HGB-Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen nach IDW

Transcription

HGB-Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen nach IDW
Aufsatz | Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Dr. André Geilenkothen, Dr. Rafael Krönung und Dr. Friedemann Lucius
HGB-Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen nach IDW RS HFA 3 n.F. –
Update zu BB 2012, 2103
I.
Einleitung
Mit Verabschiedung des Entwurfs einer Neufassung der IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung „Handelsrechtliche Bilanzierung von Verpflichtungen aus Altersteilzeitregelungen (IDW ERS HFA 3 n. F.)“ am
10.7.2012 hatte der HFA der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit der Kommentierung der Neufassung dieser Stellungnahme
bis zum 25.1.2013 eingeräumt. Auf Basis der eingegangenen Kommentierungen1 sowie eines Fachgesprächs mit interessierten Parteien
am 18.4.2013 hat der HFA den Entwurf IDW ERS HFA 3 n. F. überarbeitet und in seiner Sitzung am 19.6.2013 verabschiedet. Die Veröffentlichung erfolgte im Rahmen der regelmäßigen Fachnachrichten
des IDW am 8.7.2013.2 Die nachfolgenden Ausführungen und etwaige
Angaben zu Textziffern beziehen sich jeweils auf diese Fassung.
Wie auch schon in IDW ERS HFA 3 n. F. adressiert der HFA mit seiner vorliegenden Stellungnahme nur noch Fragestellungen nach deutschem Handelsrecht und hat seine bisherigen Ausführungen zur Bilanzierung gemäß IAS 19 ersatzlos gestrichen. Die im Vergleich zur
Entwurfsfassung vorgenommenen Änderungen sind überwiegend redaktioneller Natur. Insbesondere hat der HFA darauf verzichtet, wei-
Betriebs-Berater | BB 32.2013 | 5.8.2013
tere Konkretisierungen und Klarstellungen vorzunehmen. Somit bleiben in der Praxis durchaus offene Fragen, aber auch Ermessensspielräume bestehen. Insbesondere bleibt unklar, welche Auffassung der
HFA bezüglich jener Bilanzierungs- und Bewertungsansätze für ATZAufstockungen vertritt, die im einschlägigen Anwendungshinweis des
Deutschen Rechnungslegungs Standard Committees (DRSC), dem
DRSC AH 1 (IFRS)3, sowie im Schrifttum4 als IFRS-konform beschrieben werden.
II.
Bilanzierung und Bewertung von
ATZ-Aufstockungsleistungen
1.
Klassifizierung von ATZ-Vereinbarungen
Der IDW RS HFA 3 n. F. unterscheidet zwischen Vereinbarungen mit
Abfindungscharakter, bei denen der Arbeitgeber mit den Aufstockungszahlungen die Einwilligung des Arbeitnehmers in den gleitenden Übergang in den Ruhestand erreichen will (Tz. 8), sowie Vereinbarungen mit Entlohnungscharakter, bei denen er ganz oder teilweise
die langjährige Betriebszugehörigkeit honorieren oder Anreize zur
Verlängerung der Lebensarbeitszeit geben will (Tz. 9). Maßgeblich für
die Klassifizierung sei „der wirtschaftliche Charakter der Vereinbarung im konkreten Einzelfall“ (Tz. 7). Diese differenzierte Betrachtungsweise hebt sich positiv von der eindimensionalen Sichtweise des
IAS 19 ab, bei der aufgrund der formalen Abhängigkeit der Aufstockungen von zukünftigen Dienstzeiten der Abfindungscharakter unabhängig vom wirtschaftlichen Sachverhalt prinzipiell verneint wird.5
Des Weiteren ist zu begrüßen, dass Kriterien aufgezeigt werden, anhand derer eine Klassifizierung leicht möglich ist. So deuten z. B.
Mindestbetriebszugehörigkeiten, aber auch tarifvertragliche Regelungen zur kollektiven Beteiligung der Arbeitnehmerschaft an der Finanzierung von ATZ-Vereinbarungen auf den Entlohnungscharakter von
ATZ-Aufstockungen hin.
