Das Problem der kalten Progression: Umfang und ökonomische

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Das Problem der kalten Progression: Umfang und ökonomische
Das Problem der kalten Progression: Umfang
und ökonomische Auswirkungen in Deutschland
Prof. Dr. Clemens Fuest
Universität zu Köln
Basis: C. Fuest und A. Peichl (2007): Kalte Progression in Deutschland: Eine empirische
Analyse, Diskussionspapier, Universität zu Köln.
Vortrag im Rahmen der Politikwerkstatt des IfW „Haushaltskonsolidierung und
Einkommensteuersenkung: Ein Widerspruch?“ am 4. Dezember 2007 in Berlin.
1
1.
2.
3.
4.
5.
Was ist kalte Progression (Degression)? Beispiele
Mehrbelastungen durch die kalte Progression in
Deutschland 2005-2009 (Szenario)
Auswirkungen der kalten Progression auf
Beschäftigung und gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt
Maßnahmen zum Ausgleich der kalten Progression
Schlussfolgerungen
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1.
Was ist kalte Progression (Degression)?
Beispiele
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Entstehung der kalten Progression
•
•
•
•
•
•
•
Nominale Einkommen steigen z.B. durch Inflation
Einkommensteuer ist progressiv, Freibeträge und
Progressionszonen sind nominal definiert
Nominale Steuerzahlungen steigen stärker als
Einkommen
Reale Steuerlast nimmt zu
Kalte Progression tritt auch bei Transfers auf
Aber: kalte Degression ist auch möglich (z.B.
Steueranteil in SV-Beiträgen wg.
Beitragsbemessungsgrenze)
Auch reales Wachstum führt zu kalter Progression
(Durchschnittsteuersatz steigt)
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•
•
•
•
Beispiel 1
Grundfreibetrag 10000 Euro
10-20 Tsd Euro 20 Prozent Steuersatz
20-40 Tsd Euro 30 Prozent
> 40 Tsd Euro 40 Prozent
Bruttoeinkommen steigt inflationsbedingt von 50 Tsd
Euro und 55 Tsd Euro
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Beispiel 1
Brutto
50.000
55.000
Netto (inkl.
Transfer)
38.000
41.000
Steuerzahlung
12.000
14.000
Proportional
12.000
13.200
Kalte Progression
800
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•
•
•
Beispiel 2
Wie Beispiel 1 mit folgenden Ergänzungen
2000 Euro Transfer (z.B. Kindergeld)
SV-Beiträge 20% bis 30.000 Euro
Beitragsbemessungsgrenze
7
Beispiel 2
Brutto
50.000
55.000
Netto
34.000
37.000
Steuerzahlung
12.000
14.000
SV-Beiträge
6.000
6.000
Transfer
2.000
2.000
AbgabenTransfer-Saldo
16.000
18.000
Kalte Progression
400
8
2. Mehrbelastungen durch die kalte Progression in
Deutschland 2005-2009 (Szenario)
9
Vorgehensweise (Basisszenario):
•
Nominale Einkommen (bei geg. Arbeitsangebot)
steigen vier Jahre lang um 2% pro Jahr (20052009), insgesamt 8,24 %
•
Einkommensteuersystem (Freibeträge und Tarif)
bleibt unverändert
•
Nominale Transfers werden konstant gehalten
•
Beitragssätze der Sozialversicherung und
Bemessungsgrenzen werden nominal konstant
gehalten
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Vorgehensweise (Fortsetzung):
•
•
Berechnung der Veränderung der
Einkommensteuerzahlungen
(Mikrosimulationsmodell FiFoSim,
Inflationsszenario)
Vergleich mit einem Szenario, in dem die
Steuerzahlungen proportional zum Einkommen
wachsen (Proportionalszenario)
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Ergebnisse im Aggregat: (Szenario 2%
jährliches Wachstum des nominalen
Einkommens 2005-2009)
•
•
•
Die kalte Progression in der Einkommensteuer
beläuft sich auf 14,8 Mrd. Euro
Die kalte Degression bei den SV-Beiträgen beläuft
sich auf 2 Mrd. Euro (Achtung: in der Realität
werden anders als im Szenario
Beitragsbemessungsgrenzen angepasst)
Die kalte Progression bei den Transfers beläuft sich
auf 7,5 Mrd. Euro
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Verteilung über Einkommensdezile
(Äquivalenzgewichtung)
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io
n
la
t
10
In
f
9
8
7
6
5
4
3
2
10
8
6
4
2
0
1
Prozent
Entwicklung der nominalen verfügbaren Einkommen
im Basisszenario
Einkommensdezile
14
io
n
la
t
10
In
f
9
8
7
6
5
4
3
2
10
8
6
4
2
0
1
Prozent
Entwicklung der nominalen verfügbaren Einkommen
bei proportionaler Anpassung der EStschuld ohne
Transferanpassung
Einkommensdezile
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Belastung durch kalte Progression in der
Einkommensteuer in Prozent der verfügbaren
Einkommen
2
Prozent
1,5
1
0,5
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
