when you say nothing at all ronan keating

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when you say nothing at all ronan keating
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Evensong 23.Oktober 2015
Kammerchor, Ltg Wolfgang Abendroth
Sermonette Uwe Vetter
Texte MarkusEvg 4:35-39 // JohannesEvg 1:1-5a
Können Sie schweigen ?
You say it best when You say nothing at all
JohannesEvg1: 1
Im Anfang war das Wort. Und das Wort war
bei Gott. Und Gott war das Wort. Dasselbe
war im Anfang bei Gott. Dann sind
alle Dinge durch eben dieses eine Wort
erschaffen worden.
Und ohne dieses Wort ist nichts gemacht, was
gemacht ist.
In diesem Wort war das Leben.
Und das Leben war das Lebenslicht der
Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis.
Geheimnisse für sich behalten und schweigen
wie ein Grab?
Falls Sie diese Fähigkeit besitzen, haben Sie
auf dieser Welt keine Chance. Da dominiert der
kommunikative Typ, der aus sich herausgeht. In
Talkshows gewinnt, wer den anderen dreist ins
Wort fällt. Schweiger sind schwarze Löcher,
Gefährdungspotential auf Partys. In der Schule
ist Schweigen zuerst artig, doch am Ende heißt
es: ´Beteiligt sich nicht am Unterricht`. Und
wenn Sie mit einem Schweiger verheiratet sind,
kennen Sie ja Ihren Loriot-Sketch, den von der
herum wuselnden Frau, die ihren Mann traktiert,
der nichts andres will als still im Sessel
rumzusitzen: Lies doch mal ein Buch!
„Schweig, und verstumme !!“ Die Quasselstrippen und die Ich-rede-also-bin-ich-Menschen
unter uns werden jetzt nervös: Ist Gott wirklich
ein Freund der Langweiler?
*
Magnificat
MarkusEvg 4 : 35-39
Und an demselben Tage, des Abends, sprach
Jesus zu seinen Jüngern: „Lasst uns über den
Genezaret-See fahren“. Und sie
verabschiedeten die Volksmenge und nahmen
ihn mit, sobald er im Boot war; es gab noch
andere Boote, die ihn begleiteten. – Da erhob
sich ein heftiges Wind-brausen, und die
Wellen peitschten in das Boot, dass es voll zu
laufen drohte. Jesus schlief im Heck des
Bootes auf dem Kissen. Und sie weckten ihn
auf und sprachen zu ihm: „Meister! Fragst du
nichts danach, dass wir verderben?!“ Da
stand er auf, und bedrohte den Wind. Und
sprach zu dem Meer: „Schweig, und
verstumme !!“ Und der Windbraus legte sich.
Und es ward eine große Stille.
Schweig, und verstumme! Können Sie
schweigen? Halten Sie das aus, 15 Minuten
Tagesschau-Nachrichten zu verfolgen, ohne
Kommentar? Können Sie Witzpointen abwarten,
Während der Himmel sich in Schweigen hüllt,
beschleicht uns ein stiller Gedanke: Doch, ja, es
gibt durchaus Momente, da wünschte man sich,
die Leute würden mal den Mund halten.
Neulich, in der Apotheke. Man legt sein
Rezept auf den Tresen und denkt, man bekomme
seine Medizin, bezahlt und verschwindet - da
geht’s los. Zuerst zeigt die Apothekerin, dass sie
studierte Pharmazeutin ist und befragt einen vor
allen Leuten detailliert nach Beschwerden.
Alsdann erörtert sie alternative Behandlungsmethoden, in einer Lautstärke, als wäre man
taub. Wenn Hoffnung aufkeimt, es sei vorbei,
zieht sie ihren letzten Trumpf: ´Wissen Sie, wie
Sie es anwenden müssen?` Sie sagen: ´Ja,
sicher`, aber das überhört sie und zählt auf, was
Sie alles nicht tun dürfen für die Dauer der
Einnahme. Am Ende verlassen sie, verfolgt von
den Ach-so-einer-ist-das-Blicken der andren
Kunden, den Laden und schwören sich, nie, nie
wieder krank zu werden.
Es gibt Momente, da schaut man zum Himmel
und denkt: Jetzt sag endlich Schweig, und
1
verstumme!!1 Warum sagst DU nichts! Warum
sagst Du nie mal was!!
*
Aber Gott sagt ja was! meldet sich der Glaube.
