Hartz IV: Mit Betroffenen im Gespräch Hilfe zur Selbsthilfe

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Hartz IV: Mit Betroffenen im Gespräch Hilfe zur Selbsthilfe
Hartz IV:
Mit Betroffenen im Gespräch
Hilfe zur Selbsthilfe
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Vorwort
Seit Inkrafttreten von Hartz IV sind mittlerweile fast sechs Jahre vergangen. Für die schwarz-gelben Regierungen im Bund und im Freistaat Sachsen
besteht keine Veranlassung zu grundlegenden Änderungen an diesen einschneidenden gesetzlichen Regelungen. Für DIE LINKE ist Hartz IV gescheitert und gehört dringend abgeschafft. Unsere damalige Kritik, dass Hartz IV
nichts anderes als Armut per Gesetz ist, hat sich gerade in Sachsen mehr als
bestätigt. Die Zahl derer, die nach EU-Kriterien als arm gelten, liegt in Sachsen bei 20 Prozent der Bevölkerung und dürfte angesichts weiterer massiver
Sozialkürzungen eher noch ansteigen.
Im Sächsischen Landtag hat die Linksfraktion seit Jahren immer wieder per
Antragsinitiativen versucht, die Lage der mehr als eine halbe Million von
Hartz IV betroffenen Menschen in Sachsen wenigstens zu lindern. All unsere
Vorschläge wurden von den jeweiligen sächsischen Regierungskoalitionen
abgelehnt. Dennoch werden wir unseren konstruktiven parlamentarischen
Widerstand fortsetzen und immer wieder den Finger in die klaffende Wunde
zunehmenden Sozialabbaus und der damit verbundenen massiven Ausgrenzung von immer mehr Menschen in Sachsen legen.
Darüber hinaus war unsere Fraktion im Landtag und waren die Abgeordneten vor Ort von Anfang an bemüht, Menschen in ihrer angespannten Lebenslage zu unterstützen und wenigstens bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche auf soziale Leistungen zu helfen. Davon zeugen die regelmäßigen
Abgeordnetensprechstunden in den Bürgerbüros in allen sächsischen
Regionen. Dort, wo es unsererseits fachlich möglich ist, bieten wir auch
Sozialberatungen an oder vermitteln in solche von anerkannten Vereinen
und Verbänden. Stets geht es uns dabei um den Anspruch, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
Davon zeugt auch die vorliegende Broschüre, bei der es sich um eine völlig
überarbeitete und aktualisierte Neuauflage einer Publikation gleichen Titels
handelt, die im Sommer 2005 von der damaligen PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag herausgegeben wurde. Wie damals kommen auch in der
Neuauflage von Hartz IV Betroffene mit ihren Anliegen zu Wort. Es handelt
sich deshalb um keine am grünen Schreibtisch konstruierten Fälle, sondern
um eine Auswahl von realen Fragen, die immer wieder gestellt werden.
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Die gegebenen Antworten sind weder vollständig noch erheben sie Anspruch auf den Charakter einer Rechtsberatung. Dennoch können sie zum
Verständnis des nach wie vor komplizierten Regelgestrüpps des Hartz-IVSystems beitragen und so eine Hilfestellung für Betroffene sein.
Für deren Interessen wird sich DIE LINKE im Sächsischen Landtag auch weiterhin stark machen. Wie notwendig dies ist, zeigen die jüngsten Vorschläge
der Bundesregierung. Eine Anhebung des Regelsatzes um lediglich 5 Euro
ist eine Verhöhnung der vielen Langzeitarbeitslosen, die unverschuldet ohne
Arbeit sind. DIE LINKE wird daher im Parlament weiter für eine wirklich bedarfsgerechte Grundsicherung eintreten.
Herzlich bedanken möchten wir uns bei Herrn Frank Schaefer, der als erfahrener Sozialberater und Leiter einer anerkannten Beratungsstelle als Autor
der Stichworte dieser Broschüre zur Verfügung stand.
Dr. André Hahn
Fraktionsvorsitzender
Dresden, September 2010
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Dr. Dietmar Pellmann
Sozialpolitischer Sprecher
Anrechnung von Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit
Ich erhalte inzwischen Hartz IV und habe vorher eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Das Honorar hierfür wurde in Raten überwiesen. Ich habe die
Überweisungen und die Höhe des Honorars sofort der ARGE mitgeteilt. Meine
Hartz-IV-Leistung wurde aber unverändert weitergezahlt. Nach mehrfachen
Aufforderungen hat man mir nun einen Berechnungsbogen und eine Zahlungsaufforderung zugesandt. Was muss ich hier beachten? Die Schreiben sind
nicht sehr verständlich formuliert.
Zur Beantwortung Ihrer Anfrage können wir Ihnen nur allgemeine Hinweise
geben. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit kann ab einer bestimmten
Höhe Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II mindern oder sogar aufheben.
Bei Selbstständigen werden vom Umsatz die anerkannten Kosten abgezogen. Die Anerkennung erfolgt durch die ARGE oder die entsprechenden Behörden in den optierenden Kreisen. Kosten, die ohne weiteres vom Finanzamt anerkennt werden, können unter Umständen bei der Berechnung des
Arbeitslosengeldes II als zu hoch oder zu luxuriös angesehen werden. Am
Ende des Bewilligungszeitraumes erfolgt über das Formular „Anlage EKS“
die Anrechnung des Einkommens und je nachdem eine Nachzahlung oder
eine Rückforderung. Der Nettogewinn wird dann um die gesetzlich festgelegten Freibeträge gemindert und der Rest gegen den Bedarf gemäß Sozialgesetzbuch II gerechnet. Dabei wird betrachtet, wann das Geld geflossen
ist. Es gilt das Zuflussprinzip.
Anspruchsvoraussetzungen
Mein Arbeitslosengeld-I-Anspruch geht bald zu Ende. Ich hoffe, dass ich noch
während dieser Zeit eine Arbeit finde. Deshalb habe ich mich noch nicht mit
der Hartz-IV-Problematik beschäftigt. Welche Bedingungen muss ich erfüllen,
um Arbeitslosengeld II zu erhalten?
Das Arbeitslosengeld II ist eine Leistung auf Sozialhilfeniveau, die nur bei
vorhandener Hilfebedürftigkeit gezahlt wird. Wer den Lebensunterhalt für
sich und seine Familie aus Einkommen oder Vermögen nicht oder nur teilweise decken kann, gilt als bedürftig. Für Alleinstehende setzt sich der Bedarf aus dem Regelsatz (Ernährung, Kleidung, Strom etc.) von gegenwärtig
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359 Euro, der Warmmiete und eventuellen Mehrbedarfen zusammen. In den
ersten 6 Monaten wird die tatsächliche Miete vom Leistungsträger übernommen, danach nur noch die von der jeweiligen Kommune festgelegten Unterkunftskosten. Dem ermittelten Bedarf wird dann eventuell vorhandenes
Einkommen gegengerechnet. Ein 165-Euro-Job würde z. B. den Arbeitslosengeld-II-Anspruch um 52 Euro mindern. Die Bedürftigkeit ist auch vom vorhandenen Vermögen abhängig. Zurzeit werden ein altersabhängiger Grundfreibetrag für Erwachsene pro Lebensjahr in Höhe von 150 Euro, ein Freibetrag zur
Altersvorsorge mit der Bedingung eines Verwertungsausschlusses in Höhe
von 750 Euro, ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von
750 Euro und geförderte Altersvorsorge (Riester- und Rürup-Rente) gewährt.
Als geschütztes Vermögen gilt auch angemessener Hausrat, ein angemessenes Kfz im Wert bis zu 7.500 Euro und selbst genutztes Wohneigentum
in bestimmten Größen. Da die Anspruchsvoraussetzungen sehr kompliziert
sind, empfehlen wir vor der Antragstellung fachkundigen Rat einzuholen.
