelle pro konsumiertem Produkt) auf einem Vordruck in der entsprechenden Farbe auszumalen. Danach schneiden sie die Zellen aus und stecken oder kleben sie auf das Balkendiagramm, das am Ende den Gesamtkonsum der Klasse darstellt. Für diese Methode der Datenaufbereitung ist es nicht erforderlich, dass die SchülerInnen den Zehnerübergang beherrschen, denn in der Regel konsumieren sie das gleiche Produkt innerhalb einer Woche nicht öfter als sieben Mal. Vieles, was wir essen und trinken, ist tierischen Ursprungs: Würstchen, Schinken, Eier, Butter, Milch usw. Welche Lebensmittel stammen von welchen Tieren? Welche Rolle spielen diese Produkte in unserer Ernährung? Zeitbedarf: zwei Unterrichtsstunden (mit einer Woche Pause zwischen den Stunden) Die Möglichkeiten, Tiere vom Bauernhof aus nächster Nähe zu erleben, sind für die meisten SchülerInnen, die in großen Städten leben, begrenzt. Manchmal kennen „Stadtkinder“ die Tiere nur aus Büchern, von Fotos oder aus dem Fernsehen. Hin und wieder haben sie vielleicht Gelegenheit, lebende Tiere in einem Zoo oder auf einem Bauernhof zu sehen. Dabei sind die Erzeugnisse dieser Tiere fester Bestandteil unseres Alltags. Stundenverlaufsplan Bei dieser Aufgabe bekommen die SchülerInnen die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit dem Sammeln von Daten, systematischer Beobachtung und der Vorstellung ihrer Beobachtungsergebnisse zu gewinnen. Sie lernen in Gruppen zusammenarbeiten, die Meinung anderer zu respektieren und gemeinsam zu einer Schlussfolgerung zu gelangen. Sie erfahren, wo die Bestandteile unseres Essens herkommen, wie man Daten darstellen kann und wie man Tabellen und Balkendiagramme liest (üblicherweise die allererste Form der Datendarstellung, mit der SchülerInnen dieser Altersgruppe in Kontakt kommen). In der ersten Stunde geht es um die Klassifizierung verschiedener Lebensmittel nach dem Tier, von dem sie stammen. Die Lehrkräfte bringen Lebensmittel (die Unterrichtsstunde kann mit einem gemeinsamen Frühstück in der Klasse verbunden werden) und/ oder Fotos von Eiern, Milch, anderen Milchprodukten (Käse, Joghurt und Butter) und Fleisch (Schinken, Salami usw.) mit und bitten die SchülerInnen, zu jedem Tier und den entsprechenden Produkten ein Plakat zu gestalten. Als Informationsquellen sind sowohl Gespräche untereinander als auch Bücher und das Internet möglich. Am Ende der Stunde stellen 30 | die SchülerInnen ihr Plakat vor. Die Gestaltung der Plakate führt normalerweise zu einer systematischeren Betrachtung des Inhalts. Als Hausaufgabe sollen die SchülerInnen genau darauf achten und festhalten, welche Lebensmittel tierischen Ursprungs sie in der nächsten Woche essen oder trinken. Dabei entscheiden die SchülerInnen selbst, wie sie diese Informationen festhalten. Einige erstellen vielleicht eine Liste mit Produkten in chronologischer Reihenfolge und präsentieren eine „Tabelle mit Rohdaten“. Andere zeichnen vielleicht eine Tabelle mit einer Zeile pro Tier und machen jedes Mal ein Kreuzchen, wenn sie ein Produkt des entsprechenden Tieres zu sich nehmen. Wieder andere verwenden Farben oder Symbole. Zu Beginn der zweiten Stunde (eine Woche später) stellen die SchülerInnen ihre Daten vor und die verschiedenen Erfassungsmethoden werden betrachtet. Im nächsten Schritt sollen die Daten sämtlicher SchülerInnen zusammengeführt und gemeinsam dargestellt werden. An dieser Stelle kann man das Balkendiagramm einführen und für jedes Tier eine Nach Vervollständigung des Balkendiagramms können die SchülerInnen es genau betrachten und ablesen, welches Produkt am seltensten (oder häufigsten) konsumiert wurde, welches Tier die größte Rolle bei der Ernährung spielte usw. Außerdem können weitere Balkendiagramme (z. B. nur für Fleisch oder für alle Produkte zusammen) erstellt werden. | 31 Mathematik / Naturwissenschaften ∙ Alter: 6-9 Mathematik / Naturwissenschaften ∙ Alter: 6-9 Didaktisch-methodische Ideen Tiere auf dem Bauernhof (M/N 6-9) Erfahrungen aus dem Unterricht Die Lehrkraft fand es interessant, die SchülerInnen bei ihrer ersten Projektarbeit in Gruppen zu beobachten. Jedem Kind wurde innerhalb seiner Gruppe eine bestimmte Funktion zugewiesen. Allerdings waren nicht alle Kinder in der Lage, ihre Funktion durchgehend zu erfüllen, was mit ihrem Alter und ihrer mangelnden Erfahrung mit Gruppenarbeit zu erklären ist. Manche SchülerInnen hatten am Anfang Schwierigkeiten mit dem Verständnis und der systematischen Herangehensweise an die Aufgabe. Am Ende aber gelangten alle Gruppen zu einem gemeinsamen Ergebnis. Für die SchülerInnen war die Aufgabe ein gelungener Einstieg und eine erste Erfahrung mit der Erfassung und Darstellung von Daten mithilfe von Tabellen und Balkendiagrammen. Autoren: Dana Strejčková, Janka Melušová, Philosoph-Konstantin-Universität, Nitra, Slowakei Fotos: Dana Strejčková (Klasse), Ernst Vikne (Foto der Kuh) Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/biologie/214-tiereauf-dem-bauernhof 32 | Wasserversorgung Zeitbedarf: vier Unterrichtsstunden Didaktisch-methodische Ideen Bei dieser Aufgabe geht es um die Wasserknappheit, ein ernst zu nehmendes Problem für viele Länder Europas und der ganzen Welt. Im Jahr 2025 wird voraussichtlich die Hälfte der Weltbevölkerung mit Wassermangel konfrontiert sein. Diese Aufgabe ist angelegt auf vier Unterrichtsstunden zu je 40 Minuten. In der ersten Stunde lesen die SchülerInnen Zeitungsartikel zum Thema Wasserknappheit, arbeiten Hintergrundinformationen heraus und beantworten Fragen zum Leseverständnis. Bei Bedarf können Hintergrundinformationen und Fragen an die Lesekompetenz der SchülerInnen angepasst werden. An dieser Stelle kann auch Google Earth eingeführt werden, so dass es in den weiteren Unterrichtsstunden als zusätzliches Hilfsmittel zur Verfügung steht. In den folgenden drei Unterrichtsstunden geht es um das mathematische Modellieren, um die Lösung des Problems und das Festhalten von Ergebnissen. Die Aufgabe ist für die Arbeit in Dreieroder Vierergruppen konzipiert. Zur Dokumentation der Ergebnisse eignet sich zum Beispiel die Form eines Briefes, den jeder Schüler und jede Schülerin schreibt. An den Briefen können wir erkennen, wie die einzelnen SchülerInnen das Problem im Sachzusammenhang verstanden haben und wie ihr Weg zu einer Lösung aussieht. Die SchülerInnen haben im Rahmen dieser Aufgabe die Gelegenheit, sich mit Messen, Größen und einfacher Statistik zu beschäftigen. Außerdem können sie ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse zum Thema Wasser und Überlegungen zum Umweltschutz in den Lösungsweg mit einfließen lassen. | 33 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Mathematik / Naturwissenschaften ∙ Alter: 6-9 Diese Aufgabe wurde mit Erstklässlern einer Grundschule durchgeführt. Es war das erste Mal, dass die SchülerInnen ein Plakat gestalten, gemeinsam an einem Projekt arbeiten und in der Gruppe arbeiten sollten. Die SchülerInnen zeigten großes Interesse an der Aufgabenstellung. Das erste Balkendiagramm zu lesen fiel ihnen ziemlich leicht und die SchülerInnen verstanden das Prinzip sehr schnell. Wasserversorgung (M/N 6-9 oder 10-14) Wasserversorgung (M/N 6-9 oder 10-14) Wasserimport Letzte Woche wurde allen Bewohnern Zyperns ein offizielles Schreiben zur Wassereinsparung zugestellt. Darin sprach der Leiter des zypriotischen Wasserausschusses die Abhängigkeit der Insel von Meerwasserentsalzungsanlagen an und erklärte Folgendes: „Wir entsalzen nicht einfach, ohne die Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Es handelt sich um einen energieintensiven Prozess, der Treibhausgase produziert, für die Zypern finanziell abgestraft wird“. Zypriotische Regierungsvertreter beschlossen kürzlich, einen Vertrag mit einem Nachbarland zu unterzeichnen, nach dem ab Ende Juni zwölf Millionen Kubikmeter Trinkwasser nach Zypern importiert werden sollen. Erfahrungen aus dem Unterricht Bei der Durchführung der Aufgabe mit Neunjährigen haben die SchülerInnen eine Reihe interessanter Modelle entworfen. Sie setzten sich intensiv mit dem Problem der Wasserknappheit auseinander und haben seine Bedeutung richtig erkannt. Die Arbeit mit Computern und vor allem mit Google Earth machte ihnen Spaß. Viele Gruppen verwendeten zur Erkundung der Nachbarländer und deren Landschaftsprofil Computerprogramme. Sie fügten Ortsmarkierungen ein und verwendeten zur Be- rechnung von Entfernungen das „Lineal“. In vielen Gruppen sprachen die Lehrkraft und die SchülerInnen darüber, was ein Kilometer ist und in welchem Verhältnis er zu anderen Maßeinheiten steht. In einigen Gruppen sprachen die SchülerInnen über Ölund Wasserpreise. Die verfügbaren Daten wurden in vielen Gruppen allerdings nicht optimal genutzt. Als Grundlage für die endgültige Auswahl (Libanon) verwendeten sie zwar teilweise die verfügbaren Daten und ihre Berechnungen, lieferten aber selten eine komplette Lösung. Im folgenden Abschnitt wird der Einsatz der Aufgabe in einer Grundschule beschrieben. Normalerweise denken die SchülerInnen in diesem Alter (6-9) eher „eindimensional“, halten z. B. das Land mit dem niedrigsten Wasserpreis oder das Land, das am nächsten liegt, für das beste. Als Lehrkräfte müssen wir die SchülerInnen zur Berücksichtigung aller verfügbaren Daten anregen. Wichtig ist die Formulierung der Ergebnisse, wenn möglich schriftlich, auf jeden Fall aber mündlich. Die SchülerInnen können diese Aufgabe zu dritt oder viert bearbeiten. Zuvor können wir mit der ganzen Klasse qualitative und quantitative Informationen aus dem Text herausarbeiten und diskutieren, wie qualitative Angaben (z. B. die Beschaffenheit der Hafenanlagen) in die Überlegungen einbezogen werden können. Wir können ebenfalls diskutieren, wie verschiedene Variablen (z. B. die Entfernung zwischen Ländern, der Wasserpreis) zusammen betrachtet und gewichtet werden können. Auch Konzepte wie Spannweite oder Mittelwerte (z. B. Mittelwerte der einzelnen Variablen) können inhaltlich in die Diskussion einfließen. 