Sechs Bereiche gibt es bei der Vorsorgevollmacht zu beachten

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Sechs Bereiche gibt es bei der Vorsorgevollmacht zu beachten
Vernachlässigte Beratungsthemen, Teil 2
Sechs Bereiche gibt es bei der Vorsorgevollmacht
zu beachten
Auch das Thema Vorsorgevollmacht gehört zur ganzheitlichen, weil alle
Lebensphasen umfassenden Finanzberatung. Dabei gibt es vieles zu beachten. Was
genau und wie man damit gegenüber dem Kunden punkten kann, erklärt Ulrich
Welzel von der Beratungsfirma Brain Active.
Was haben Fernsehkoch Horst Lichter, Sängerin Michelle und Schauspielerin Gaby Köster
gemeinsam? Alle drei erlitten in jungen Jahren einen Schlaganfall. Horst Lichter im Alter von 26
und 28 Jahren, Michelle mit 31 und Gaby Köster mit 46.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erleiden in Deutschland jährlich rund 250.000
Menschen einen Schlaganfall. Dazu kommen 213.000 Menschen mit einem Herzinfarkt (24.
Deutsche Herzbericht) und der Deutschen Krebshilfe zufolge erkranken 490.000 Menschen neu an
Krebs.
Da nicht jeder Fall automatisch zum Tod führt und die meisten Bundesbürger Angst vor
Unfallfolgen und plötzlichen Erkrankungen haben, verwundert es, dass nur wenige Menschen mit
Vollmachten vorgesorgt haben. Laut Bundesanzeiger-Statistik gab es Ende 2013 in Deutschland
1.310.619 Betreuungsfälle.
Was tun im Fall der Fälle
Wie es ist, wenn sich von einem Augenblick zum anderen das Leben ändert, das hat der
Unternehmer Conrad F. (61) am eigenen Leib erlebt. Nach einem Schlaganfall kann Conrad F. nicht
mit den behandelnden Ärzten kommunizieren. Eigene Entscheidungen zu finden ist ihm nicht
möglich.
Seine Ehefrau und sein Sohn werden benachrichtigt und kommen in die Klinik, wo sie der
behandelnde Arzt fragt, ob Conrad F. eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht besitzt.
„Wir haben ab und zu darüber gesprochen, und soweit ich mich erinnere liegen die Unterlagen
zuhause im Stapel. Vereinbart haben wir aber nichts“, antwortet die Ehefrau.
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Irrtum mit Folgen
Tritt der Fall der Fälle ein, kann sich im Leben des Betroffenen und der Familie viel ändern. Das
Betroffene plötzlich nicht mehr zu einer Entscheidung oder Handlung fähig sind, können sich
gesunde Menschen nicht vorstellen und schieben die Entscheidung über Vollmachten vor sich her.
Laut Umfragen gehen 75 Prozent der Deutschen davon aus, dass im Fall der Fälle die engsten
Familienangehörigen für sie entscheiden könnten. Ein großer Irrtum, der Folgen haben kann.
Im Ernstfall haben Ehegatten, Kinder oder Verwandte keine Befugnisse rechtsverbindliche
Entscheidungen für einen anderen Menschen zu fällen. Einzige Ausnahme sind Eltern von
minderjährigen Kindern.
Laut Bundesjustizministerium können Angehörige nur in zwei Fällen für den Volljährigen
entscheiden: Entweder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder wenn es einen
gerichtlich bestellten Betreuer gibt. Für alle Beteiligten sind das Situationen, die nicht sein müssen.
Aus dem Grund ist es wichtig sich frühzeitig mit dem Thema Vorsorgevollmacht auseinander
zusetzen.
Einleitung einer rechtlichen Betreuung
Im Fall von Conrad F. sagt der behandelnde Arzt der Ehefrau: „Wenn keine Vorsorgevollmacht
vorliegt, schreiben wir das Betreuungsgericht an, um eine rechtliche Betreuung einzurichten. Das
wird dann darauf hinauslaufen, dass das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer bestimmt.“
Das Betreuungsgericht, eine Unterabteilung des Amtsgerichts, ist verpflichtet, zuerst die
Familienangehörigen zu fragen, ob jemand aus dem Familienumfeld die Betreuung übernehmen will
und kann. Für Conrad F. ist es glimpflich verlaufen, weil seine Frau als gesetzliche Betreuerin
eingesetzt wurde.