Unsere Fraktion DIE LINKE hat übrigens im März 2010 in einem Antrag
in Drs 5/1518 Initiativen der Staatsregierung auf Bundesebene zur
Umsetzung der Hartz-IV-Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom
20. Dezember 2007 und vom 9. Februar 2010 nachdrücklich gefordert,
darunter z. B. die Beseitigung des Konstrukts „Bedarfsgemeinschaft“,
die Anhebung des Eckregelsatzes für Langzeitarbeitslose auf monatlich
500 Euro, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes sowie einer
Kindergrundsicherung.
Antragstellung
Mein Anspruch auf Arbeitslosengeld I läuft aus. Muss ich mich um die Antragsformulare für das Arbeitslosengeld II selbst bemühen oder bekomme ich
sie vom Amt zugesandt?
Sie werden vor Ende Ihres Anspruches durch ein Schreiben der Agentur für
Arbeit über das bevorstehende Ende ihres Arbeitslosengeldbezugs informiert. Die Formulare für die Beantragung von Arbeitslosengeld II werden
nicht übersandt. Sie können sie vom Leistungsträger der Grundsicherung
abholen oder aus den Internetseiten der Agentur für Arbeit ausdrucken.
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Arbeitsgelegenheit – „1-Euro-Job“
Kann mich die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zu einem 1-Euro-Job zwingen? Ich
bin 55 Jahre alt, herzkrank und langzeitarbeitslos.
So genannte Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE),
die umgangssprachlich als 1-Euro-Jobs bezeichnet werden, müssen von
Arbeitslosengeld-II-Empfängern grundsätzlich angenommen werden. Da sie
Arbeitslosengeld II erhalten, sind sie offiziell mindestens für 3 Stunden am
Tag arbeitsfähig. MAE gehören zu den Eingliederungsleistungen nach Sozialgesetzbuch II § 16. Sie sollen allerdings eigentlich nur dann angewendet
werden, wenn dadurch die Chance steigt, auf dem regulären Arbeitsmarkt
eine Beschäftigung zu finden, oder wenn es keine anderen Förderungsmöglichkeiten gibt. Die Praxis vor Ort sieht allerdings oft anders aus und die
1-Euro-Jobs sind bei Politikern der verschiedenen Parteien umstritten, weil
sie, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, nicht selten zur Vernichtung von
Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt beitragen und so letztlich Druck
auf das gesamte Lohnniveau ausüben.
Sollte Ihre Zuweisung in den 1-Euro-Job ohne eine nachfolgende berufliche
Perspektive erfolgen, wäre im Gespräch mit Ihrem Vermittler zumindest zu versuchen, andere Perspektiven, wie z. B. Weiterbildung, Vermittlung auf den regulären Arbeitsmarkt oder Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit mit Entgeltvariante, zu erörtern. In Ihrem Fall müssten sie darauf achten, ob der Zuweisung
in den 1-Euro-Job gesundheitliche Gründe entgegen stehen und sich mit Ihrem
eingeschränkten Arbeitsvermögen überhaupt vereinbaren lassen. Im Zweifelsfall sollten Sie auf einer erneuten ärztlichen Untersuchung bestehen.
Bedarfsgemeinschaft
Mein Arbeitslosengeld-I-Anspruch geht zu Ende. Ich muss Arbeitslosengeld II
beantragen. Meine Frau hat einen Mini-Job und der Sohn bekommt Lehrlingsgeld. Wie wird der Anspruch berechnet? Ich habe gehört, dass alle Familienmitglieder zum Hartz-IV-System gezählt werden. Ich bin doch aber der Einzige
ohne Arbeit in der Familie!
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Mit der Einführung der Hartz-IV-Gesetzgebung wurde der Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ erfunden. Grundlage hierfür war die Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich Personen, die sich in Notlagen befinden und in einem
gemeinsamen Haushalt mit Familienmitgliedern oder Verwandten leben, in
bestimmten Fällen gegenseitig materiell unterstützen müssen. Zuerst wird
der Bedarf Ihrer Familie (Bedarfsgemeinschaft) ermittelt. Der Leistungsträger rechnet die Regelleistung für Sie, Ihre Frau und Ihren Sohn, die Warmmiete und unter Umständen Zuschläge und Mehrbedarfe zusammen.
Dem so ermittelten Bedarf wird dann das gesamte vorhandene Einkommen
gegenüber gestellt. Dazu zählen u. a. Erwerbseinkommen, Ausbildungsvergütung und Kindergeld. Für bestimmte Einkommen gibt es noch Freibeträge,
die nicht angerechnet werden. Kann nun Ihr Bedarf durch eigenes Einkommen oder Vermögen über den Freibeträgen nicht gedeckt werden, wird Arbeitslosengeld II gezahlt. Wir empfehlen Ihnen auf Grund der komplizierten
Ermittlung des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs vor Antragstellung eine fachkundige Stelle zu besuchen und sich individuell beraten lassen.
In einem Dringlichen Antrag in Drs 5/3754 fordert die Fraktion DIE
LINKE Ende September 2010 die Sicherung des Existenzminimums
und die Bekämpfung der Armut, z.B. durch die deutliche Anhebung des
SGB-II-Regelsatzes auf mindestens 420 Euro. Sachsen soll sich im
Bundesrat unverzüglich für eine dementsprechende Gesetzesinitiative
gegenüber dem Bundestag einsetzen.
Darlehen
Mein Girokonto (ich bin ALG-II-Empfänger) ist leider weit überzogen. Es ergibt
sich nun die Möglichkeit, dieses durch ein privates Darlehen innerhalb meiner
Familie auszugleichen. Würde ein solches Darlehen als Einkommen bewertet
und entsprechend mit dem ALG II verrechnet werden oder nicht?
Für den Fall, dass Ihre Familie das Konto mit einer Überweisung ausgleicht und
Ihnen die Zweckgebundenheit schriftlich bestätigt, sollte im Normalfall keine
Anrechnung erfolgen. Das Darlehen ist zweckgebunden und Ihre persönliche
Situation würde nicht verbessert, da das Geld Ihre Bank erhält. Ob auch die
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Leistungsabteilung Ihres zuständigen Trägers das Darlehen nicht als Einkommen wertet, lässt sich von außen schwer vorhersagen. Allzu oft wird hier leider
ein so genannter Ermessensspielraum angewandt, den es eigentlich so nicht
geben dürfte. Sprechen Sie im Vorfeld mit den Mitarbeitern der Leistungsabteilung über Ihre Pläne. Sollte der Leistungsträger doch von Einkommen ausgehen und das Darlehen anrechnen, wäre ein Widerspruch und später ggf. die
nachfolgende „richterliche“ Bewertung vor dem Sozialgericht nötig.
Datenschutz/Vorlage der Kontoauszüge
Ich muss einen neuen Fortzahlungsantrag auf ALG II stellen. Meine ARGE fordert Kontoauszüge der letzten 3 Monate. Ich denke, dass Kontoauszüge nur
angesehen, aber nicht kopiert oder gar einbehalten werden dürfen. Ist dies
richtig? Darf ich meine Kontoauszüge schwärzen?
Mit dem Urteil B 14 AS 45/07 R vom 19. 9. 2008 hat das Bundessozialgericht bestimmt, dass die Forderung der Vorlage von Kontoauszügen der
letzten 3 Monate bei Erst- und auch bei Wiederholungsanträgen zur Beantragung von ALG II zulässig ist. Vorlage der Kontoauszüge heißt, dass Sie
diese nur zur Einsicht vorlegen müssen, Kopien zum Verbleib beim Amt sind
nicht zulässig. Es müssen weder ein konkreter Verdacht auf Leistungsmissbrauch gegen den Antragsteller noch andere Gründe zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
Das Bundessozialgericht urteilte weiter, dass ALG-II-Empfänger ihren Leistungsträgern generell die Möglichkeit einzuräumen haben, ihre Einnahmen als auch
ihre Ausgaben einzusehen. Die Schwärzung ist nur bei Buchungen zulässig,
deren Inhalt besonders geschützte Angaben enthalten. Beispiele wären hier:
ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche
Bekenntnisse, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben.