34 | | 35 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Was denkt ihr? Aus welchem Land importiert Zypern wohl sein Wasser? Was vermutet ihr und warum? Danach können die SchülerInnen in Gruppenarbeit anfangen zu planen, wie sich der optimale Wasserlieferant Zyperns am besten ermitteln lässt. Nach der Lösung der Aufgabe verfassen die SchülerInnen einen Brief, in dem sie ihren Lösungsweg erklären. Oder sie gestalten ein Plakat, auf dem sie ihre Ergebnisse erläutern und dokumentieren. Während die SchülerInnen tüfteln, können die LehrerInnen in die Gruppen gehen und die SchülerInnen dazu anregen, die Aufgabe vielschichtiger zu betrachten. Die Aufgabe eignet sich sowohl für die Grundschule als auch für die Sekundarstufe. Die Komplexität der Fragen und Lösungswege hängt von dem Alter und den Fähigkeiten der SchülerInnen ab. Wasserversorgung (M/N 6-9 oder 10-14) Ein Morgen im Zeichen der Mathematik (M 10-14) Natürlich waren auch nicht alle Lösungsansätze erfolgreich. Zwei Gruppen rechneten einfach darauf los und griffen dabei nur teilweise auf die verfügbaren Daten zurück. Eine Gruppe kam zu dem Schluss, dass der Import aus Griechenland aufgrund des niedrigen Wasserpreises die beste Lösung wäre. Ein Morgen im Zeichen der Mathematik Im Gegensatz dazu erstellten die SchülerInnen zweier Gruppen für jede Variable (Entfernung, Ölpreis) eine Rangliste der Länder und bestimmten ihre endgültige Lösung anhand einer mehr oder weniger intuitiven Kombination dieser beiden Variablen. So schlugen sie den Wasserimport aus dem Libanon vor und begründeten ihre Wahl damit, dass die Entfernung zwischen dem Libanon und Zypern die kürzeste ist (das Land stand auf der Rangliste der Variable „Entfernung“ auf Platz eins) und dass der Ölpreis nicht sehr hoch ist (wenn auch laut Rangliste nicht der günstigste) – eine ziemlich raffinierte Lösung. “Was für ein wunderschöner Morgen – und wie viel Mathematik da schon wieder drinsteckt!” Diese Begrüßung einer Klasse kann der Beginn einer mathematischen Aufgabe zum forschenden Lernen sein. Die Schüler sollen zunächst eigene Fragen sammeln, die ihnen zu ihrem typischen Morgen einfallen: “Wie viel Liter und was trinke ich / die Klasse / die Schule jeden Morgen zum Frühstück?”, “Wie viel Zahnpasta verbrauche ich in meinem Leben?” Die verschiedenen Fragen sollen in der Klasse notiert, überprüft und verbessert und dann in kleinen Gruppen bearbeitet werden. Die Ergebnisse werden auf A3-Plakaten vorgestellt. Zeitbedarf: Die Aufgabe wurde sowohl für eine 45-minütige Unterrichtsstunde als auch für eine Unterrichtsreihe von vier bis sechs Unterrichtsstunden verwendet. Didaktisch-methodische Ideen Autor: Nicholas G. Mousoulides, Technische Universität Zypern Fotos: Nicholas G. Mousoulides Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/215wasserversorgung 36 | Die wahrscheinlich schwierigste und interessanteste Phase im Forschungskreislauf ist die Suche nach Problemstellungen des Alltags, die im Rahmen des Unterrichts beleuchtet und gelöst werden können. Dabei sollen die SchülerInnen angeregt werden, Frage- und Problemstellungen zu finden, die sie bislang noch nicht als eine mathematische Aufgabe gesehen hatten. Wertvolle Anregungen zu dieser Arbeitsphase finden Sie im Fortbildungsmodul 1: Forschungsfragen entwickeln. Da es bei dieser Aufgabe hauptsächlich darum geht, Fragen zu stellen, hängt der Erfolg nicht vom mathematischen Vorwissen der SchülerInnen ab. Die SchülerInnen können einzeln, in Zweier- oder größeren Gruppen (zusammen) arbeiten. Sie bekommen durch die Aufgabe Gelegenheit, kreativ zu werden bzw. zu zeigen, wie sie ihre Kenntnisse in verschiedenen mathematischen Bereichen auf alltägliche Situationen anwenden können. | 37 Mathematik ∙ Alter: 10-14 Mathematik ∙ Alter: 6-9 oder 10-14 Wasserversorgung (M/N 6-9 oder 10-14) Ein Morgen im Zeichen der Mathematik (M 10-14) Der Stundenverlaufsplan könnte fünf Stufen vorsehen: 1. Fragen sammeln 2. Informationen beschaffen und rechnen 3. Poster gestalten 4. Galerie-Spaziergang mit Posterpräsentation 5. Selbst- und Fremdbewertung durch Klassenkameraden und Lehrkraft Erfahrungen aus dem Unterricht Um die SchülerInnen zu motivieren, leiten wir die Unterrichtsstunde etwa so ein: „Heute machen wir Mathematik mit dem, was ihr aus eurem täglichen Leben gut kennt. Zunächst schreibt bitte alles auf, was ihr macht, bevor ihr morgens in die Schule geht.“ Euch den Schulweg konkret vor?“ oder „Was würde denn bei einem morgendlichen Stromausfall passieren?“ Wir vermeiden es, die Auswahl und Denkprozesse der SchülerInnen zu beurteilen und versuchen, verschiedenartige Ansätze und kreatives Denken zu fördern. Ein Morgen im Zeichen der Mathematik (M 10-14) Am Ende der Stunde bzw. am Ende der Unterrichtsreihe (falls die Aufgabe „Ein Morgen im Zeichen der Mathematik“ der Auftakt zu einer Unterrichtsreihe ist) stellen die SchülerInnen ihren Klassenkameraden ihre Fragen und Ergebnisse vor. Außerdem bitten wir sie, den Lösungsprozess zu reflektieren und fragen sie nach dem in ihren Augen schwierigsten Schritt. Hier können Sie einige Kommentare der SchülerInnen lesen: • • • • Die Aufgabe mit der Zahnpasta war total cool! Jetzt verstehe ich, wie man mithilfe einer Flasche messen kann, wie viel Wasser innerhalb einer bestimmten Zeit aus dem Hahn läuft. Diese Aufgaben waren so interessant! Können wir ab jetzt alles so lernen? Die Ideen aus der Partnerarbeit werden an die Tafel geschrieben. Die Schüler entscheiden gemeinsam, ob eine Frage als mathematische Frage gilt oder nicht. Dann teilen sich die SchülerInnen in Gruppen auf und wählen zwei Fragen von der Tafel, mit denen sie sich beschäftigen möchten. Wichtig ist, die nötigen Hilfsmittel zur Hand zu haben, die die SchülerInnen beim Messen und Rechnen eventuell benötigen. Falls die SchülerInnen nicht gut vorankommen, versuchen wir, ihnen mit Fragen weiterzuhelfen wie: „Wie stellt ihr 38 | Autoren: Morten Blomhøj, Universität Roskilde, Dänemark; Mikael Skånstrøm, Zoltánné Sápi, Universität Szeged, Ungarn Unterrichtserfahrungen und Fotos: Zoltánné Sápi, Ungarn; Patrick Bronner, Deutschland Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/168-mein-mathematischer-morgen | 39 Mathematik ∙ Alter: 10-14 Mathematik ∙ Alter: 10-14 Dann setzen sich die SchülerInnen in Zweiergruppen zusammen und überlegen gemeinsam, welche mathematischen Fragen sich aus dieser morgendlichen Routine ergeben: „Setzt die ‚mathematische Brilleʻ auf und stellt alle mathematischen Fragen, die euch einfallen.“ Mehr Kaffee oder mehr Milch? (M 10-14 oder 15-18) Mehr Kaffee oder mehr Milch? Wie würde es LehrerInnen und SchülerInnen gefallen, den morgendlichen Mathematikunterricht mit einer Tasse Milchkaffee zu beginnen? Da fehlten dann nur noch die Croissants... Beim Kaffee-und-Milch-Problem machen sich die SchülerInnen Gedanken über die Modellierung einer sehr einfachen, jedoch ebenso kniffligen Situation: Von zwei identischen Gläsern ist eines mit Kaffee und eines mit der gleichen Menge an Milch gefüllt. Dann nimmt jemand mit demselben Löffel genau die gleiche Menge aus dem Glas mit der Kaffee-Milch-Mischung, füllt sie in das Glas mit Kaffee und vermischt es ebenso. Welches Glas enthält mehr von der jeweils anderen Flüssigkeit? Das Kaffeeglas mehr Milch oder das Milchglas mehr Kaffee? Zeitbedarf: zwei Unterrichtsstunden 40 | Didaktisch-methodische Ideen Anstatt mit Kaffee und Milch kann das Problem auch mit Wasser und Wein gestellt werden (siehe PRIMASWebsite) oder mit Öl und Essig, denn es handelt sich um eine sehr offene Aufgabe. Der mathematische Hintergrund des Problems ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Die Aufgabe der SchülerInnen besteht in Hauptsache darin zu entscheiden, welche mathematischen Werkzeuge und Verfahren zielführend sein könnten (siehe Fortbildungsmodul 2: Unstrukturierte Aufgaben meistern). Viele SchülerInnen werden zunächst annehmen, dass mehr Kaffee im Milchglas als Milch im Kaffeeglas ist, aber diese Meinung wird sich bei näherer Betrachtung und einigen Denkexperimenten sehr schnell als falsch herausstellen. Das Problem ist geeignet, um die SchülerInnen in einige grundlegende Fragen der mathematischen Modellierung einzuführen. Wir können mit dieser Aufgabe den Perspektivwechsel von arithmetischem Rechnen zur Algebra anregen und Schlüsselfragen des mathematischen Beweisens ansprechen, beispielsweise die Verwendung grafischer Argumente oder den Wert einzelner Beispiele (z. B. Extremfälle) im Vergleich zu einem allgemeinen Beweis. Eine Lösung mit Buchstaben und Algebra ist der allgemeinste Weg, ein Resultat vollständig und eindeutig zu beweisen. Weit eleganter aber ist ein knapper Beweis in Gestalt eines Denkexperiments, ganz ohne Rechnen. Im Rahmen der Diskussion mit den SchülerInnen können verschiedene mathematische Modelle (graphische, algebraische u.a.) und Beweise formuliert, erörtert und verglichen werden. nen einen Brief an einen Freund oder eine Freundin schreiben, in dem sie versuchen, ihn bzw. sie von ihrer Lösung zu überzeugen. Einen Brief zu schreiben ist ein Weg, sich seiner Gedanken klarer bewusst zu werden und sie zu schärfen. Nach 15-20 Minuten können die SchülerInnen erneut abstimmen (normalerweise sieht das Ergebnis jetzt anders aus), worauf eine Diskussionsrunde folgt. Die SchülerInnen werden gebeten, ihre Argumente und verschiedene Lösungswege vorzutragen, worauf einige MitschülerInnen mit Gegenargumenten antworten werden. Am Ende der Stunde sollte die Lehrkraft die Diskussion dahingehend leiten, dass die verschiedenen Lösungsvorschläge der SchülerInnen bewertet und die wichtigsten Ergebnisse gemeinsam zusammengefasst werden. Es ist wichtig, dass den SchülerInnen genügend Zeit gegeben wird, eigene Herangehensweisen zu entwickeln und verschiedene Lösungswege auszuloten; die algebraische Lösung sollte nicht zu früh angesprochen werden. So können die SchülerInnen die Beweiskraft einzelner Lösungswege und den Wert sowie die Vorund Nachteile der zur Auswahl stehenden Herangehensweisen zunächst untereinander besprechen. Die Aufgabe ist also eine Gelegenheit, wichtige Modellierungs- und Beweisfragen im Mathematikunterricht zu behandeln. Erfahrungen aus dem Unterricht Geben Sie den SchülerInnen anfangs zehn Minuten Zeit, sich ihre eigene Meinung zu dem erwarteten Ergebnis zu bilden. Dann sollten alle SchülerInnen offen abstimmen und wir schreiben die Ergebnisse an die Tafel. Zur Auswahl stehen folgende Antwortmöglichkeiten: „mehr Kaffee“, „mehr Milch“, „andere Lösung“ oder „?“. In der zweiten Phase sollen die SchülerIn- | 41 Mathematik ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Mathematik ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Jemand nimmt einen Löffel Kaffee aus dem ersten Glas, füllt ihn in das Glas mit Milch und vermischt beides. Mehr Kaffee oder mehr Milch? (M 10-14 oder 15-18) Mehr Kaffee oder mehr Milch? (M 10-14 oder 15-18) den, indem der Inhalt des Glases jeweils proportional reduziert wird. Dieses Verfahren führt zu einem grafischen Beweis auf mehr oder weniger fortgeschrittenem Niveau. Eine formelle Variante eines grafischen Modells trat in mehreren unserer Experimente zu Tage. Die SchülerInnen stellten die Flüssigkeit mit Bällen unterschiedlicher Farbe dar, was das Rechnen erleichterte. • Numerische Modelle Die Menge der Flüssigkeit im Glas und auf dem Löffel kann numerisch ausgedrückt werden. Die Menge der Flüssigkeit auf dem Löffel kann ebenfalls durch eine Maßangabe oder aber als Anteil (bzw. Prozentsatz) angegeben werden. Bei korrekter Berechnung führen beide Beispiele zur richtigen Lösung, nämlich, dass die Menge – sowohl die Menge an Kaffee in der Milch als auch die Menge an Milch im Kaffee – in beiden Fällen gleich groß ist. Die Komplexität der Berechnungen in diesem Kontext könnte zu einer falschen Antwort führen und die SchülerInnen, die davon überzeugt sind, dass die Menge an Kaffee in der Milch größer ist als die Menge an Milch im Kaffee, könnten ihre Berechnungen unbewusst verzerren, um ihr Ergebnis zu beweisen. • Grafische Modelle Eine andere Möglichkeit ist es, zwei Gläser zu zeichnen und für jede Phase des Experiments die darin enthaltene Flüssigkeit abzubil- 42 | • Modelle mit Buchstaben Algebraische Modelle können mit numerischen oder grafischen Modellen kombiniert werden. Einen Gegenstand mit einem Buchstaben auszudrücken wird häufig als mathematische Kompetenz betrachtet. Die Verwendung von Buchstaben macht Sinn, wenn diese sich auf die zunächst unbekannte Menge an Flüssigkeit in dem Glas oder auf dem Löffel beziehen (die Parameter der Situation), wobei letztere entweder als absoluter Wert oder als Anteil angegeben werden kann. Im Folgenden stellen wir einen kurzen Beweis vor, bei dem Q die Menge an Kaffee und Milch im Glas vor der Vermengung und q die Menge der Flüssigkeit auf dem Löffel darstellt. Die Tabelle enthält die Menge der jeweiligen Flüssigkeit in den einzelnen Gläsern in den verschiedenen Phasen des Experiments: • Extremfälle Ein Extremfall tritt zum Beispiel dann ein, wenn der Löffel so groß ist wie das Glas und damit der erste Löffel das Glas mit Kaffee vollständig entleert. In diesem Fall ist es einfach zu sehen, dass jedes Glas am Ende zur Hälfte mit Milch und zur Hälfte mit Kaffee gefüllt ist. Umgekehrt könnte man sich auch vorstellen was passiert, wenn der Löffel leer ist und damit der Inhalt in den beiden Gläsern unverändert bleibt. Beide Fälle sind