zurück mp3 abspielen - Katholisches Rundfunkreferat NRW

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09/10 2013:
Kirche in WDR5
Autor: Domkapitular Günter Assenmacher
Ort: Köln
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer !
In meinem Urlaub war ich vier Tage in Paris. Es war meine erste Reise in diese Weltstadt, obschon man von Köln mit dem Zug in
nur 3 ¼ Stunden dort sein kann. Aber ich spreche leider die französische Sprache nicht und so hatte ich bislang Abstand
gehalten. Dummerweise. Fasziniert und auch etwas erschlagen bin ich aus dieser ebenso geschichtsträchtigen wie modernen
Metropole zurückgekehrt.
Eines der Motive meiner Reise - es wird die regelmäßigen Hörer nicht wundern - war, dass ich die Glocken von Paris läuten hören
wollte, näherhin die Glocken von Notre Dame.
Denn ausgerechnet dort waren zum letzten Osterfest neun neue Glocken gegossen worden. Das kann man in seiner
Geschichtsträchtigkeit nur dann verstehen, wenn man zurück schaut: Hier hatte 1789 die Französische Revolution ihren Anfang
genommen, in deren Verlauf schätzungsweise hunderttausend Glocken im ganzen Land zerstört oder eingeschmolzen wurden.
Ausgerechnet hier, in Frankreich, wo jede Kirche nach der Revolution nur eine einzige Glocke behalten sollte, aber sieben Jahre
lang überhaupt nicht geläutet werden durfte, so dass die Kinder die Sprache der Glocken nicht lernen konnten, ausgerechnet hier
ertönten im März erneut die Glocken von Notre Dame. Gemeinsam mit Emmanuel , der 1685 gegossenen größten Glocke, die
Notre Dame nach der Revolution als einzige geblieben war, bilden die neun neuen nun ein wahrhaft imposantes Geläute.
Das wird jeder zugeben müssen, der es auch nur einmal vor Ort gehört hat. Ich glaube gerne, dass halb Paris eine Gänsehaut
bekam, als es zum 850. Gedenktag der Grundsteinlegung der Kathedrale nach über 200 Jahren erstmals wieder so läutete wie
vor der Revolution.
Vergessen wir nicht: In einem bestimmten Stadium der Revolution wandelte sich das Befremden und Unverständnis der
Aufgeklärten gegenüber dem Glockenläuten zum Kampf gegen die Glocken. Er wurde zur Speerspitze des Versuchs einer
Entchristlichung des Landes.
Der Staat nahm der Kirche die Gewalt über die Glocken ab. Die meisten Glocken wurden zerstört oder eingeschmolzen. Mit dem
Ende ihres Läutens in seiner bisherigen Form sollte der Einfluss des Glaubens endgültig beseitig werden. Man wollte das Leben
der Menschen aus seiner herkömmlichen Ordnung lösen. Die durch die Glocken immer wieder hervorgerufene Aufmerksamkeit
auf die unterschiedlichen Lebensphasen und deren prägende Ereignisse wie Heirat, Geburt und Tod sollte ein Ende haben. Das
Leben der Menschen sollte weitestgehend privatisiert und vor allem entsakralisiert werden. Glocken sollten allenfalls noch
staatsbürgerlichen oder nationalen Belangen zugeordnet sein und durch andere, zweckmäßige Instrumente wie Uhren oder
Sirenen ersetzt werden.
Mit dem Schweigen der Glocken sollten eine Welt, deren Wertesystem und deren Emotionen verschwinden, weil sie den
vermeintlich Aufgeklärten als irrational galt, als fanatisch und verblendet..
Ich finde es ein starkes Zeichen, welches nach dieser Vorgeschichte mit den neuen Glocken von Notre Dame für Frankreich
gesetzt wurde.
Im 19. Kapitel des Lukasevangeliums finde ich eine Stelle, die mir dazu passend scheint: Als Jesus aufgefordert wurde, die
Menschen, die ihm folgten, zum Schweigen zu bringen, sagte er: Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien.
Einer der Verantwortlichen in Paris formulierte in einem Interview: Wären [die Glocken] Menschen, würde ich sagen: Sie sind
sehr mutig. Sie überschallen den Lärm der Straße, reißen aus dem Alltag, vermitteln zwischen Mensch und Gott. [Laurent
Prades, Zehn Glocken für ein Halleluja: Die Zeit vom 21.3.2013]
Merken Sie auf! Es gibt Dinge, die sind größer als der Alltag, in dem wir uns bewegen. Es gibt diese Wirklichkeit, auf die uns die
Glocken hinweisen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.
Ihr
Domkapitular Günter Assenmacher aus Köln.

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