Die Buchungsbeträge müssen aber ersichtlich sein.
Ehrenamtspauschale für bürgerschaftliches Engagement
Ich helfe bei einer gemeinnützigen Einrichtung im Rahmen des bürgerschaftlichen Engagements. Wird die Aufwandsentschädigung auf mein Arbeitslosengeld II angerechnet?
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Es wird zwischen steuerfreien Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit nach § 3 Nr. 26 Einkommenssteuergesetz (z. B. Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer) und Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit
im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich nach § 3 Nr. 26 a
Einkommensteuergesetz unterschieden. Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher,
Betreuer oder kommunale Mandatsträger, die Leistungen nach SGB II beziehen, können bis zu 2.100 Euro jährlich und monatlich 175 Euro ohne Anrechnung auf ihre Leistung erhalten (§ 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz).
Für bürgerschaftliches Engagement in gemeinnützigen Bereich darf die Ehrenamtspauschale ebenfalls 175 € im Monat betragen, aber nur 500 € im
Jahr. Das heißt: Für diese Art der Beschäftigung kann man 41,67 € im Monat
anrechnungsfrei neben dem Arbeitslosengeld II behalten. Die unterschiedliche Anrechnung, die durchaus kritikwürdig ist, wird mit den Regelungen des
Einkommensteuergesetzes begründet. Tätigkeiten nach § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz hält der Gesetzgeber für besonders förderungswürdig.
Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
In meiner Eingliederungsvereinbarung wurde ich von meiner Fallmanagerin
aufgefordert, meinen Gesundheitszustand von einem Vertrauensarzt prüfen
zu lassen. Gleichzeitig soll ich die Genehmigung erteilen, dass mein Hausarzt
von der Schweigepflicht entbunden wird. Ist dies nicht rechtswidrig?
Wir können ihren Unmut verstehen, aber es gilt die Verpflichtung für Arbeitssuchende zu einer amtsärztlichen Untersuchung im Rahmen der Mitwirkungspflichten. In Ihrer Eingliederungsvereinbarung sollte dies aber im Normalfall
nicht stehen. Die Aufforderung dazu geht Ihnen normalerweise gesondert
zu. Zweifelt z. B. der Leistungsträger an der Erwerbsfähigkeit eines Arbeitslosen, kann verlangt werden, dass der Betroffene seine behandelnden Ärzte
von der Schweigepflicht entbindet und vorhandene medizinische Unterlagen
und Gutachten vorlegen muss. Wirkt der Arbeitslose bei der Prüfung seiner
Erwerbstätigkeit nicht oder nur unzureichend mit, kann die Leistung bis zur
Nachholung der Mitwirkung eingestellt werden. Bei Weigerung, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, zu einer ärztlichen Untersuchung zu erscheinen,
kann es auch zur Absenkung und bis zum Wegfall des ALG II kommen. Eine
fehlende Mitwirkung liegt auch dann vor, wenn der Arbeitslose nur bereit ist,
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sich von einem bestimmten Arzt untersuchen zu lassen und nur diesen Arzt
von der Schweigepflicht entbindet. Dies wurde vom Bundessozialgericht in
einem Urteil so entschieden.
Erbschaft
Ich beziehe ALG II und habe 4.000 Euro geerbt. Wie wird das angerechnet?
Wird die Rückzahlung von Schulden berücksichtigt?
Einkommen und Vermögen grenzen sich dadurch voneinander ab, dass Einkommen alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig hinzu erhält.
Vermögen ist das, was man vor der Bedarfszeit (erstmaliger Leistungsbezug)
bereits besitzt. Die Bedarfszeit beginnt mit dem Tag, an dem die Antragstellung wirksam wird. Mittel, die während des Leistungsbezuges zufließen,
also auch Ihre Erbschaft, sind damit als Einkommen zu werten und auf den
Bedarf anzurechnen. Die Leistungsträger teilen einmaliges Einkommen im
Regelfall auf 12 Monate auf. So fallen Erben nicht zeitweilig völlig aus dem
Leistungsbezug, wodurch zumindest die Übernahme der SV-Beiträge (Renten-, Pflege- und Krankenversicherung) und der Zugang von Förderungsmöglichkeiten durch den Leistungsträger erhalten bleiben.
Schuldverrechnungen mit einmaligen Einnahmen wären ggf. nur möglich,
wenn diese Schulden eindeutig sind und von der Behörde akzeptiert werden
können.
Ferienjobs
Mein Sohn ist Schüler der 10. Klasse und möchte in den Ferien arbeiten. Unsere Familie bekommt Arbeitslosengeld II. Wie wird der Verdienst des Ferienjobs angerechnet?
Seit dem 1. Juni 2010 dürfen Schülerinnen und Schüler, die allgemein- oder
berufsbildende Schulen besuchen, in den Ferien bis 1.200 Euro anrechnungsfrei hinzu verdienen. Die Arbeitszeit ist im Kalenderjahr in den Schulferien auf 4 Wochen begrenzt.
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Gebühren für Rundfunk und Fernsehen
Ich erhalte Arbeitslosengeld II und einen geringen Zuschlag nach SGB II § 24
„Befristeter Zuschlag“ nach Arbeitslosengeld-I-Bezug. Deshalb wurde mir die
Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebühr verwehrt. Ist das richtig?
Leider ja. Der Arbeitslosengeld-II-Bezug führt nicht generell zu einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Nur wenn keine Zuschläge nach § 24
SGB II gezahlt werden, gibt es die Möglichkeit der Gebührenbefreiung. Ist Ihr
Zuschlag sehr gering, können Sie unter Umständen über einen gut begründeten Härtefallantrag doch noch die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erwirken. Zusätzlich sollten Sie sich bei Ihrer Kommune über soziale
Vergünstigungen informieren. Ermäßigte Eintrittsgelder bei kommunalen
Einrichtungen, das eventuell vorhandene Sozialticket und Anderes können
das tägliche Leben erleichtern.
Haushaltsgemeinschaft im Wohneigentum
Ich bin arbeitslos und wohne mit meiner Mutter in einen selbstgenutzten Haus,
das ca. 90m² Wohnfläche hat. Ich wohne oben, meine Mutter unten. Das Haus
gehört meiner Mutter und mir. Wenn ich Hartz IV beantrage, muss mich meine
Mutter dann unterstützen? Sie hat Ersparnisse und bekommt 1.000 Euro Rente. Was ist eine sogenannte Haushaltsgemeinschaft?
Wenn Sie mit Ihrer Mutter zusammen eine Haushaltsgemeinschaft bilden,
wird die bereinigte Rente der Mutter auf Ihren Arbeitslosengeld-II-Bedarf angerechnet. Eine Haushaltsgemeinschaft sieht der Gesetzgeber immer dann,
wenn Sie mit Ihrer Mutter aus einem „Topf“ wirtschaften (z. B. gemeinsames
Einkaufen, Kochen und Wäschewaschen). Die Rente Ihrer Mutter wird um
einen Freibetrag in Höhe des doppelten Regelsatzes (zurzeit 2 mal 359 Euro)
und der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Versicherung,
Heizkosten) bereinigt.
Das so bereinigte Einkommen, welches diesen Freibetrag übersteigt, wird
zur Hälfte auf Ihren Bedarf angerechnet. Leistungen im Rahmen der Anrechnung einer Haushaltsgemeinschaft können aber nur erwartet werden, wenn
Ihrer Mutter ein deutlich über dem ALG-II-Anspruch liegendes Lebensniveau
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verbleibt. Daher kann Ihre Mutter weitere besondere Belastungen, z. B. Beiträge für Versicherungen oder Gesundheitskosten, absetzen.
