089. TV-Kochstar Jamie Oliver: „The Naked Chef“
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089. TV-Kochstar Jamie Oliver: „The Naked Chef“
089. TV-Kochstar Jamie Oliver: „The Naked Chef“ ... TV-Kochen als Quotenrenner? A. Ist TV-Kochen „Inside“? Die Kids kleben plötzlich am Wochenende vor einer Kochsendung am Fernseher, kein Problem, das wird Jamie Oliver mit „Naked Chef“ sein. Auch keine Angst, dass nun die Jungmannschaft plötzlich einer Pornoserie frönt, Jamie ist völlig ungefährlich, zur Zeit nur einfach völlig „Inside“, auf RTL 2. Genauso könnte die Jungmannschaft bei Ralf Zacherl auf Pro 7 an der Glotze hängen, das ist nur eine Glaubensfrage: bei Zacherl verbleiben schon des Outfits wegen doch eher die punkigen Zuschauer, bei Jamie Oliver finden die Nonkonformisten ihren Platz, so einfach ist das! Was ist aber plötzlich los am Pantoffelkino: werden wir „zugekocht“? Im SFDRS 1 schwingt Coop bzw. Betty Bossi fünf Mal die Woche den Kochlöffel, jung und dynamisch, mit Spiel und Produktenpräsentation. Schon seit 1994 lädt bei der ARD Alfred Biolek mit „alfredissimo“ prominente Gäste zum Kochen ein und auf SWR lernen wir mit Kathrin Rüegg „was die Grossmutter noch wusste“. ORF 2 meint „Frisch gekocht ist halb gewonnen“ und bei Vox wird im Kochduell der Koch-Vorgang zum Tempowettbewerb degradiert, wer zuerst fertig ist, hat gesiegt: Kochen also als TV-Quotenrenner? B. Der Youngster und TV-King des Kochens: Jamie Oliver Schon mit zarten acht Jahren soll Jamie im elterlichen Pub irgendwo in Essex herumgekocht haben. Da er mit 16 Jahren nach eigener Aussage noch immer zu bequem zum Lernen war und eine höhere Schuldbildung nicht in Frage kam, stürzte er sich in eine Kochausbildung. Grund sei der raue Ton und das Ursächliche gewesen: So durchlief er das Westminster Catering College, ging nach Frankreich und wieder zurück nach London. Nach Praktikumstellen in mehreren Firsthäusern wurde er 1998 bei einer Reportage über das „River Café“ von BBC entdeckt und prompt in eine neue TV-Kochserie gesteckt: The Naked Chef, was nichts mit nackt zu tun hat, sondern nur bedeuten soll: einfaches Kochen, ohne Schnickschnack und so; eigentlich gar nicht so verry britisch?! C. TV-Kochen mit Jamie: The Naked Chef Das ganze wird immer in eine Rahmenhandlung gestopft und diversen coolen Accessoires angereichert, aber blicken wir doch mal auf seine erste Sendung zurück: Jamie nimmt Abschied von seiner alten Wohnung im West Hamstead Viertel und zieht in eine Loft in der City um. Da werden natürlich Helfer und Gäste erwartet und diese müssen bekocht werden. Also schwingt sich der Wuschelkopf mit einem alten Motorradhelm auf einen ebenso antiken Roller und brummelt zum Italiener, Griechen oder Fischmarkt um die notwendigen Zutaten für sein Essen absolut frisch einzukaufen. Natürlich wird da noch jovial mit einigen italienischen oder griechischen Worten herumgealbert bis der Superkoch per 2-Takter samt Plastiktüten dann „zu Hause“ eintrifft. Das ist eine Loft auf zwei Etagen, mit Wendeltreppe verbunden, wobei das Runterrutschen zum Eingang jedes Mal mit einem Baseballwurf in den Korb abgeschlossen wird. Im oberen Bereich ist eine klassische Küche eingerichtet, sehr rustikal, mit Ausnahme der elektrischen Apparate wie Herd, Backofen, Grill oder Hilfsgeräte. Gegessen wird dann nach dem Kochen gleich nebenan, völlig locker und natürlich viel mit Händen! Da steht dann der Künstler, in seinen schlabberigen Jeans, das Hemd mal mehr innerhalb oder auch ausserhalb der Hose, nur die Sportschuhe Adidas sind offensichtlich gemäss „Product Placement“ immer verry proper, in seiner Küche und fängt an – man kann es nicht anders ausdrücken – zu quasseln, übers Kochen, sich, rundherum und überhaupt! „Also Friends, da haben wir nun das Fischfilet, schönes Stück haben wir gekauft...