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den. Dazu ist die Tierbeobachtung das
A und O!“, empfahl Brigitte Wenzel. Sie
machte auch deutlich: „Dieses Thema
wird uns nicht mehr verlassen. Es gibt
aufgrund des schon lange geltenden Kupierverbotes auch kein Zurück! Jeder
muss an den Lösungen mitarbeiten.“
▶ Betäubungslose
Kastration – aber wie?
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RLV-Fachausschuss „Tierische Veredlung – Schweine“ tagte in Bonn
Brigitte Wenzel (l.),
Stefan Leuer (M.)
und Ina Jungbluth
(r.) brachten die
Fachausschussmitglieder auf den
neusten Stand.
Schlechte Preise, mehr Auflagen,
schlechte Aussichten. Im Fachausschuss „Tierische Veredlung – Schweine“ des Rheinischen LandwirtschaftsVerbandes (RLV) am Montag vergangener Woche zeigten die Referenten die
aktuelle Markt- und politische Situation
auf. Die Schweinehalter diskutierten
über Lösungen und Auswege. „Die
Schlachtungen in Deutschland haben in
den letzten 15 Jahren um die Jahresproduktion eines Landes wie Dänemark zugenommen. Man könnte das eine Erfolgsgeschichte nennen, wenn der
Selbstversorgungsgrad bei den Ferkeln
nicht nur 75 % betragen würde und dieser unter den politischen Rahmenbedingungen wohl eher noch weiter sinken
wird“, so Heinz Lax, Vorsitzender des
Fachausschusses. Dazu käme der stag-
„Die Ferkelerzeugung sinkt immer
weiter in Deutschland. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 75 %. Regionalität bei Schweinefleisch kann aber
nicht erst bei 30 kg anfangen! Das
sollte der Lebensmitteleinzelhandel
berücksichtigen!“
Johannes Hinßen
„Der Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration bei Ferkeln ist aus
wissenschaftlicher Sicht sehr schwierig. Neue wirksame Methoden sind
leider nicht zu erwarten. Die Firmen
werden nicht für den kleinen deutschen Markt etwas entwickeln.“
Dr. Jürgen Harlizius
nierende Gesamtverzehr an Fleisch.
Während Rind und Geflügel an Beliebtheit weiter zunehmen würden, gehe der
Verbrauch an Schweinefleisch zurück.
▶ Betriebe gesucht!
Brigitte Wenzel, Geschäftsführerin des
RLV-Schweinefachausschusses, informierte die Landwirte über den aktuellen Stand der „Gemeinsamen Erklärung
zum Verzicht auf das routinemäßige
Kürzen von Ferkelschwänzen“, die der
NRW-Landwirtschaftsminister und die
Präsidenten der Landwirtschaftsverbände unterschrieben haben. Mit 15 Pilotbetrieben in NRW sei man im Jahr
2015 gestartet und habe versucht, praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.
„Die dritte Phase beginnt in wenigen
Wochen. Die Erkenntnisse aus den Pilotprojekten sollen nun auf eine größere Zahl von Betrieben ausgeweitet werden, um weitere Erfahrungen zu gewinnen. Für die Ausweitung werden noch
Betriebe gesucht!“, betonte Wenzel.
Um das Schwanzbeißen zu reduzieren,
sollte der Fokus auf verschiedene Aspekte gelegt werden, wie die Reduzierung von Mykotoxinen im Futter, ein
falsch eingestellter Tränkedurchfluss,
fehlendes
Beschäftigungsmaterial,
schlechtes Stallklima, direkte Sonneneinstrahlung, ein hoher Krankheitsdruck und zu wenig Raufutter. „Der Beißer muss aus der Gruppe entfernt wer-
Wenn man Schweine nicht kastriert,
kann es später bekanntlich dazu kommen, dass das Fleisch beim Erhitzen
stinkt. Zum Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration bei Ferkeln berichtete Ina Jungbluth vom Deutschen
Bauernverband. „Per Gesetz soll ab dem
1. Januar 2019 der Schmerz ausgeschaltet werden bei der Kastration. Der Lebensmitteleinzelhandel fordert den Ausstieg aber bereits zum 1. Januar 2017“,
betonte die Referentin für Tierhaltung
und Tierschutz und erläuterte die Vorund Nachteile der Alternativen zur betäubungslosen Kastration. Bei der Isofluran-Narkose gäbe es Nachteile in der
praktischen Umsetzung, bei der fehlenden Narkosetiefe sowie aufgrund von
Leberschädigungen und starken Kopfschmerzen bei den Anwendern.
Bei der Betäubung per Spritze würde
das Tier zum „Intensivpatienten“, da es
sehr lange nachschlafe, auskühle und zu
wenig fresse. Die lokale Betäubung in
den Hoden sei sehr schmerzhaft für das
Ferkel. Wenn die Immunokastration versage, erhalte man wieder das so genannte „Stinkerfleisch“. Bei der Jungebermast
träten 60 bis 80 % Penisverbiss und
-verletzungen auf. „Und: Auch hier ist die
Geruchsdetektion noch nicht sicher!“, erklärte sie. Das Spermasexing, eine Untersuchungsmethode für Frischsperma,
benötige zwei Wochen und dann sei das
Sperma natürlich nicht mehr einsetzbar.