Beratung und Vollmachten
In der lebensphasenbegleitenden Finanzberatung, der Generationenberatung wie im Private Banking
ist es ein Muss, die Kunden auf die Vorsorgevollmacht anzusprechen. Erste Gelegenheiten zur
Ansprache eröffnen sich schon bei Absicherung von biometrischen Risiken, daraus ergeben sich
weitere Möglichkeiten Testament oder Nachfolgeregelungen anzusprechen.
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Viele Banken erkennen die Vorsorgevollmacht oder Generalvollmacht nicht an. Und das, obwohl
jüngst das Landgericht Detmold (Urteil vom 14. Februar 2015, AZ 10 S 110/14) entschieden hat,
dass die Vorsorgevollmacht in Vermögensangelegenheiten von der Bank zu akzeptieren ist. Wird
der Zugriff auf Konten trotz Vorliegens der Vorsorgevollmacht von unberechtigten Bedingungen
abhängig gemacht, haftet die Bank für mögliche Schäden des Vollmachtgebers. Schon deshalb ist es
sinnvoll, dass Berater den Kunden die bankeigenen Vollmachten vorlegen.
Alles gut geregelt
Die Vorsorgevollmacht regelt genau, welche Rechte dem Bevollmächtigten übertragen werden
sollen und welche nicht. Für den Fall, dass der Vollmachtgeber die Fähigkeit einbüßt, selber
entscheiden zu können, überträgt er einer andern Person die Wahrnehmung einzelner oder auch aller
Angelegenheiten.
Somit kann der Bevollmächtigte handeln, ohne dass es weiterer Maßnahmen bedarf.
Betreuungsgerichte werden eingeschaltet, wenn es zur Kontrolle des Bevollmächtigten erforderlich
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ist und wenn es um medizinische Eingriffe und Fixierungen geht.
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Die Vorsorgevollmacht kann grundsätzlich formfrei ausgestellt erteilt werden und sollte über den
Tod hinaus gelten. Der Umfang kann schriftlich oder durch ein Ankreuzverfahren bestimmt werden
und darf keine Bedingungen enthalten. Rechtsichere Vordrucke halten das Bundesministerium der
Justiz (bit.ly/Z4LQ2U) oder das bayerische Staatsministerium der Justiz
(http://www.bestellen.bayern.de/application/stmug_app000045) kostenfrei bereit.
Die Wirkungsbereiche erstrecken sich auf die Gebiete:
1. Gesundheitsfürsorge/Pflegebedürftigkeit
Der Bevollmächtige darf in allen Angelegenheiten der Gesundheitssorge entscheiden. Das
gilt auch für Entscheidungen zur ambulanten oder (teil-)stationären Pflege. Hat der
Vollmachtgeber eine Patientenverfügung erstellt, ist diese zu beachten.
Bevollmächtige dürfen in sämtliche Maßnahmen zur Untersuchung des
Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe einwilligen. Das gilt
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auch wenn Eingriffe mit Lebensgefahr für den Betroffenen verbunden sind oder schwere
beziehungsweise länger anhaltende gesundheitliche Schäden eintreten können.
Insbesondere kann der Bevollmächtigte seine Einwilligung bei jeder Maßnahme zur
Untersuchung des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe
verweigern oder widerrufen.
Diese Entscheidung gilt auch, wenn die Nichtbehandlung für den Betroffenen mit
Lebensgefahr verbunden sein könnte oder dadurch ein schwerer oder länger dauernder
gesundheitlicher Schaden erlitten werden könnte. Somit darf der Bevollmächtigte auch die
Einwilligung zum Unterlassen oder Beenden lebensverlängernder Maßnahmen erteilen.
Bevollmächtigte dürfen Krankenunterlagen einsehen und die Herausgabe an Dritte
bewilligen. Parallel werden die behandelnden Ärzte und nichtärztliches Personal von der
Schweigepflicht gegenüber dem Bevollmächtigten enthoben.
Über die Unterbringung mit freiheitsentziehender Wirkung und über freiheitsentziehende
Maßnahmen wie Bettgitter, Medikamente, Gurte und ähnliches in einem Heim oder in einer
sonstigen Einrichtung kann der Bevollmächtige entscheiden, solange es zum Wohle des
Betroffenen ist. Bedingung ist, dass es eine schriftlich erteilte Vorsorgevollmacht gibt in der
die Unterbringung sowie die ärztliche Zwangsmaßnahme ausdrücklich formuliert ist.
Ist das nicht der Fall wird das Betreuungsgericht eingeschaltet. Bei schwierigen Operationen,
Zwangseinweisungen oder bei Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist immer
das Betreuungsgericht einzuschalten und die Zustimmung des Betreuungsrichters
einzuholen. Im Falle von Fixierungen streben Pflegepersonal und Betreuungsrichter
mittlerweile an, möglichst ohne Fixierungen auszukommen.