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Einkommensdezile
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Belastung durch kalte Progression in der
Einkommensteuer in Euro pro Jahr (ohne KP bei
Transfers)
600
Euro
500
400
300
200
100
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Einkommensdezile
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Belastung durch kalte Progression in der
Einkommensteuer in Euro pro Jahr (mit KP bei
Transfers)
600
Euro
500
400
300
200
100
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Einkommensdezile
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3. Auswirkungen der kalten Progression auf
Beschäftigung und gesamtwirtschaftliche
Wohlfahrt
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Beschäftigungseffekte der kalten
Progression:
• Kalte Progression in der Einkommensteuer
reduziert die Beschäftigung (aber: EK-Effekte)
• Kalte Progression bei den Transfers steigert die
Beschäftigung
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Szenario 1: Kalte Progression nur bei
Einkommensteuer (Vergleich zwischen
Basisszenario und Szenario mit proportionaler
Steuerlast, aber nominal konstanten Transfers):
• Beschäftigungsverlust 310.000 Arbeitsplätze
(Vollzeitäquivalente)
• Wohlfahrtsverlust 3,7 Mrd. Euro (Veränderung
der Zusatzlast des Steuersystems, 25% des
zusätzlichen Steueraufkommens)
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Szenario 2: Kalte Progression nur bei Transfers
(Vergleich zwischen Basisszenario und
Basisszenario mit Transferanpassung um 8,24 %):
• Beschäftigungsgewinn durch Verzicht auf
Transferanpassung 50.000 Arbeitsplätze
(Vollzeitäquivalente)
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4. Maßnahmen zum Ausgleich der kalten
Progression
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Senkung des Solidaritätszuschlags :
• Fiskalische Effekte: ca 10 Mrd Euro Entlastung
(KP wird zu gut zwei Dritteln ausgeglichen)
• Beschäftigungsverlust sinkt auf 170.000
Arbeitsplätze (Vollzeitäquivalente) (um 50%)
• Solidaritätszuschlag konzentriert Entlastung bei
hohen Einkommen, Arbeitsangebotselastizität ist
bei niedrigen Einkommen höher
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Belastung durch kalte Progression in der
Einkommensteuer bei Kompensation durch SoliAbschaffung in Euro pro Jahr (ohne KP bei
Transfers)
200
100
Euro
0
-100
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
-200
-300
-400
Einkommensdezile
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Konzentration der kompensierenden
Beschäftigungseffekte in hohen Einkommensbereichen:
Beschäftigungsverluste durch kalte Progression vor und nach
Abschaffung des Solidaritätszuschlags
50000
Vollzeitäquivalente
45000
40000
35000
30000
vor Soli-Abschaffung
25000
nach Soli-Abschaffung
20000
15000
10000
5000
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Einkommensdezil
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Indexierung der Progressionszonen: ähnliche
Effekte
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Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 12 Mrd.
Euro: Beschäftigungszuwachs um 60.000 Stellen
Beschäftigungsgewinne Basisszenario plus SVSenkung um 12 Mrd. Euro
Vollzeitäquivalente
30000
20000
10000
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
-10000
Einkommensdezil
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5. Schlussfolgerungen
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• Kalte Progression hat massive Auswirkungen auf
die Steuerlast
• Bei zwei Prozent Inflation pro Jahr entspricht die
zusätzliche Einkommensteuerbelastung durch
inflationsbedingte kalte Progression in
Deutschland fiskalisch 2 Umsatzsteuerpunkten
(ca 15 Mrd. Euro)
• Auch Transfers sind von Kalter Progression
betroffen
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• Kalte Progression kann durch
Steuersatzsenkungen oder eine Indexierung der
Progressionszonen ausgeglichen werden
• Abschaffung des Solidaritätszuschlags würde die
hohen Einkommensbezieher überkompensieren,
die negativen Beschäftigungswirkungen der
Progression würden nur teilweise ausgeglichen
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• Ein Ausgleich durch Senkung der SV-Beiträge hat
bessere Beschäftigungswirkungen, hat aber
massive Umverteilungswirkungen zu Lasten der
nicht SV-pflichtig Beschäftigten
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