Ist Ihre Wohnung in der oberen Etage abgeschlossen, und Sie wirtschaften von
Ihrer Mutter getrennt, wird das Einkommen und Vermögen der Mutter nicht berücksichtigt. Erklären Sie beim Amt, dass Sie mit Ihrer Mutter nur eine Wohngemeinschaft bilden und sich gegenseitig nicht unterstützen. In diesem Fall müssen
aber die tatsächlichen Lebensverhältnisse mit den angegebenen Verhältnissen
übereinstimmen. Es kann zu Kontrollen durch den Leistungsträger kommen.
Das Vermögen Ihrer Mutter wird bei einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft nur angerechnet, wenn der Vermögensfreibetrag überschritten ist. Vor
dem 1. Januar 1948 Geborene haben einen Freibetrag von 520 Euro pro Lebensjahr, die Jüngeren von 150 Euro pro Lebensjahr als Grundfreibetrag und
einen weiteren Freibetrag von 750 Euro pro Lebensjahr für die Altersvorsorge.
Hinzu kommen einmalig 750 Euro für besondere Anschaffungen. Ihre Immobilie ist mit 90 m² angemessen. Die Grundstücksfläche darf 500 Quadratmeter
im städtischen und 800 Quadratmeter im ländlichen Raum betragen.
Klassenfahrt
Ich habe gehört, dass es für Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern für
Klassenfahrten Zuschüsse gibt? Wie kann ich im Bedarfsfall diese Unterstützung beantragen und was ist dabei zu beachten?
Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen
Bestimmungen sind nicht in der Regelleistung enthalten. Deshalb werden die
Kosten dafür übernommen. Sollten Ihre Kinder an einer Klassenfahrt teilnehmen wollen, müssen Sie sich vor Reisebeginn von ihrer Schule eine Bestätigung mit Stempel und Unterschrift über das Reiseziel, Zeitraum und Kosten
der Klassenfahrt ausstellen lassen. Für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen des Schulrechts werden dann die tatsächlichen Kosten übernommen.
Kleingarten
Wir müssen demnächst Hartz IV beantragen. Unsere Familie hat einen Garten
mit Laube in einem Kleingartenverein. Gehört der Garten zum sogenannten
Schonvermögen oder müssen wir ihn verkaufen?
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Kleingärten nach dem Bundeskleingartengesetz sind im Normalfall geschütztes
Vermögen und spielen bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II keine Rolle.
Kraftfahrzeug
Unsere Familie hat im vorigen Monat ein Auto für 15.000 Euro gekauft. Jetzt
müssen wir kurzfristig Arbeitslosengeld II beantragen. Ich habe gehört, dass
es für Kraftfahrzeuge einen Freibetrag von 7.500 Euro gibt. Wir haben nur ein
Auto und meine Frau nimmt ihren Freibetrag nicht in Anspruch. Steht uns nun
der doppelte Freibetrag zu?
Nein, angemessene Kraftfahrzeuge dürfen maximal einen Wert von 7.500
Euro haben. Dieser Betrag wird pro Person vergeben. Theoretisch dürften
Sie und Ihre Frau je ein Fahrzeug im Wert von 7.500 Euro besitzen. Sie können aber den übersteigenden Wert Ihres Autos auf Ihren nichtzweckgebundenen Vermögensfreibetrag anrechnen und das Auto behalten. Voraussetzung ist aber hier, dass Sie den Freibetrag noch nicht ausgeschöpft haben.
Zurzeit wird dieser altersabhängige Freibetrag für Erwachsene in Höhe von
150 Euro pro Lebensjahr gewährt. Ihr Freibetrag und der Ihrer Partnerin können addiert werden. Dafür ein Beispiel: Der Ehemann ist 50 Jahre alt, die
Ehefrau ist 40 Jahre alt. Der altersabhängige Freibetrag für Erwachsene dieses Paares beträgt somit 13.500 Euro.
Lebensversicherung
Ich erhalte in Kürze eine Lebensversicherung ausgezahlt. Diese zählte beim
aktuellen ALG-II-Bezug als Vermögen und war durch den Grundfreibetrag von
150 Euro pro Lebensjahr geschützt. Muss ich die Auszahlung melden? Wird
das Geld angerechnet? Gibt es Freibeträge, die man im Fall einer Anrechnung
geltend machen kann?
Sie müssen Ihrem Leistungsträger jeden Zufluss von Einkommen melden.
Bei der Auszahlung von Lebensversicherungen wegen Fälligkeit wird kein Einkommen erzielt, sondern bestehendes Vermögen umgewandelt. Der Betrag
war schon vor der Auszahlung in Form der Versicherung vorhanden. Er ist
somit nicht neu hinzugekommen und war nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ge14
schützt. Zu beachten ist aber, dass es sich bei den Schlussüberschussanteilen
der Lebensversicherung um Einkommen handelt, welches anzurechnen ist.
Einmalige Einnahmen sind nach ALG-II-Verordnung auf einen angemessenen
Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu
berücksichtigen. Von diesem Teilbetrag wird eine Pauschale für angemessene
private Versicherungen in Höhe von 30 Euro und die Aufwendungen für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen (z. B. Kfz-Versicherung) abgesetzt.
Mehrbedarf für Pflege- und Hygieneartikel
Ich beziehe Arbeitslosengeld II und leide an Neurodermitis. Stimmt es, dass
man jetzt auch für Pflege- und Hygieneartikel Zuschläge bekommen kann?
Ja, es stimmt. Der § 21 Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt
wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes am 9. Februar 2010 (Regelsatzproblematik) ergänzt. In den fachlichen Hinweisen der
Bundesagentur für Arbeit sind nun u. a. Pflege- und Hygieneartikel benannt,
die aus gesundheitlichen Gründen laufend benötigt werden. Körperpflegemittel bei Neurodermitis gehören dazu und werden im erforderlichen Umfang als Mehrbedarf übernommen. Lassen Sie sich Ihren Bedarf vom Arzt
bestätigen und beantragen Sie den Mehrbedarf.
Minijob
Ich beziehe ALG II und erhalte 630 Euro. Nun habe ich eine Beschäftigung auf
400-Euro-Basis angetreten. Wie werden die 400 Euro angerechnet?
Dieses Einkommen wird angerechnet und Sie sind auch verpflichtet, jedes
Einkommen dem Leistungsträger zu melden. Es gibt aber Freibeträge, den
Grundfreibetrag von 100 Euro für Werbungskosten oder Aufwendungen sowie einen weiteren Freibetrag von 20 Prozent für den Betrag, der den Grundfreibetrag übersteigt. Von Ihren 400 Euro Verdienst können Sie also den
Grundfreibetrag von 100 Euro und von dem Betrag darüber hinaus 60 Euro
behalten. Das Einkommen von 400 Euro mindert somit Ihre Arbeitslosengeld-II-Leistung um 240 Euro. Sie bekommen dann 400 € vom Arbeitgeber
und noch 390 Euro ergänzendes Arbeitslosengeld II.
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Mobbing – Eigenkündigung
Ich wurde Opfer von Schikane und Mobbing durch meinen Arbeitgeber. Weil
die Situation nicht mehr erträglich war und ich meine volle Leistung unter diesen Umständen (Schlafstörungen, Magenschmerzen) nicht mehr erbringen
konnte, habe ich gekündigt. Ich bezog auf Grund meines geringen Verdienstes
aufstockendes Arbeitslosengeld II und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Ich möchte wissen, ob in meinem Fall Sanktionen drohen?
Es ist richtig, dass Sie bei einer Eigenkündigung mit Sanktionen rechnen
müssen. Liegt aber ein wichtiger Grund für Ihre Kündigung vor, gibt es Ausnahmen. Zu den wichtigen Gründen zählt u. a. auch Mobbing. Sie müssen
Ihre Leidensgeschichte glaubwürdig schildern und darstellen, dass es auch
keine Alternativen zu Ihrer Eigenkündigung gab. Wenn Sie Zeugen der Mobbingattacken angeben könnten, würde das Ihre Situation erleichtern. Ein
ganz wichtiger Punkt bei der Beurteilung von Eigenkündigungen durch die
Leistungsträger sind die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobbing.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, schildern Sie Ihre Ängste und die schon vorhandenen gesundheitlichen Probleme, die durch das Mobbing entstanden sind.