unrealistisch, führen aber ohne langen Rechenweg zur richtigen Lösung. Die SchülerInnen, die so argumentieren, haben mit großer Wahrscheinlichkeit ein sehr gutes Verständnis für mathematische Modellierung. Milch in Glas A Kaffee in Glas A Milch in Glas B Kaffee in Glas B Phase 0 0 Q Q 0 Phase 1 0 Q-q Q q Phase 2 Qq/(Q+q) Q2/(Q+q) Q2/(Q+q) Qq/(Q+q) Autor: Jean-Luc Dorier, Universität Genf, Schweiz Fotos: Isabelle Descombes Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/188wasser-oder-wein | 43 Mathematik ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Mathematik ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Beim Experimentieren mit dieser Aufgabe haben die SchülerInnen eine Reihe von Lösungsstrategien verfolgt, die verschiedenen mathematischen Modellen entsprechen: Mehr Kaffee oder mehr Milch? (M 10-14 oder 15-18) Keimbedingungen (N 10-14) Keimbedingungen (N 10-14) Conditions of germination Bei dieser Aufgabe experimentieren die SchülerInnen nicht selbst. Stattdessen forschen sie auf der Grundlage einer Datensammlung in Gestalt von Versuchstagebüchern, in denen andere SchülerInnen Keimungsversuche unter verschiedenen Bedingungen protokolliert haben. Die Aufgabe besteht darin, durch die Analyse dieser Protokolle innere und äußere Bedingungen für die Keimung herauszufinden. Die SchülerInnen arbeiten in Gruppen und werden durch Forschungsfragen geleitet. Zeitbedarf: ein bis zwei Unterrichtsstunden Didaktisch-methodische Ideen Die Aufgabe passt in eine Unterrichtsreihe zur Pflanzenentwicklung. Die SchülerInnen sollten Vorkenntnisse im Bereich Pflanzenwachstum sowie über Früchte und Samen bzw. Samenbestandteile besitzen. Das logische Denkvermögen und die Kreativität der 44 | Wir Lehrer spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Forschungsfragen zu formulieren, geeignete Bedingungen für die Schüleraktivitäten zu schaffen, die Gruppenarbeit zu moderieren und die Aufstellung allgemeiner Schlussfolgerungen und Regeln anzuleiten. Insbesondere für die Phase, in der mögliche Forschungsfragen gesucht und bewertet werden, ist das Fortbildungsmodul 1: Forschungsfragen entwickeln hilfreich. Versuchstagebuch von Peti: 1. Woher stammen die Samen? Ich habe Kürbissamen im Laden gekauft. Ich habe eine große Gurke aus unserem Garten genommen. Ich habe getrocknete Erbsen von meiner Mutter bekommen, die sie letztes Jahr geerntet hatte. Auf dem Speicher hatten wir noch Weizenkörner. 2. Wie wurden die Samen aus der Frucht entfernt? Ich musste nur die Samen aus der Gurke herausnehmen. Ich habe sie mit einem ziemlich großen Löffel herausgekratzt. 3. Wie und worin wurden die Samen für die Keimung vorbereitet? Ich habe ein Stück Stoff mit Wasser angefeuchtet und vier kleine Stücke herausgeschnitten und darauf die Samen gelegt. Die Stoffstücke mit den Samen habe ich in leere Joghurtbecher getan und auf die Fensterbank gestellt. Der Versuch mit den Erbsen ist ausgetrocknet, weil ich vergessen hatte, Wasser darauf zu gießen. 4. Was hast Du nach 6 Tagen beobachtet? Der Kürbis und der Weizen haben angefangen zu wachsen, aber die Erbsen und der Gurkensamen haben nicht gekeimt. Hier sind einige Beispiele für eine übergeordnete Fragestellung, um den Forschungsprozess anzustoßen: Was könnte der Grund dafür sein, dass nicht alle Samenkörner gekeimt haben? Sammelt und verallgemeinert die Bedingungen, die für den Keimungsprozess vorliegen müssen. Vergleicht Eure Beobachtungen mit denen in Biologiebüchern. Findet heraus, warum manche Samenkörner Keimhemmer enthalten. Formuliert weitere Fragen für weitere Untersuchungen. | 45 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 SchülerInnen sind gefragt, wenn sie Methoden zur Analyse von Daten erarbeiten, Daten miteinander in Beziehung setzen, aus Einzelergebnissen Schlüsse ziehen, Zusammenhänge entdecken und allgemeine Beobachtungen formulieren. Dies ist eine Art induktiven Lernens. Die SchülerInnen eignen sich anhand der Versuchsprotokolle wissenschaftliche Forschungsmethoden an. Sie lernen, wie wichtig es ist, in der wissenschaftlichen Forschung Beobachtungen präzise festzuhalten. Zu Beginn der Unterrichtsstunde werden den SchülerInnen eine Beschreibung der Situation und fünf Protokolle von Keimungsversuchen gezeigt, wie zum Beispiel dieses: Keimbedingungen (N 10-14) Die Aufgabe kann auf zwei verschiedene Arten durchgeführt werden. Zum einen können die SchülerInnen zu viert oder fünft in heterogenen Gruppen zusammenarbeiten, wobei jede Gruppe nur eines der fünf Versuchstagebücher analysiert. Die Schlussfolgerungen werden dann mit der ganzen Klasse diskutiert. Bei der anderen Herangehensweise werden zwei Unterrichtsstunden benötigt. Hier arbeiten die SchülerInnen in homogenen Gruppen zusammen, wobei jede Gruppe alle fünf Berichte analysiert und die Diskussion mit Schlussfolgerungen in der Gruppenarbeitsphase geschieht. Danach berichten die Gruppen ihre Ergebnisse in der Klasse. Zum Schluss vergleicht die ganze Klasse die (verschiedenen) Schlussfolgerungen und verallgemeinert sie. Die Aufgabe wurde nach der zweiten Herangehensweise in einer Doppelstunde (90 Minuten) erprobt. Ein Schüler aus jeder Gruppe stellte den Lösungsweg vor, den die Gruppe gewählt hatte. Die Diskussion der Lösungswege und -strategien fand in der zweiten Unterrichtsstunde statt. Die Gruppen verfolgten jeweils recht unterschiedliche Lösungsstrategien. Eine Gruppe erstellte eine Tabelle, in der die Variablen zusammengefasst waren; eine andere hob die relevanten Informationen mit Textmarker hervor. Eine dritte Gruppe teilte die Aufgabe in Unteraufgaben ein und jeder der Schüler übernahm eine bestimmte Rolle. Die Werte der Variablen zu analysieren und die Schlussfolgerungen zu formulieren war nicht einfach. Leichter fiel es den SchülerInnen, die Wirkung des Wassers und die Keimfähigkeit der Samen zu beschreiben. Die Frage nach dem Einfluss von Licht, Temperatur und Keimhemmern wurde erst nach Untersuchung der Ergebnisse mehrerer Versuchstagebücher beantwortet. Im Fall des Keimhemmers war ein Impuls durch die Lehrkraft notwendig. Um weiterführende Fragen zu beantworten, lasen die SchülerInnen Biologielexika und populärwissenschaftliche Bücher, die die Lehrkraft ihnen zur Verfügung stellte, oder sie recherchierten im Internet. Man konnte sehen, dass das forschende Lernen den SchülerInnen Spaß machte. Während der Arbeit an den Aufgaben dachten die SchülerInnen auch über Probleme in ihrer Umwelt nach, mit denen sie selbst konfrontiert waren oder über die sie von ihren Eltern oder Großeltern gehört hatten. Warum diese Probleme entstanden waren, versuchten sie zunächst in kleinen Gruppen zu beantworten und kamen später noch einmal darauf zurück, nachdem die Aufgabe mit der ganzen Klasse besprochen worden war. So konnten sie die Antworten, die sie sich zuvor gegenseitig gegeben hatten, korrigieren und vervollständigen. Autoren: Erzsébet Antal, Tünde Kontai, Szegedi Tudomanyegyetem, Ungarn Unterrichtserfahrungen und Fotos: Tünde Kontai Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/biologie/216keimbedingungen 46 | Schaukeln aus Eisen Didaktisch-methodische Ideen Innerhalb dieser Aufgabe können die SchülerInnen diskutieren, planen, beobachten, erklären, bewerten, vorhersagen, kommunizieren und ihr eigenes Lernen aktiv gestalten. Unsere Aufgabe als Lehrkräfte besteht darin, die Interaktion in der Gruppe zu moderieren und die SchülerInnen dazu zu motivieren, ihre Ideen auszutauschen und auf Stichhaltigkeit zu prüfen. Diese unstrukturierte Aufgabe kann dazu herangezogen werden, mit den SchülerInnen das Rosten von Eisen und damit verbundene Vorgänge zu erarbeiten. Zunächst tragen die SchülerInnen in einer Gruppenarbeit mögliche Bedingungen zusammen, die vermutlich Rost hervorrufen. Danach planen sie einen entsprechenden Versuch und führen diesen durch. Wenn die Aufgabe bearbeitet wird, bevor die Bedingungen für die Rostbildung in der Klasse besprochen werden, können die SchülerInnen ihre eigenen Erfahrungen nutzen und ihre Vorstellung des Phänomens auf die Probe stellen. Diese Aufgabe gibt den SchülerInnen Gelegenheit, die Situation zu ergründen, systematisch zu planen, zu forschen und Ergebnisse zu interpretieren und zu bewerten. Dass die SchülerInnen die Bedingungen für die Rostbildung bereits kennen, ist nicht Voraussetzung für die Bearbeitung der Aufgabe. Idealerweise sollten sie aber die Zusammensetzung der Luft kennen und mit den Eigenschaften von Wasser als Lösemittel (z. B. von Sauerstoff in der Luft) vertraut sein. Wenn die SchülerInnen über dieses Wissen noch nicht verfügen, können sie es sich im Rahmen der Ergebnisbesprechung aneignen. Zeitbedarf: drei Unterrichtsstunden | 47 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 Erfahrungen aus dem Unterricht Schaukeln aus Eisen (N 10-14 ) Schaukeln aus Eisen (N 10-14 ) Schaukeln aus Eisen (N 10-14 ) Ein möglicher Stundenverlaufsplan sollte drei Unterrichtsstunden vorsehen: eine für die Planung, eine praktische zur Vorbereitung des Versuchs und eine Nachbereitungsstunde (etwa eine Woche später) zum Zusammenfassen, Interpretieren und Auswerten der Ergebnisse. Erfahrungen aus dem Unterricht In der ersten Unterrichtsstunde wird der Klasse die Aufgabe geschildert: Werden beide Schaukeln rosten? Wodurch rostet Eisen? Überlegt euch einen Versuch, den ihr im Labor durchführen könnt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen Eisen rostet. Die SchülerInnen arbeiten in Gruppen und besprechen die Aufgabe. Sie sollen ihre Erfahrungen und bereits erworbenes Wissen in die Diskussion einbeziehen, um Hypothesen aufzustellen. Danach erfolgt eine Diskussion mit der ganzen Klasse. Unsere Aufgabe besteht darin, verschiedene Meinungen zu sammeln und die Schüler dazu aufzufordern, ihre Argumente zu erklären. In dieser Phase ist es besser, die Antworten weder zu kommentieren noch zu bewerten, sondern ausschließlich Meinungen zu sammeln, Erklärungen einzufordern und die Diskussion anzuregen. Die wichtigsten Punkte, z. B. die Ursachen für Rostbildung, können an der Tafel für alle sichtbar aufgelistet werden. Mögliche Antworten: • • • • • Die Schaukel auf dem Spielplatz am Meer rostet, aber die auf dem anderen Spielplatz nicht. Die Schaukeln auf beiden Spielplätzen rosten, aber die eine rostet schneller. Die Schaukeln auf beiden Spielplätzen rosten im selben Ausmaß. Damit sich Rost bildet, ist nur Wasser nötig. Salz oder Sprühnebel vom Meer verursacht Rost. In der zweiten Unterrichtsstunde werden den SchülerInnen die Instrumente und das Material zur Verfügung gestellt, das sie laut ihrem Versuchsplan benötigen, und sie bereiten den Versuch vor. Wenn die SchülerInnen einzelne Variablen außer Acht lassen, kann die Lehrkraft einen eigenen Versuch aufbauen und bei der Abschlussdiskussion vorführen. In der dritten Unterrichtsstunde werten die SchülerInnen die Versuchsergebnisse aus und diskutieren die Ausgangsfrage: Wodurch rostet Eisen? Werden die Schaukeln auf beiden Spielplätzen rosten? Animieren Sie die SchülerInnen dazu, ihre Argumente zuerst in Kleingruppen zu erläutern. Danach folgt eine Diskussionsrunde mit der ganzen Klasse, in der jede Gruppe ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen vorstellt. In dieser Phase können wir die Ideen und Schlüsse der SchülerInnen auch in Frage stellen. Die Bedingungen, von denen sie ausgegangen sind, können wir mit denen in der Praxis vergleichen (Wasser, das an der Luft stand, ist wie Wasser plus Luft). Alternativ können wir die Ergebnisse eines Versuchs präsentieren, bei dem Bedingungen vorlagen, an die die SchülerInnen nicht gedacht hatten (ein Stück Eisen wird in abgekochtes Wasser gelegt, das durch eine Ölschicht von der Luft abgeschlossen