“ und er beginnt auf dem Einpackpapier den Fisch zu bearbeiten und würzen. Salz und Pfeffer stehen heftig im Vordergrund, raffinierte Gewürze sind sehr selten. Überhaupt geschieht 1 alles eben sehr „naked“. Olivenöl und Balsamico sind en vogue, probiert wird mit dem Finger und umgeleert oder angerichtet immer mit den Pfoten, wobei irgendein herumliegender Lappen die Reinigung der „Arbeitsgeräte“ superprovisorisch übernimmt. Kurzum, seine Kocherei ist bodenständig und wirkt sehr junggesellenhaft. meist per Hand bearbeitet, der Aufwand an Pfannen und Geschirr ist nicht von Eltern und die Rezepte sind nicht gerade auf mediterrane Mägen abgestimmt. Jamie von sich behaupten, dass es ihm gelungen ist, den miserablen Ruf der Küche etwas aufzuhellen, das hält sich aber dann doch sehr in Grenzen. Alles wird schlechten Zwar kann englischen Das Schweizer „KonsumTV“ hat kürzlich in einem einfachen Test festgestellt, dass seine – inzwischen auf deutsch erhältlichen Kochbücher – in der Rezeptur (Mengen) und der Zubereitung sehr zu hinterfragen seien, sonst kann man böse Überraschungen erleben. D. Naked Chef: eine (TV)-Marktlücke? Tatsache ist aber, dass der Jungend diese unkomplizierte Kocherei des inzwischen 28jährigen, verheiratet, Vater von 2 Töchtern, ungemein gefällt. Die derbe britische Art, des blonden Wuschelkopfes, der schon mal bei zwei Kohlköpfen etwas Anzügliches von sich gibt, passt. Dabei ist der ganze Kochvorgang stets von einem legeren Speach begleitet, der jedem aufzeigt, nimm es nicht so genau, koch einfach und du kannst es auch so oder so machen: das kommt bei den Jungen an. So hat Jamie bereits jene Kochbücher und DVD’s in verschiedenen Sprachen auf dem Markt, nicht nur in Deutsch, sondern bereits auch in Japanisch. Seine TV-Shows haben schon Kultstatus und vergangene Sendungen haben bereits Sammlerwert! Im Internet findet man diverse Naked ChefClubs, welche Rezepte austauschen und auf Jamie-News hinweisen. Daneben hat der Meister an erster Lage am Westlande Place in London das Restaurant „Fifteen“ eröffnet. Sein Vermögen aus der ganzen TV-Kocherei soll sich bereit auf runde 20 Millionen Schweizer Franken belaufen und es ist noch kein Ende des Erfolgs abzusehen. Haben da Petermann in der Kunststube oder Hussong im Wiesengrund etwas falsch gemacht? Keinesfalls, Jamie Oliver ist ein TV-Produkt, zur rechten Zeit auf ein vorhandenes Trendy-Zielpublikum ausgerichtet. Tatsächlich kann die Hamburger und CheeseburgerKlientel den Künsten eines Horst Petermann oder Hans-Peter Hussong kaum etwas abgewinnen. Wie soll man diesen Fastfood-Geniessern den Unterschied zwischen gewöhnlichem Kochsalz und Fleure de Sel erklären? Die gepflegte Küche ist ein Klassiker, immer modern, aber eben klassisch, wie die Musik. Sie hat ihre Anhänger und Geniesser. Jamie Oliver, Ralf Zacherl & Co bringen nicht nur eine Küche rüber, sondern betten diese in einen Lebensstil ein, von Roller bis Skateboard. Das ist gerade die Mischung, welche die Fastfooder noch nachzukochen bereit sind. Dass der quirlige Junge mit der wulstigen Unterlippe, der ihnen da als Kumpel verkauft wird und scheinbar in einer bescheidenden Dockland-Bude haust, schon längst Multimillionär ist und dabei selbst für Tony Blair an der Dowing Street No. 10 die Töpfe gerührt hat, beeinträchtigt diesen Kult keineswegs, im Gegenteil, er ist eben ihr Star, der „Naked Chef“, perfekt vermarktet. Jamie Oliver und Ralf Zacherl sind in der Küche so etwas wie bei der Musik Tekkno, Rock oder Punk, man muss halt darauf abfahren. Bei Jamie kommt sicherlich noch dazu, dass die Briten in Sachen Küche erstmals nach Jahrhunderten auf dem Kontinent überhaupt wahrgenommen werden. Das hat dazu geführt, dass Jamie auch von den älteren InselBewohnern auf Händen getragen wird, ein Umstand, der bei uns kaum einschlagen wird. So nehmen wir also zur Kenntnis, dass das Fernsehen nach der Talkshow-Schlacht nun zum europäischen Kochduell geblasen hat. Wenn die Schweiz dabei keine Vorreiter-Rolle spielt, ist das nur zu begrüssen. Eine gute Küche muss man schätzen und geniessen und die lässt sich nicht einfach daher konsumieren. TV ist und bleibt aber immer Konsum und gute Unterhaltung ist Naked Chef allemal, schauen Sie dort ruhig mal rein: Alles klar? http://www.jamieoliver.net/index.asp Robert-Roger Martin 23.05.2003/2200h +++ 2