Lese Sie mehr - Hier klicken - Räuberland

Transcription

Lese Sie mehr - Hier klicken - Räuberland
reise
f r e i tag, 21. j uni 2013
badische zeitung
III
Denn im Wald, da sind die Räuber
S
Zwischen Kräutern und Wald, Schloss und Wallfahrtskirche: Mespelbrunn und das Herz der Spessarts
chon dem einfachen Huflattich
kann Birgit Ripp viel Gutes abgewinnen. Als Tee hilft er gegen Husten und Atembeschwerden, als Tinktur
bei schlecht heilenden Wunden ebenso
wie bei Gesichtsrose. Und: Der Huflattich, von dem die Blätter ebenso wie die
Blüten in der Kräuterheilkunde verwendet werden, ist genügsam und wächst auf
kargen Böden.
Die Kräuterpädagogin ist mit einer kleinen Gruppe im Naturpark Spessart auf
dem Spessarträuberland-Rundweg unterwegs. Im Langen Grund erklärt sie bei einer kurzen Pause, was alles von der Wiese
und aus dem Wald den Speisezettel oder
die Hausapotheke bereichern kann.
Der Lange Grund zieht sich von Mespelbrunn im Spessart hoch zur Hohen
Wart. Er zählt zum Netz der Europäischen
Kulturwege, das sich über den Spessart
Kräuterexpertin: Birgit Ripp
spannt und dem Wanderer die Geschichte, Kultur, Geologie und Biologie der Region näher bringen will.
Den Langen Grund hat vor allem die intensive Nutzung durch den Menschen geprägt. Neben der Köhlerei, die bis ins 20.
Jahrhundert betrieben wurde, war das
der Ackerbau, für den gewaltige Steinmengen bewegt werden mussten. Die
Steine wurden vor allem für den Bau von
Trockenmauern verwendet, mit denen
der karge Boden an den steilen Hängen zu
halbwegs ebenen Äckern aufgeschüttet
wurde. An die menschliche Nutzung erinnern auch die Hohlwege, geschaffen
von den Fuhrwerken, die über die Jahrhunderte zu den Feldern gefahren sind.
Bei aller Theorie über die Kunst des
Kräutersammelns hat Expertin Ripp die
Praxis nicht vergessen. Und so gibt es an
einer Weggabelung, an der wir die Qual
der Wahl zwischen vier Richtungen und
einer Bank haben, ein ebenso originelles
wie wohlschmeckendes Vesper: Rosmarin-Knäcke mit Bärlauchbutter – „macht
wach und hilft dem Gedächtnis auf die
Sprünge“, sagt Ripp und reicht dazu eine
Créme fraîche mit sieben Kräutern und
eine Art Spessart-Kir: Sekt mit dem Sirup
aus den Mai-Spitzen der Fichten.
Nicht weit vom Langen Grund, am Ende von Mespelbrunn, liegt das Wirtshaus,
das als Poststation Wilhelm Hauff zu seinem „Wirtshaus im Spessart“ inspirierte.
Ein Essen dort kann durchaus zu einer
Art Henkersmahlzeit werden. Denn da
sind ja noch die Räuber, die mit einem lauten Pistolenknall unseren weiteren Weg
zur Hohen Wart jäh unterbrechen. Und
die uns überraschte Wanderer spüren lassen, wie sich so eine Halsgeige oder gar
ein Strick am Hals anfühlt.