2. Aufenthalt und Wohnungsangelegenheiten
Der Bevollmächtige darf den Aufenthalt des Betroffenen bestimmen, Rechte und Pflichten
aus dem Mietvertrag über die Wohnung des Betroffenen und eine Kündigung wahrnehmen.
Er darf den Haushalt auflösen, einen neuen Wohnraummiet- oder Heimvertrag abschließen
und wieder kündigen.
3. Post und Fernmeldeverkehr
Die für den Vollmachtgeber bestimmte Post, auch Einschreiben mit dem Vermerk
„eigenhändig“ dürfen vom Bevollmächtigten entgegen genommen und geöffnet werden.
Ebenfalls darf über den Fernmeldeverkehr entschieden und alle hiermit zusammenhängenden
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Willenserklärungen, zum Beispiel Vertragsabschlüsse, Kündigungen, abgeben werden.
4. Vertretung vor Behörden und Gerichten
Bevollmächtigte vertreten den Vollmachtgeber bei Behörden, Versicherungen, Renten- und
Sozialleistungsträgern. Das gilt auch bei der Vertretung gegenüber Gerichten sowie
Prozesshandlungen aller Art.
5. Vermögenssorge
Das Vermögen darf vom Bevollmächtigen vollumfänglich verwaltet werden.
Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland sind mit einbezogen.
Erklärungen jeder Art dürfen abgegeben und entgegengenommen werden. Anträge dürfen
gestellt, abgeändert und zurückgenommen werden. Namentlich darf der Bevollmächtigte:
über Vermögensgegenstände jeder Art verfügen,
Zahlungen und Wertgegenstände annehmen und Verbindlichkeiten eingehen,
den Vollmachtgeber im Geschäftsverkehr mit Kreditinstituten vertreten,
Willenserklärungen bezüglich der Konten, Depots und Safes abgeben, und
Schenkungen vornehmen, wie sie einem rechtlichen Betreuer rechtlich gestattet sind.
Anhand der aufgezeigten Inhalte ist ersichtlich, dass der Auswahl des Bevollmächtigten ein großer
Stellenwert zugeordnet werden sollte. Auch mehrere Bevollmächtigte können Sinn machen.
Vollmachten können auf unterschiedliche Personen verteilt werden, denen der Vollmachtgeber
vertraut und zutraut, dass sein Wille gegenüber gegen über Medizinern und Juristen durchgesetzt
wird. Auch Ehepartner und Angehörige müssen bevollmächtigt werden. Eine Ausnahme gilt bei
Eltern gegenüber minderjährigen Kindern.
Frau L. (76) hat ihrer Tochter (Ärztin) die Vollmacht in Fragen der Gesundheitsfürsorge und ihrem
Sohn (Volkswirt) die Vollmacht für die Vermögenssorge erteilt. Das Beispiel zeigt wie die
Vollmacht sinnvoll verteilt werden können.
Damit Bevollmächtigte entsprechende Rechte erhalten, sollten mögliche Szenarien bei Einrichtung
der Vorsorgevollmacht in der Familie offen angesprochen werden. Je mehr im Vorfeld besprochen
wird, je besser kann bei medizinischen Behandlungen wie zum Beispiel der Zustimmung zu
Operationen und Untersuchungen entschieden werden. Eventuell muss auch über einen Umzug in
eine Pflegeeinrichtung oder über den Hausverkauf entschieden werden.
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Fazit
Ziel der Vorsorgevollmacht ist die Vermeidung einer gesetzlichen Betreuung nach Paragraf 1896
des Bürgerlichen Gesetzbuches sein. Eine solche sollte ab dem 18. Lebensjahr vorhanden sein.
Im ersten Teil der Serie geht es um das Thema Patientenverfügung. Im dritten Teil der Serie geht
der Autor auf die Auswahl des/der Bevollmächtigten und auf Ausgestaltungsdetails von
Vorsorgevollmacht ein.
Über den Autor:
Ulrich Welzel ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft Brain Active aus
Taufkirchen bei München. Er hat selbst viele Jahre in der Betreuung vermögender Privatkunden und
Nachlassplanung gearbeitet und trainiert heute Vorstände, Personalentwickler, Führungskräfte und
Betriebsräte aus Banken, Versicherungen und mittelständischer Industrie im Umgang mit trauernden
Angehörigen.
Dieser Artikel erschien am 10.06.2015 unter folgendem Link:
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