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Wirtschaft 609
Fachbeiträge
Kommunen müssen sich
zunehmend den Aufgaben
der Grundwasserbewirtschaftung
stellen – wer trägt die Kosten?
Natalie Palm, Julia Hornscheidt und Friedrich-Wilhelm Bolle (Aachen)
Zusammenfassung
Abstract
Kommunen müssen sich zunehmend den Aufgaben der Grundwasserbewirtschaftung, insbesondere ansteigenden Grundwasserständen, stellen. Müssen Maßnahmen zur Grundwasserbewirtschaftung ergriffen werden, stellt sich die Frage nach der Finanzierung und der Umlage der entstehenden Kosten. Rechtliche
Rahmenbedingungen und mögliche Ansätze zur Kostenumlage
werden erörtert. Darauf aufbauend werden die unterschiedlichen Arten der Kostenumlage bewertet.
Local Communities must live up to the Challenges
of Groundwater Management – Who pays the Bill?
Schlagwörter: Wirtschaft, Entwässerungssysteme, Grundwasser, Kosten, Gebühren, Kommunalabgabengesetz, Entwässerungssatzung,
Wasserhaushaltsgesetz, Landeswassergesetz
DOI: 10.3242/kae2013.07.004
Local communities must live up to the challenges of groundwater management, above all rising groundwater levels. If groundwater management measures must be taken, the question arises who will pay the bill and how should the costs incurred be allocated. That is why the paper discusses the legal framework
and possible approaches to cost allocation. On this basis, the paper then assesses different types of cost allocation.
Key words: economy, drainage systems, groundwater, costs, fees, law
on municipal levies, drainage ordinance, German water resources
act, Land water resources acts
1 Einleitung
Schäden in der Bausubstanz durch ansteigende Grundwasserstände – dieses Problem hat sich in einigen Regionen Deutschlands wie beispielsweise am Niederrhein, in Berlin oder im
Ruhrgebiet in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Durch eindringendes Wasser entstehen Schäden vor allem im Bereich der
Gebäudekeller. Die Ursachen können unterschiedlicher Art
sein:
O Die fortschreitende, gesetzlich vorgeschriebene Sanierung
von undichten Kanälen und Grundstücksentwässerungsanlagen verhindert die Infiltration von Grundwasser, die bisherige Drainagewirkung entfällt. Deutschlandweit werden
rund 15 % der öffentlichen Abwasserkanäle und nahezu
70 % der privaten Hausanschlussleitungen als undicht eingeschätzt [1]. In den vom Ministerium für Klimaschutz,
Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz des
Landes NRW (MKULNV) geförderten Untersuchungen für
das Einzugsgebiet der Emscher zu den Auswirkungen der
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Kanalsanierung und der naturnahen Regenbewirtschaftung
zeigt sich, dass mit großflächigen Grundwasseranstiegen
und damit verbunden auch dem Anstieg des Risikos für die
Vernässung von Gebäuden gerechnet werden muss [2].
O Die Einstellung von Sümpfungsmaßnahmen und die Füllung von Baggerseen lässt in ehemaligen Tagebaugebieten
die Grundwasserspiegel wieder ansteigen. Bei der Planung
von Neubaugebieten ist der nur künstlich abgesenkte
Grundwasserspiegel häufig nicht ausreichend berücksichtigt worden.
O Ein sparsamerer Wasserverbrauch in Haushalten und Industrie kann eine geringere Wasserförderung erforderlich werden lassen, die mithin sogar zu Stilllegungen einzelner Wasserwerke führen und mit einem Anstieg des Grundwasserspiegels verbunden sein kann.
O Verändertes Niederschlagsverhalten lässt besonders in regenreichen Wintermonaten den Grundwasserspiegel stärker ansteigen als bisher beobachtet. Diese Entwicklung wird
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durch die Folgen des Klimawandels in Deutschland verstärkt festgestellt und wird weiterhin zu erwarten sein [3].