Bitten Sie ihn um ein Attest, das bestätigt, dass Ihre Weiterbeschäftigung aus
gesundheitlichen Gründen nicht möglich war. Mit dem ärztlichen Attest und
der Leidensgeschichte haben Sie Chancen, Sanktionen zu umgehen. Falls
das nicht gelingt, legen Sie gegen den Sanktionsbescheid Widerspruch ein.
Nichtleistungsempfänger und -empfängerinnen
Ich habe keinen ALG-II-Antrag gestellt (zu viel Vermögen), erhalte deshalb
auch keine Leistungen. Bin ich trotzdem noch über die Agentur für Arbeit rentenversichert? Meine Krankenversicherung zahle ich selbst.
Ohne Leistungsanspruch sollten Sie sich bei der Agentur für Arbeit dennoch
arbeitssuchend melden. Der Status arbeitssuchend ist Voraussetzung, dass
die Agentur für Arbeit Ihrem Rentenversicherungsträger rentenrechtliche
Anrechnungszeiten meldet.
Diese Anrechnungszeiten erhöhen die spätere Rente zwar nicht, sind aber
für eine durchgehende Rentenanwartschaft wichtig. Ist es z. B. notwendig,
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eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen, sind durchgehende Rentenanwartschaftszeiten für die Rentenbewilligung nötig. Sie müssen, wenn Sie
arbeitssuchend gemeldet sind, dann aber auch der Arbeitsvermittlung zur
Verfügung stehen und nachweisen, dass Sie sich intensiv um Arbeit bemühen und zumutbare Arbeitsangebote annehmen.
Renovierungskosten
Ich wohne seit 2007 in meiner Wohnung und habe nun im Angebot eines Baumarktes für die Renovierung Farbe zu einem Preis von 45 Euro gekauft und
bei der ARGE die Übernahme dieser Kosten beantragt. Die ARGE hat mir nun
geschrieben, dass ich verpflichtet bin, monatlich einen Teil von meiner Regelleistung für solche Fälle zu sparen. Was kann ich tun?
Die angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 SGB II umfassen nicht nur die
laufenden Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Wohnung zusammenhängen. Aufwendungen für normale Renovierungen/Schönheitsreparaturen sollen im Regelfall übernommen werden, wenn sie vertraglich vereinbart und von der Höhe her nicht zumutbar sind.
Der Gewährung einer einmaligen Beihilfe steht nicht entgegen, dass der
nach § 20 SGB II gewährte Regelsatz tatsächlich in geringem Umfang Anteile für Reparaturen enthält, die aber im Normalfall nicht ausreichen, um
erforderliche Schönheitsreparaturen zu finanzieren. Nach der derzeitigen
Rechtsprechung haben Sie ggf. einen Anspruch auf Erstattung Ihrer Renovierungskosten, wenn Sie vertraglich renovieren müssen bzw. wenn ein Renovierungsbedarf besteht. Einige Leistungsträger sind aber der Auffassung,
dass die im Regelsatz enthaltene Summe für Renovierungen ausreicht bzw.
angespart werden muss. 45 Euro sind wahrscheinlich tatsächlich ein zu geringer Betrag. In Ihrem Fall beantragen Sie die Kostenübernahme für Renovierung mit einleuchtender ausführlicher Begründung noch einmal schriftlich
und listen Sie die Ihnen entstehenden Gesamtkosten genau auf.
Rentenversicherungsbeiträge
Für Arbeitslosengeld-II-Empfänger sollen im nächsten Jahr keine Rentenversicherungsbeiträge mehr gezahlt werden. Welche Folgen hat das für mich? Ich
bin 55 Jahre alt und seit 1. Januar 2005 im Hartz-IV-System.
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Es stimmt, die Bundesregierung will die Zahlung von Rentenbeiträgen für
Langzeitarbeitslose ab dem 1. Januar 2011 gänzlich streichen. Zurzeit werden 40 Euro monatlich für einen Hartz-IV-Bezieher in die Rentenversicherung
eingezahlt. Davon würde man später einen monatlichen Rentenanspruch von
2,09 Euro für ein Jahr im Arbeitslosengeld-II-Bezug erwerben. Diese geringe
Anwartschaft der Altersrente würde dann auch noch wegfallen. Die Streichung hat weit größere Auswirkungen für den Versicherungsschutz bei Erwerbsminderung und Reha-Leistungen.
Für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente muss man in den letzten
fünf Jahren mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge eingezahlt haben. Mit der
zurzeit noch geltenden Regelung kann eine Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente erworben werden. Diese wäre nach den vorliegenden
Informationen für arbeitslose Menschen, die neu ab Januar 2011 in das Arbeitslosengeld II kommen, nicht mehr möglich. Betroffene sind dann von der
gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen. Für viele wird die spätere
Altersrente unter dem Bedarf liegen, so dass sie auf Altersgrundsicherung, damit auf Sozialhilfe, angewiesen sind. Da diese Leistung von den Kommunen zu
finanzieren ist, werden deren schon heute klammen Haushalte noch weitaus
mehr belastet. Erworbene Anwartschaften auf eine Erwerbsminderungsrente
während des Hartz-IV-Bezuges sollen nach Aussage der Bundesregierung erhalten bleiben und später mit einer Übergangsregelung als rentenrechtliche
Anrechnungszeiten gezählt werden.
Für Sie heißt das: Nach dem heutigen Informationsstand bleiben Ihnen Ihre
geleisteten Pflichtbeiträge als Anwartschaft für eine eventuelle Erwerbsminderungsrente oder Reha-Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung
erhalten, aber die jährliche geringe Steigerung des späteren Rentenanspruches fällt weg.
In einem Antrag in Drs 5/3037 hat die Fraktion DIE LINKE in der September-Sitzung 2010 des Sächsischen Landtages die Staatsregierung
aufgefordert, sich im Bundesrat und auf andere geeignete Weise dafür
einzusetzen, dass es nicht zur gänzlichen Streichung der monatlichen
Einzahlung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II in
die gesetzliche Rentenversicherung durch die Bundesagentur für Arbeit
kommt, sondern dass der gegenwärtig gezahlte monatliche Beitrag von
40 Euro mindestens verdoppelt wird.
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Schulbedarf
Unsere Familie bekommt jetzt auf Grund meines geringen Verdienstes ergänzend Arbeitslosengeld II. Meine Tochter geht in die Förderschule. Gibt es für
sie auch die Schulbeihilfe?
Die zusätzliche Leistung für die Schule wird gezahlt, wenn Ihre Tochter oder
ein im Haushalt lebender Elternteil am 1. August des jeweiligen Jahres Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat. Die Leistung von 100 Euro soll für die
persönliche Ausstattung für die Schule, z. B. Schultasche, Sportschuhe,
-bekleidung oder Schulmaterialien, genutzt werden. Schüler können bis
zum 25. Lebensjahr diese Unterstützung beanspruchen, wenn sie eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen. Zu den allgemeinbildenden
Schulen zählen u. a.: Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium,
Gesamtschule, Integrierte Gesamtschule, Förderschule oder Sonderschule, Abendschule oder Abendgymnasium. Zu den berufsbildenden Schulen
zählen Berufsschule (mit Berufsvorbereitungsjahr und Berufsgrundbildungsjahr), Berufsaufbauschule, Berufsfachschule, Fachoberschule, berufliches
Gymnasium oder Fachschule. Die Leistung muss im Regelfall nicht gesondert beantragt werden; sie gilt mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld II als
beantragt und wird mit den Leistungen für den August des jeweiligen Jahres
ausgezahlt.
Sozialgerichte
Mein Widerspruch wurde von der ARGE abgelehnt. Wer ist zuständig für
Klagen zu Bescheiden über Arbeitslosengeld II und gibt es da Fristen?
