- Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie

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- Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie
Logopädie und Schulische Heilpädagogik im Rahmen integrativer
schulungsformen - Gemeinsamkeiten und unterschiede
SAL-Bulletin Nr.110
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Dezember 2003
zusammenfassung der SAL
Hintergründe
Diplomarbeit Nr. 762 vom
Fragen bezüglich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der logopädischen
Katja Scherer und
Therapie und der heilpädagogischen Förderung werden in der Praxis
immer wieder aufgeworfen. Es stellt sich oftmals die Frage nach der Zuweisung der Kinder zu entsprechenden Fachpersonen. Ist im einzelnen Fall
Karin schnyder
die Logopädin oder die Schulische Heilpädagogin die zuständige FachperPersonen bezeichnungen sind weiblich, son?
das männliche Geschlecht ist jedoch
In diesem Zusammenhang stellt sich unweigerlich die Frage nach den
immer mitgemeint.
jeweiligen Kompetenzbereichen: Was beinhaltet die logopädische Therapie,
was die heil pädagogische Förderung? Mit welchen Methoden werden die
Kinder durch die Fachperson jeweils unterstützt? In welchen Rahmenbedingungen arbeiten die Logopädinnen, in welchen die Schulischen Heil-
Alle in diesem Artikel verwendeten
pädagoginnen?
Um als Logopädin oder Schulische Heilpädagogin erfolgreich in einer
integrativen. Schulungsform zu arbeiten, erachten wir eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Berufsbildern als notwendig.
Ziele und Aufbau
Ziele dieser Arbeit sind, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Logopädie
und der Schulischen Heilpädagogik in der integrativen Schulungsform in
einen Vergleich zu stellen und deren Manifestation in der Praxis aufzuzeigen (vgl. Abb.l).
integrative Schulungsform
Abb.l: Schematische Darstellung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede
der Logopädie und der Schulischen Heilpädagogik in der integrativen
Schulungsform.
Um eine übersichtliche Gegenüberstellung der Professionen zu erreichen,
werden die vier folgenden Dimensionen ausgearbeitet: Arbeitsorte, Methoden, Aufgaben und Anstellungsbedingungen. Diese Dimensionen werden
anhand von zwei Fragestellungen erarbeitet. In einer Gegenüberstellung der
ersten und zweiten Fragestellung werden deren Ergebnisse miteinander
verknüpft und anschliessend diskutiert.
Logopädie und Schulische Heilpädagogik
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Logopädie und SChulische Heilpädagogik
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Erste Fragestellung:
integrative Schulungsformen:
worin sieht die THEORIE die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Logopädie und
der Schulischen Heilpädagogik in der Integrativen schulungsform?
Es geht darum, drei Dimensionen (Arbeitsorte, Methoden und Aufgaben) der
beiden Professionen anhand der Fachliteratur aufzuzeigen, einander gegenüberzu-
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Gemeinsamkeiten
Logopädie
Arbeitsorte
Schulische HeilDäda!!o!!ik
Arbeitsorte
Unterschiede
Methoden
Aufgaben
Methoden
Aufgaben
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stellen und zu vergleichen.
Abb.2: Schematische Darstellung des Vergleichs der Dimensionen innerhalb intezweite Fragestellung:
grativer Schulungsformen.
Wie sehen in der PRAXIS die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Logopädie und
der Schulischen Heilpädagogik In der Integrativen schulungsform In der Primarschule
Im PRAXISBEZOGENEN TEIL wird aus aktuellen Gründen und aufgrund persönlicher
im Kanton Zug aus?
Berufstätigkeit der Kanton Zug genauer betrachtet. Im Kanton Zug läuft gegenwär-
Mittels Rechtsgrundlagen und einer praxisbezogenen Befragung werden vier Di-
tig die Vernehmlassung' Änderung des Schulgesetzes, besondere Förderung' (Kan-
mensionen (Arbeitsorte, Methoden, Aufgaben und Anstellungsbedingungen) der
beiden Professionen in der Praxis aufgezeigt und anschliessend einander gegenübergestellt und verglichen.
tonsrat des Kantons Zug, 2002), die sowohl die integrative als auch die separative
Schulungsform neu .regeln soll. Unter Berücksichtigung der laufenden Vernehmlassung sowie der aktuellen kantonalen Rechtsgrundlagen und diversen Richtlini-
Hierbei nimmt diese Fragestellung aus folgenden zwei Gründen nur auf die Primar-
en/Aufgabenbeschrieben werden die vier Dimensionen, d.h. einschliesslich der
schulebene Bezug: Die integrativen Schulungsformen werden in einigen Schulge-
Anstellungsbedingungen des Kantons, aufgelistet.
meinden ausschliesslich auf Primarschulebene praktiziert. Zudem hätte die Berücksichtigung der Vorschul- und der Oberstufe den Rahmen der Diplomarbeit
gesprengt.