Wenn du dich beruhigst, wenn du mal für einen
Moment schweigst und verstummst, kannst du
es hören, sagt der Glaube. Wer still ist, müsste
IHN hören. Von Anfang an. Mitten hinein in das
leere Schweigen des Universums habe Gott
etwas gesagt, beginnt unsere Bibel. Als sich
noch nichts regte und alles wartete, dass was
geschehe, da habe Gott etwas gesagt. ER habe
ausgesprochen, was Ihm seit Ewigkeiten am
Herzen und auf der Zunge lag. Was Ihm
vorschwebte und Ihn bewegte, was in Ihm
brannte und ans Licht drängte, das ließ Gott
„eines Tages“2 raus. Die Welt beginnt mit Gottes
Schweigenbrechen: Im Anfang war das Wort.
Und das Wort war bei Gott. Ein Gedanke
beseelte und erfüllte Ihn: Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang in Gott verwahrt. Und
dann ließ Er´s raus und es verbreitete sich,
erleuchtete und belebte das All, bis zu diesem
Moment. Alle Dinge sind durch eben dieses
eine Gotteswort erschaffen. - Und ohne dieses
Wort ist nichts gemacht, was gemacht ist. - In
diesem Wort war das Leben… das Lebenslicht
der Menschen. So fasst das der Glaube in
Worte.
*
Im K21 zeigen sie eine Ausstellung mit dem
Titel: Das Problem mit Gott („The Problem of
God“). Das Problem Gottes, meinen Künstler,
sei, dass man Ihn nicht sehen kann. Es gibt
majestätische Worte über Ihn. Aber was uns Gott
ausredet, ist, was wir sehen: Jeder Tag
bombardiert uns mit Bildern von Elend und
Gewalt und den Folgen: bibbernde Menschen in
schlammigen Schuhen, die über Grenzen
drängen. Und wenn man wegschaut, treten
Sorgenbilder an die Stelle: Wo das alles
hinführen soll. Und jeder Journalist weiß genau
wie es geht, und die Menschen vor Ort wissen
genau, wie es nicht geht. Ein Wort gibt das
andere und die Wogen gehen hoch. Wir glauben
nicht, was wir hören; wir glauben, was wir
sehen. Aber was wir sehen, macht das Glauben
an den >lieben Gott< nicht leicht.
ICH weiß, sagt der Himmel. ICH weiß. Worte
werden vom Winde verweht. Deshalb habe ICH
Mein Wort ja Mensch werden lassen. Wenn du
aus dem Wortgetöse draußen in deine Kirche
kommst, dann mach es wie ein Jünger : Ruf ihn,
weck ihn, dränge den Christus, dass er dir
aufersteht und den Windbraus bedroht und
spricht: „Schweig, und verstumme !!“ Tu es,
und das Brausen legt sich. Und es wird eine
große Stille. Zuallererst wird Stille in dir.
Manchmal verbreitet sie sich dann um dich
herum. - Der Christus macht verstummen, was
uns in Panik versetzt. Berichten uns die Jünger.
In seinem Gesicht stehen die Wege Gottes
geschrieben. Er hat ein unwiderstehliches
Lächeln, sagen die Christen. Sein Blick sagt
mehr als tausend Worte.
1
Schweig, und verstumme! sollte auf Tafeln in Kirchen stehen. Da geht
man in den Gottesdienst, um – liturgisch geleitet - mit Gott zu sprechen.
Und dann treten da Prediger dazwischen und machen so unendlich viele
Worte, als fürchteten sie, der Liebe Gott könnte zu Wort kommen. „In
einer Kirche zu sprechen, macht mich beklommen“, sagte Wolf
Wondratschek, der poetische Rebell der 70er Jahre und noch heut gar
nicht leise Dichter, in der Lutherkirche in Wiesbaden1. Wondratschek, der
von sich sagt, er sei Atheist, findet, dass sich das Schweigen in einer
Kirche gehört. „Ich würde lieber nicht reden“, sagte er von der Kanzel
der Lutherkirche (und redete dann doch), „immer bin ich in einer Kirche
am liebsten schweigsam gewesen. Es war, fand ich, das Schweigen in
einer Kirche etwas dem Ort Angemessenes, und es tat mir gut“. Die Rede
stand abgedruckt im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, 10.August
2015 unter dem Titel „Wie zittern und wanken der Sünder Gedanken“.