ist; Eisen in trockener Luft). Die SchülerInnen bewerten nun die von ihnen angewandten Verfahren und machen Verbesserungsvorschläge. Zum Abschluss der Unterrichtsstunde kann auf der Basis der daraus gezogenen Schlüsse besprochen werden, wie man Rost vorbeugen kann. Autor: Josette Farrugia, Universität Malta Fotos: James Calleja Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/chemie/217schaukeln-aus-eisen 48 | | 49 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 An verschiedenen Orten im Land wurden auf Spielplätzen neue Schaukeln angebracht. Eine Schaukel wurde auf einem Spielplatz am Meer aufgestellt, eine andere auf einem sonnigen Platz in einer Stadt, die nicht am Meer liegt. Die Schaukeln sind aus Eisen. Eisen rostet. Wir stellen fest, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, und fordern die SchülerInnen auf zu überlegen, wie wir herausfinden können, wer Recht hat. Die SchülerInnen arbeiten nun weiter in ihren Gruppen und überlegen sich Wege, wie sie die Voraussetzungen für die Rostbildung untersuchen können. Idealerweise sollten sie darauf kommen, welche Variablen eine Rolle spielen (nur Luft vorhanden, nur Wasser vorhanden, Luft und Wasser vorhanden, Salzwasser) und wie man diese Variablen kontrollieren kann (wie man Luft bzw. Feuchtigkeit ausschließt), welche Eisenquelle und Instrumente sie verwenden können; wie lange sie warten müssen, bis sie Beobachtungen machen können. Wenn die SchülerInnen nicht alle Variablen verwenden oder nicht eine nach der anderen, sollten wir am besten nicht einschreiten. SchülerInnen gehen oft davon aus, dass nur Wasser benötigt wird, damit Rost entsteht, und dass ein Objekt unter Wasser nur mit Wasser allein in Kontakt kommt. Wir können dann Fragen stellen, um die SchülerInnen zum Nachdenken anzuregen, z. B. über Wasser als Lösungsmittel. Kerzenversuch (N 10-14 oder 15-18) Kerzenversuch (N 10-14 oder 15-18) Kerzenversuch Der Kerzenlift ist ein naturwissenschaftliches Standardexperiment. Bei Schülern ist auch ohne den eigentlichen Versuch sofort eine Erklärung bereit: „Die Kerze braucht den Sauerstoff auf – der Luftdruck im Glas nimmt ab – der Eistee steigt“. Dass diese Erklärung falsch ist zeigt sich durch das genaue Beobachten des Experiments. Die Schülerinnen und Schüler sollen im Unterricht plausible Erklärungen zum Phänomen erforschen. Zeitbedarf: zwei Unterrichtsstunden Damit die Schülergruppen nicht blind loslegen und in einem zufällig gewählten Experiment fünf Variablen gleichzeitig kontrollieren, wird mit dem Forschungskreislauf auf einem Arbeitsblatt eine Arbeitsstruktur vorgegeben. Die Schülerinnen und Schüler werden dadurch gezwungen, ihre oft unklaren Hypothesen zum Steigen des Eistees in der Gruppe eindeutig zu formulieren, zu diskutieren und entsprechende Experimente vor der Durchführung exakt zu planen. Der Kreislauf kann als Orientierungshilfe bei allen offenen experimentellen Fragestellungen eingesetzt werden, wobei deutlich gemacht werden sollte, dass dieser kein rigides Schema darstellt und Abweichungen im Vorgehen möglich sind. 50 | 6) diskutieren / präsentieren / reflektieren 5) Daten interpretieren / Wissen erweitern 4) Experiment durchführen und Ergebnisse auswerten 1) Fragen stellen 2) Hypothesen formulieren 3) Untersuchung oder Experiment planen Erfahrungen aus dem Unterricht Zur Motivation der Klasse eignet sich die Erzählung eines kleinen Unfalls des Lehrers: „Eistee beim Date verschüttet! Wie bekomme ich die Situation gerettet und den Eistee von der Untertasse wieder ins Glas? Mit Zauberei und einer Kerze!“ Bei Schülern der neunten Klasse des Gymnasiums ist zum angeblichen Zaubertrick sofort eine Erklärung verfügbar: „Die Kerze braucht den Sauerstoff auf – der Luftdruck im Glas nimmt ab – der Eistee steigt.“ Auf die weiterführende Frage: „Wann steigt der Eistee im Glas am meisten?“ ist die Schülerantwort eindeutig: „Während die Kerze brennt.“ Bei genauem Beobachten zeigt sich jedoch, dass das Steigen der Flüssigkeit erst mit der abnehmenden Kerzenflamme beginnt. Der Sauerstoffverbrauch kann somit als Ursache ausgeschlossen werden. Für die Schüler wird es nun erst recht interessant: „Zauberei oder doch Physik? Warum steigt der Eistee?“ Die von den Schülern selbst erforschten thermischen Ursachen lassen sich auf zahlreiche Anwendungen aus dem Bereich der Wärmelehre übertragen, die alle nach dem Prinzip von Wärmekraftmaschinen: „Nur mit heiß und kalt geht´s halt“ arbeiten: die Ausdehnung von Luft in einem Erlenmeyerkolben, der abwechselnd in heißes und kaltes Wasser getaucht wird und dabei an einen Kolbenprober angeschlossen ist; die Bewegung eines Stirlingmotors, der nur durch eine heiße (Handfläche) und eine kalte Seite (Eiswürfel) angetrieben wird; die klassische Dampfmaschine mit der heißen (Feuer) und der kalten (Kondensator) Seite; das Kohlekraftwerk am kühlen Fluss und der Automotor mit Wasserkühlung. | 51 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Didaktisch-methodische Ideen Fachlich betrachtet gibt es beim Kerzenversuch verschiedene Ursachen, die zum Anstieg des Eistees beitragen. Der entscheidendste Faktor ist jedoch der thermische Effekt: Durch die brennende Kerze wird die Luft im Teeglas erwärmt und dehnt sich während des Aufsetzens aus. Aufgrund des Sauerstoffmangels geht das Kerzenlicht aus. Die Luft kühlt sich dadurch schnell ab und zieht sich zusammen. Ein Unterdruck entsteht, der den Eistee in das Glas strömen lässt. Je größer die Temperaturdifferenz desto größer ist der Druckunterschied und der damit verbundene Wasseranstieg. Der Versuch funktioniert auch ohne die Kerze, indem ein mit einem Heißluftfön zuvor erhitztes Glas auf dem Untersetzer von außen mit Eiswürfeln abgekühlt wird. Während des Experimentierens entdecken die Schüler durch genaues Beobachten auch weitere Ursachen wie z. B. das Kondensieren von Wasserdampf am kühlen Teeglas. Je nach vorhandener Unterrichtszeit kann der Forschungskreislauf mit solchen Entdeckungen einmal oder mehrmals durchlaufen werden. Zwischenergebnisse können dabei präsentiert und diskutiert werden. Zum Erforschen des Phänomens wird die Klasse in Gruppen aufgeteilt. Für die Planung und Ausführung der Experimente zum Kerzenversuch steht im Klassenzimmer ein großer Tisch mit diversen Materialien bereit: Stativstangen, Magnete, Salz, Heißluftföhn, Zucker, Gewichte, Indikatorpapier… Alternativ kann der Lehrer die von den Schülergruppen benötigten Experimentiermaterialien auch in der nächsten Unterrichtsstunde bereitstellen. Überraschend ist, wie kreativ manche Schülergruppen bei der Planung der Untersuchung vorgehen, dabei im Team ihre Präkonzepte diskutieren und das Wissen aus allen naturwissenschaftlichen Bereichen einsetzen. Ein 8 minütiges Video aus der beschrieben Unterrichtsstunde ist unter dem Link http://www.youtube. com/watch?v=BSD K7KjcT6k verfügbar. Definiere! (M/N 10-14 oder 15-18 ) Definiere! Das Definieren von Begriffen erfordert die Benennung aller Aspekte, die notwendig sind, um den ganzen Begriff abzudecken, ohne überflüssige Informationen mit aufzunehmen. Den SchülerInnen hilft es, wenn wir ihnen Beispiele und Gegenbeispiele für einen Begriff aufzeigen. Sie verstehen jedoch eher, wie man einen Begriff definiert, wenn sie es selbst versuchen, als wenn sie es nur von uns erklärt bekommen. Give a definition for the concept ʻweightʼ that isElement complete and as short as possible. a definition thedefinition concept ʻweightʼ • IsGive all the content offor your sufGewicht • that isand complete and as short as possible. ficient necessary? Give examples and non-examples that Überlegt euch eine Definition für den Begriff • Isthe all definition. the content of your definition sufclarify „Gewicht“, die vollständig und so kurz wie ficient and necessary? möglich ist. • Give and non-examples that • examples Ist eure Definition umfassend genug? Ist clarify the definition. In dieser Unterrichtseinheit arbeiten die SchülerInnen in Gruppen zu ungefähr vier SchülerInnen. Zunächst denken sie einige Minuten über den genannten Begriff nach und versuchen, ihn zu definieren. Darauf sollten sie ihre Vorschläge in ihrer Gruppe diskutieren. Wenn sie mehrere Begriffe definieren sollen, dauert das etwa eine Viertelstunde. Schließlich werden alle Vorschläge in einer Diskussionsrunde mit der ganzen Klasse durchgesprochen und allgemein anerkannte Definitionen ausgearbeitet. (Methode Ich-Du-Wir) Zeitbedarf: Teil einer Unterrichtsstunde Autor und Fotos: Patrick Bronner, Pädagogische Hochschule Freiburg, Germany Link auf die PRIMAS-Website: Pflanze • etwas daran überflüssig? Gebt Beispiele und Gegenbeispiele an, die eure Definition untermauern. Didaktisch-methodische Ideen Beim herkömmlichen Unterrichten definieren wir einen Begriff und die SchülerInnen wenden ihn an, besprechen ihn aber nicht. Oft machen sich die SchülerInnen dann ihre eigene (nicht unbedingt richtige) Vorstellung von einem Begriff, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Bei der vorgestellten Herangehensweise können die SchülerInnen ihre eigenen Gedanken zu einem bestimmten Begriff einbringen und sich darüber mit ihren MitschülerInnen austauschen. http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/physik/165-derkerzenversuch 52 | | 53 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Kerzenversuch (N 10-14 oder 15-18) Definiere! (M/N 10-14 oder 15-18 ) Parallelogram Ist die folgende Definition eines Parallelogramms richtig? Ist die Definition umfassend genug? Ist etwas daran überflüssig? Die SchülerInnen müssen kritisch darüber nachdenken, was andere denken und was sie selbst für richtig halten. Während der Diskussion mit den MitschülerInnen ergänzen und verfeinern sie ihre Vorstellung von dem Begriff. Wird diese Aufgabe als Einführung in eine Unterrichtsstunde verwendet, in der die SchülerInnen einen neuen Begriff kennenlernen sollen, können sie ihr bereits vorhandenes Wissen aktivieren und es mit dem Wissen der Mitschüler abgleichen. Wir können herumgehen und hören, was die SchülerInnen sich untereinander erzählen. So bekommen wir eine gute Vorstellung von ihrem Wissensstand über den neuen Begriff. Diese Aktivität wird im Fortbildungsmodul 3: Inhalte forschend lernen aufgegriffen. Sie kann leicht in den normalen Unterrichtsalltag integriert werden, denn es werden keine besonderen Hilfsmittel und nur ein Teil einer Unterrichtsstunde benötigt. Erfahrungen aus dem Unterricht Ein Physiklehrer stellte seinen in Gruppen aufgeteilten SchülerInnen zu Beginn einer Unterrichtsstunde die Aufgabe, die Begriffe „Widerstand“, „Leitfähigkeit“ und „Isolierung“ zu definieren. Danach führten die SchülerInnen Versuche durch, um herauszufinden, welche Materialien leitend und welche isolierend wirken. Zunächst diskutierten die SchülerInnen die Begriffe. Die klare Zielvorgabe bei den Versuchen war es herauszufinden, welche Unterschiede zwischen den Materialien bestehen (wirken sie leitend, isolierend oder als Widerstand?). Am Ende der Stunde war offensichtlich, dass sie sich ein klares Bild von den Begriffen „Leitfähigkeit“ und „Isolierung“ gemacht hatten. Entgegen der Hoffnung der Lehrkraft hatten sie den Begriff „Widerstand“ jedoch nicht verwendet, um leitendes von isolierendem (nicht leitendem) Material zu unterscheiden. Trotzdem war der Lehrer begeistert von dieser Herangehensweise, denn die SchülerInnen brachten sich in der ganzen Unterrichtsstunde aktiv ein. Im Ergebnis hatten die SchülerInnen ihr Verständnis elementarer physikalischer Begriffe vertieft. Autoren: Michiel Doorman, Ad Mooldijk, Universität Utrecht, Niederlande Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/218-definiere 54 | Algebraische Zahlenpyramiden Die algebraischen