O Ein wichtiges Ziel in der Siedlungsentwässerung ist die Förderung der naturnahen Regenbewirtschaftung zur Verringerung des Oberflächenabflusses von versiegelten Flächen.
Auch diese Maßnahmen können zu einem Anstieg des
Grundwasserstands führen.
Insgesamt müssen sich die in der Wasserwirtschaft zuständigen
Akteure zunehmend den Herausforderungen einer integralen
Bewirtschaftung des Wasserhaushalts stellen. In diesem Kontext können durch die Bewirtschaftung des Grundwassers
Schäden an Gebäuden und Infrastruktur abgewendet oder verringert sowie Gebäude und Grundstücke gegen eine Wertminderung geschützt werden. Diese Bewirtschaftungsmaßnahmen
können mit erheblichen Investitionen und Kosten im Betrieb
verbunden sein. Allein für das Gebiet der Emschergenossenschaft (bezogen auf identifizierte Schwerpunktregionen mit einer Gesamtfläche von 134 km2) werden je nach technischer
Umsetzung Investitionskosten von 766 bis 838 Millionen Euro
zuzüglich jährlicher Kosten zwischen 20 und 30 Millionen Euro abgeschätzt [2].
Grundwasserbewirtschaftung umfasst sowohl die Bewirtschaftung im Straßenraum, vornehmlich in Form der Grundwasserableitung über die bestehende Kanalisation (als eindringendes Fremdwasser) oder gegebenenfalls auch über eine gesonderte Reinwasserkanalisation als auch die großflächige Bewirtschaftung, die beispielsweise Maßnahmen zur Kappung
von Grundwasserspitzen durch Pumpen oder auch die Vertiefung nahegelegener Gewässer (zum Beispiel eines Kanals) beinhaltet. Für Details zu der technischen Ausgestaltung sei an
dieser Stelle auf die entsprechenden Fachveröffentlichungen
verwiesen (vgl. z. B. [2]). Die großflächige Grundwasserbewirtschaftung erfordert vielerorts eine überregionale Betrachtungsweise.
2 Rechtliche Rahmenbedingungen
Das Wasserrecht enthält weder im Wasserhaushaltsgesetz
(WHG) noch im Landeswassergesetz (LWG) ausdrückliche Vorgaben zur Regelung von Grundwasserständen [4]. Gemäß
§ 53c LWG NRW sind die Kosten der Ableitung oder Behandlung von Grund- und Drainagewasser über öffentliche Abwasser- oder Fremdwasseranlagen jedoch eindeutig den ansatzfäArt der Ableitung
gemeinsame Ableitung von
in die Kanalisation eindringendem Grundwasser mit
Abwasser (Fremdwasser)
gezielte Ableitung über
öffentliche Kanalisation
Ableitung über
Drainagewasserkanal
higen Kosten zuzurechnen, sie sind insofern gebührenfähig. Eine ähnliche Regelung trifft Baden-Württemberg im Rahmen
des Kommunalabgabengesetzes (KAG): gemäß § 17 KAG BW
können Anlagen zur Ableitung von Grund- und Drainagewasser, wenn dadurch die öffentlichen Abwasseranlagen entlastet
werden, zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtungen der
Abwasserentsorgung bestimmt werden.
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Ableitung von Grundwasser im Straßenraum und der jeweiligen Handhabung am
Beispiel von Nordrhein-Westfalen.
3 Mögliche Ansätze zur Kostenumlage
Die Möglichkeiten zur Umlage der Kosten für die Grundwasserbewirtschaftung sind unter Berücksichtigung der regionalen
Rahmenbedingungen und insbesondere im Zusammenhang
mit den konkreten Maßnahmen zu betrachten.