Nach Eingang des Widerspruchsbescheides ist eine Klage vor dem ört­lichen
Sozialgericht möglich. Im Widerspruchsbescheid ist im Normalfall eine
Rechtshilfebelehrung abgedruckt. Darin wird auf die Klagefrist und das zuständige Sozialgericht hingewiesen. Eine Klage muss binnen eines Monats
nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. In Sachsen
gibt es drei Sozialgerichte:
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Sozialgericht Chemnitz
Straße der Nationen 2-4, 09111 Chemnitz, Tel.: 0371/453-0, Fax: 0371/453-81 43
Sozialgericht Dresden
Hans-Oster-Str. 4, 01099 Dresden, Tel.: 0351/446-0, Fax: 0351/446-53 99
Sozialgericht Leipzig
Berliner Str. 11, 04105 Leipzig, Tel.: 0341/59 57-0, Fax: 0341/59 57-111
Statistik
Ich bin in einer Aktivierungsmaßnahme und erhalte weiterhin Arbeitslosengeld II. Ist es richtig, dass ich deshalb aus der Arbeitslosenstatistik falle? Ich
habe doch noch gar keine reguläre Arbeit.
Es gibt Personen, die nicht als arbeitslos im Sinne des Sozialgesetzbuches III
gelten, weil sie an einer Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder
in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. Ohne den Einsatz dieser Maßnahmen würde die Arbeitslosigkeit auch in Sachsen weitaus höher
ausfallen. Die Statistikregelung, dass bestimmte Personengruppen nicht
als arbeitslos gezählt werden, wurde von der Bundesregierung eingeführt,
um damit die Arbeitslosenzahlen zu schönen. Menschen werden z. B. bei
der Teilnahme an Aktivierungs- und beruflichen Eingliederungsnahmen, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen, bei vorruhestandsähnlichen
Regelungen, beruflicher Weiterbildung, Arbeitsgelegenheiten, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit nicht in
der offiziellen Statistik gezählt.
In einem Antrag in Drs 5/700 vom Dezember 2009 fordert die Fraktion
DIE LINKE die Erarbeitung eines neuen Lebenslagenreports für Sachsen,
weil im Sozialbericht von 2006 die Auswirkungen der Hartz-IV-Gesetze
kaum mit relvanten Daten untersetzt werden konnten.
Generell bedürfen Anstrengungen zur Armutsbekämpfung zunächst profunder und aktueller Analysedaten. Die Aussagekraft von Daten für politische
Entscheidungen veraltet mindestens in einem Zeitraum von fünf Jahren, so
dass eine Aktualisierung dringend geboten ist. Hinzu kommt: Angesichts der
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anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise und den Ankündigungen in den
Koalitionsverträgen auf Bundes- und Landesebene ist künftig mit erheblichen sozialen Verwerfungen zu rechnen, die als Ausgangspunkt für die Milderung sozialer Risiken fortlaufend zu analysieren sind.
Steuerrückerstattung
Ich habe eine Steuerrückzahlung von 253 Euro erhalten, die ich im Folgeantrag angegeben habe. Nun will der Leistungsträger die Überzahlung von 253
Euro von mir zurück haben. Ist das richtig?
Steuerrückerstattungen zählen grundsätzlich zum anrechenbaren Einkommen. ALG-II-Bezieher müssen damit rechnen, dass Steuererstattungen, auch
wenn sie sich auf Zeiten lange vor dem Bezug von ALG II beziehen, als Einkommen angerechnet werden. Ihre Steuerrückerstattung mindert somit
im Regelfall das ALG II. Nur wenn das Geld vom Finanzamt schon vor dem
Leistungsbezug gezahlt wurde oder die Höhe der Steuerrückzahlung unter
der Bagatellgrenze von 50 Euro liegt, wird es nicht angerechnet. Diese Verfahrensweise haben verschiedene Gerichte bestätigt. Der Leistungsträger
darf aber die Erstattung nach den Urteilen nicht in einem Monat vollständig
verrechnen. Er muss sie auf einen „angemessenen Zeitraum“ verteilen und
dabei in jedem Monat einen 30-Euro-Freibetrag für Versicherungen berücksichtigen. Dieser Freibetrag darf aber nicht schon bei anderen Einkommen
gewährt worden sein. Wir empfehlen Ihnen, Ihrem Leistungsträger auf den
§ 2 Abs. 4 Satz 2 der Arbeitslosengeld-II-Sozialgeld-Verordnung aufmerksam
zu machen. Dieser Paragraf regelt, dass einmalige Einnahmen auf einen „angemessenen Zeitraum” aufzuteilen sind. Somit können Sie eventuell damit
rechnen, dass der Leistungsträger die Anrechnung Ihrer Steuerrückerstattung
auf mindestens 2 Monate verteilt und Sie (wenn nicht schon für anderes Einkommen genutzt) einen Freibetrag von zweimal 30 Euro erhalten.
Studenten und Studentinnen
Wegen Studiengangswechsel wurde mir das BAföG gestrichen. Ist es möglich,
Hartz IV zu beantragen, wenn der Verdienst im Nebenjob nicht ausreicht?
Studierende können leider kein Arbeitslosengeld II erhalten, da sie dem
Grunde nach BAföG beziehen könnten. Das heißt: Studierende, die z. B. ihre
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Regelstudienzeit überschritten, den Studiengang gewechselt haben oder auf
Grund des Einkommens ihrer Eltern keinen Anspruch auf BAföG haben, sind
nicht zum ALG-II-Bezug berechtigt. Es gibt nur die Möglichkeit, wegen eines
besonderen Härtefalles (alleinerziehende Studentin, Examensnähe) eventuell eine Leistung als Darlehen zu beantragen.
Überprüfungsantrag
Gegen mich wurde im vergangenen Jahr eine Sanktion verhängt. Das ALG II
wurde gekürzt, und ich bin nicht in Widerspruch gegangen. Vor kurzem las ich
jedoch in der Zeitung von einem ganz ähnlichen Fall. Dort bekam der Betroffene vor Gericht Recht und somit keine Sanktion. Habe ich noch eine Chance,
auch nachträglich Widerspruch einzulegen oder zu klagen? Die Widerspruchsfrist ist ja leider abgelaufen.
Wenn die Widerspruchsfrist Ihres Sanktionsbescheides abgelaufen ist, Sie
aber erst danach Fehler oder wie in Ihrem Fall ähnliche Urteile entdeckt haben, können Sie nach § 44 SGB X beantragen, dass der Sanktionsbescheid
überprüft wird. Dies ist für Bescheide rückwirkend bis zu 5 Jahren möglich.
Die Frist im § 44 SGB X beginnt erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Bescheid gültig geworden ist. Der Überprüfungsantrag soll bei der Bescheid
ausstellenden Behörde gestellt werden. Sollten Sie mit Ihrem Überprüfungsantrag keinen Erfolg haben, können Sie gegen den ablehnenden Bescheid
innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegen. Bleibt dieser erfolglos, ist
beim örtlichen Sozialgericht Klage möglich.
In einem Antrag in Drs 5/44 forderte die Fraktion DIE LINKE bereits
im September 2009, im Bundesrat für eine sofortige Aussetzung der
Sanktionen gegen Leistungsbeziehende nach §§ 31, 32 SGB II (Sanktionsmoratorium) initiativ zu werden, denn Arbeitslosigkeit ist in der überwiegenden Zahl der Fälle Resultat des Mangels an Existenz sichernden
Arbeitsplätzen, nicht des fehlenden Willens der Arbeitslosen, eine passende Stelle zu finden oder eine solche anzunehmen. Sanktionen sind
daher zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit ungeeignet.
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Umgangsrecht
Ich beziehe Arbeitslosengeld II, bin geschieden und meine Kinder leben bei
meiner Ex-Frau. Ich habe gehört, dass neuerdings eine Unterstützung für die
Wahrnehmung des Umgangsrechtes möglich ist. Stimmt das?
