Ganztagsschulen gemeinsam entwickeln - Comenius
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Ganztagsschulen gemeinsam entwickeln - Comenius
Matthias Spenn, Dietlind Fischer Ganztagsschulen eröffnen neue Möglichkeiten für eine bessere Schule. Es kommt aber darauf an, welches pädagogische Konzept sie verwirklichen. Wie sollte eine „gute“ Form von Ganztagsschule aussehen? Lehrerinnen und Lehrer sind in ihren pädagogischen und sozial-kooperativen Möglichkeiten herausgefordert. Sozialpädagogen, Gemeindepädagoginnen, Pfarrerinnen oder Jugendreferenten sind damit konfrontiert, dass sich durch Entwicklungen der Schule auch ihre Arbeitsmöglichkeiten in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ändern. Gleichzeitig werden sie von Schulen angefragt, ob und wie sie sich kooperativ in die Gestaltung von offenen Ganztagsangeboten einbringen. Das alles hat Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Agierenden und auf Konzeptionen der Arbeit in Schule, Gemeinde und Sozialpädagogik. Die Aus- und Fortbildung von pädagogisch arbeitendem Personal muss solche Entwicklungen unterstützen; Schulleitungen und Träger der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung müssen sich neuen Gestaltungsaufgaben stellen. Institutionelle Grenzen sind zu öffnen und gemeinsame Arbeitsansätze der Kinderund Jugendarbeit zusammen mit Schulen zu entwickeln, die sich an Lebenslagen und Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien orientieren. Ganztagsschulen gemeinsam entwickeln Ein Beitrag zur evangelischen Bildungsverantwortung Uns ist es ein Anliegen, über Sachstände und Hintergründe der Diskussion zu Ganztagsschulen in zusammenfassender Form zu informieren, Begriffe zu klären, Begründungen und Trends zu markieren; an kirchliche Entscheidungsträger, Verbände, Gruppen, Bildungsinstitutionen u.a. Anregungen zur Beteiligung an der Diskussion zu geben und diese strukturierend zu unterstützen; Vorschläge und Empfehlungen zu geben, in welcher Weise insbesondere Ganztagsschulen zu entwickeln und Kooperationen aufzubauen sind. Dietlind Fischer, Dipl. Päd., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Comenius-Institut seit 1979, Arbeitsbereich Schule Matthias Spenn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Comenius-Institut seit 2003, Arbeitsbereich Gemeindepädagogik/Arbeit mit Kindern Comenius-Institut Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e. V. © Comenius-Institut Münster, 2005 Schutzgebühr € 3,— Bezugsadresse Comenius-Institut Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e. V. Schreiberstr. 12, D - 48149 Münster; Tel. 0251/9 81 01- 0; Fax 0251/9 81 01- 50 e-mail: [email protected], Internet. http//www.comenius.de 1 Matthias Spenn / Dietlind Fischer Ganztagsschulen gemeinsam entwickeln Ein Beitrag zur evangelischen Bildungsverantwortung 2 Inhalt Seite Vorwort 1. Ganztagsschule – wozu? Bildungspolitische Gründe 4 2. Was ist Ganztagsschule? Modelle der Organisation 5 3. Zur Geschichte ganztägiger Schulen in West und Ost 8 4. Gute Ganztagsschulen – Kriterien des Gelingens 10 5. Pädagogische Gestaltung einer Ganztags-Grundschule 11 6. Pädagogische Gestaltung einer Ganztagsschule der Sekundarstufe I 14 7. Kooperation Ganztagsschule und Jugendarbeit 16 8. Vorteile einer Kooperation von Sozial- und Schulpädagogik 19 Formen der Zusammenarbeit 22 Was hat die evangelische Kirche mit Ganztagsschulen zu tun? 26 11. Zusammenfassung: Thesen 33 12. Literatur – Links – Empfehlungen 34 9. 10. 3 Vorwort Sind Ganztagsschulen eine passende Antwort auf die Frage nach der besseren Schule der Zukunft? Wenn ja, welches ist das geeignete pädagogische Konzept für eine Ganztagsschule? Welche Form sollte angestrebt werden? Bundesweit beteiligen sich nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zurzeit 3030 Schulen am Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB).1 Die Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern sind unterschiedlich. Manche konzentrieren sich auf den Sekundarschulbereich oder ausschließlich auf die Grundschule. Schulentwicklungsprozesse sind angestoßen worden, vielerorts beginnen Schulen neu mit dem Ganztagsbetrieb. Es