3.1 Veranlagung über die Entwässerungsgebühr
Bei einer gemeinsamen, vermischten Ableitung von Grundwasser mit Schmutz- und/oder Niederschlagswasser geht das
Grundwasser ohne mengenmäßige Erfassung als eine Komponente des Fremdwassers in die Wasserbilanz ein. Die Einrechnung von fremdwasserverursachten Kosten in die allgemeine
Abwassergebühr ist jedoch dann als problematisch zu sehen,
wenn diese Kosten einen nicht nur unwesentlichen Anteil ausmachen*) (vgl. hierzu [5, 6]).
Die Stadt oder Gemeinde ist verpflichtet, undichte Kanäle
zu sanieren und somit den Fremdwassereintrag zu unterbinden. In Fällen, in denen die Einleitung in der Vergangenheit genehmigt oder geduldet wurde, ist der Ermessensspielraum des
Kanalnetzbetreibers begrenzt. Die Unterbindung der Einleitung
kann als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn es dem
Grundstückseigentümer nicht oder nur unter unzumutbarem
Aufwand möglich ist, Vernässungsschäden an baulichen Anlagen anderweitig entgegenzuwirken.
*)
Köhler, Meyer [6] verweisen hierzu auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: „Es wurde bislang nicht als erforderlich angesehen, die
Kosten der Fremdwasserentwässerung in Form einer Sondergebühr
umzulegen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Mehrkosten beispielsweise der Grundwasserbeseitigung unter 3 % der Gesamtkosten liegen
und eine degressive Gebührenstaffel besteht“ [BVerwG, Urteil vom 18.
April 1975 – VII C 41.73, KStZ 1975 (191 f.)].
Rechtliche Situation in Nordrhein Westfalen
Pflicht zur Unterbindung des Fremdwassereintrags aufgrund von Undichtigkeiten (Sanierungspflicht).
Erst durch das Vermischen in der Kanalisation wird Grundwasser zum Abwasser und
unterliegt dann der Abwasserbeseitigungspflicht.
Unverschmutztes Grundwasser ist grundsätzlich nicht in eine öffentliche Abwasseranlage
einzuleiten. Auf Antrag kann eine Stadt oder Gemeinde die Einleitung von Grundwasser in die
Kanalisation aber zulassen. Wird diese Einleitung ermöglicht, so ist die Stadt beseitigungspflichtig (vgl. §7 Abs. 7 der Musterentwässerungssatzung des Städte- und Gemeindebunds NRW).
Bei der Ableitung von Drainagewasser in getrennter Kanalisation ist das unverschmutztes
Grundwasser nicht als Abwasser anzusehen, die Anlage unterliegt nicht dem Anschluss und
Benutzungszwang. Bei Nutzung kann gem. §6 Abs. 1 KAG NRW eine Benutzungsgebühr
erhoben werden.
Tabelle 1: Ableitung von Grundwasser im Straßenraum
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Fachbeiträge
3.2 Veranlagung einer Grundwassergebühr (im Rahmen
der Entwässerungssatzung oder in eigener Satzung)
Die gezielte Einleitung von Grundwasser in öffentliche Abwasseranlagen wird zumeist nach der eingeleiteten Menge oder
nach der freigehaltenen Fläche veranlagt. Die eingeleitete Wassermenge wird gemessen oder, falls das nicht möglich ist, geschätzt oder berechnet. In den Satzungsregelungen der Kommunen sind verschiedene Veranlagungsmaßstäbe zu finden:
O mengenbezogener Maßstab, beispielsweise 0,50 €/m³ in
Nürnberg oder 0,43 €/m³ in Lingen (Ems),
O zusätzliche Differenzierung nach Verschmutzungsgrad: Ab-
stufung des mengenbezogenen Gebührensatzes für
Schmutzwasser bei gering belasteten Einleitungen, Ansatz
zur Herleitung des Gebührensatzes beispielsweise über Niederschlagswassergebühr und durchschnittlichem Jahresniederschlag,
O Differenzierung nach Ableitungsart: unterschiedliche Gebührensätze je nach Ableitung über Schmutzwasser-, Mischwasser- oder einen Niederschlagswasserkanal,
O Veranlagung nach der Größe der von Grundwasser freigehaltenen Fläche (in der Regel der Kellerfläche): beispielsweise über den Ansatz der Niederschlagswassergebühr in
Höhe von 1,52 €/m2, bewertet mit einem Abflussbeiwert
von 0,5 in Jülich, 0,66 €/m² in Fürth.