Ausdrücke in den Pyramidenzellen werden durch Multiplikation der Ausdrücke in den beiden unmittelbar darunter liegenden Zellen gebildet, wie in der linken Pyramide gezeigt. Zwei Multiplikationspyramiden Aufg. 1: Finde die fehlenden Terme. . Die linke Pyramide enthält eine klare Aufgabe, die in einer Richtung von unten nach oben gelöst wird. Die Lösung der rechten Pyramide erfordert Strategien, die sich den SchülerInnen nicht unbedingt auf Anhieb erschließen. Zeitbedarf: (Teil) eine(r) Unterrichtsstunde Aufg. 2: Entwirf eine einfache und eine schwierige Multiplikationspyramide für deinen Nachbarn oder deine Nachbarin zum Lösen. Didaktisch-methodische Ideen Bei Algebra-Übungen geht es meist darum, eine Reihe von Reproduktionsaufgaben durchzuarbeiten, die im Schulbuch stehen oder von uns an die SchülerInnen herangetragen werden. Dabei reichen die Aufgaben von einfach bis komplex. Eine recht einfache Variante dieser Standardübungen kann darin bestehen, das übliche Geschehen im Klassenraum so zu verändern, dass ein dynamisches Umfeld entsteht, in dem eine erforschende Vorgehensweise mit Diskussionen bzw. Ausprobieren verschiedener Lösungsansätze und damit die Kreativität der SchülerInnen gefördert wird. Bei den Aufgaben handelt es sich daher um produktive, nicht reproduktive Übungen. Eine Sammlung entsprechender produktiver Algebra-Aufgaben, die zum Üben verschiedener Aspekte des Rechnens mit Unbekannten verwendet werden können, finden Sie in diesem, von Martin Kindt (Freudenthal Institute, 2004) entworfenem Modul: Positive Algebra: a collection of productive exercises. Die oben beschriebene Aktivität wurde nach dem Fortbildungsmodul 2: Unstrukturierte Aufgaben meistern durchgeführt. Die zweite oben beschriebene Übung ist ein Beispiel dafür, wie man von dem, was die SchülerInnen produzieren, auf ihren inhaltlichen und prozessbezogenen Leistungsstand schließen und auf diesen aufbauen kann. Die Fortbildungsmodule 3: Inhalte forschend lernen und 6: An Vorwissen anknüpfen geben Lehrkräften Anregungen, wie sie für ihre Klassen ähnliche Aufgabenstellungen vorbereiten und durchführen können. | 55 Mathematik ∙ Alter: 12-14 Naturwissenschaften ∙ Alter: 10-14 oder 15-18 Ein Parallelogramm ist ein Viereck, dessen Diagonalen sich in der Mitte schneiden. Algebraische Zahlenpyramiden (M 12-14 ) Algebraische Zahlenpyramiden (M 12-14 ) Außer der Fähigkeit, mit Unbekannten zu rechnen, müssen die SchülerInnen bei dieser Art von Aufgaben auch in der Lage sein, Probleme zu lösen, eigene Strategien zu wählen und ihre Ideen und Ergebnisse zu kommunizieren – alles Elemente forschenden Lernens. Erfahrungen aus dem Unterricht Sie sollten erkennen, dass von unten nach oben immer zwei nebeneinander liegende Zellen miteinander multipliziert werden und das Ergebnis in dem Kästchen darüber steht. Sie hatten zuvor schon die Multiplikation von Variablen geübt, so dass die Aufgabe lösbar sein sollte. 56 | Die Lehrerin war vor allem erstaunt, wie intensiv sich die SchülerInnen über eine halbe Stunde lang in die Arbeit mit algebraischen Ausdrücken vertieften. In einer Diskussionsrunde zwischendurch stellte eine Zweiergruppe die Frage, wie viele Informationen mindestens vorliegen müssten, damit eine solche Pyramide gelöst werden könnte. Diese Frage wurde von anderen Gruppen aufgegriffen, und die Lehrerin war begeistert darüber, dass die SchülerInnen sich ein viel tieferes Verständnis von Algebra aneignen konnten als es üblicherweise der Fall ist. Sie meinte, die SchülerInnen würden sich bei dieser Art von Unterricht ganz anders mit den von ihnen gelösten Aufgaben identifizieren. Autoren: Michiel Doorman, Corine den Boer, Henk van der Kooij, Universität Utrecht, Niederlande Fotos: Corine den Boer Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/219-zahlenpyramiden | 57 Mathematik ∙ Alter: 12-14 Mathematik ∙ Alter: 12-14 Eine Mathematiklehrerin wählte zwei Übungen aus dem Lehrbuch, die einfache Versionen von algebraischen Zahlenpyramiden enthielten, und formulierte dazu jeweils eine offene bzw. unstrukturierte Aufgabenstellung. Zunächst forderte sie die SchülerInnen auf, die nachstehende Pyramide zu analysieren und möglichst herauszufinden, wie sie aufgebaut ist: Nach fünf Minuten und einer kurzen Diskussion gab die Lehrerin den SchülerInnen die Aufgabe, selbst eine solche Pyramide zu entwerfen, die dann von den Mitschülern gelöst werden sollte. Unten sehen Sie sowohl eine leichte („makkelijk“) als auch eine eher komplexe Pyramide, die auf diese Weise entstanden: Algebraische Zahlenpyramiden (M 12-14 ) Perlen und Formeln (M 15-18) Perlen und Formeln (M 15-18) Perlen und Formeln Bei dieser Aufgabe geht es darum, den binomischen Satz von Newton und damit verbundene Konzepte (Kombinationen, Pascalsches Dreieck) nach dem Ansatz des forschenden Lernens zu vermitteln, indem man die Verbreitung eines Gerüchts modelliert. Eine Stärke der Aufgabe ist ihre handlungsorientierte Herangehensweise: Aus Plastikperlen und Schnüren werden Modelle gebastelt, die nicht nur die Anzahl der Kombinationen von k Elementen, die aus einer nelementigen Menge ausgewählt werden, veranschaulichen, sondern auch die Kombinationen selbst. Der Ansatz des forschenden und entdeckenden Lernens eignet sich hervorragend für die Entwicklung des Modells, die Formulierung der grundlegenden Eigenschaften der Kombinationen und für die Ausarbeitung allgemeinerer Modelle. Zeitbedarf: 2 bis 4 Unterrichtsstunden, je nachdem wie tief in die Materie eingestiegen werden soll Modellierung bedeutet bei dieser Aufgabe nicht, dass eine außermathematische Realität naturgetreu dargestellt wird, sondern es handelt sich vielmehr um ein intelligentes Spiel mit Elementen der Realität, das strengen Regeln folgt. Dies sollte auch den SchülerInnen klar gemacht werden. Die Ausgangssituation: Eine Schule ist berühmt für die vielen Gerüchte, die dort umhergehen. Ein Schüler hört ein Gerücht über einen der Lehrer und kann sich nicht zurückhalten, es am nächsten Tag weiter zu erzählen. Zunächst übertreibt er den Sachverhalt 58 | Danach können abschließende Diskussionen geführt werden, in denen wir die mathematischen Konzepte definieren, die darauf anwendbar sind, und die Eigenschaften, die die SchülerInnen herausgefunden haben, mit mathematischen Fachbegriffen benennen. Weiteres forschendes Lernen kann von folgender Frage ausgehen: Was passiert, wenn jeder Schüler drei (oder mehr) verschiedene Versionen weitererzählt? Wenn wir für diese Erweiterung ein handgefertigtes Modell erstellen wollen (eine Art Pascalsches Tetraeder), so steigt der Zeitbedarf gegenüber der ursprünglichen Aufgabenstellung exponentiell. Unserer Erfahrung nach genügt eine Zeitstunde, wenn die Modelle nur gezeichnet werden, während das handwerkliche Erstellen eines 2D-Modells (Pascalsches Dreieck) etwa 1,5 bis 2 Stunden beansprucht und das Erstellen eines 3D-Modells (Pascalsches Tetraeder) am ehesten als mehrstündige Projektarbeit realisiert werden kann. | 59 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Didaktisch-methodische Ideen (d. h. er steigert ihn um das a-fache) und erzählt ihn dann entsprechend weiter. Dann denkt er sich eine noch übertriebenere Version (b-fach) aus und erzählt diese Version jemand anderem. Und da an dieser Schule alle gerne tratschen, erzählt jeder, der von dem Gerücht hört, es wiederum weiter. Man macht sich einen Spaß daraus, in der Schule Clubs zu organisieren, wobei jeder Club aus Mitgliedern besteht, die das Gerücht mit demselben Verstärkungsfaktor gehört haben. In den ersten Club werden also alle diejenigen eingeladen, die das Gerücht nach der Verstärkung um a und b oder b und a gehört haben, jedoch keine anderen Schüler (siehe Modell für die ersten drei Runden, die das Gerücht macht; die Kugeln in der unteren Reihe stellen die Clubs auf dieser Ebene dar). Zunächst können die SchülerInnen mit Stift und Papier zeichnen oder anderweitig darstellen, wie die einzelnen Clubs entstehen. Damit sie die zugrundeliegende Struktur der Verbreitung der Gerüchte besser verstehen, ist es allerdings noch wirkungsvoller, wenn sie aus Schnüren und Perlen eigene Modelle erstellen, um bestimmte Aspekte von Kombinationen, von Variationen mit Wiederholung und wie diese generiert werden können (mit einem Computer-Programm oder mit dem selbst gebastelten Modell) deutlicher zu machen. Perlen und Formeln (M 15-18) Kniffeleien mit Papierstreifen (M 15-18) Kniffeleien mit Papierstreifen Die Aufgabe ist ein gutes Beispiel für die Umwandlung eines klassischen Lehrplaninhalts – das ist der binomische Lehrsatz in vielen europäischen Ländern – in eine komplexe Aktivität im Rahmen des forschenden Lernens. Das Falten von Papierstreifen wird in dieser Aufgabe zum Anlass, in die Welt mathematischen Arbeitens einzutauchen. Ein Papierstreifen wird mehrere Male gefaltet. Der Ausgangspunkt wird farblich markiert. Es gibt zwei Arten des Faltens: Erfahrungen aus dem Unterricht Viele SchülerInnen wählten als ersten Ansatz die Modellierung der Gerüchteverbreitung anhand eines Binärbaums. Manche entdeckten dann, dass der Binärbaum in ein Pascalsches Dreieck umgewandelt werden kann, indem man die Knoten, die demselben Verstärkungsfaktor entsprechen, miteinander verbindet. Dies setzt eine leicht veränderte Perspektive voraus, denn bei dem Binärbaum entsprechen die Knoten einzelnen SchülerInnen, während sie im Pascalschen Dreieck den Clubs entsprechen. Wenn man Schnüre und Perlen verwendet, kann man diese Umwandlung gut sehen. Das endgültige Modell (s. Foto) zeigt ebenfalls die Kombinationen (Variationen mit Wiederholung), die jedem Knoten entsprechen. auf Kombinationen konnten wir von Anfang an ausschließen (die üblichen Formeln haben wir zu diesem Zeitpunkt nicht eingeführt) und die SchülerInnen konnten sich die einzelnen Schritte des formalen Beweises bestimmter Eigenschaften intuitiv erschließen (z. B. die Regel zur Erstellung des Pascalschen Dreiecks und den binomischen Satz). Durch den Bau verschiedener Modelle im Rahmen eines realitätsbezogenen Spiels (d. h. das Szenario der Verbreitung eines Gerüchts) waren die SchülerInnen in der Lage, sich eine konkrete Vorstellung von einem komplexen algebraischen bzw. stochastischen Inhalt zu machen. Autoren: Szilárd András, Babeş-Bolyai-Universität, Cluj Napoca, Rumänien; Csaba Tamási, SimpleX Association, Miercurea Ciuc Fotos: Szilárd András Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/220-perlen-undformeln 60 | Die Faltanweisung ist eine Folge der Buchstaben l und r. Nach dem Auseinanderfalten sieht man ein Knickmuster. Ein Knickmuster kann mit R (Rechtsknick) oder L (Linksknick) bezeichnet werden, wenn man vom Ausgangspunkt zum Endpunkt geht. Das zu der Faltanweisung lrr gehörende Knickmuster ist RRLLRLL (s. Fotos). Dreimaliges Falten führt zu einem Knickmuster aus acht geraden Strecken und sieben Knicken. Fragen an die SchülerInnen: Könnt ihr das Knickmuster einer beliebigen Faltanweisung vorhersagen? Warum sind der Ausgangs- und der Endpunkt immer senkrecht zueinander? Nach n Knicken gibt es 2n verschiedene Knickmuster. Alle Muster weisen dieselbe Entfernung zwischen Ausgangs- und Endpunkt auf. Warum? Zeitbedarf: ein Tag (7-8 Stunden) oder eine entsprechend lange Unterrichtsreihe r-Faltung Faltanweisung lrr Knickmuster für lrr Didaktisch-methodische Ideen und Erfahrungen aus einem Mathematikwettbewerb Diese anspruchsvolle Aufgabe eignet sich vor allem für die Arbeit mit mathematisch begabten oder besonders interessierten SchülerInnen in einer Mathematik-AG, für einen Projekttag oder – wie hier beschrieben – im Rahmen eines Mathematikwettbewerbs (wie dem Mathematics B-day in den Niederlanden und der Slowakei): „Die SchülerInnen werden motiviert, Strategien zu entwickeln, Vermutungen aufzustellen und diese zu beweisen oder zu verwerfen, logisch zu argumentieren, Annahmen kritisch zu überprüfen und ihre Modelle gemeinsam mit anderen zu korrigieren.