wird nur in Ausnahmefällen möglich sein, sofort das pädagogisch Optimale und ideal Gewünschte zu erreichen. Dennoch gilt es, die neuen Möglichkeiten auszuschöpfen und mit realistischen Schritten zu beginnen. Lehrerinnen und Lehrer sind in ihren pädagogischen und sozial-kooperativen Möglichkeiten herausgefordert. Sozialpädagogen, Gemeindepädagoginnen, Pfarrerinnen oder Jugendreferenten sind damit konfrontiert, dass sich durch Entwicklungen der Schule auch ihre Arbeitsmöglichkeiten in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ändern. Gleichzeitig werden sie von Schulen angefragt, ob und wie sie sich kooperativ in die Gestaltung von Ganztagsangeboten einbringen. Das alles hat Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Agierenden und auf Konzeptionen der Arbeit in Schule, Gemeinde und Sozialpädagogik. Es stellt neue Anforderungen an die Aus- und Fortbildung sowie an die Leitung in den unterschiedlichen Bezugssystemen. Wir wenden uns mit diesem Arbeitspapier an Praktikerinnen und Praktiker und Verantwortliche in Schule, evangelischer Kinder- und Jugendarbeit, Kirche und Diakonie, an kirchliche SchulreferentInnen und an die Fort- und Ausbildungsstätten für Religionsunterricht, Schule sowie Kinder- und Jugendarbeit. Die Entwicklung ganztägiger Schulkonzepte ist in besonderer Weise darauf angewiesen, dass institutionelle Grenzen geöffnet werden und dass Schule und Träger außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit gemeinsam Arbeitsansätze entwickeln, die sich an Lebenslagen und Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien orientieren. Wir beziehen deshalb in dieser Veröffentlichung die Perspektiven von Schule und Gemeinde bzw. Kinder- und Jugendarbeit wechselseitig aufeinander. Uns ist es ein Anliegen, – über Sachstände und Hintergründe der Diskussion zu Ganztagsschulen in zusammenfassender Form zu informieren, Begriffe zu klären, Begründungen und Trends zu markieren; – an kirchliche Entscheidungsträger, Verbände, Gruppen, Bildungsinstitutionen u.a. Anregungen zur Beteiligung an der Diskussion zu geben und diese strukturierend zu unterstützen; – Vorschläge und Empfehlungen zu geben, in welcher Weise insbesondere Ganztagsschulen zu entwickeln und Kooperationen aufzubauen sind. Für das Comenius-Institut ist dies eine Arbeitsgrundlage, mit der es sich an der weiteren Diskussion beteiligt. 1 BMBF nach Angaben der Bundesländer, Stand Oktober 2004. www.ganztagsschulen.org 4 1. Ganztagsschule – wozu? Bildungspolitische Gründe Grundsätzlicher Reformbedarf Chancengleichheit Bessere schulische Bildung Mehr Zeit zum Lernen Institutionelle Integration Die Entwicklung ganztägiger Schulkonzepte in Deutschland ist zurzeit von herausgehobener bildungspolitischer Bedeutung. Die Diskussion hat in Folge der internationalen Schulleistungs-Vergleichsstudien neuen Aufwind erhalten. Die PISA-Studie selbst sagt zwar über kausale Zusammenhänge beispielsweise zwischen Unterrichtserfolg und Ganztagsschule wenig aus, macht aber deutlich, dass es mit Sicherheit keine einfachen Gründe für die unterdurchschnittlichen Schülerleistungen gibt. Allerdings sind Schule und außerschulische Betreuungsformen in den meisten anderen Ländern enger miteinander verbunden als in Deutschland.2 Die internationalen Vergleichsstudien haben einen grundsätzlichen Reformbedarf des deutschen Schulwesens herausgestellt. Die Tatsache, dass in Deutschland – wie in keinem anderen Land – die soziale Herkunft maßgeblich den Schulerfolg bestimmt, ist besonders beunruhigend. Die herkunftsbedingten Lernvoraussetzungen werden durch die Schule nicht ausgeglichen, sondern eher noch verstärkt. Kinder aus Migrantenfamilien sind die am stärksten benachteiligte Gruppe. Auch die Spitzenleistungen von Schülerinnen und Schülern deutscher Schulen sind im internationalen Vergleich eher mittelmäßig. Das stellt die demokratische Qualität unseres Schulwesens mit dem Grundsatz der Chancengleichheit infrage. Dringende Reformen mit dem Ziel größerer Bildungsgerechtigkeit und stärkerer individueller Förderung und Herausforderung sind überfällig. Die Frage dabei ist, welche Weichen mittel- und langfristig gestellt werden