Test: Opel Vivaro 1,9 DI

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Test: Opel Vivaro 1,9 DI
TEST
Opel Vivaro 1,9 DI und 1,9 DTI
Platzhirsch im Visier
Mit frischem Design und günstigem Preis
wagt der Opel Vivaro den Angriff auf den
Bestseller VW T4. Wie weit der 2,8-Tonner in
das Revier des Platzhirschs eindringen kann,
klärt ein erster Test der 1,9-Liter-Modelle.
W
er den neuen
Transporter Opel
Vivaro
alias
Renault Trafic
auf der Straße sieht, dem fällt
zu allererst der kess hochgezogene Dachholm über dem
Kopf des Fahrers ins Auge.
„Jumbo-Dach“ heißt das im
Jargon der Marketingstrategen. Kein schlechter Name,
heißen doch oft die größten
Landlebewesen, die Elefanten, so.
Das Signal ist klar: In dieser
Kabine gibt es viel Platz. Was
nicht von der Hand zu weisen
ist. Das Raumgefühl ist gut,
die großen Türen öffnen
weit, die Ablagen sind riesig
und zahlreich, die Sitzlängsverstellung wird erst spät von
der Rückwand gebremst. Vor
allem für einen eventuellen
Passagier auf dem Mittelplatz
bleibt viel Bewegungsfreiheit. Das hat der dritte Mann
nicht zuletzt dem ins Armaturenbrett integrierten Joystick
zu verdanken.
Großzügig ist Opel auch bei
der Serienausstattung: ABS,
Airbag, Höhenverstellung für
Lenkrad und Sitz, Trennwand, 90-Liter-Tank – der
Opel bringt einiges von Haus
aus mit, was anderswo Aufpreis kostet.
Für den Frachtraum gilt diese Großzügigkeit nur eingeschränkt. Mit den fünf Kubikmetern Ladevolumen, die die
Basisversion mit kurzem Radstand bietet, wird man anders
als mancher Elefant keine
Bäume ausreißen. Die Version
mit langem Radstand stellt
immerhin sechs Kubikmeter
bereit. Eine Hochdachvariante folgt erst 2002. Da bietet
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der ins Visier genommene
Konkurrent VW T4 schon in
der Basisversion fast einen
halben Kubikmeter mehr.
Dafür geben die hinteren
Türen eine quadratisch praktische Öffnung frei. Wie die
seitliche Tür fallen sie satt ins
Schloss und besitzen solide
Griffe. Warum man hinten allerdings die linke vor der
rechten Tür öffnenmuss, ist
unklar. Mit einem gut bedienbaren Griff können die
Türen bis 180 Grad aufgeschwenkt werden. Dann ist
leider Schluss. Bis 270 Grad
lassen sich die Portale gegen
Aufpreis nur im Vivaro mit
langem Radstand öffnen.
Blitz-artig. Der Vivaro reagiert spontan auf die Befehle des Fahrers und
verzögert auch in beladenem Zustand wirksam
Fliegender Wechsel.
Die hinteren Prallleisten
sind dreiteilig und im Fall der Fälle einzeln tauschbar
Technische Daten
Motor
Vierzylinder-Diesel-Reihenmotor
mit Direkteinspritzung und Common-Rail, zwei Ventile pro Zylinder, Abgasturbolader, Ladeluftkühlung; Abgasnorm Euro 3
Hubraum: 1870 cm3
Leistung: 1,9 DI 82 PS (60 kW) bei
3500/min; 1,9 DTI 100 PS (74 kW)
bei 3500/min;
max. Drehmoment: 190 Nm bei
2000/min (1,9 DI); 240 Nm bei
2000/min (1,9DTI)
Agil: Der Vivaro
ist nah am Pkw
Um noch einmal auf die
„Jumbo“-Qualitäten zurückzukommen: Uns hat die gewölbte Stirn des Vivaro spontan an ein Mammut erinnert.
Die Technik des auffälligen
Fahrzeugs ist allerdings alles
andere als steinzeitlich. Das
gilt nicht zuletzt für die Scheibenbremsen, die den 2,9-Tonner auch beladen gut verzögern. Aber vor allem in Sachen Fahrwerk zeigt der Vivaro, wie nah ein Transporter
am Pkw sein kann. Er lässt sich
dermaßen agil und handlich
durch die Straßen der Innenstädte lenken, dass es eine
Freude ist. Die Lenkung reagiert sehr spontan auf alle Befehle des Piloten. Das gefällt
nicht allen Fahrern.