Die Regelungen zur Veranlagung der Grundwasserableitung
werden im Wesentlichen im Rahmen der Entwässerungssat-
zungen getroffen. In seltenen Fällen macht die Situation vor
Ort die Gestaltung einer eigenen Satzung erforderlich. Rückfragen bei den Kommunen ergaben, dass die Rechtslage hier
als nicht eindeutig eingeschätzt wird und die Entwässerungssatzung von eventuellen Widersprüchen frei gehalten werden
sollte.
Neben der dauerhaften Einleitung von Grundwasser ist eine nicht dauerhafte Einleitung zur temporären Absenkung des
Grundwasserspiegels, beispielsweise während der Bauphase
von Häusern, auch außerhalb von Gebieten mit grundsätzlichem Bedarf zur Grundwasserbewirtschaftung zu finden. Hier
wird in der Regel nach eingeleiteter Menge (zum Beispiel
Fürth: 0,40 €/m³ bei Einleitung in Regenwasserkanal und
0,80 €/m³ bei Einleitung in Schmutzwasserkanal) oder pauschal veranlagt.
3.3 Veranlagung von Beiträgen im Fall einer
großflächigen Grundwasserbewirtschaftung
Zur Umlage von Kosten einer großflächigen Grundwasserbewirtschaftung in Form von Gebühren oder Beiträgen gibt es unterschiedliche Ansichten bezüglich der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Satzungen. Es gibt vereinzelte Satzungen,
die für eine großflächige Grundwasserbewirtschaftung die Erhebung von Beiträgen vorsehen. Im Beispiel Falkenthal (Pfalz)
beispielsweise errichtet, betreibt, erweitert und unterhält die
Stadt als freiwillige öffentliche Aufgabe der kommunalen
Selbstverwaltung technische Anlagen zur Behebung des Grundwasserhochstands. Dafür werden Beiträge erhoben: Für die In-
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Korrespondenz
Abwasser,
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vestitionsaufwendungen ein einmaliger Beitrag, zur Deckung
der laufenden Kosten fallen wiederkehrende Beiträge an. Die
Beitragshöhe bemisst sich unter anderem nach der Lage des
Grundstücks (m ü. NN). Grundstücke mit Häusern ohne Keller
oder wasserdichte Wannen sind von der Gebührenpflicht ausgenommen. Es liegen zwei verschiedene Satzungen für insgesamt drei Ortsteile vor.
Im Fall Korschenbroich (Rhein-Kreis Neuss) vertritt die eigens gegründete Unterarbeitsgruppe „Zulässigkeit von Satzungsmodellen zur Finanzierung hydraulischer Lösungen“ der
Arbeitsgruppe Grundwasser in ihrem Abschlussbericht die Auffassung, dass Satzungslösungen mit Anschluss- und Benutzungszwang für den Fall Korschenbroich rechtlich unzulässig
sind [7]. Als Grund wird insbesondere die fehlende Voraussetzung eines „öffentlichen Bedürfnisses“ ähnlich einer der Volksgesundheit dienenden Einrichtung genannt. Ferner wird argumentiert, dass sich eine Satzungsregelung nur dann rechtlich
tragfähig erweisen würde, wenn garantiert werden könnte,
dass die durchzuführenden Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung Gebäudeschäden durch Vernässung ausschlössen.
