Die Brennholzprofis aus dem Allgäu

Transcription

Die Brennholzprofis aus dem Allgäu
F o r s t m ag a z i n
Die Brennholzprofis
aus dem Allgäu
Hugo Wirthensohn (links) und Helmut
Müller haben maßgeblich den Biomassehof Allgäu e.G. aufgebaut. Die
Genossenschaft vermarktet hoch professionell alle Arten von Holzbrennstoffen.
Pellets, Hackschnitzel und
Scheitholz – aus der Region,
in verschiedenen Sortierungen
und hoher Qualität:
Das ist die Geschäftsidee vom
Biomassehof in Kempten.
Wir haben die bayerischen
Brennholzprofis besucht.
24
H
elmut Müller und Hugo
Wirthensohn „brennen“ für ihren Job. Beide sind Überzeugungstäter bei der Vermarktung von
Holzbrennstoffen: Scheitholz, Hackschnitzel und Pellets. Helmut Müller arbeitet hauptberuflich als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer der Genossenschaft Biomassehof Allgäu e.G. in
Kempten. Förster Hugo Wirthensohn
berät die Waldbesitzervereinigung
(WBV) Kempten, also die Eigentümer
der Genossenschaft. „Privat“ ist er, wie
er sagt, auch der Aufsichtsrats-Vorsitzende des Biomassehofs. Bei der Holzvermarktung engagiert sich Wirthensohn über das normale Maß eines Forstbeamten hinaus. Wir haben bereits vor
einigen Jahren über die „Waldsäge
Fuchstal“ berichtet, einer Waldbauerninitiative zum Verarbeiten von überstarkem Holz, an der er maßgeblich beteiligt
ist. Auch in Kempten hat er ganz entscheidend dazu beigetragen, dass es die
Genossenschaft überhaupt gibt.
Der bayerische Biomassehof ist mittlerweile über die Landesgrenzen bekannt. Ein Grund für uns, einmal hinter
die Kulissen des Unternehmens zu blicken. Denn die Bilanz der Genossen ist
ordentlich: Im letzten Jahr setzten Müller und seine Mitarbeiter 6 Mio. € um.
Den größten Anteil haben aktuell die
Pellets mit 50 % am Gesamtvolumen.
Die Hackschnitzel machen 25 %, das
klassische Scheitholz 15 % aus. Der Rest
entfällt auf Handelsware, wie z.B. Holzbriketts oder Anmachholz. Inklusive der
Geschäftsführung arbeiten mittlerweile
9 Vollzeitkräfte und 3 bis 4 Teilzeitkräfte
für die Genossenschaft.
Der Anfang: Heizwerk
sucht Hackschnitzel
„Wie ist das Unternehmen entstanden?“, wollen wir von Wirthensohn und
Müller wissen. Die Initialzündung geht
auf das Jahr 1997 zurück. Zum Ende der
90er Jahre wurde Holz als Brennstoff
plötzlich wieder interessant. Außerdem
wurde der politische Druck auf die
Waldbauern in Bayern höher: Das bis
dahin beliebte Verbrennen von Schlagabraum sollte eingestellt werden. Und
plötzlich entstand zusätzliche Nachfrage.
Das örtliche Entsorgungsunternehmen
wandte sich mit einer zu der Zeit noch
sehr ungewöhnlichen Bitte an die Waldbesitzervereinigung: Schaffen es die
Waldbauern, jährlich 10 000 t Hack-
Qualität ist oberstes Gebot. Zwischengelagerte Pellets werden vorm Verladen
noch einmal entstaubt.
Hauptumsatzträger sind
Heizpellets.
Der Biomassehof will sich
künftig an
einer Produktionsanlage
beteiligen.
schnitzel zu liefern? Eine ganze Ofenlinie im Müllverbrennungswerk sollte mit
Altholz und Hackschnitzeln betrieben
werden. Das Ganze wurde vom zuständigen Landrat mit einer „Versicherung“
untermauert: Er garantierte die Abnahmemenge für 10 Jahre zum jeweilig oberen aktuellen Marktpreis.
Parallel stand in Stadtnähe ein altes
Munitionsdepot zum Verkauf – das ideale Betriebsgelände für einen Biomassehof. In einem Rundschreiben wurden
die Mitglieder der WBV zur Gründung
einer eigenen Genossenschaft befragt.
Sie gaben überwiegend positive Rückmeldungen und die Ampeln standen auf
Grün. Die junge Genossenschaft wurde
zum Hackschnitzel-Liferanten!