Das
höhenverstellbare
Lenkrad fühlt sich gut an und
kommt einem aus dem Opel
Astra bekannt vor. Mit-
Sanfte Ruhe. Der 1,9-Liter-Motor hält sich
akustisch im Hintergrund. Er erfüllt die Euro-3-Norm
fühlend verhält sich auch die
Federung. Sie arbeitet zuverlässig und geräuscharm fast
alle Anfeindungen der Straße
gegen den Rücken des Fahrers weg. Was übrig bleibt,
nimmt der ziemlich weiche
und sesselartige Fahrersitz
auf. Der ist einem in etwas eiligeren Kurven aber kaum eine Stütze, es mangelt dem
Fahrer an Seitenhalt.
Angenehm: Das
Geräuschniveau
Weich ist überhaupt ein Gefühl, das einen im Opel Vivaro
beschleicht. So nämlich lässt
sich der kurze Schaltstummel
in der Mittelkonsole durch
die Schaltgasse schieben.
Richtig präzise und knackig
ist das aber nicht. Ein wenig
weich hängt auch der Motor
in seinen Lagern.
Die angenehme Sanftheit
des Opel setzt sich beim Antrieb fort. Der 1,9-Liter-Common-Rail-Diesel mit 100 PS
muss nicht laut werden, um
Leistung zu bringen. Schon
aus niedrigen Drehzahlen
zieht er mit leichtem Brummen bis 1700 Touren beständig und ohne spürbaren Leistungsgipfel los. Höhere Drehzahlen bringen nicht unbedingt mehr „Dampf“.
Ein Kraftprotz ist der Motor
freilich nicht. Für den Anhän-
Kraftübertragung
Jumbo-Kabine.
Der Innenraum bietet viel Platz für Fahrer und Gepäck. Die Sitze
sind weich geraten. Die Türen besitzen solide Griffe und fallen satt ins Schloss.
Gut: Der Griff für die 180-Grad-Entriegelung der Hecktür. Der Laderaum ist relativ klein
gerbetrieb dürfte sich der für
Ende des Jahres angekündigte
2,5-Liter-Common-Rail-Diesel
mit 133 PS besser eignen. Wer
sich gegenüber der 100-PSVersion zwei Tausender sparen will und selten voll ausgeladen fährt, der kommt mit der
82-PS-Einstiegsmotorisierung
kaum schlechter voran. Mit
190 Newtonmeter maximalem
Drehmoment braust er Steigungen freilich nicht ganz so
flott hoch.
Bei Autobahntempo 130
macht das 1,9-Liter-Aggregat
in beiden Leistungsvarianten
kaum noch von sich „reden“.
Zumal das in der 100-PS-Version serienmäßige SechsgangGetriebe zusätzlich die Dreh-
zahl senkt. Doch laut wird’s
auch mit fünf Gängen nie. So
gleitet der Fahrer komfortabel dahin. Wenn es sein muss,
locker 1100 Kilometer lang
ohne tanken. Und das ist eines der erfreulichsten Kapitel
der deutsch-französischen
Coproduktion.
und Stadtfahrt hielt sich der
Verbrauch mit 8,6 Liter ebenfalls im Rahmen. Ein standardmäßiger 90-Liter-Tank
hebt die Reichweite. Weit
reicht der Vivaro auch in Sachen Wartungsintervall: Nur
alle 30.000 Kilometer will er
durchgecheckt werden.
Asketisch:
Der Verbrauch
Und wenn man schon beim
Kapitel Wirtschaftlichkeit ist:
Für 32.700 Mark und 35.900
Mark stehen der 1,9 DI sowie
der 1,9 DTI in der Liste. Bei der
reichhaltigen Serienausstattung ein reelles Angebot. Hinzu kommt die günstige Versicherungseinstufung in der
Vollkasko. Das Dach mag
Jumbo sein, die Kosten des
Opel Vivaro sind es nicht. JR
Über die Testrunde, mit
drei Viertel seiner beachtlichen Nutzlast von 1100 Kilogramm beladen, begnügte
sich der Vivaro mit hervorragenden 7,2 Liter/100 km – der
82-PS-Motor ist nicht sparsamer. Bei strammer Autobahn-
5-Gang-Schaltgetriebe (1,9 DI)
6-Gang-Schaltgetriebe (1,9 DTI)
Fahrwerk
Vorne
Einzelradaufhängung,
Querlenker; hinten Torsions-Starrachse, Miniblockfedern
Maße & Gewichte
Außen: 4782x1904x1965 mm LxBxH
Laderaum:2415x1663x1387mm
Zul. GG: 2900 kg; Nutzlast: 1141 kg
Anhängelast: 2000 kg
Preise (2,9-Tonner)
Grundpreis 1,9 DI:
33.700 DM
Grundpreis 1,9 DTI: 35.900 DM
ABS, Airbag, 90-Liter-Tank Serie
Testurteil
weiche Sitze, kein Kleiderhaken, geringes Ladevolumen,
dünnes (Transporter)-Servicenetz, rutschige Gummimatten
–
+
gutes Raumgefühl, viele Ablagen, agiles Handling, kräftige Bremsen, günstiger Preis, geringer Verbrauch, ABS Serie
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