Im Gebiet eines Wasserverbands kann der Verband einen
ganzheitlichen Bewirtschaftungsansatz anbieten. Alle Verbandsgesetze der sondergesetzlichen Wasserverbände in NordrheinWestfalen sehen die Regelung des Grundwasserstands als
Verbandsaufgabe vor. Die jeweiligen Regelungen für die Beitragsveranlagung bieten dann den Rahmen zur Umlage der entstehenden Kosten. Die Veranlagungsgrundsätze der Emschergenossenschaft lassen beispielsweise für Maßnahmen im Stadtgebiet einer Mitgliedskommune eine Umlage im Sonderinteresse
zu (Zuweisung der jeweils gesondert ermittelten Kosten, hierzu
[8]). Sie bieten aber auch den Rahmen für eine gemeinschaftliche Umlage nach einem zuvor zu definierenden Veranlagungsmaßstab für den Fall der Wahrnehmung einer großflächigen
Grundwasserbewirtschaftung durch den Verband. In der durch
den Bergbau geprägten Emscherregion sind im Sinne einer verursachergerechten Kostenumlage insbesondere auch die auf den
Bergbau entfallenden Kostenanteile zu bewerten und in der Veranlagung entsprechend zu berücksichtigen.
3.4 Vertragslösungen zwischen Eigentümer und Kommune
im Fall einer großflächigen Grundwasserbewirtschaftung
Anstelle von satzungsrechtlichen Regelungen sind auf die örtlichen Rahmenbedingungen abgestimmte Vertragslösungen
möglich. Die Kosten der Grundwasserbewirtschaftung werden
dabei durch freiwillig abzuschließende Verträge von den davon
profitierenden Bürgern verbindlich über eine bestimmte Laufzeit übernommen. Die Bewirtschaftung wird nur durchgeführt,
wenn genügend Grundstücksbesitzer diesen Vertrag unterschreiben. Die Kosten pro Haushalt werden auf Grundlage einer Mindestanzahl an Verträgen kalkuliert. Werden mehr Verträge geschlossen, verringern sich entsprechend die Kosten pro
Grundstück.
In Korschenbroich (Rhein-Kreis Neuss) wird diese Form der
Kostenumlage seit 2012 erfolgreich praktiziert. Durch den Erftverband werden über Pumpen die Spitzen im Grundwasser gekappt, die Kosten gibt der Verband an die Stadt Korschenbroich weiter. Diese trägt 20 % der Kosten direkt aus dem Haushalt, die übrigen 80 % werden von den Bürgern auf Basis der
geschlossenen Verträge getragen (abzüglich Zuschüsse vom
Rhein-Kreis Neuss). Die Berechnung erfolgt differenziert nach
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Stadtgebieten. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre und wird auch
bei einem Eigentümerwechsel an den neuen Grundstückseigentümer übertragen.
4 Bewertung der unterschiedlichen Arten
der Kostenumlage
Die möglichen Ansätze zur Veranlagung bzw. Umlage von
Kosten der Grundwasserableitung und -bewirtschaftung sind
hinsichtlich des notwendigen Verwaltungsaufwands (zur Datenerhebung und Bescheiderstellung), der politischen Durchsetzbarkeit, einer gerechten Kostenverteilung und der Transparenz gegenüber dem Bürger unterschiedlich zu bewerten
(Tabelle 2).
Für die Umlage der auf die Grundwasserableitung entfallenden Kosten über die Entwässerungsgebühr fällt kaum zusätzlicher Erhebungsaufwand an, worin gegenüber den übrigen Verfahren ein eindeutiger Vorteil besteht. Der Erhebungsaufwand muss im Verhältnis zu den Gesamtkosten beurteilt
werden.
Insbesondere bei den Vertragslösungen kann durch die Berechnung der einzelnen einzubindenden Grundstücksanteile
einerseits und Informations- und gegebenenfalls Überzeugungsarbeit der Vertragspartner andererseits mit einem hohen
Aufwand zur Einführung gerechnet werden.