“ (http://www.fisme.science.uu.nl/ fisme/en/projects/indexorg.php) | 61 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Zwei wichtige Ergebnisse dieser Unterrichtseinheit sind folgende: Häufige falsche Annahmen in Bezug l – Das Ende des Streifens wird hinter den Ausgangspunkt geknickt. r – Das Ende des Streifens wird vor den Ausgangspunkt geknickt. l-Faltung Kniffeleien mit Papierstreifen (M 15-18) Kniffeleien mit Papierstreifen (M 15-18) Am Tag des Wettbewerbs (Mathematics B-day in der Slowakei 2012) wurden über hundert SchülerInnen dabei beobachtet, wie sie verschiedene Arten und Weisen entdeckten, mathematisch zu arbeiten. Zunächst einmal mussten sie die Aufgabe (einen komplexen mathematischen Text) lesen und verstehen. Während der Gruppenarbeit wurden die SchülerInnen durch alle Prozesse des forschenden Lernens geführt: die Situation erforschen, systematisch experimentieren, kommunizieren und Ergebnisse überprüfen und bewerten. Es wird eifrig gefaltet. Foto zur Beantwortung folgender Frage: Dieses Zickzack-Muster kann nicht durch dreifaches Falten erzeugt werden. Hättet ihr das voraussagen können? Wenn ja – wie? Das Knickmuster und seine grafische Aufzeichnung. Die Faltanweisung und ihr Verhältnis zum entsprechenden Knickmuster. In den ersten Stunden des Wettbewerbs entstanden in den Klassenräumen Berge von gefalteten Papierstreifen. Einige der Dreier- und Vierergruppen fanden originelle Lösungen für die Problemstellung und argumentierten mit großer Genauigkeit. Manche Gruppen stellten ihre Ergebnisse mithilfe von originellen Bildern, Fotos oder Zeichnungen dar. Eine Gruppe verfasste zum Thema Papierfalten sogar ein Märchen mit witzigen Kommentaren und Rätseln, die der Leser lösen muss. Am Ende der Veranstaltung stellte ein Teilnehmer fest: „Das war bisher der interessanteste Mathe-Tag in meinem ganzen Leben. Vielen Dank für diese tolle Erfahrung!“ Autoren: Sona Ceretkova, Philosoph-Konstantin-Universität, Nitra, Slowakei; Henk van der Kooij, Universität Utrecht, Niederlande Fotos: Henk van der Kooij, Sona Ceretkova, Janka Melusova, Katka Marcekova Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/221kniffelei Genauere Informationen und Berichte zum Mathematics B-day: http://www.PRIMAS-project.eu/artikel/en/1137/Mathematics+B-day/view.do?lang=en 62 | | 63 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Das Ergebnis eines ganzen Tages intensiver mathematischer Arbeit war schließlich ein Bericht über den Forschungsprozess, die Ergebnisse der Problemlösung und verschiedene Interpretationen. Spielen mit Feldern und Farben (M 15-18 ) Spielen mit Feldern und Farben Stellt euch ein normales Schachbrett mit 8x8 Feldern vor, an dem zwei diagonal gegenüber liegenden Eckfelder herausgesägt wurden; d. h. wir haben 62 Felder. Ist es möglich, 31 Dominosteine mit einer Größe von jeweils genau zwei Schachfeldern so darauf zu legen, dass alle 62 Felder vollständig bedeckt sind? Die Aufgabe basiert auf dem berühmten Rätsel vom zerstörten Schachbrett des Philosophen Max Black und gibt SchülerInnen die Möglichkeit, mehrere Varianten des Rätsels sowie andere mathematische Probleme, die mit Parität zu tun haben, zu untersuchen. Bei dieser Aufgabe werden Lösungen durch inhaltliche Überlegungen ausgehend von den Feldern und Farben erarbeitet, ohne dass es formaler Beweise bedürfte. Zeitbedarf: Zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten Die Aufgabe vom zerstörten Schachbrett ist eine Denkaufgabe mit Dominosteinen, die der Philosoph Max Black 1946 in seinem Buch Critical Thinking veröffentlichte. Die Schüleraktivität basiert auf der folgenden Aufgabe: „Stellt euch ein normales Schachbrett mit 8x8 Feldern vor, an dem zwei diagonal gegenüber liegende Eckfelder herausgesägt wurden; d. h. wir haben 62 Felder. Ist es möglich, 31 Dominosteine mit einer Größe von jeweils genau zwei Schachfeldern so darauf zu legen, dass alle 62 Felder 64 | Diese Aufgabe umfasst zwei Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten. In der ersten wird die Denkaufgabe von Max Black und Varianten davon bearbeitet. In der zweiten Stunde geht es um eine Erweiterung der Aufgabe. Zu Beginn der ersten Stunde können die SchülerInnen eine einfachere Variante des Rätsels erkunden: Ist es möglich, ein Schachbrett mit 8x8 Feldern mit Dominosteinen, die jeweils die Größe von zwei Feldern haben, vollständig abzudecken? Die LehrerInnen sollten zweifarbige Dominosteine bereitstellen, denn sonst wird es für die SchülerInnen schwierig, eine Lösung zu finden (zumindest eine, die keinen formalen Beweis benötigt). Mit zweifarbigen Dominosteinen können die SchülerInnen eine Verbindung zwischen dem Schachbrett und den Dominosteinen herstellen: jeder Dominostein bedeckt ein weißes und ein graues Feld, d. h. 31 Dominosteine bedecken 31 weiße und 31 graue Felder. Diese einfache Variante des Rätsels ist also lösbar. Dann können sich die SchülerInnen die komplizierteren Rätselvarianten vornehmen, wenn beim Schachbrett (a) ein Eckfeld oder (b) zwei diagonal gegenüber liegende Eckfelder herausgesägt wurden. Mit der gleichen Überlegung wie oben können die SchülerInnen nachweisen, dass es jetzt unmöglich ist, das Schachbrett vollständig mit (zweifarbigen) Dominosteinen abzudecken, denn im ersten Fall bleibt ein Feld unbedeckt (ein graues oder ein weißes) und im zweiten Fall führt das Entfernen von zwei diagonal gegenüber liegenden Feldern dazu, dass zwei Felder mit derselben Farbe fehlen. In der zweiten Unterrichtsstunde können die SchülerInnen einen Schritt weiter gehen, indem sie weitere Varianten der Aufgabe (s. u.) bearbeiten und untersuchen, ob es möglich ist, das Schachbrett mit Dominosteinen zu bedecken, wenn mehrere Felder entfernt wurden (graue Felder in den Abbildungen unten). Die SchülerInnen können hier mithilfe eines „allgemeineren Farbbeweises“ zur Lösung kommen. Während des ganzen Bearbeitungsprozesses sollten wir als LehrerInnen vor allem darauf achten, dass ein Dialog stattfindet, so dass auf der Grundlage der experimentellen Ergebnisse ein gemeinsames mathematisches Verständnis aufgebaut wird. | 65 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Mathematik ∙ Alter: 15-18 Didaktisch-methodische Ideen vollständig bedeckt sind?“ Die SchülerInnen haben die Gelegenheit, im Rahmen der Arbeit mit Feldern und verschiedenfarbigen Dominosteinen „inhaltliche Beweise“ zu erarbeiten. Spielen mit Feldern und Farben (M 15-18 ) Spielen mit Feldern und Farben (M 15-18 ) Erfahrungen aus dem Unterricht Bei der Durchführung der Aufgabe in einer elften Klasse (16-Jährige) waren die SchülerInnen begeistert bei der Sache. Sie berichteten, dass die Aufgabe ihnen Spaß gemacht hat, vor allem, weil sie so anderes als übliche Mathematikaufgaben mit formalen Beweisen war. Die SchülerInnen arbeiteten in Vierergruppen und konnten die meisten der gestellten Aufgaben lösen. Einige SchülerInnen gingen noch einen Schritt weiter und entwarfen eigene Schachbretter mit fehlenden Feldern (auf der Grundlage der Beispiele). Sie fanden dann selbst heraus, ob diese Bretter mit Dominosteinen bedeckt werden konnten oder nicht. Der Lehrer unterstützte die SchülerInnen beim Entwurf anspruchsvoller Aufgaben mit Tipps und Hinweisen. Zum Schluss erweiterte eine Gruppe von SchülerInnen die Aufgabe auf Vorschlag des Lehrers, indem sie quadratische und L-förmige Steine verwendete. Bitte kühl lagern! (N 15-18) Bitte kühl lagern! Diese Aufgabe ermöglicht einen motivierenden und praxisnahen naturwissenschaftlichen Unterricht. Sie baut auf dem Vorwissen der SchülerInnen über die thermischen Eigenschaften alltäglicher Materialien auf und gibt ihnen Gelegenheit, praktische und theoretische Überlegungen anzustellen, wenn sie Beweise für ihre Vermutungen suchen. Die qualitative Analyse der Schülerargumente vorher und nachher hat gezeigt, dass die Aufgabe das motivierte und praxisnahe Erlernen der thermischen Eigenschaften einiger bekannter Materialien fördert. Die Gruppenaktivität ist für die Unterstufe der weiterführenden Schulen gedacht und kann leicht in die normale Unterrichtspraxis integriert werden. Das benötigte Material ist ohne größeren Aufwand zu beschaffen (Eiswürfel, Behälter aus Metall bzw. Plastik, Wolle u. a.). Didaktisch-methodische Ideen Die Aufgabe lässt sich in eine spannende Geschichte verpacken, die das Interesse der SchülerInnen weckt: Mathematik ∙ Alter: 15-18 Autor und Fotos: Nicholas G. Mousoulides, Technische Universität Zypern Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/mathematik/222felder-und-farben 66 | „Ihr seid an einer Rettungsaktion beteiligt und müsst auf zusätzliche Hilfe warten. Es ist ein heißer Tag und ihr müsst dringend dafür sorgen, dass einige Medikamente kühl gehalten werden. Die einzigen Hilfsmittel, die euch zur Verfügung stehen, sind Wolldecken und Metallbehälter. Was würdet ihr eher tun, um die Medikamente kühl zu halten: sie in Wolldecken wickeln oder in einen Metallbehälter legen? | 67 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Zeitbedarf: 2-3 Unterrichtsstunden Bitte kühl lagern! (N 15-18) Nach Erläuterung der Ausgangssituation arbeiten die SchülerInnen zu dritt oder zu viert zusammen, um die Aufgabe zu besprechen und zu entscheiden, was sie tun würden. Anschließend müssen sie ihre Entscheidung rechtfertigen und eine erste Hypothese aufstellen, welche Möglichkeit besser geeignet ist, um die Medikamente kühl zu halten. Die SchülerInnen entwerfen dann einen Versuch, mit dem sie ihre Hypothese überprüfen können. Zum Schluss bewerten sie die Richtigkeit ihrer zuvor getroffenen Entscheidung anhand des Versuchsergebnisses. Durch diese Aufgabe lernen die SchülerInnen, ein Problem anzugehen, eine Hypothese aufzustellen, ein Experiment zu planen und durchzuführen, die Ergebnisse zu interpretieren und ihre ursprünglichen Ideen anhand der Versuchsergebnisse zu bewerten. Die Aufgabe ist auch darauf ausgelegt, sich mit Konzepten und Modellen auseinanderzusetzen, mit denen die thermischen Eigenschaften einiger bekannter Materialien erklärt werden können. Sie baut auf Vorstellungen der SchülerInnen auf und gibt uns die Möglichkeit, eventuelle Irrtümer zu hinterfragen und Gegenhypothesen aufzustellen, wodurch die SchülerInnen ihre vorherigen Ideen überdenken und sich praxisnahes Wissen aneignen. Außerdem geht es darum, dass die SchülerInnen wissenschaftliche Modelle entwerfen, mit denen sich ihre Versuchsergebnisse erklären lassen, und dass diese Modelle gemeinsam diskutiert werden. „Ich würde die Medikamente in einen Metallbehälter legen, denn Wolle produziert Wärme und Metall bleibt kühl – naja, außer man stellt den Behälter in die Sonne.“ Erfahrungen aus dem Unterricht Die Beschäftigung mit der Aufgabe war für die SchülerInnen hoch motivierend und spannend. Hier einige Ausschnitte aus Erfahrungsberichten von LehrerInnen: Die folgende Aussage eines Schülers mit seiner anfänglichen Hypothese zeigt ein typisches Beispiel für eine falsche Annahme, die durch das forschende Lernen in Frage gestellt werden kann. Der Einsatz der Aufgabe in der ersten Klasse einer weiterführenden Schule in Spanien zeigte, dass zu Beginn nur 27 % der SchülerInnen eine korrekte Hypothese bezüglich der thermischen Eigenschaften von Wolle und Metall aufstellten. Im Gegensatz dazu gaben nach Bearbeitung der Forschungsaufgabe 92 % der SchülerInnen richtige Antworten zu den thermischen Eigenschaften. „Als ich die Aufgabe erklärte, waren die SchülerInnen sehr interessiert und erwartungsvoll, denn sie sind es nicht gewohnt, dass man ihnen Aufgaben stellt, die so eng mit dem täglichen Leben verknüpft sind.