Ja, seit diesem Jahr können die Kosten (Fahrt und/oder Übernachtungskosten) zur Wahrnehmung des Umgangsrechts eines geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteils übernommen werden. Das Gleiche gilt auch für
Kinder, wenn sie den betreffenden Elternteil besuchen. Der Leistungsträger
übernimmt nur die Kosten für die jeweils preisgünstigste Fahrgelegenheit.
Einschränkend muss erwähnt werden, dass außergewöhnlich hohe Kosten
nur anteilig getragen werden. Die Leistungsträger finanzieren das Umgangsrecht auch nicht in dem Umfang, wie es die Eltern vereinbart haben.
Umzug in ein anderes Bundesland
Ich will Sachsen verlassen und dann in Bayern, wenn möglich, nicht mehr
Hartz IV in Anspruch nehmen müssen. Verwirke ich mit einem Umzug ohne
vorher feststehende Anstellung den Anspruch auf Hartz IV? Kann ich mich einfach bei meiner ARGE abmelden und in einem anderen Bundesland wieder
anmelden? Muss ich mit Sanktionen rechnen?
Wenn Sie als Arbeitslosengeld-II-Bezieher umziehen möchten, sollten Sie
dieses Vorhaben vorher mit dem abgehenden und dem aufnehmenden Leistungsträger (ARGE / Jobcenter) besprechen. Die Aussicht auf eine Festanstellung, günstigere Arbeitsmarktchancen oder auch familiäre Gründe werden in der Regel die Gewährung von Umzugshilfen ermöglichen. Ein Umzug
ohne Beantragung von Leistungen ist im Rahmen der Freizügigkeit in der BRD
natürlich genehmigungsfrei.
Sollten Sie doch noch Leistungen der Grundsicherung benötigen, müssen Sie
vor den Mietvertragsabschluss beim neuen Leistungsträger die Zusicherung
zur Übernahme der neuen Unterkunftskosten einholen. Danach hätten Sie
dann Anspruch auf die örtlich üblichen Unterkunftskosten.
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Unterhalt
Ich habe bisher in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt und zu meinen Einkommen ergänzend ALG II bezogen, allerdings keinen Unterhalt gezahlt. Jetzt habe
ich mich von meiner Lebensgefährtin getrennt und eine eigene Wohnung bezogen. Ich muss nun nach der Berechnung des Jugendamtes 180 Euro Unterhalt
zahlen. Wird der Unterhalt bei der Einkommensbereinigung berücksichtigt?
Die Absetzbarkeit von Zahlungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag ist im Sozialgesetzbuch II geregelt.
Das heißt für Sie, der Unterhaltsbetrag wird im Rahmen der Einkommensbereinigung von Ihrem Erwerbseinkommen abgezogen. Voraussetzung ist aber, dass
ein titulierter Anspruch besteht, also ein Gericht oder Amt einen Unterhaltsanspruch festgestellt hat. Die Leistungsträger akzeptieren aber auch die Beurkundung der Unterhaltsverpflichtung durch das Jugendamt nach § 59 SGB VIII.
Urlaub
Ich möchte verreisen, muss ich bei der ARGE einen Urlaubsantrag stellen?
ALG-II-Bezieher haben keinen Urlaubsanspruch, aber für drei Wochen im
Kalenderjahr besteht bei vorheriger Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners/Fallmanagers ein Leistungsanspruch trotz Ortsabwesenheit. Einer
Ortsabwesenheit kann nicht entsprochen werden, wenn eine Eingliederungsmaßnahme oder eine Vermittlung in Arbeit im betreffenden Zeitraum
ansteht. Sie müssen mit Ihrem Vermittler sprechen und einen Antrag auf
Ortsabwesenheit stellen. Wird der Ortsabwesenheit zugestimmt, können Sie
verreisen.
Vermittlungsbudget
Ich kann wahrscheinlich in Bayern eine Arbeitsstelle bekommen. Da ich lange
im ALG-II-Bezug war, sind meine Mittel knapp. Ich habe aber durch die Stellenanbahnung viele Ausgaben. Welche Hilfen gibt es?
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Hier wäre eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget möglich. Mit diesen Hilfen sollen Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende
und Arbeitslose bei der Anbahnung und Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung unterstützt werden. Mit Ihrem Vermittler/Fallmanager
sollten Sie zuerst Ihren konkreten Unterstützungsbedarf wie z. B. Reisekosten
für Vorstellungsgespräche, Fahrtkosten für Pendelfahrten, Kosten für getrennte
Haushaltsführung, Kosten für Umzug oder Kosten für Arbeitsmittel klären. Stellen Sie Ihre angespannte finanzielle Lage dar und machen Sie deutlich, dass es
Ihnen nicht möglich ist, von Ihrem Regelsatz weitere Ausgaben zu bestreiten.
Eine gute Begründung ist notwendig, da die Unterstützung aus dem Vermittlungsbudget eine Leistung ist, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Warmwasserpauschale
Meine Warmmiete wird nicht komplett übernommen. Auf Nachfrage antwortete mir die Mitarbeiterin des Amtes, dass der Abzug eine Pauschale für das
Warmwasser wäre. Soll ich in Widerspruch gehen?
Die Kosten für die Erwärmung des Wassers sind im Stromanteil des Regelsatzes enthalten. Das Bundessozialgericht hat am 27. Februar 2008 in einem
Urteil bestätigt, dass die Kosten für die Erwärmung des Wassers von dem in
der Regelleistung enthaltenen Stromanteil in Höhe von 30 Prozent abzuziehen
sind.
Aktuell enthält die Regelleistung von 359 Euro einen Betrag von 21,58 Euro für
Strom. Davon sind 30 Prozent, also 6,47 Euro, für die Kosten der Wassererwärmung vorgesehen. Dieser Pauschalbetrag wird grundsätzlich den Kosten für
Unterkunft und Heizung (KdU) gegengerechnet, wenn der Warmwasseranteil in
den warmen Betriebskosten enthalten ist. Ohne den Abzug der Pauschale von
den Leistungen für Unterkunft und Heizung würde sozusagen eine Doppelzahlung erfolgen. Bei einigen Fällen, wie bei der Erwärmung des Wassers mit einem
elektrischen Durchlauferhitzer, darf die Pauschale nicht abgezogen werden.
Widerspruch
Die ARGE hat mir einen Bewilligungsbescheid geschickt. Dieser ist meiner
Meinung nach fehlerhaft. Was muss ich bei einem Widerspruch beachten?
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In unserem Rechtsstaat besteht die Möglichkeit, gegen Verwaltungsakte,
also auch gegen ALG-II-Bescheide, Widerspruch einzulegen. Eine Behörde
hat für die Bearbeitung eines Widerspruchs drei Monate Zeit. Wir empfehlen Ihnen deshalb, im Vorfeld mit dem Sachbearbeiter, der Ihren Bescheid
erstellt hat, über den Fehler zu sprechen. In vielen Fällen kann unter Umständen der Bescheid im Rahmen einer „Vorwiderspruchsklärung“ rasch korrigiert und Ihnen unter Umständen das langwierige Widerspruchsverfahren
erspart werden.
Bei dieser Vorwiderspruchsklärung ist aber unbedingt zu beachten, dass
Sie das Gespräch mit dem Sachbearbeiter innerhalb der Widerspruchsfrist
von einem Monat führen und sich die Zusage der Korrektur Ihres Bescheides schriftlich bestätigen lassen. Sollte die Vorwiderspruchsklärung nicht
möglich sein, müssen Sie innerhalb der gesetzlichen Frist Widerspruch einlegen.
Sie können Ihren Widerspruch bei der ARGE persönlich zu Protokoll nehmen lassen, schriftlich abgeben oder mit der Post senden. Wir empfehlen Ihnen, sich die Abgabe Ihres Widerspruchs bestätigen zu lassen oder
diesen per Einschreiben zu schicken. In Ihrem Widerspruch müssen Ihre
Wohnanschrift, Ihre Kundennummer, die Adresse Ihrer ARGE, das Datum
des zu beanstandenden Bescheides und der Grund Ihres Widerspruches
enthalten sein.