2
Im Urtext der hebräischen Bibel steht auffallend, weil abweichend von
der Reihe „zweiter, dritter, vierter Tag…“ „Jom Ächad“, wörtlich „Ein
Tag“, 1.Mose 1 Vers 5
Ronan Keating hat vor Jahren den Titelsong zum Kinofilm „Notting
Hill“ gesungen. Kenner kennen ihn als Christushymnus: Das Wort
Gottes hat ein Gesicht, ein Lächeln, das mehr sagt als Worte:
It´s amazing how you can speak right to my heart
Without saying a word you can light up the dark
Try as I may I can never explain
What I hear when you don´t say a thing.
The smile on your face lets me know that you need me
There´s a truth in your eyes saying you´ll never leave me
The touch of your hands says you´ll catch me whenever I fall
You say it best, when you say nothing at all.
2
*
Wie neulich wieder, beim neusten Schrei der
dating-Kultur. Dating-Kultur, sagt Ihnen das
was? °Internet-Partnership-Portale sind von
gestern. Auch °speed-dating ist überholt (das ist
das wo sich Leute für fünf Minuten lang
einander vorstellen und dann zum nächsten Tisch
wechseln, wo der Nächste im Angebot wartet).
Heute geht man zum °Psst-dating: Zwei
Menschen sitzen sich für 90 Sekunden
gegenüber und schweigen sich an. Worte, heißt
es, vernebeln. Mit Worten zeigt man sich, wie
man gesehen werden will. Worte (so heißt es)
sind Makeup, die Augen aber lügen nie. Beim
Psst-dating sollen nur die Augen sprechen.3 –
Ich finde, das sollten wir testen. Einander so
lange in die Augen schauen, bis man das Lächeln
Gottes im Auge des anderen entdeckt. You say it
best when you say nothing at all. Das geht
übrigens auch, wenn mein Gegenüber noch kein
Deutsch kann. Probieren Sie es aus. Sie kennen
die Öffnungszeiten unseres Kirchencafés.
Amén.
Chor : Nunc Dimittis, nun lässt Du, HERR,
Deinen Diener in Frieden gehen
Fürbitten
Und nun, himmlischer Vater, Gott allen Lebens, nun
bitten wir Dich um Einlass ins Wochenende. Dämpfe
den Lärm der letzten Tage, glätte die Wogen, lass
Stille einziehen.
Wir bitten Dich für alle, die diese Woche zum
Schweigen gebracht hat. Für jene, die sprachlos sind,
weil sie mitangesehen haben, was nicht kalt lässt.
Wir bitten Dich für die HelferInnen in den
Flüchtlingssammelstellen, den Unterkünften und
Krisenstäben, die arbeiten, ohne große Worte. Wir
bitten für die Vollmundigen von gestern, die heute
von den Ereignissen überrollt sind. - HERR, sprich,
dass sie merken, es schaut Jemand nach ihnen.
Wir bitten Dich für die Schweiger-von-Natur, für die
Wortkargen und die Einsilbigen. Wir bitten Dich für
alle, die jedes Gespräch lahm legen und provozierend
nachdenklich tun, die schweigen wie ein Grab, bis
man meint, man wäre auf dem Friedhof. - HERR,
wecke Dein Lebenslicht in ihnen und mach sie etwas
erträglicher.
Wir bitten Dich für alle, die keine Minute schweigen
können. Die schneller reden, als sie denken, und
immer erst hinterher merken, dass sie sich den Mund
verbrannt haben. Denen es stets leid tut, andren auf
die Füße getreten zu haben, und die Geheimnisse
ausplaudern, noch während sie ihnen anvertraut
werden. Die reden, weil sie sind. – HERR, lass es
freundlich klingen, wenn Du sprichst: Schweig und
verstumme.
Und wir bitten Dich für all die seligen Phantasten, die
vergnüglichen Schwindler, die sich in Träume
hineinreden und sie für wahr halten. Die Geschichten
erfinden und sie glauben, während sie entstehen. Die
so herrlich die Wahrheit ergänzen und Welten
erschaffen, jeden Morgen neu. – HERR, Du
Schöpfergeist, beschirme sie gegen die kalten Fakten
und lass, was sie an Schönem erdichten, vielleicht
doch einmal wahr werden.
3
Und nun mach, wo das Licht des Tages erloschen ist,
das Licht Deines Lächelns über uns leuchten. Das
bitten wir, durch Jesus Christus, im Heiligen Geist.
Amén.
So der Initiator dieser neusten Welle, der Schauspieler Adam Taffler,
nach einer Meldung bei n-tv am Mittwoch, 14.Oktober 2015.
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