Nach dem positiven Start baute die
Genossenschaft ihr Angebot in den drei
Hauptbereichen
Hackschnitzel, Pellets und Scheitholz
aus. Heute setzt
sich das Programm
wie folgt zusammen:
■■ Hackschnitzel:
Bei der Bereitstellung arbeitet der
Biomassehof mittlerweile mit mehreren Forstlohnunternehmern und
Sägewerken
zusammen. Die Sägewerke liefern auch Rindenabfälle zu,
was die Wirtschaftlichkeit verbessert.
Aus dem Wald wandern vor allem Fichtenwipfel in den Hacker. Für den Aufkauf der Rohware oder fertiger Hackschnitzel ist Helmut Müller persönlich
zuständig. Er prüft das Material und unterscheidet in drei Qualitätsklassen:
1 = überwiegend Stammholz; 2 = Wipfel-
holz; 3 = Äste, Zweige, hoher Anteil von
Nadeln und Grün. Die Genossenschaft
bietet außerdem „Premium-Hackschnitzel“ an, die nach EU-Vorgaben genormt
sind. Das Material ist gesiebt und hat
eine Feuchte von unter 20 %.
■■ Pellets: Im letzten Jahr konnte die
Genossenschaft 20 000 t Holzheizpellets
absetzen. Drei Silozüge sind in einem
Radius von ca. 60 km unterwegs. Die Pellets gehen möglichst direkt vom Erzeuger zum Verbraucher. Der Biomassehof
hat aber auch eine Halle, um die Brennstäbchen zwischen zu lagern. Wichtig dabei: Bevor der Silozug aus dem Lager beladen wird, trennen die Kemptener in einer speziellen Anlage den Staub ab.
Denn durch den Umschlag per Radlader
lässt sich Abrieb kaum vermeiden. „Die
Qualität ist oberstes Gebot – damit
Meist legen Lkw das gelieferte Holz
direkt auf den Beschicker des Sägespalters. Bei Bedarf geht das auch per Bagger.
punkten wir nicht nur bei den Pellets“,
umschreibt Müller die Strategie.
Der Biomassehof produziert bisher
noch keine Holzheizpellets selbst. Der
Bezug läuft über den überregionalen
Markenverbund Firestixx. Doch zurzeit
25
F o r s t m ag a z i n
zwei Leichtbauhallen im Betrieb, in denen die Scheite 14 Tage lang per Wärme
getrocknet werden. Logisch, dass Resthölzer und Pelletabfälle die Trocknungen
kostengünstig befeuern.
Die Vermarktung von Scheitholz läuft
ausschließlich nach Gewicht auf der betriebseigenen Brückenwaage und nicht
nach Volumen. So gibt es keine Mengendiskussionen mit den Kunden. Abrechnungsbasis ist eine Holzfeuchte von
20 %. Mit einem Messgerät an der Waage können besonders kritische Kunden
die Holzfeuchte selbst kontrollieren.
Gängig ist die Vermarktung loser
Scheite, es gibt aber auch gesacktes oder
auf Paletten gestapeltes Brennholz. Der
Die Holzprofis haben den Sägespalter nach eigenen Vorstellungen umgerüstet.
Preis staffelt sich nach Abnahmemenge.
Die Kunden können selbst ihren Kofferprüfen die umtriebigen Genossen die
Im Idealfall liefert der Spediteur die raum füllen, vor Ort einen Anhänger
finanzielle Beteiligung an einem be- Abschnitte just-in-time an und legt sie mieten oder sich das Holz bringen lasnachbarten Pellet-Werk.
dann per Lkw-Kran direkt auf den Be- sen. Die aktuellen Preise findet der Kun■■ Scheitholz: Mit dem Bau der ersten schicker des Säge-Spalters. Das spart de auch unter www.holzbrennstoffe.de
eigenen Halle auf dem Gelände im Jahr den zusätzlichen Umschlag auf dem auf der Internetseite.
Durch die aufwändige Aufbereitung,
2000 kam auch der Klassiker ins Liefer- Holzplatz. Bei Bedarf steht aber ein Moprogramm: Scheitholz. Kern der Anlage bilbagger mit angehängtem Rungenwa- Trocknung und Lagerung ist Marge
ist eine automatische Säge-Spalt-Ma- gen zur Verfügung, um gelagerte Stäm- beim Scheitholz recht schmal. Vor allem
schine von Kretzer, die nach eigenen me zu verarbeiten. Der Holzgreifer am stieg der Preis für Industrieholz durch
Bagger hat sogar eine eingebaute Kapp- die starke Brennholznachfrage deutlich.
Vorstellungen umgebaut wurde.
Um die Maschine vernünftig aus- säge, so dass die Brennholzprofis zur Bei Start der Vermarktung Ende der
90er Jahre kostete ein Festmeter Industzulasten, arbeiten die Allgäuer fast nur Not auch mit Langholz fertig werden.
rieholz 25 DM (!) frei Wald, 2011 war
mit Palettenholz bzw. Industrieholzder Preis auf über 60 € (!) geklettert.