Wie auch schon der IDW ERS HFA 3 n. F. enthält die endgültige
HFA-Stellungnahme keine klare Regelung, wie zukünftig mit bestehenden ATZ-Vereinbarungen umzugehen ist, die einen eindeutigen
Entlohnungscharakter aufweisen, allerdings nach den Regelungen des
bisherigen IDW RS HFA 3 dennoch als Abfindungsleistungen einge1 Vgl. www.idw.de/idw/portal/n281334/n281114/n414788/index.jsp#_595988 (Abruf: 8.7.2013).
2 IDW-FN 7/2013, 309 ff.
3 DRSC AH 1 (IFRS) „Einzelfragen zur Bilanzierung von ATZ-Verhältnissen nach IFRS“, veröffentlicht am
11.12.2012, abrufbar unter www.drsc.de/docs/press_releases/2012/121211_DRSC_AH1_(IFRS)_ATZ _FV.
pdf (Abruf: 8.7.2013). Für weitere Details vgl. Geilenkothen/Krönung/Lucius, BB 2012, 2103 ff., sowie Geilenkothen/Krönung/Lucius, BB 2013, 299 ff.; ergänzend auch Thaut, DB 2013, 241 ff., sowie Hagemann/
Lieb/Neumeier, KoR 2013, 293 ff.
4 Vgl. z. B. Kühne/Böckem/Czupalla, DB 2013, 525 ff.
5 Vgl. die im Januar 2012 veröffentlichte Agenda Decision „IAS 19 Employee Benefits – Applying the definition of termination benefits to Altersteilzeit’ plans“ des IFRS Interpretations Committee unter www.ifrs.org/Updates/IFRIC-Updates/Documents/IFRICUpdateJan12.pdf (Abruf: 8.7.2013).
,
Nach IAS 19 (2011) können Aufstockungen im Rahmen von Vereinbarungen zur Altersteilzeit (ATZ) in der internationalen Bilanzierung nicht
mehr als Abfindungsleistungen klassifiziert werden (vgl. Geilenkothen/
Krönung/Lucius, BB 2012, 2103ff., sowie Geilenkothen/Krönung/Lucius,
BB 2013, 299 ff.). Der Hauptfachausschuss (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat dies zum Anlass genommen, seine Stellungnahme zur Rechnungslegung von ATZ-Verpflichtungen, den IDW RS
HFA 3 aus dem Jahr 1998, zu überarbeiten. In der HFA-Sitzung am
19.6.2013 wurde die Neufassung mit dem Titel „IDW Stellungnahme zur
Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Verpflichtungen
aus Altersteilzeitregelungen (IDW RS HFA 3)“ verabschiedet. Danach
besteht, anders als in der internationalen Rechnungslegung, nach deutschem Handelsrecht die Möglichkeit, ATZ-Aufstockungsleistungen nicht
nur als ratierlich anzusammelnde Verpflichtungen mit Entlohnungscharakter zu klassifizieren, sondern auch die bisherige Bilanzierung der
Aufstockungen als Leistungen mit Abfindungscharakter fortzuführen.
Im Folgenden werden die Änderungen dargestellt und analysiert, die
sich gegenüber dem Entwurf des IDW ERS HFA 3 vom 10.7.2012 und den
diesbezüglichen Erläuterungen in Geilenkothen/Krönung/Lucius, BB
2012, 2103 ergeben haben. Zudem zeigt der Beitrag die wichtigsten
Bewertungs- und Ermessensspielräume auf, die der IDW RS HFA 3 n. F.
eröffnet, und nimmt Stellung zu praxisrelevanten Bilanzierungsfragen;
er richtet sich insofern primär an Ersteller und Nutzer von Jahresabschlüssen nach deutschem Handelsrecht.