Die zusammengestellten Rechtsgrundlagen bilden den Ausgangspunkt der Untersuchung, welche an allen integrativ arbeitenden Primarschulen des Kantons Zug
stattfand. Diese schriftliche Befragung und die erarbeiteten Rechtsgrundlagen
bilden die Basis (vgl. Abb. 3) zur Beantwortung der zweiten Fragestellung. Die
vorgehen
Untersuchungsergebnisse sind als Tendenzen zu verstehen, da uns zur Befragung
Die Diplomarbeit gliedert sich in zwei Hauptbereiche: einen theoretischen und
nur eine kleine Untersuchungsgruppe zur Verfügung stand.
einen praxis bezogenen Teil.
integrative Schulungsformen:
Im THEORETISCHEN TEIL werden die wissenschaftlichen Grundlagen erörtert. Dabei
baut die Arbeit auf den folgenden drei Standbeinen auf: Logopädie, Heilpädagogik,
integrative Schulungsform. Innerhalb der Standbeine Logopädie und Heilpädagogik
werden die drei Dimensionen Arbeitsorte, Methoden und Aufgaben dargestellt. Die
Dimension der Anstellungsbedingungen wird erst im praxisbezogenen Teil berücksichtigt,. da diese je nach Arbeitgeber variieren. Zusätzlich wird die integrative
Schulungsform als drittes Standbein erörtert.
Schulische Heilpädagogik
Logopädie
Arbeitsorte
Methoden
Aufgaben
Anstellungsbedingungen
Gemeinsamkeiten
Unterschiede
Arbeitsorte
Methoden
Aufgaben
Anstellungsbedingungen
Die ausgearbeiteten Dimensionen der Logopädie und der Schulischen Heilpädago-
Abb. 3: Gegenüberstellung der Dimensionen der Logopädie und der Schulischen
Heilpädagogik, aufbauend auf den praxisbezogenen Rechtsgrundlagen und der
gik in der integrativen Schulungsform werden im Anschluss in einen Vergleich
Befragung.
(siehe hierzu Abb. 2) gestellt. So werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede
auf theoretischer Ebene aufgezeigt und die erste Fragestellung beantwortet.
In der SCHLUSSDISKUSSION stellen wir das Fazit der ersten Fragestellung anhand
der vier ausgearbeiteten Dimensionen demjenigen der zweiten Fragestellung gegenüber (vgl. Abb. 4). Dabei werden die Ergebnisse des theoretischen und des pra-
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Erste Fragestellung
Zweite Fragestellung
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xis bezogenen Teils diskutiert und wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede
herausgeschält.
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Den Ergebnissen der schriftlichen Befragung ist jedoch zu entnehmen, dass es auch
Veränderungen im logopädischen Bereich gegeben hat. Aufgrund dieser Erkenntnis
wäre unser Erachtens ein Zusatz im zugerischen 'Aufgabenbeschrieb für die Logopädische Therapie' in Bezug auf die Integration erstrebenswert, insbesondere wenn
die Logopädie als Teil der integrativen Schulungsform aufgefasst wird. So könnten
wir uns vorstellen, dass im Aufgabenbeschrieb der Punkt der Gesamtarbeitszeit
differenzierter aufgeschlüsselt werden müsste, besonders in Bezug auf interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Abb. 4: Gegenüberstellung der Ergebnisse der ersten und zweiten Fragestellung.
Im Folgenden werden unter Berücksichtigung der Struktur der vier Dimensionen
die Ergebnisse der ersten und zweiten Fragestellung in einen Bezug gesetzt und
diskutiert.
Im Folgenden werden wir ausschliesslich die Ergebnisse der Schlussdiskussion
Arbeitsorte
darstellen. Wir verzichten hierbei jedoch auf die Erörterung der Anstellungsbedin-
Die Ergebnisse der ersten und zweiten Fragestellung betreffend der Arbeitsorte sind
im Grossen und Gapzen übereinstimmend. Gemeinsam ist beiden Professionen,
dass sie in separaten Räumen tätig sind, dies jedoch in ganz verschiedenem Masse.
gungen, da diese kantonal sehr unterschiedlich sind. Um detailliertere Ergebnisse
aus der Theorie und der Praxis nachzulesen, kann die Arbeit der SAL ausgeliehen
werden.