Widerspruchsfrist
Ich habe die Widerspruchsfrist für meinen ALG-II-Bescheid wegen einer Erkrankung überschritten. Gibt es für mich noch eine Möglichkeit, den unrichtigen Bescheid ändern zu lassen?
Im Normalfall wird ein Bescheid nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist
rechtsverbindlich und bestandskräftig. Da Sie aber ohne eigenes Verschulden die Widerspruchsfrist versäumt haben, können Sie binnen eines Monats
nach Wegfall Ihres Widerspruchshindernisses (Krankheit) bei Ihrem Leistungsträger die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ nach § 27 Sozialgesetzbuch X; § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragen. Gleichzeitig
holen Sie Ihren versäumten Widerspruch nach.
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Wohnung zu teuer
Die ARGE hat mir ein Schreiben mit Miettabellen für angemessene Mietkosten
geschickt. Meine Wohnung ist laut ARGE zu groß und etwas zu teuer. Muss ich
nun ausziehen?
Die Kosten der Wohnung werden im Normalfall in voller Höhe übernommen,
solange es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die
Mietkosten zu senken, in der Regel aber nicht länger als 6 Monate. Sollten
Sie auf Grund Ihrer jetzigen Lebenssituation unbedingt in Ihrer Wohnung
bleiben wollen, können Sie die Übernahme der vollen Mietkosten (auch über
6 Monate) bei Ihrer ARGE unter Angabe wichtiger Gründe beantragen. Im Fall
einer schweren Krankheit, in Rentennähe oder bei Schwerbehinderung kann
diese Senkung ggf. nicht verlangt werden.
Der Leistungsträger fordert Sie im Regelfall zuerst im Rahmen einer Anhörung auf, durch einen Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise
die zu hohen Unterkunftskosten zu senken. Sollten keine schwerwiegenden
Gründe vorliegen, werden nach 6 Monaten die Unterkunftskosten auf die von
der Kommune festgelegten Höhen abgesenkt. Sie müssen rein formal nicht
aus Ihrer Wohnung ausziehen. Sollten Sie aber den Überhang nicht mehr tragen können, wird ggf. ein Umzug in eine „angemessene“ Wohnung nötig.
Im Antrag in Drs 5/280 vom Oktober 2009 forderte die Fraktion DIE
LINKE die sächsische Staatsregierung auf, auf den von den sächsischen
Städten, Gemeinden und Landkreisen angesichts steigender Sozialausgaben und weiter sinkender kommunaler Einnahmen ausgehenden Hilferuf,
mit einem Programm angemessener finanzieller Kompensationsmaßnahmen zu reagieren. Dazu gehören z. B. die Aufstockung des Bundesanteils an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit bei Bemessung des Anteils an
den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und nicht an der Anzahl der
Bedarfsgemeinschaften sowie die Verankerung eines verbindlichen Anhörungsrechtes der kommunalen Spitzenverbände im Grundgesetz bei
der Beratung von Bundesgesetzen und Rechtsverordnungen der Bundesministerien, die die Städte, Gemeinden und Landkreise betreffen,
nach dem Vorbild des Artikel 84 Abs. 2 SächsVerf.
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Zinserträge
Ich erhalte für meine Ersparnisse Zinserträge. Welcher Betrag kann meinem
ALG II angerechnet werden? Ich habe eine Tochter. Bezieht sich der Freibetrag
pro Person und wie hoch ist dieser?
Zinserträge sind Einnahmen die Ihrer ALG-II-Leistung gegengerechnet werden. Sie sind verpflichtet, alle Einnahmen (auch unter der Bagatellgrenze von
50 Euro) dem zuständigen Leistungsträger zu melden. Sollten Ihre Zinseinnahmen 50 Euro pro Jahr nicht überschreiten, bleiben diese, da sie unter der
Bagatellgrenze liegen, anrechnungsfrei. Die Bagatellgrenze wird pro Person
gewährt. Alle Einnahmen, die 50 Euro überschreiten, werden im vollen Umfang auf das ALG II angerechnet.
Zusatzbeitrag Krankenkasse
Meine Krankenkasse verlangt einen Zusatzbeitrag von 8 Euro. Der Mitarbeiter
der Krankenkasse sagte mir, dass die ARGE den Betrag übernimmt. Ich bin
chronisch krank. Kann ich einen Antrag für die Übernahme atypischer Bedarfe
stellen und was fällt darunter?
Leider müssen auch Empfänger von ALG II den umstrittenen Zusatzbeitrag
aus der eigenen Tasche bezahlen. Nur wenn der Wechsel in eine andere
Krankenkasse für Hartz-IV-Empfänger einen Härtefall darstellt, übernimmt
die ARGE den Zusatzbeitrag. Als Härtefälle für den Zusatzbeitrag werden u.
a. akzeptiert: Die Teilnahme an besonderen Behandlungsprogrammen oder
wenn Ihre Krankenkasse Angebote hat, die keine andere Krankenkasse
bietet. Der von Ihrer Krankenkasse erhobene Zusatzbeitrag ist ein von der
1-Prozent-Regelung für chronisch Kranke unabhängiger Beitrag.
Dieser Betrag ist, wie auch die Praxisgebühr, kein Sonderbedarf und wird somit nicht von der ARGE übernommen. Eine Vermeidung des Zusatzbeitrages
ist in der Regel nur durch einen Wechsel der Krankenkasse möglich, außer
bei oben genannten Härtefällen.
Ein Sonderkündigungsrecht besteht in den ersten zwei Monaten nach Inkrafttreten der Erhebung des Zusatzbeitrages. Die Kündigungsfrist beträgt
zwei Monate zum Monatsende. Im Rahmen des § 21 Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt können Sie Mehrbedarfe für Ernährung bei verschiedenen schweren Krankheiten und unabweisbare, laufende besondere
Bedarfe in Härtefällen beantragen.
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Stichwortverzeichnis
A
Anrechnung von Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit · 5
Anspruchsvoraussetzungen · 5
Antragstellung · 6
Arbeitsgelegenheit – „1-Euro-Job“ · 7
B
Bedarfsgemeinschaft · 7
D
Darlehen · 8
Datenschutz / Vorlage der Kontoauszüge · 9
E
Ehrenamtspauschale für bürgerschaftliches Engagement · 9
Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht · 10
Erbschaft · 11
F
Ferienjobs · 11
G
Gebühren für Rundfunk und Fernsehen · 12
H
Haushaltsgemeinschaft im Wohneigentum · 12
K
Klassenfahrt · 13
Kleingarten · 13
Kraftfahrzeug · 14
L
Lebensversicherung · 14
29
M
Mehrbedarf für Pflege- und Hygieneartikel · 15
Minijob · 15
Mobbing – Eigenkündigung · 16
N
Nichtleistungsempfänger und -empfängerinnen · 16
R
Renovierungskosten · 17
Rentenversicherungsbeiträge · 17
S
Schulbedarf · 19
Sozialgerichte · 19
Statistik · 20
Steuerrückerstattung · 21
Studenten und Studentinnen · 21
U
Überprüfungsantrag · 22
Umgangsrecht · 23
Umzug in ein anderes Bundesland · 23
Unterhalt · 24
Urlaub · 24
V
Vermittlungsbudget · 24
W
Warmwasserpauschale · 25
Widerspruch · 25
Widerspruchsrecht · 26
Wohnung zu teuer · 27
Z
Zinserträge · 28
Zusatzbeitrag Krankenkasse · 28
30
Impressum
Herausgeber:
V.i.S.d.P.:
Autor: Redaktion:
Gestaltung:
Titelfoto:
Stand:
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
Marcel Braumann
Frank Schaefer im Auftrag der Fraktion
MdL Dr. Dietmar Pellmann, Sozialpolitischer Sprecher
Carola Müller / Barbara Wegner
Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
September 2010
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden
Telefon: 0351 493-5800, Telefax: 0351 493-5460
E-Mail: [email protected]
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