1899
Bilanzrecht und Betriebswirtschaft | Aufsatz
Geilenkothen/Krönung/Lucius · HGB-Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen nach IDW RS HFA 3 n. F. – Update zu BB 2012, 2103
stuft werden mussten. Pauschal verweist der HFA auf den Grundsatz
der Stetigkeit, nach dem eine einmal vorgenommene Klassifizierung
für die Zukunft beizubehalten sei. Dadurch soll vermieden werden,
dass Unternehmen bilanzgestaltend und je nach Bedarf eine Einordnung als Abfindungs- oder als Entlohnungscharakter vornehmen
können. Da diesbezüglich bislang allerdings kein Entscheidungsspielraum gegeben war und Aufstockungsleistungen in der Vergangenheit
generell Abfindungscharakter zugeschrieben wurde, kann hieraus
nicht gefolgert werden, dass alle bestehenden Altersteilzeitverhältnisse
auch zukünftig weiterhin gemäß der bislang herrschenden Charakterisierung zu bilanzieren sind. Wenn die Bilanzierung einer ATZ-Regelung als eine Vereinbarung mit Entlohnungscharakter insgesamt ein
verbessertes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt, muss nach Ansicht der Verf. bei erstmaliger Anwendung des IDW RS HFA 3 n. F. eine Korrektur des bisherigen Ansatzes möglich sein. Eine Verpflichtung zur Umstellung der bisherigen
Klassifizierung besteht allerdings nicht. Leider hat der HFA diesbezüglich keine entsprechende Klarstellung in Tz. 11 seiner Stellungnahme vorgenommen.
Im Falle einer Umklassifizierung müssen die entsprechenden Rückstellungsminderungen, anders als Effekte, die aus der erstmaligen Anwendung des neuen IAS 19 (2011) resultieren, nicht erfolgsneutral im Eigenkapital, sondern erfolgswirksam (als sonstiger betrieblicher Ertrag,
ggf. auch als Minderung der Personalaufwendungen) erfasst werden.
Im Ergebnis ist für die künftige betriebliche Praxis nach Ansicht der
Verf. davon auszugehen, dass ATZ-Aufstockungen in der deutschen
Handelsbilanz zu einem gewissen Teil weiterhin als Abfindungsleistungen klassifiziert werden und sich somit hinsichtlich der Bilanzierung gegenüber dem Status Quo keine Änderungen ergeben. Da sich
der Charakter von ATZ-Vereinbarungen mittlerweile allerdings immer mehr vom reinen Abfindungscharakter weg bewegt hat, wird erwartet, dass zum überwiegenden Teil eine (Um-)Klassifizierung in
Leistungen mit Entlohnungscharakter erfolgen wird.
2.
Ansammlungsverfahren und
Ansammlungszeitraum
Die Verpflichtung zur Zahlung von Aufstockungsleistungen begründet nach Auffassung des HFA eine Schuld, die als Rückstellung zu
passivieren ist (Tz. 12). Die Schuld entsteht dabei regelmäßig mit Abschluss einer individualvertraglichen Regelung oder einer anspruchsbegründenden kollektivrechtlichen Vereinbarung6 (Tz. 13). Der Zeitraum, über den die Rückstellung im Fall von ATZ-Aufstockungen mit
Entlohnungscharakter anzusammeln ist, ist abhängig von den Dienstzeiten, in denen „vereinbarungsgemäß die zusätzliche Entlohnung in
Form der Aufstockungsbeträge erdient wird“ (Tz. 21). Lässt sich dieser Zeitraum – wie bei ATZ-Vereinbarungen üblich – nicht explizit
ableiten, so ist der pragmatische und begrüßenswerte Ansatz vorgesehen, dass der Ansammlungszeitraum vom Abschluss der individuellen bzw. kollektiven Vereinbarung bis zum Ende der Beschäftigungsphase dauert (Tz. 22), so dass der Zeitpunkt der erstmaligen Passivierung sowie des Ansammlungsbeginns zeitlich zusammenfallen. Dies
schließt allerdings nicht aus, dass bei Vorliegen von Hinweisen auf einen abweichenden Erdienenszeitraum in Analogie zum DRSC AH 1
(IFRS) der Ansammlungsbeginn vor dem Zeitpunkt der rechtlichen
Entstehung der Verpflichtung liegen kann und insofern ein vergangenheitsbezogener Einmalaufwand bei Abschluss einer ATZ-Vereinbarung handelsrechtlich erforderlich ist, wenn hiermit auch bereits ver-
1900
gangene Dienstzeiten entlohnt werden, z. B. im Zusammenhang mit
sog. Mindestbetriebszugehörigkeiten.