“ Die Lehrkräfte sollten eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen, in der sich die SchülerInnen ermutigt fühlen, verschiedene Ansichten und Strategien vorzutragen und auszutauschen, in der es keine richtigen und falschen Antworten, sondern nur intellektuell bereichernde Aussagen gibt. Dabei ist es wichtig, dass wir die Gruppendiskussionen in eine fruchtbare Richtung lenken. Wir sollten die SchülerInnen eher zum Nachdenken ermutigen als dazu, rasch die richtige Antwort zu finden, und sie dabei unterstützen, Zusammenhänge herzustellen und die wichtigsten Ideen herauszufiltern. 68 | | 69 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Die SchülerInnen sollen dabei zusammenarbeiten und ihr Endergebnis präsentieren. Das Diskutieren und Vorstellen ihrer Ideen steht im Vordergrund und erleichtert die gemeinsame Wissensaneignung in der Gruppe. Bitte kühl lagern! (N 15-18) Bitte kühl lagern! (N 15-18) Schütteltaschenlampe (N 15-18) Schütteltaschenlampe „Die Gegenüberstellung der Hypothesen und der Versuchsergebnisse und die Erläuterung führte zu einer interessanten und lebhaften Diskussion der ganzen Klasse über Energietransfer und Wärmeleitfähigkeit, wobei sich wissenschaftliche Tatsachen mit den Erfahrungen der SchülerInnen verknüpfen ließen.“ Die Schütteltaschenlampe ist vielen Schülern z. B. aus dem Zeltlager bekannt und eignet sich – neben ihrem praktischen Nutzen – zur Erforschung des Phänomens der Induktion. Im Unterricht wird jeder Schülergruppe ein Taschenlampenexemplar mit der Frage: „Wie kann so etwas funktionieren?“ zur Verfügung gestellt. Zunächst müssen die Schülerinnen und Schüler untersuchen, aus welchen Komponenten die Lampe besteht und die jeweilige Funktion experimentell erforschen. Das Ziel sollte sein, die Funktion der Lampe soweit zu durchdringen, dass eine eigene Schüttellampe gebaut werden kann. Zusammengefasst hat sich diese Gruppenaufgabe als ein wirksames Instrument zur Förderung von aktivem und motivierendem Lernen erwiesen. Sie fördert die Entwicklung verschiedener Herangehensweisen, die Anpassung eigener Vorstellungen und praxisnahes naturwissenschaftliches Lernen. „Ich habe gesehen, wie engagiert Schüler sind, wenn sie mit einem echten Problem konfrontiert werden, weshalb ich den Ansatz des forschenden Lernens weiter verfolgen will. Die SchülerInnen waren äußerst motiviert, nach der richtigen Lösung zu suchen, fast so, als ob es sich um einen Wettbewerb handelte.“ Zeitbedarf: 5-10 Unterrichtsstunden Didaktisch-methodische Ideen „Wir fragten die SchülerInnen, ob ihnen diese Art des Lernens gefällt und sie riefen einstimmig: ‚Ja!ʻ“ Autoren: Marta R. Ariza, Daniel Aguirre, Antonio Quesada, Ana M. Abril, F. Javier, García, Universität Jaén, Spanien; Ragnhild Lyngved, Sør-Trøndelag University College (HiST), Trondheim, Norwegen Fotos: Daniel Aguirre Link auf die PRIMAS-Website(s): http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/physik/185-huehl-lagern-inwolle-oder-in-metall 70 | Die Schütteltaschenlampe ist technisch übersichtlich aufgebaut (Spule, Magnet, 4 Dioden, Kondensator, LED) und kann von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II zum Themengebiet der Induktion eigenständig erforscht werden. Grundlagen wie der Lade- und Entladevorgang bei Kondensatoren oder die Eigenschaften von Dioden sollten im Vorfeld bereits behandelt worden sein. Für die Schülerexperimente stehen speziell präparierte Taschenlampen, vielfältige Materialien aus der Physiksammlung und moderne Messwerterfassungssysteme zur Verfügung. 6) diskutieren / präsentieren / reflektieren 5) Daten interpretieren / Wissen erweitern 4) Experiment durchführen und Ergebnisse auswerten 1) Fragen stellen 2) Hypothesen formulieren 3) Untersuchung oder Experiment planen | 71 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Referendare aus Norwegen berichteten über ähnlich motivierende Erfahrungen mit 12-jährigen SchülerInnen, denen diese Aufgabe gestellt wurde. Schütteltaschenlampe (N 15-18) Schütteltaschenlampe (N 15-18) Das Projekt erzeugte bei Schülerinnen und Schülern eine hohe Motivation, da im Unterricht ein Bogen vom physikalischen Phänomen, über die Grundlagen der Induktion bis hin zum selbst hergestellten technischen Produkt gespannt wurde. Interessant war es vor allem für die Schüler, die Messkurven der originalen Lampe mit den Messkurven der eigenen Lampe zu vergleichen und zu diskutieren. Zunächst wird die Funktion der Originallampe anhand des Forschungskreislaufs erforscht: Hypothesen werden generiert, Experimente zur Überprüfung geplant, Messkurven aufgenommen und qualitative physikalische Gesetze zur Induktion formuliert. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden schließlich in Form eines Galeriespaziergangs präsentiert. Erfahrungen aus dem Unterricht Magnet fällt in der Taschenlampe durch die Spule auf die mechanische Feder: Messung nach dem Gleichrichter. Von einem Schüler gebaute Schütteltaschenlampe Der Kondensator wird durch Schütteln geladen und durch die weiße LED-Lampe entladen. Autor und Fotos: Patrick Bronner, Pädagogische Hochschule Freiburg, Germany Quelle: E. Claus et al.: ‚Shake Your Light! ... ‘, Unterricht Physik, 23 (2012), 127 Link auf die PRIMAS-Website: http://primas.ph-freiburg.de/index.php/materialien/nationale-materialsammlung/physik/206-schuettellampe 72 | | 73 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Naturwissenschaften ∙ Alter: 15-18 Die Aufgabe wurde in einer Oberstufenklasse als Projekt am Schuljahresende eingesetzt. Mit dem eigenständig erforschten Wissen konnten die Schülerinnen und Schüler ihre eigene Schütteltaschenlampe herstellen (Materialliste auf der Primas-Website). Die Spule musste nun selbst gewickelt, die Gleichrichterdioden verlötet und ein geeignetes Gehäuse entworfen werden. Die Vorgaben zur Optimierung des Endprodukts waren ein gutes Design und eine möglichst lange Leuchtdauer der weißen LED bei wenigen Schüttelbewegungen. Die Schülerprodukte konnten sich sehen lassen! Forschendes und entdeckendes Lernen im Unterrichtsalltag Forschendes und entdeckendes Lernen im Unterrichtsalltag nicht mehr nur mathematikbezogen. Trotzdem eignet sich der Ansatz für sie sehr gut, denn sie können sich gegenseitig unterstützen. Bei der Gruppenarbeit achte ich darauf, dass nicht immer dieselben vier Schüler in derselben Gruppe zusammenarbeiten. So lernen sich die SchülerInnen untereinander auch besser kennen.“ Was LehrerInnen über das forschende und entdeckende Lernen sagen Claudia Matt, Lehrerin aus Deutschland: Gabriel Abela, Lehrer aus Malta; „Zuerst habe ich nicht daran geglaubt, dass das forschende und entdeckende Lernen effektiv ist, vor allem nicht bei begabten Schülern. Ich hatte Angst, dass gerade diese Schüler diese Art von Lernen für Zeitverschwendung halten und es ablehnen, weil sie daran gewöhnt sind, einen Sachverhalt erklärt zu bekommen und dann viele Übungen dazu zu machen. Aber als ich den Ansatz ausprobierte, gefiel er den SchülerInnen. Bei den weniger begabten und durchschnittlich begabten SchülerInnen ging ich davon aus, dass sie den Ansatz relativ schnell akzeptieren würden. Die betreffenden Schüler reden gerne, und beim forschenden Lernen haben sie mehr Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Manchmal waren ihre Gespräche allerdings 74 | Was die Sache schwierig macht, ist, wenn man eine Klasse erst in der 8 oder gar erst 9 übernimmt und die Schüler das andere Arbeiten nicht gewohnt waren. Wenn man eine Klasse schon ab der 5 hat und langsam einsteigt, dann ist es natürlich leichter. Aber wenn man eine 9. Klasse neu übernimmt, dann muss man halt ganz sanft einsteigen und kommt nicht immer so weit, wie man möchte, aber das ist egal. Wie gesagt, es hängt auch ein bisschen von der Klasse ab. Im Moment mit meiner eigenen Klasse habʼ ich eher Mühe, sie da heranzuführen. Aber sie waren es vorher einfach komplett anders gewohnt. Wahrscheinlich liegt es daran.“ Foto: Patrick Bronner Seinen Unterrichtsstil zu ändern und den Ansatz des forschenden Lernens zu verfolgen, ist ein inspirierender Prozess, in dessen Verlauf Lehrerinnen und Lehrer viele interessante Einsichten gewinnen. Es müssen jedoch auch einige Hürden überwunden werden. Hören wir von den Erfahrungen verschiedener Lehrer aus ganz Europa. Forschendes und entdeckendes Lernen im Unterrichtsalltag „Wenn das forschende Arbeiten Schülern liegt, macht natürlich der Unterricht erstens viel mehr Spaß, zweitens geht er viel schneller herum. Mathe ist selten das Lieblingsfach der Schüler, aber wenn sie so arbeiten dürfen, dann macht es eben Spaß. Und noch mehr Spaß macht es, wenn die Aufgabe anwendungsbezogen ist und verschiedene Fachbereiche mit hineinspielen. Also Geographie oder Biologie oder etwas anderes, so dass man auch Interessen von Schülern, die sie außerhalb der Mathematik haben, miteinbeziehen kann. Die Fähigkeiten, die sie erwerben, sind vielfältiger, nicht wie sonst nur auf Mathe bezogen. Sie sehen Mathe nicht mehr so isoliert… Oft kommt der Satz: ‚Mathe kann ich halt nicht.ʻ Es hat sehr lange gedauert, ihnen beizubringen: ‚Auch ihr könnt Mathe!ʻ … In Mathe bleibt natürlich das Üben nicht aus, aber man kann ja auch so spannende Seiten an Mathe entdecken! | 75 Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen Viele Lehrkräfte haben uns berichtet, dass der Ansatz des forschenden Lernens den SchülerInnen mehr Spaß macht und sie engagierter mitarbeiten. „Die Schüler sind für diese Herangehensweise sehr offen. Es gefällt ihnen, dass die meisten Aufgaben auf alltäglichen Situationen basieren. In der Schule ist ja sonst oft das Gegenteil der Fall.“ „Ich sehe auch die großen Chancen, die sich aus der Anwendung dieses Unterrichtskonzepts ergeben. Das forschende Lernen ermöglicht den SchülerInnen, in größerem Umfang auf ihre eigenen Erfahrungen und ihre Fähigkeit zum logischen Denken zurückzugreifen.“ (Linnea Hakonsen, Referendarin aus Norwegen) (Vadim Mazilescu, Lehrer aus Rumänien) „Inzwischen macht es mir richtig Spaß, Mathematikstunden vorzubereiten. Ich gehe bei der Planung ganz anders vor. Ich denke mehr darüber nach, was die SchülerInnen verstehen sollten und wie sie gegenseitig von ihrem Wissen profitieren. Ich suche mir Projekte, bei denen die SchülerInnen sich gegenseitig unterstützen und in Gruppen zusammenarbeiten.“ (Susan Gjertsen, Lehrerin aus Norwegen) 76 | Diese Herangehensweise birgt jedoch auch einige Herausforderungen. Im Folgenden werden mögliche Schwierigkeiten dargestellt und wir schlagen verschiedene Lösungsmöglichkeiten vor. Unsere Vorschläge basieren auf Berichten von LehrerInnen, die bereits nach dem Konzept des forschendes Lernens arbeiten. Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen „Das forschende Lernen nimmt zu viel Zeit in Anspruch.“ Viele LehrerInnen geben an, dass sie es schwierig finden, das forschende Lernen in ihre gewohnte Art des Unterrichtens einzubinden. Sie halten das forschende Lernen für weniger effizient als den herkömmlichen Unterricht, wenn es darum geht, den Lehrplan einzuhalten. „Eine Schwierigkeit sind die begrenzte Zeit und der Lehrplan. Wir schimpfen ja ständig über den Lehrplan. Er ist definitiv nicht auf das Konzept des forschenden und entdeckenden Lernens abgestimmt. Ich wünsche mir, dass dieses Konzept in den Lehrplan integriert wird. Wenn man forschendes und entdeckendes Lernen ermöglichen will, wird es schwer, alle Themen des Lehrplans abzudecken.