Ergebnisdarstellung
Bei der Vertiefung in das Thema der Integration wurde uns immer wieder vor
Augen geführt, dass diese Diskussion während der letzten Jahre gesamtschweizerisch nicht an Aktualität verloren hat. So herrscht bis heute zwischen den Wissenschaftlerinnen, den Pädagoginnen und den Therapeutinnen Uneinigkeit betreffend
der jeweils angemessenen Integrationsform. Die einen befürworten die Integration
von Kindern mit leichteren Behinderungen (Kleinklassen-schülerinnen) und solchen
mit schwerwiegenden Behinderungen (Sonderklassenschülerinnen), andere vertreten
den Standpunkt, dass nur Kinder mit leichteren Behinderungen integriert werden
sollten. Zudem werden oftmals Mischformen zwischen Integration und Separation
praktiziert, was auch im Kanton Zug der Fall ist. Als Folge des unterschiedlichen
Integrationsverständnisses entstanden verschiedene integrative Schulungsformen.
Um diesbezüglich eine Vereinheitlichung zu erzielen, wären nach unserer Ansicht
kantonale oder gar gesamtschweizerische Gesetzesgrundlagen erstrebenswert. Wir
denken es wäre sinnvoll, dass auf kantonaler Ebene nur eine der beiden Schulungsformen gesetzlich verankert und entsprechend praktiziert wird, dies zugunsten eines
kantonal einheitlichen Schulsystems. Wir stellen deshalb die aktuell laufende Vernehmlassung des Kantons Zug in Frage, welche die Systemwahl freistellt.
Mit dem Wechsel von der Separation zur Integration wurde ein neues Berufsbild
geschaffen: Die Schulische Heilpädagogin ist nicht mehr als Klassenlehrperson
tätig. Neu fördert sie als Fachkraft Kinder mit Schulschwierigkeiten in Einzelsituationen, Gruppen oder Klassen. Damit hat sich das Berufsverständnis der Schuli-
So arbeitet die Logopädin gemäss unserer Untersuchung beinahe ausschliesslich in
einem eigenen Raum (logopädischer Dienst, Ambulatorium), währenddem die
Schulische Heilpädagogin doch mehrheitlich innerhalb der Regelklasse, also im
Klassenzimmer, aktiv ist. Den Bedürfnissen entsprechend müssen beiden Professionen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für den logopädischen Dienst existieren hierfür Richtlinien des D LV.
Methoden
Im theoretischen und praxis bezogenen Teil sind auch hier die Resultate überwiegend kongruent. So besteht eine Gemeinsamkeit bei der Professionen darin, dass
pädagogische (d.h. erziehende und unterrichtende) Anteile in der Arbeit enthalten
sind. Diese bilden in der Schulischen Heilpädagogik den Grundgedanken, derweil
in der Logopädie der therapeutische Ansatz eindeutig das Hauptgewicht hat.
Sowohl dem theoretischen wie auch aus dem praxis bezogenen Teil ist zu entnehmen, dass immer mehr therapeutische Methoden in die heilpädagogische Arbeit
einfliessen. Dadurch entfernt sich die Schulische Heilpädagogik immer weiter vom
ursprünglichen Gedankengut, was auch Urs Haeberlin (1996) kritisch zur Diskussion bringt. Das unten aufgeführte Zitat von Emil Kobi gewann für uns während
des Arbeitens zunehmend an Bedeutung. Auch wir sehen die Hauptursachen der
oben genannten Diskussion in den
unterschiedlichen Systembedingungen (Medizinisches System versus Bildungssystem
... ), in unterschiedlichen Sichtweisen (Paradigmen und Modellvorstellungen ...),
Sozialisationsgeschichten (medizinisch-paramedizinisches versus pädagogisches
schen Heilpädagogin demjenigen der Logopädie angenähert, insbesondere weil nun
Personal), versicherungstech-nischen Einschätzungen (mit entsprechenden pekuniä-
beide Professionen als Fachkräfte tätig sind.
ren Folgen), So-zialprestige (<<Therapie» trägt den Nimbus des Medizinösen) und
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Depersonalisationsbedürfnissen (<<Therapie» evoziert die Vorstellung objektivierbarer Krankheit; (Nach-) Erziehung hingegen solche von Fehl-/Mangelerziehung oder
Verwahrlosung) (Kobi 1993:343).
Diese kontrovers diskutierte Sachlage fiel auch in der schriftlichen Befragung auf.