Zur Ansammlungs- und damit Bewertungsmethode enthält die HFAStellungnahme keine konkreten Vorgaben, während verschiedene andere Aspekte wie die Berücksichtigung von Inanspruchnahme-Wahrscheinlichkeiten bei Anspruchsaltersteilzeitlern (Tz. 14), der Wegfall
der Verpflichtung aufgrund biometrischer Ereignisse wie Tod oder Invalidität (Tz. 16) oder die Abzinsung der Rückstellungen (Tz. 18) im
Detail ausgeführt werden. Bemerkenswert erscheint, dass bei der Endfassung des IDW RS HFA 3 n. F. für den Fall einer ATZ-Vereinbarung
mit Entlohnungscharakter in der Formulierung, dass „eine Rückstellung […] ratierlich anzusammeln“ sei, das Wort „ratierlich“ ersatzlos
gestrichen wurde (Tz. 21). Die Verf. interpretieren diese Änderung gegenüber der Entwurfsfassung dahingehend, dass damit praktisch alle
Verfahren, die einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung genügen, handelsrechtlich zulässig sind.7 Insbesondere sind hier zu nennen:
1. Verfahren, bei denen die ATZ-Aufstockungsleistungen in Höhe eines periodengerecht abgegrenzten, anteiligen Barwerts auf der
Grundlage eines besten Schätzwertes („best estimate“) passiviert
werden („Erfüllungsbetrag“). Dazu zählt grundsätzlich die aus der
Pensionsbilanzierung bekannte degressiv-ratierliche m/n-tel Methode, bei der jede Aufstockungszahlung linear bis zu ihrer Fälligkeit angesammelt wird (und zwar unabhängig von den Modalitäten der Rückabwicklung der ATZ-Vereinbarung im Störfall). Aber
auch die anderen im DRSC AH 1 (IFRS) beschriebenen, für die
IFRS-Rechnungslegung zulässigen Bilanzierungs- und Bewertungsansätze, namentlich die sog. FiFo-Methode sowie die Prepaid-Methode sollten handelsrechtlich nicht zu beanstanden sein.8
2. Geeignete Teilwertverfahren mit einer Gleichverteilung des Aufwands.
Dies eröffnet den bilanzierenden Unternehmen durchaus wünschenswerte Handlungsspielräume,9 kann in der Praxis aber auch zu Verunsicherungen führen, da möglicherweise nicht alle in Frage kommenden
Bewertungsverfahren uneingeschränkt von allen Wirtschaftsprüfern
akzeptiert werden. So ist fraglich ist, ob auch solche Verfahren handelsrechtlich zulässig sind, die vom Wortlaut des IDW RS HFA 3 nicht ohne
Weiteres gedeckt sind. Hierunter fallen z. B. die übliche Methodik der
Bilanzierung nach US-GAAP sowie der alternative Ansatz für die IFRSBilanzierung von Kühne/Böckem/Czupalla.10 Danach werden im Ergebnis Rückstellungen ausschließlich für die Aufstockungen während der
Passivphase gebildet. Die sonstigen Aufstockungen werden bei Fälligkeit als Personalaufwand berücksichtigt. Der Ansammlungszeitraum
der Rückstellung erstreckt sich gem. US-GAAP dabei von der individuellen Vertragsunterzeichnung bis zum Ende der Beschäftigungsphase, während beim Alternativansatz von Kühne/Böckem/Czupalla die
Ansammlung erst mit der Beschäftigungsphase beginnt. Im Gegensatz
zum Wortlaut der HFA-Stellungnahme sehen die Verfahren insofern
andere Erdienenszeiträume bzw. – wie das US-GAAP-Verfahren – un6 Hierunter wird eine Vereinbarung verstanden, die einem bestimmten Mitarbeiterkreis ein Anrecht auf
ein ATZ-Verhältnis einräumt, dem sich der Arbeitgeber nicht entziehen kann.
7 Vgl. hierzu eine entsprechende Anmerkung des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) unter www.idw.de/idw/download/IDWERSHFA3nF_IVS.pdf?id=627528&property=Datei (Abruf 8.7.2013).