Im Moment sei nur eine Schmerzlinderung möglich, aber keine Ausschaltung.
„Hier ist auch kein Königsweg in Sicht“,
hob Jungbluth hervor. Die Fachausschussmitglieder hinterfragten, ob man
mit der aktuellen Verfahrensweise, den
Schmerz so gut wie möglich zu lindern,
nicht am besten aufgestellt sei. Schließlich seien keine weiteren wirksamen
Schmerzmittel und auch keine wirksamen Alternativen zur betäubungslosen
Kastration zu erwarten.
Über die „Schweinehaltung in der Krise
– was ist möglich und nötig?“, informierte Stefan Leuer von der Landwirtschaftskammer NRW. „Wir müssen uns darauf
einstellen, dass wir weit bis ins nächste
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Jahr hinein nicht kostendeckende
Schweinepreise haben. Derzeit wird in
den Betrieben richtig Geld zugesetzt!“,
so Leuer. Viele versuchten zurzeit ihre
Produktivität zu steigern und die Kosten
zu senken, aber insgesamt steige die
Zahl der Betriebe, die aufgeben wollten.
Politisch kämen weitere Belastungen
durch die anstehenden Gesetzesnovellen zum Bau- und Düngerecht und vieles
mehr, auf die Bauern zu. Wenn man die
Haltungsanforderungen des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung umsetzen würden, erhöhten sich
die Produktionskosten um 30 bis 50 %.
„Das auf dem Weltmarkt durchzusetzen,
kann man vergessen!“, sagte er. „Wo
können wir noch hin exportieren? China
und Hong Kong werden noch mehr Bedarf an Schweinefleisch haben. Allerdings ist fraglich, ob wir mit unserem
Knapp 50 Schweinehalter diskutierten
in Bonn über die aktuelle Agrarpolitik.
Fotos: Andrea Bahrenberg
hochpreisigen Qualitätsprodukt dort landen können“, erläuterte Leuer. Schließlich
seien Brasilien und andere Drittstaaten
Mitbewerber, die kostengünstiger produ-
Noch mehr Mief-Plakate
Zu den 100 „Wir machen Mief“-Plakaten
der Öffentlichkeitskampagne des Rheinischen
Landwirtschafts-Verbandes
(RLV) gibt es neue von der Volksbank
Viersen. Mit der Internetseite www.dierheinischen-bauern.de fordern die
Landwirte den Verbraucher zum Dialog.
Die Medien haben inzwischen über 45
Mal über die Kampagne in Zeitungen,
Radio und Fernsehen berichtet. Erst
Dienstag berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).
ab
Das erste Plakat der Volksbank Viersen hängt am Bahnübergang Viersen-Boisheim. Zusätzlich
hat die Volksbank die Plakate in den Geschäftsstellen angebracht.
Foto: Volksbank
zieren könnten. Es sei wichtig, dass sich
bei der Herkunftszeichnung „vier Mal D“
durchsetze und nicht auf ein D verzichtet
werde.
ab
Bundesweiter Aktionstag
gegen Schleuderpreise
Einen bundesweiten Aktionstag gegen Schleuderpreise
für Lebensmittel hat der Deutsche Bauernverband (DBV)
für den 23. März angekündigt. In Zusammenarbeit mit
seinen 18 Landesbauernverbänden will der DBV auf die
Misere bei den Erzeugerpreisen aufmerksam machen.
Man wolle Verbraucher dafür sensibilisieren, „dass
Schleuderpreise für Lebensmittel eine nachhaltige Landwirtschaft und eine Lebensmittelerzeugung zu hohen
Standards mit Rohstoffen ‚Made in Germany‘ mittel- und
langfristig gefährden“, erläuterte der Bauernverband.
Stattdessen gehe es den Bauern gemeinsam mit den Verbrauchern um Preise, „die allen Akteuren der Lebensmittelkette eine Perspektive und eine Weiterentwicklung ermöglichen“.
Der Bauernverband wendet sich mit der Aktion nach eigenen Angaben zugleich gegen eine wachsende Benachteiligung der Erzeuger in der Kette. Während die Erzeugerpreise der Landwirte gesunken seien, hätten sich die
Preise für die Verbraucher zuletzt wenig verändert. Die
Spannen verblieben bei den Vermarktern, Verarbeitern
und dem Lebensmitteleinzelhandel. Gleichzeitig gerieten
derzeit immer mehr landwirtschaftliche Betriebe unter
massiven wirtschaftlichen Druck.
Daumen hoch für die Kampagne: Geschäftsführer Marcel Terhardt (l.) und Martin Dahlmann,
Vorsitzender Kreisbauernschaft Mettmann, haben das Plakat aufgestellt.
Foto: Kreisbauernschaft Mettmann
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Auch der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV)
wird sich am Aktionstag beteiligen.
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