Die politische Durchsetzbarkeit einer neuen, zusätzlichen
Gebühr ist immer kritisch zu bewerten. Allgemein ist bei der
Einführung eines neuen Gebührentatbestands zunächst Widerstand zu erwarten. Der Gebührenstabilität der Abwassergebühr
kommt hingegen kommunalpolitisch ebenfalls eine hohe Bedeutung zu. Durch eine Auslagerung der Grundwasserveranlagung in eine separate Gebühr wird die Entwässerungsgebühr
nicht durch zusätzliche Kosten belastet.
Die Veranlagung einer Gebühr für die Ableitung von
Grundwasser muss gemäß der Regelungen der Kommunalabgabengesetze dem Maß der Inanspruchnahme einer Anlage
entsprechen, sie darf zumindest nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis hierzu stehen (vgl. beispielsweise § 6
KAG NRW). Ein mengenproportionaler Gebührenmaßstab
entspricht diesen Anforderungen grundsätzlich, setzt aber
auch voraus, dass die eingeleitete Grundwassermenge ermittelt, zumindest nachvollziehbar geschätzt werden kann. Ein
Gebührenmodell, das dem Anspruch auf eine gerechte Kostenumlage gerecht werden will – was als Voraussetzung für
eine Akzeptanzfindung angesehen wird –, muss die unterschiedliche Inanspruchnahme oder den unterschiedlich großen Vorteil der einzelnen zur Gebührenzahlung Verpflichteten angemessen abbilden. In diesem Zusammenhang können
beispielsweise Leistungen der Eigenvorsorge (zum Beispiel in
Form einer wasserdichten Wanne) oder die Lage des Grundstücks (Ausgleich zwischen höher und tiefer gelegenen
Grundstücken) Berücksichtigung finden.
Transparenz und Akzeptanz eines Umlagemodells sind
nicht zuletzt von der Kommunikation des gewählten Modells
abhängig. Wird dieses offen und verständlich erläutert und die
Notwendigkeit der Bewirtschaftungsmaßnahmen verdeutlicht,
so ist mit einer besseren Aufnahme bei den Kostenträgern zu
rechnen. Bei den Vertragslösungen ist aufgrund der Freiwilligkeit eine gute Akzeptanz zu erwarten.
Ein geringer Anteil der Kosten der Grundwasserbewirtschaftung an den Gesamtkosten der Entwässerung erlaubt ein
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Belastung der
Erhebungs-/VerwalPolitische
(gerechte)
Entwässerungstungsaufwand
Durchsetzbarkeit
Kostenzuordnung
gebühr
Transparenz,
Akzeptanz
Grundwasserableitung
Entwässerungsgebühr
eigene Gebühr in
Entwässerungssatzung
eigene Gebühr
in eigener Satzung
⫹⫹
⫹⫹
–
––
–/o
–
⫹
⫹
⫹
o
–
–
⫹
⫹
⫹
großflächige Grundwasserbewirtschaftung
Beiträge (Kommune)
⫹
⫹
o
⫹
⫹
Vertragslösungen
––
o
o
⫹
⫹⫹
⫹ positive, o neutrale, – negative Bewertung
Tabelle 2: Bewertung der unterschiedlichen Arten der Kostenumlage
Mittragen über die Entwässerungsgebühr. Nimmt der Kostenanteil der Grundwasserbewirtschaftung jedoch deutlich zu, so
ist eine andere Methode der Kostenumlage in Betracht zu ziehen. Ob dies über eine Gebühr im Zuge der Entwässerungssatzung erfolgen sollte, ist auch von der gewählten Bewirtschaftungsmaßnahme abhängig. Die Vertragslösungen erscheinen
besonders dann eine gute Option, wenn der Handlungsbedarf
seitens der Grundstückbesitzer hoch ist und hier mit einer ausreichenden Bereitschaft zur Kostenübernahme ausgegangen
werden kann.