Diesbezüglich war bei den Schulischen Heilpädagoginnen eine enorme Bandbreite
der Antworten augenfällig. Generell vertreten wir hierzu die Ansicht, dass sowohl
die therapeutische als auch die pädagogische Arbeit Vor- und Nachteile beinhaltet.
Zudem sollten unser Erachtens therapeutische und pädagogische Methoden von
entsprechend ausgebildeten Personen praktiziert werden.
Aufgaben
Aufgrund der verschiedenen Berufsverständnisse haben die beiden Professionen
unterschiedliche Terminologien, was die Beantwortung der beiden Fragestellungen
vor allem im Bereich "Aufgaben" erschwerte. Hinzu kommt, dass auch innerhalb
des Fachbereichs Logopädie verschiedene Terminologien verwendet werden. Eine
Verringerung dieser Problematik könnte in Zukunft durch eine einheitliche Fachsprache mit internationaler Gültigkeit erlangt werden. Wir vertreten die Ansicht,
dass die 'Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
Gesundheit (ICF)' der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur im Medizinal-, sondern auch im Bildungssystem eingeführt und praktiziert werden sollte. Im
Bildungssystem wurden bereits einige Vorstösse in diese Richtung unternommen, so
beispielsweise im Kanton Zürich.
Aufgrund der Resultate der beiden Fragestellungen werden wenige Aufgaben
sowohl der Logopädie als auch der Schulischen Heilpädagogik zugesprochen. Dazu
gehören innerhalb der Arbeit mit dem Kinde einzelne Bereiche der Förderung der
deutschen Sprache. Laut Vernehmlassung des Kantons Zug betrifft dies insbesondere das TherapierenIUnterrichten von lese-rechtschreibschwachen Kindern und bei
Dyskalkulie die Förderung im mathematischen Bereich. Im Gegensatz zu den
kantonalen Gesetzesgrundlagen wird die Dyskalkulie von den Richtlinien der EDK
und im Berufsbild der DLV nicht explizit als logopädische Aufgabe erwähnt. Zusammenfassend können unser Erachtens folgende Aufgaben von Logopädinnen
ausgeübt werden: die Therapie der Kommunikation, der Stimme, des Schluckens,
des Sprechens, der Sprache, der Schriftsprache, des Redeflusses, des Gehörs sowie
die Therapie der Dyskalkulie.
Im Gegensatz zu den Logopädinnen fördern die Schulischen Heilpädagoginnen laut
dem praxis bezogen Teil die Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz in ungefähr gleichem Masse. Heilpädagogische Aufgaben können unserer Auffassung nach als
stufengemässer Unterricht und schul bezogene Fördermassnahmen umschrieben
werden. Laut der schriftlichen Befragung führen die Schulischen Heilpädagoginnen
mehrheitlich sprachliche und mathematische Fördermassnahmen durch, worunter
auch die Lese-Rechtschreibschwäche und die Dyskalkulie fallen. Die heilpädagogi-
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sehen Aufgaben sind im sprachlichen, aber auch im mathematischen Bereich nicht
immer eindeutig von logopädischen Aufgaben zu trennen. Mögliche Erklärungen
liegen hierbei in den unterschiedlichen Fachsprachen, den weitgefassten Aufgabenbereichen der Schulischen Heilpädagoginnen und in der Tatsache, dass sich einzelne
Fertigkeiten oftmals nicht isoliert fördern lassen.
Zusammenfassend sind neben der Arbeit mit dem Kinde beide Professionen für
nachstehende Aufgaben zuständig: Erfassung, fachspezifische Beratung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Weiterbildung sowie die Mitarbeit an wissenschaftlichen
Projekten. Als zusätzliche logopädische Aufgaben gelten laut Rechtsgrundlagen die
Prävention, die Berichterstattung und die Gutachtenerstellung. Bei den heilpädagogisehen Aufgaben wird ferner die Beobachtung im Klassenverband aufgeführt. Laut
des theoretischen Teils besteht ein weiterer Unterschied der beiden Professionen
darin, dass die Logopädinnen Abklärungen durchführen und Diagnosen stellen,
währenddem die Schulischen Heilpädagoginnen erschwerende Lernbedingungen
erfassen. Diese Tren.nung wird gemäss der schriftlichen Befragung in der Praxis
etwas weniger deutlich vollzogen.