8 Diese Sichtweise entspricht auch der in HFA 30 geäußerten Auffassung des IDW bzgl. Altersversorgungsverpflichtungen (und im Analogschluss auch bzgl. vergleichbarer anderer langfristig fälliger Verpflichtungen), für die jeweils das nach IAS 19 maßgebliche Bewertungsverfahren (Anwartschaftsbarwert gemäß „projected unit credit method“) uneingeschränkt auch für handelsbilanzielle Zwecke zulässig ist.
Da die genannten Methoden – trotz der unter Geilenkothen/Krönung/Lucius, BB 2013, 299 ff., genannten
Kritik – allesamt als IAS 19-konform anerkannt sind, müssen sie auch nach HGB anerkennungsfähig sein.
9 Vgl. Geilenkothen/Krönung/Lucius, BB 2012, 2103 ff.
10 Vgl. hierzu Kühne/Böckem/Czupalla, DB 2013, 525 ff.
Betriebs-Berater | BB 32.2013 | 5.8.2013
Aufsatz | Bilanzrecht und Betriebswirtschaft
Geilenkothen/Krönung/Lucius · HGB-Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen nach IDW RS HFA 3 n. F. – Update zu BB 2012, 2103
terschiedliche Behandlungen für die Aufstockungsleistungen der Aktivund Passivphase vor. Allerdings sind keine zwingenden Argumente erkennbar, warum diese Verfahren dem allein maßgeblichen Kriterium
der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung nicht genügen sollten,
so dass sie nach Ansicht der Verf. handelsrechtlich nicht zu beanstanden
sind.
Für die praktische Umsetzung ist zu erwarten, dass die Unternehmen,
die bereits nach IFRS bilanzieren und bei denen die ATZ Entlohnungscharakter hat, mehrheitlich die in der jeweiligen IFRS-Bilanz
der Unternehmen verwendeten Bewertungsansätze gemäß DRSC
AH 1 (IFRS) – ggf. unter Verwendung abweichender Rechnungszinssätze – auch für die deutsche Handelsbilanz übernehmen werden.
3.
Sonstige Regelungen
Des Weiteren beschäftigt sich der IDW RS HFA 3 n. F. mit der Bilanzierung von Erfüllungsrückständen aus ATZ-Vereinbarungen sowie
von ggf. bestehenden Erstattungsansprüchen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit; hierbei wird die bisherige bilanzielle Praxis uneingeschränkt bestätigt.
Abschließend werden noch einige Hinweise zu Ausweisfragen gegeben. So sind Vermögensgegenstände i. S. d. § 246 Abs. 2 HGB als saldierungspflichtiges Deckungsvermögen „mit den Rückstellungen für
Altersteilzeit zu verrechnen“ (Tz. 28).11 Da an dieser Stelle nur pauschal von Rückstellungen für Altersteilzeit die Rede ist und nicht nach
Rückstellungen für Erfüllungsrückstände und für Aufstockungen differenziert wird, könnte die gewählte Formulierung dahingehend
missverstanden werden, dass trotz einer fehlenden konkreten Zweckbindung solches Deckungsvermögen, das allein zur Insolvenzsicherung der Erfüllungsrückstände vorgesehen ist, im Falle einer Überdeckung der Erfüllungsrückstände auch mit den Rückstellungen für
Aufstockungen verrechnet werden könnte. Nach Ansicht der Verf. ist
eine solche Sichtweise allerdings nicht mit dem Sinn und Zweck der
handelsrechtlichen Vorschriften zum Deckungsvermögen vereinbar,
da die Saldierungspflicht u. a. eng an die Zweckexklusivität der Vermögensgegenstände geknüpft ist. Somit kommt eine Verrechnung
von Deckungsvermögen mit Rückstellungen für ATZ-Aufstockungen
wohl nur in Frage, wenn eine konkrete Zweckbindung auch für diese
Leistungen vorgesehen ist.