Fixlängen (4 bis 6 m). Baumfallende Scheitholz nur nach Gewicht
Das schlägt sich im Verkaufspreis nieLängen findet man nur selten auf dem
Lagerplatz.
Hinter dem Sägespalter laufen die fer- der. Der Biomassehof ist mit rund 60 €
tigen Scheite durch eine Reinigungstrom- pro Ster (Raummeter) gestartet. Heute
mel, die Späne und Spreißel abtrennt. berechnet man im Schnitt 95 € für die
Auch hier zählt die Qualität. Vorläufige gleiche Menge.
Endstation sind selbst gebaute Gitterbo„Und das Holz liefern ausschließlich
xen, in denen die Scheite dann trocknen. die Mitglieder des WBV – also die EiZur natürlichen Trocknung werden die gentümer dieser Genossenschaft?“
Boxen gestapelt und einfach gegen Nässe Wirthensohn und Müller lächeln vielsageschützt. Außerdem haben die Allgäuer gend: „Die meisten verkaufen ihr Brennholz lieber selbst, frei
nach dem Motto cashand-carry. Da können
wir mit unserer aufwändigen
Buchführung
nicht mithalten ...“.
Der
Biomassehof
kauft das Industrieholz
für die Brennholzscheite deshalb auf dem
Markt, meist aus Staatsoder
Kommunalwäldern oder von Forstlohnunternehmern.
Ständig werden die
Kosten des Unternehmens kritisch geprüft.
Top-Ware ist Pflicht, wenn man hohe
Die komplette Scheitholz-Trocknung läuft in GitterVor allem die Werbung
Erlöse erzielen will: Eine Reinigungsboxen, die entweder unter einfachem Regenschutz
in Tageszeitungen hatrommel trennt Feinteile vom Scheitholz. draußen stehen oder in eine Trockenkammer wandern.
26
vermarktet werden. Es ist aber auch
schon mal eine Palette allgäuer Brennholz nach Sylt verkauft worden.
Ungebremstes Wachstum?
Auf dem Hof stehen Trockenkammern
zur Verfügung, die – natürlich – mit
Restholz befeuert werden.
ben die Kemptener massiv zurückgefahren, der Biomassehof ist mittlerweile gut
bekannt. Man setzt jetzt mehr auf gezielte Maßnahmen, wie z. B. die Präsenz auf
regionalen Ausstellungen, den Kontakt
zu Heizungsbauern und Kaminkehrern
oder Vorträge. Ein Auftritt auf den
Waldtagen des WBV ist selbstverständlich, genau wie die professionelle Homepage mit dem kompletten Angebot.
Dazu gehört ein Shop, über den vor allem kleinere Artikel wie Anmachholz
Geht die weitere Entwicklung des
Biomassehofs ungebremst nach oben?
Wirthensohn und Müller kennen das
Geschäft zu gut, um euphorisch zu sein.
Sie machen ihre Vorsicht vor allem an
einem Beispiel fest: 2006 hatte die Genossenschaft ihr bisher umsatzstärkstes
Jahr, in der Folge wurde kräftig investiert. Und dann fielen zwei Winter quasi
aus, der Absatz brach ein und der Umsatz rauschte um 1 Mio. € nach unten.
Der Warenbestand aus dem Jahr 2006
war erst im Sommer 2008 abverkauft.
Zwar schwanken die Brennholzpreise
nicht so stark wie in anderen Holzbereichen. Doch die Absatzmenge hängt direkt von der Witterung ab.
Dazu kommt die immer stärkere
Konkurrenz der örtlichen Waldbesitzer
– was Wirthensohn als Förster aber nicht
negativ sieht: „Uns ist es mit der Genossenschaft gelungen, den Brennstoff Holz
in der Region in Wert zu setzen – davon
profitieren alle Mitglieder der WBV.“
Trotzdem setzen die Strategen des
Biomassehofs weiter auf Wachstum: Der
Einzugsbereich soll erweitert werden,
der Einstieg in die Pelletproduktion
steht an. Man prüft außerdem strategische Partnerschaften und gegenseitige
Beteiligungen an ähnlichen Unternehmen in Bayern.
G. Höner
Anzeige
Kunde: Heizomat
Format: 1/2
Farbe: 4c
Privatkunden können direkt am Biomassehof einen Pkw-Anhänger leihen oder sich
das Holz auch nach Hause liefern lassen. Abgerechnet wird grundsätzlich nach
Gewicht und nicht nach Volumen. Fotos: G. Höner
27

Documents pareils