[2]
Sachstandsbericht Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Grundwasserbewirtschaftung im Emschergebiet“, März 2011, Essen
[3]
Meßer, J., Ohlenbusch, R., Getta, M.: Entwicklung eines instationären Prognosewerkzeuges zur Berechnung der Klimawandelbedingten Veränderungen der Grundwasserneubildung, dynaklim Publikation Nr. 14, Oktober 2011, Essen
[4]
Spillecke, H.: Rechtliche Perspektiven, Beitrag zum 3. Fachtagung
„Grundwasserbewirtschaftung im Emschergebiet“ am 6. Juli 2011
in Oberhausen
[5]
DWA-Arbeitsgruppe ES-1.3 „Fremdwasser“: Rechtliche Aspekte der
Fremdwasserthematik – Vierter Arbeitsbericht, KA – Abwasser Abfall 2007, 54 (5), 488–492
5 Handlungsbedarf
[6]
Köhler, H., Meyer, C.: Entwicklung einer systematischen Vorgehensweise zur Fremdwasservermeidung und -reduzierung im ländlichen
Raum. Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag des Ministeriums
für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
des Landes NRW (heute MKULNV), Dezember 2003, Köln
[7]
Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Grundwasser der Grundwasserkommission des Kreistages des Rhein-Kreises Neuss, Ergebnisbericht der Unterarbeitsgruppe „Zulässigkeit von Satzungsmodellen zur Finanzierung hydraulischer Lösungen“, März 2005 Korschenbroich
[8]
Schulz, A.: Veranlagung, Beitrag zum 3. Fachtagung „Grundwasserbewirtschaftung im Emschergebiet“ am 6. Juli 2011 in Oberhausen
[9]
Hornscheidt, J,. Tettinger, S., Pinnekamp, J.: Die Auswirkungen des
Klimawandels auf die Gebühren- und Beitragsmodelle der Wasserwirtschaft. Vortrag auf der 44. Essener Tagung für Wasser- und Abfallwirtschaft, 23.–25. März 2011, Aachen
Es wird erwartet, dass sich die Problematik steigender Grundwasserstände in vielen Regionen in Deutschland in den nächsten Jahren verstärken wird. Die Folgen des Klimawandels und
fortschreitende Kanalsanierungen steigern die Relevanz von
Fragestellungen der Grundwasserbewirtschaftung und der Umlage der entstehenden Kosten [9].
Müssen Maßnahmen zur Bewirtschaftung des Grundwassers ergriffen werden, so stellt sich die Frage nach der Finanzierung und insbesondere auch nach der Umlage der entstehenden Kosten. Dabei zeigt sich ein sehr heterogenes Bild der
bislang identifizierten Lösungen zur Kostenumlage. Die rechtliche Situation ist nicht immer eindeutig. Die Folge ist, dass unterschiedliche Interpretationen und offene Fragen das Gesamtbild vervollständigen. Die hierdurch entstehenden Handlungsspielräume lassen einerseits eine gewisse Interpretation und
Auslegung zu, erschweren aber gleichzeitig die Implementierung. Insgesamt ist festzustellen, dass die Art der Kostenumlage im Bereich der Grundwasserableitung und der -bewirtschaftung vor den jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort bewertet
und entwickelt werden muss.
Literatur
[1]
Mertsch, V.: Die Bedeutung der Grundwasserbewirtschaftung für die
Siedlungswasserwirtschaft, Beitrag zum 3. Fachtagung „Grundwasserbewirtschaftung im Emschergebiet“ am 6. Juli 2011 in Oberhausen
www.dwa.de/KA
Autoren
Dr.-Ing. Natalie Palm
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Julia Hornscheidt
(ehem. Mitarbeiterin des FiW)
Dr.-Ing. Friedrich-Wilhelm Bolle
Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft
an der RWTH Aachen e. V. (FiW)
Kackertstraße 15–17
52056 Aachen
E-Mail: [email protected]
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