In Diskussionen mit Logopädinnen aus anderen Kantonen wurde uns vor Augen
geführt, dass das föderalistische Staatssystem der Schweiz auch hier Auswirkungen
hat. Folglich ist die Aufgabenteilung in Bezug auf Erfassung, Abklärung und Diagnosestellung zwischen der Logopädie, der Schulischen Heilpädagogik und dem
Schulpsychologischen Dienst kantonal unterschiedlich geregelt. So wird in einigen
Kantonen das sprachlich auffällige Kind vom Schulpsychologischen Dienst abgeklärt und den Logopädinnen und/oder den Schulischen Heilpädagoginnen überwiesen. Diese Regelung setzt unserer Meinung nach eine entsprechend fundierte Ausbildung der Schulpsychologin voraus. Im Kanton Zug indessen können
Logopädinnen eigenständig Erfassungen und Abklärungen durchführen sowie
Diagnosen stellen, ohne Miteinbezug des Schul psychologischen Dienstes.
Die Absprachen in den sich überschneidenden Angeboten sind gemäss schriftlicher
Befragung nicht immer zufriedenstellend geregelt. Nach unserer Meinung wären
klare und regelmässig durchgeführte Absprachen erstrebenswert. Betreffend der
Zuständigkeit erachten wir auch die Kommunikation gegen aussen als notwendig
(Kindergärtnerinnen, Lehrpersonen, Therapeutinnen, Schulpsychologen, Eltern
etc.). Dies könnte beispielsweise in Form einer fachbezogenen Broschüre der Arbeitsfelder Logopädie und Schulische Heilpädagogik geschehen. Ausserdem wären
für Kindergärtnerinnen und Lehrpersonen Hilfestellungen zur Beobachtung und
Zuweisung oftmals dienlich. Hierzu befindet sich im Anhang unserer Diplomarbeit
ein Vorschlag in Form eines Triagebogens zur Beobachtung von lese- und rechtschreibschwachen Kindern der zweiten Klasse. Folgende Faustregel ist ein möglicher Vorschlag für die Zuweisung von lese- und rechtschreibschwachen Kindern:
Hat ein Kind trotz korrekter Einführung der Buchstaben Schwierigkeiten, die
alphabetische Stufe des Schriftspracherwerbs im Rahmen des Lehrplans zu erreichen, ist eine logopädische Therapie angesagt. Hat ein Kind auf der orthographi-
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sehen Stufe des Lesens und Schreibens Probleme, sollte eine Fehleranalyse stattfinden und anhand einer Absprache zwischen der Logopädin und der Schulischen
Heilpädagogin entschieden werden, wer in Zukunft für die Förderung zuständig ist.
Nach unserer Ansicht ist die Logopädin in erster Linie für die Behandlung von
Störungen des inneren Sprechens (innersprachliche Verarbeitungsprozesse) verantwortlich.
Während der intensiven thematischen Auseinandersetzung und dem Verfassen der
Diplomarbeit wurde uns immer wieder vor Augen geführt, wie wichtig es in unserer
Arbeit ist vom Kind als Zentrum auszugehen. Gemeinsam können wir die beste
Arbeit leisten: Es gilt Synergien zu nutzen. Dazu ist eine gute interdisziplinäre
Zusammenarbeit unausweichlich.
Literaturhinweise
Bless, G. 2000. Schulung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf. Bericht zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion zur Integrationsthematik. Im Auftrag des Kantons Zug.
Bless, G. 1995. Zur Wirksamkeit der Integration. Bern; Stuttgart; Wien: Paul
Haupt Verlag.
Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband (DLV). 1997. (4. Auflage). Berufsbild Logopädin/Logopäde. Luzern: DLV.
Haeberlin, U. 1996. Heilpädagogik als wertgeleitete Wissenschaft. Bern; Stuttgart;
Wien: Paul Haupt Verlag.
Kobi, E. E. 1993. Grundfragen der Heilpädagogik. (5. Auflage.) Bern; Stuttgart;
Wien: Paul Haupt Verlag.
Netzwerk Integrative Schulungsformen. 2002. Integrative Schulungsformen in
Kindergarten und Volksschule: Empfohlene Rahmenbedingungen. Luzern: Netzwerk Integrative Schulungsformen. C/O SZH Luzern.
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). 3. November 2000. Reglement über die Anerkennung der Hochschuldiplome in Logopädie
und der Hochschuldiplome in Psychomotoriktherapie.
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). 27. August
1998. Reglement über die Anerkennung der Lehrdiplome in Schulischer Heilpädagogik.
Weltgesundheitsorganisation (WHO). März 2002. Internationale Klassifikation der
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Einführung und Kurzfassung der ICF. www.vdr.de
Kantonsrat des Kantons Zug. Vernehmlassung vom 1. April bis Mitte September
2002. Änderung des Schulgesetzes, besondere Förderung. (Vorlage Nr. 27)
Im Weiteren aktuelle Gesetze und Rechtsgrundlagen des Kantons Zug.