“ (Anna Miguel, Lehrerin aus Malta) „Ich glaube, das größte Problem ist die Zeit – auch was die Vorbereitung der Unterrichtsstunden betrifft. Besonders in der 9. und 10. Klasse (14 bis 16 Jahre) steht viel Unterrichtsstoff auf dem Plan. Deshalb ist es schwierig, dann auch noch Zeit für forschendes und entdeckendes Lernen zu finden, denn in einem sehr kurzen Zeitraum muss extrem viel Stoff bewältigt werden.“ (Brad Holmes, Lehrer aus dem Vereinigten Königreich) Manche LehrerInnen beklagen, dass sie keine Zeit für forschendes Lernen haben, weil ihr Lehrplan ohnehin zu viel Stoff vorsieht. Hier liegt ein häufiges Missverständnis vor, denn das forschende Lernen ist kein zusätzlicher Inhalt, sondern eine andere Art zu lernen, bei der die SchülerInnen ein grundlegenderes Verständnis des Inhalts erreichen. Kurzfristig lernen die SchülerInnen vielleicht langsamer. Da das Lernen jedoch mit einem tieferen Verständnis einhergeht, bleibt das Wissen viel länger abrufbar und ein Wiederholen des Stoffes ist überflüssig. Darüber hinaus lernen die SchülerInnen selbständiger und beginnen, neuen Stoff auch alleine zu lernen und sich gegenseitig zu helfen. Langfristig hat das forschende und entdeckende Lernen große Vorteile, erfordert jedoch Beharrlichkeit. „Natürlich nimmt es viel Zeit in Anspruch, aber die fällt nicht unbedingt zusätzlich an. Ich habe zum Beispiel gelernt, forschendes Lernen bei der Vermittlung mathematischer Inhalte einzusetzen. So erfassen die SchülerInnen die Dinge viel grundlegender und verstehen mehr.“ (Carmen Garcia, Lehrerin aus Spanien) | 77 Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen „In das forschende und entdeckende Lernen muss man als Lehrkraft viel Zeit investieren.“ „Mit forschendem Lernen kommen meine SchülerInnen nicht durch die Prüfung.“ Wenn man das forschende Lernen erstmalig ausprobiert, ist die Vorbereitung relativ zeitintensiv. Das ändert sich jedoch mit steigender Erfahrung und das Ergebnis ist es allemal wert: Für LehrerInnen hat es hohe Priorität, ihre SchülerInnen so vorzubereiten, dass diese bei Abschlussprüfungen gut abschneiden. „Am Anfang ist es schwierig, aber man gewöhnt sich an den neuen Unterrichtsstil. Und dann merkt man, dass es leichter wird.“ (Hajnalka Csapó, Lehrerin aus Rumänien) „Unsere Befürchtung war, dass das Unterrichtskonzept unser Arbeitspensum nochmals erhöht. Und dann wäre es schwierig geworden, alle Inhalte zu behandeln. Doch dann haben wir gemerkt, dass es um normale Unterrichtsstunden geht, und wir waren weniger besorgt. Ich würde allerdings trotzdem sagen, dass das forschende und entdeckende Lernen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Doch unter dem Strich ist es das wert, denn auf diese Weise eignen sich die SchülerInnen den Stoff viel besser an als im herkömmlichen Unterricht.“ (Anna Miguel, Lehrerin aus Malta) 78 | „Meine Hauptaufgabe ist es, die SchülerInnen auf die nächste Prüfung vorzubereiten, damit sie ein Zeugnis bekommen, das sie in Zukunft weiterbringt. Mehr wollen sie nicht, und wenn ich mehr machen würde, würden sie sich sicherlich querstellen. Als nächstes würden mir dann die Eltern erklären, dass diese Art von Unterricht nicht zu meinen Aufgaben gehört. Und an diesem Punkt wird mir klar, dass ich keine Lust habe, gegen eine Mauer zu rennen.“ (Marianne Berger, Lehrerin aus Deutschland) „Ich habe keine Zeit für Modellierung oder forschendes Lernen. Ich muss die SchülerInnen auf die Abschlussprüfung vorbereiten.“ (Mariah Bonello, Lehrerin aus Malta) Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen Es stimmt, dass die SchülerInnen in vielen Ländern bei Prüfungen nicht für ihre Fähigkeit belohnt werden, Aufgaben auf forschende und entdeckende Weise zu lösen. Dies ist auch den Politikern in einigen Ländern bewusst. Die aktuellen Reformvorschläge in England sehen beispielsweise einen stärkeren Fokus auf die Bearbeitung unstrukturierter Aufgaben vor . Wenn Lehrkräfte das forschende Lernen langfristig in ihre Unterrichtspraxis integrieren, stellen sie fest, dass sich die Prüfungsergebnisse verbessern: „Einige von meinen SchülerInnen haben bei den Halbjahresprüfungen nicht gut abgeschnitten und den Mut verloren. Als ich dann das forschende Lernen anwandte, verbesserte sich ihr Selbstvertrauen. Und das spiegelte sich bei den nächsten Prüfungen auch in besseren Noten wider.“ (Gabriel Abela, Lehrer aus Malta) Genau wie bei Abschlussprüfungen werden die durch das forschende Lernen entwickelten Fähigkeiten in den üblichen Klassenarbeiten meist nicht honoriert. In diesem Bereich ist das forschende Lernen eine besondere Herausforderung für die Lehrkräfte. „In einer Klassenarbeit habe ich bisher noch keine extrem offene Aufgabenstellung bearbeiten lassen, soweit bin ich noch nicht. Normalerweise verwende ich solche Aufgaben in mündlichen Tests. Ich will aber bald eine offene Aufgabe in eine schriftliche Prüfung integrieren und bin auf der Suche nach geeigneten Aufgaben dieser Art. Es gibt nicht genügend Materialien zur Leistungsüberprüfung nach dem Konzept des forschenden Lernens, aber auf der PRIMAS-Website findet man interessante Anregungen.“ (Irina Weinrich, Lehrerin aus Deutschland) „Eltern und andere Außenstehende können das forschende und entdeckende Lernen nicht gut nachvollziehen.“ Die Einführung des forschenden Lernens geht mit der Angst einher, dass Eltern und andere Außenstehende unser Ziel missverstehen und meinen, wir würden uns aus der Verantwortung stehlen, den SchülerInnen fachliche Inhalte und Arbeitstechniken beizubringen. Unserer Meinung nach ist diese Angst jedoch unbegründet, wenn das forschende und entdeckende Lernen bei Elternabenden oder ähnlichen Veranstaltungen umfassend vorgestellt wird. Die Eltern sind beruhigt, wenn sie erfahren, dass Fachwissen und Methoden nicht zu kurz kommen. | 79 Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen „Mit den Schülereltern gab es bisher keine Probleme. Ich erkläre Ihnen, dass ich forschendes Lernen nicht die ganze Zeit über mache. Man muss beim Elternabend einfach erklären, dass im Mathematikunterricht ein offenerer, forschender Unterrichtsansatz angewendet wird, aber dass die SchülerInnen am Ende des Schuljahres trotzdem rechnen können.“ (Nina Meyer, Lehrerin aus Deutschland) Was die Eltern natürlich auch beruhigt, sind die begeisterten Erzählungen ihrer Kinder über den Unterricht oder sogar das gemeinsame Lernen: „Wir bekommen nur positive Rückmeldungen von den Eltern, denn den SchülerInnen macht der neue Unterrichtsstil Spaß und sie erzählen ihren Eltern von ihren Lernerfahrungen. Ich finde, wir sollten die Eltern umfassend informieren und sie in unsere Aktivitäten mit einbeziehen.“ (Vadim Mazilescu, Lehrer aus Rumänien) 80 | „Meinen Schülern wird das forschende und entdeckende Lernen nicht gefallen.“ Das forschende und entdeckende Lernen stellt auch die SchülerInnen vor größere Herausforderungen und sie brauchen einige Zeit, um sich daran zu gewöhnen: „Die SchülerInnen sind eher an einen traditionellen Unterrichtsstil und direkte Wissensvermittlung gewöhnt und müssen erst lernen, sich Wissen nach dem Ansatz des forschenden Lernens anzueignen.“ (Martin Egi, Lehrer aus der Schweiz) Manche SchülerInnen, vor allem diejenigen, die mit dem traditionellen Ansatz der Wissensvermittlung gut gefahren sind, müssen sich erst an die neue, aktivere Rolle gewöhnen, die jetzt von ihnen erwartet wird: „Warum sagen Sie uns nicht einfach, wie wir an die Aufgabe herangehen sollen?“ oder „Warum sollen wir dieses Experiment selbst planen?“ Solche Reaktionen sind ganz normal. Wir sollten den SchülerInnen die veränderten Erwartungen an sie genau erklären: dass sie lernen sollen, aktiv Fragen zu stellen, selbst nach Antworten zu suchen, verschiedene Ansätze zu vergleichen und ihre eigenen Lösungsideen weiterzuverfolgen – ohne ständig um Hilfe zu bitten. Die Schüler sollen wissen, wie wichtig es ist, zusammenzuarbeiten, genauso so, wie professionelle Wissenschaftler und Mathematiker es in der Realität tun. Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen Das Verständnis dafür wird nach und nach wachsen. Zu Beginn können wir eher kurze Aufgaben stellen, die nur ein bisschen offener und unstrukturierter sind als sonst. „Ich versuche, kleinere Forschungsaufgaben zu stellen, die in einer oder zwei Unterrichtsstunden bewältigt werden können. Das hat den Vorteil, dass die SchülerInnen nicht den Faden verlieren und bald Ergebnisse sehen.“ (Pavol Jaroslav, Lehrer aus der Slowakei) Geschickte Fragen bringen das forschende Lernen meist gut voran. Unserer Erfahrung nach sollten mögliche Fragen zuvor sorgfältig überlegt werden. Die Bearbeitung einer offenen Aufgabe kann mit Fragen wie dieser eingeleitet werden: „Wie kann man diese Aufgabenstellung vereinfachen? Welche Vermutungen können wir aufstellen?“ Wenn ein Schüler das Ausgangsproblem erkannt hat, können wir fortfahren: „Fällt dir eine systematische Lösungsstrategie ein? Wie könntest du deine Daten sinnvoll festhalten?“ Während die SchülerInnen Daten sammeln, fragen wir: „Könnt ihr ein Muster erkennen? Habt ihr eine Erklärung für das Muster?“ Zum Schluss geht es vor allem um das Kommunizieren der Ergebnisse: „Wie könnt ihr euer Ergebnis kurz und bündig erklären?“ Es ist immer gut, die SchülerInnen nach sinnvollen Begründungen für ihren Lösungsweg und ihre Ergebnisse zu fragen. Wenn sie nicht weiterkommen, sollte die Lehrkraft nicht zu schnell helfen, sondern ihnen Zeit zum Nachdenken geben, ehe sie selbst einschreitet. „Ich bitte die SchülerInnen, ihre Argumente mit Beispielen zu belegen oder detaillierter auszuführen. In den meisten Fällen kommen sie damit dann besser voran. Kommt ein Schüler nicht weiter, schildere ich dasselbe Problem in einem anderen Zusammenhang, um es anschaulicher zu machen. Der von mir gewählte Zusammenhang ist dann meistens etwas aus dem täglichen Leben der SchülerInnen.“ (Cosmin Mihai, Lehrer aus Rumänien) | 81 Inspirierende Erfahrungen – und Herausforderungen Am Ende werden es die SchülerInnen zu schätzen wissen, dass wir ihnen den Unterrichtsstoff auf diese Weise nahebringen: „Meiner Meinung nach ist das forschende Lernen ein Fortschritt für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht. So lernen die SchülerInnen, kritisch und kreativ zu denken und ihre Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften zu nutzen, um eine Aufgabe zu lösen. Außerdem hilft es den SchülerInnen, mit anderen selbstbewusst über mathematische oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu diskutieren.“ (Gabriel Abela, Lehrer aus Malta) Die erfolgreiche Umsetzung des forschenden und entdeckenden Lernens in unserem naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht birgt verständlicherweise Herausforderungen. Aber die Fähigkeiten, die die SchülerInnen sich durch das forschende und entdeckende Lernen aneignen, sowie der damit einhergehende Nutzen – für die Schüler, aber auch für uns als Lehrer – sind wesentlich größer als die Hindernisse und der anfängliche Widerstand. Ein guter Ansatzpunkt ist, das forschende Lernen Schritt für Schritt einzuführen und auszuprobieren. Die Erfahrungen der TeilnehmerInnen am PRIMASProjekt zeigen, dass das Ergebnis die damit verbundene Mühe allemal wert ist. 82 | Zum Abschluss möchten wir allen danken, die an PRIMAS teilgenommen haben: LehrerausbilderInnen, ReferendarInnen und LehrerInnen sowie ihren SchülerInnen. Ihr Einsatz ermöglicht uns wertvolle Einblicke in ihre Arbeitsweisen – und ist die Grundlage für den Erfolg des Projektes. Gemeinsam werden wir weiterhin das forschende und entdeckende Lernen in ganz Europa fördern. Dabei sind Ihr Feedback und Ihr Beitrag jederzeit willkommen, damit wir das Ziel, unsere SchülerInnen bestmöglich auf ein Leben nach der Schule vorzubereiten, weiter voranbringen können. ISBN 978-3-00-044285-8