Hinter dem Überfall stecken die Mespelbrunner Spessarträuber aus dem
Wirtshaus im Spessart, die man samt
Kurzfassung des gleichnamigen Grusicals Anziehungspunkt im Spessart: Schloss Mespelbrunn
und anschließendem Spanferkelessen zur
Freude von Vereinen, Firmen, Gruppen hen vorbei an einer Quelle mit bester bei an dem Sandsteinpfahl, an dem die
und vor allem von Kindern buchen kann. Trinkwasserqualität, hoch zum Holzlager- Brüder Echter einst ihre Pferde festgeDas mit dem Spanferkel lassen wir heu- platz Salzweg, wo prächtige Eichen- und bunden haben sollen. Auf dem Weg hinte und probieren stattdessen im Hohe- Buchenstämme an die Meistbietenden unter Richtung Mespelbrunn kommen
Wart-Haus das Bier, das Wirt Herbert To- verkauft werden. Vom Kulturweg wir an dem Bauwerk vorbei, das die meisbias in den Sorten Räuberdunkel, Räuber- Echterspfahl aus sehen wir auf die höchs- ten Besucher in den Ort zieht: Schloss
hell, Weizenhell, Weizenbock dunkel te Erhebung des Spessarts, den 586 Me- Mespelbrunn, Kulisse jenes Films von
braut. Maibock und Weihnachtsbock pas- ter hohen Geiersberg, bevor wir gerade- 1958 mit Liselotte Pulver, der heute noch
send zur Jahreszeit hat Tobias ebenfalls wegs zum Wirtshaus Echterspfahl mar- bei jeder Wiederholung das Herz nicht
im Angebot. Keine schlechte Auswahl schieren – noch so ein Wirtshaus im Spes- nur älterer Zuschauer wärmt. Das Wasserund vor allem kein schlechtes Bier. Im Ge- sart, das seinen Namen drei Raubrittern schloss, dessen Bau bis ins 15. Jahrhungenteil.
verdankt. Nach einem köstlichen Wild- dert zurückreicht und von den Grafen
Was, in Maßen genossen, das frühe schweinschinken gehen wir gestärkt vor- von Ingelheim genannt Echter von und zu
Aufstehen am nächsten Morgen
Mespelbrunn bewohnt wird,
zur nächsten Wanderung nicht
kann im Rahmen einer Führung
allzu schwer macht. Schließlich
besichtigt werden – und ist Kuliswartet Änst auf uns. Änst, das ist
se für das Freilicht-Theaterstück
mainfränkisch und heißt Ernst, in
„Das Wirtshaus im Spessart“.
dem Fall Ernst Blitz. Änst ist NaMespelbrunn ist eine der sietur- und Landschaftsführer und
ben Gemeinden südöstlich von
als solcher nicht nur Theoretiker,
Aschaffenburg, die sich zur Tousondern ganz praktisch im Rahristikgemeinschaft Räuberland
men eines eigenen Projekts zur
zusammengeschlossen
haben
Freihaltung der Landschaft aktiv.
und mit einem Dutzend Hotels
Die tägliche Arbeit machen Mooraufwarten. Der rund vier Kilomeschnucken und Ziegen entlang
ter lange Ort, ein topografisch bedes Kaltenbachs. Er führt unsere
dingtes Straßendorf, hat neben
kleine Gruppe mit vielen Erklä- Die Beweinung Christi: Ein Frühwerk von Tilmann dem Schloss an einem Ende am
rungen durch den Wald. Wir ge- Riemenschneider
anderen eine weitere Sehenswür-
Inland
FOTOS: ROLF MÜLLER
digkeit zu bieten: die Marienwallfahrtskirche im Ortsteil Hessenthal. Diese beherbergt neben dem Gnadenbild in der
spätgotischen Gnadenkapelle und dem
imposanten Grabmal der Familie Echter
von Mespelbrunn in der Wallfahrtskapelle im modernen Kirchbau aus den 50er
Jahren neben einer monumentalen Kreuzigungsgruppe von Hans Backoffen, seinem letzten Werk aus dem Jahr 1519, ein
Frühwerk von Tilman Riemenschneider
aus der Zeit um 1485: die Beweinung
Christi. Sie erinnert daran, dass die Region zwischen Würzburg und Aschaffenburg, Zweitwohnsitz der Fürstbischöfe
von Mainz, auch eine interessante Kulturlandschaft ist.
Rolf Müller
–
Infos beim Touristikverband Räuberland,
Hauptstraße 16, 63872 Heimbuchenthal,
t 06092/1515, www.raeuberland.com;
Birgit Ripp, t 06092/7767 oder
www.kraeuter-leben-spessart.de,
Ernst „Änst“ Blitz, t 06092/1292,
E-Mail [email protected]
–
Die Reise wurde unterstützt vom
Touristikverband Räuberland
Italien
Österreich
Touristik
Das nächste Reisemagazin
erscheint am Freitag, 28. Juni 2013.
Anzeigenschluss ist am 25. Juni, 10.00 Uhr.
Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne.
Tel. 07 61 / 4 96 - 41 40