In der Gewinn- und Verlustrechnung schließlich sind die Zinsaufwendungen im Rahmen der Rückstellungszuführungen sowie die Erträge
aus etwaigem Deckungsvermögen zu verrechnen. Die operativen Aufwendungen aus der Zuführung zu den ATZ-Rückstellungen sind dagegen danach zu unterscheiden, ob es sich um ATZ-Vereinbarungen
mit Entlohnungscharakter handelt (Erfassung als Personalaufwand)
oder um Abfindungsleistungen (Erfassung als sonstiger betrieblicher
Aufwand).
Allerdings wäre es aus Sicht der Anwender (bilanzierende Unternehmen, Aktuare und Wirtschaftsprüfer) wünschenswert gewesen,
wenn einige – auch in der Kommentierung angerissene – Detailfragen durch den HFA klarer beantwortet worden wären.
3. Hinsichtlich der Klassifizierung von ATZ-Vereinbarungen sollte es
bei erstmaliger Anwendung der Grundsätze der Neufassung des
IDW RS HFA 3 handelsrechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn
ATZ-Vereinbarungen mit Entlohnungscharakter mit Blick auf einen verbesserten Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens umklassifiziert werden, obwohl sie bislang
(zwingend) nach IDW RS HFA 3 a. F. als Abfindungsleistungen eingestuft wurden. Die Umstellungseffekte sind sofort erfolgswirksam
zu erfassen. In der Zukunft ist eine einmal gewählte Klassifizierung
nach IDW RS HFA 3 n. F. nach dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit beizubehalten.
4. Die aus dem DRSC AH 1 bekannten Bewertungsverfahren für
ATZ-Vereinbarungen mit Entlohnungscharakter müssen auch für
die Bilanzierung gemäß HGB als uneingeschränkt zulässig anzusehen sein, da beide Bilanzierungswelten bezüglich der Zielsetzung
der Ermittlung eines periodengerecht abgegrenzten, anteiligen Barwerts auf der Basis bester Schätzwerte grundsätzlich übereinstimmen. Darüber hinaus bietet der IDW RS HFA 3 n. F. aber auch die
Möglichkeit der Anwendung anderer sachgerechter Bewertungsverfahren, die unter formalen Gesichtspunkten gemäß IFRS ggf. nicht
verwendet werden können. Allerdings ist davon auszugehen, dass
im Falle einer Einstufung von ATZ-Aufstockungen als Leistungen
mit Entlohnungscharakter auch für handelsbilanzielle Zwecke das
jeweils in der IFRS-Bilanzierung verwendete Bewertungsverfahren
Anwendung finden wird.
5. Die bisherige Bilanzierung von Erfüllungsrückständen aus ATZVereinbarungen sowie von ggf. bestehenden Erstattungsansprüchen
gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bleibt durch die Neufassung des IDW RS HFA 3 unberührt.
Dr. André Geilenkothen, Aktuar DAV und IVS-Sachverständiger, ist Senior Consultant bei Aon Hewitt. Fachliche
Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind u. a. Grundsatzfragen der
Bewertung und Bilanzierung von Arbeitnehmerleistungen.
Dr. Rafael Krönung, Aktuar DAV und IVS-Sachverständiger,
ist Senior Consultant bei Aon Hewitt. Schwerpunkte seiner
Tätigkeit liegen insbes. in den Bereichen der Pensionskassen
und der Lebensarbeitszeitmodelle.
III. Zusammenfassung
1. Die Neufassung des IDW RS HFA 3 befasst sich nur noch mit Fragestellungen der bilanziellen Abbildungen von ATZ-Vereinbarungen nach deutschem Handelsrecht und gibt keine Hinweise mehr
zur ATZ-Bilanzierung gemäß IAS 19.
2. Begrüßenswert sind die seitens des IDW eingeräumten Ermessensspielräume sowohl in der Klassifizierung von Altersteilzeitverpflichtungen als auch in der Auswahl des Bewertungsverfahrens.
Betriebs-Berater | BB 32.2013 | 5.8.2013
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
Dr. Friedemann Lucius, Aktuar DAV und IVS-Sachverständiger, ist Mitglied des Vorstands der HEUBECK AG mit dem
Beratungsschwerpunkt Bewertung und Bilanzierung von
Arbeitnehmerleistungen nach handelsrechtlichen und
internationalen Grundsätzen.
11 So auch bereits IDW RS HFA 30.
1901