müssen und welche Wege zu gehen sind, um das Gefüge von Gewohnheiten, Traditionen, Erwartungen und Mentalitäten im Schulsystem wirksam zu verändern und eine bessere schulische Bildung zu erreichen. Zwar besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf für wissenschaftlich fundierte Aussagen über notwendige Entscheidungen zur Veränderung. Gleichzeitig ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, wenn ganze Systeme zu verändern sind. Auf der anderen Seite drängt die Zeit für grundlegende Reformen, und der politische Erwartungsdruck ist hoch. Als spezifische Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland sind die föderale Schul- und Kultushoheit der Bundesländer sowie die tief verwurzelten unterschiedlichen bildungspolitischen Ideologien zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist es beachtlich, dass die Bundesregierung als eine mögliche Antwort auf die Situation im deutschen Bildungswesen die Diskussion um die Ganztagsschule neu entfacht hat und dass alle Bundesländer eine Vereinbarung über ein bundesweites Investitionsprogramm für Ganztagsschulen mit dem Bundesbildungsministerium abgeschlossen haben. Offenkundig löst die zu entwickelnde Ganztagsschule eine mehrfache Problemstruktur des Bildungssystems längerfristig eher als die bestehende Schule: der Faktor Zeit zum Lernen spielt ebenso eine Rolle wie der Faktor institutionelle Integration. Die Werbeformel der frühen 1970er Jahre „Schick dein Kind länger auf bessere Schulen“ gewinnt mit Ganztagsschulen eine neue Bedeutung. Es geht diesmal nicht um die Verlängerung der mit Schule verbrachten Jahre, sondern um eine intensivere Nutzung der täglich in der Schule verbrachten Zeit. Ganztagsschulen sind zugleich auch eine Antwort auf sozial- und familienpolitische Probleme: die Geburtenrate ist in Ländern mit Ganztagsschulen (z.B. Frankreich) deutlich höher, weil Eltern verlässlich mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf rechnen können. 2 Vgl. Renz, Monika: Ganztagsschule im europäischen Ausland – eine Selbstverständlichkeit? (Beispiele England, Frankreich, Schweden, Finnland und Italien), in: SchulVerwaltung spezial, Nr. 1/2003, S. 40-42. 5 Das von der Bundesregierung entwickelte Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ stellt für den Zeitraum 2003-2007 insgesamt 4 Mrd. Euro zur Verfügung, um Ganztagsangebote auszubauen. Nach intensiven Verhandlungen wurde am 29. April 2003 die „Verwaltungsvereinbarung Investitionsprogramm ‚Zukunft Bildung und Betreuung’ 2003-2007“ zwischen der Bundesbildungsministerin und den Kultusminister/innen der Länder unterzeichnet. Unter Beachtung der Kultushoheit der Bundesländer handelt es sich dabei um ein Investitionsprogramm, das der räumlichen und sächlichen Ausstattung dient. Die pädagogische Ausgestaltung liegt nach wie vor bei den Bundesländern. Das bedeutet auch, dass die Situationen, Motivationslagen und Herangehensweisen bei der Umsetzung des Programms in den Bundesländern sehr verschieden sind.3 Um wenigstens in den Grundstrukturen vergleichbar zu bleiben, hat sich die Kultusministerkonferenz auf eine gemeinsame Definition von Ganztagsschule verständigt: Angebote an mindestens drei Tagen in der Woche von mindestens sieben Stunden, Mittagessen, Verantwortung bei der Schulleitung. Investitionsprogramm 2003-2007 2. Was ist Ganztagsschule? Modelle der Organisation Ganztagsschule meint Verschiedenes. Während die einen mit Ganztagsschule „mehr Unterricht“ und eine zeitliche Ausdehnung der Schule über den Vormittag hinaus meinen, verbinden andere damit inhaltliche, pädagogische Standards der Ausgestaltung von Erziehungs- und Lernprozessen. Darum wird gestritten. Ein bloßes Mehr an Zeit in der Schule bei gleich bleibend traditionellen Schul- und Unterrichtskonzepten würde die Lernbedingungen der Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen vermutlich eher verschlimmern als verbessern. Eine Verständigung über Qualitätskriterien ist deshalb unabdingbar. Welche Bedingungen eine Ganztagsschule erfüllen muss, um eine „gute Schule“ zu sein, ist im Zusammenhang konkreter Schulentwicklungsprozesse zu bearbeiten. Die folgend dargestellten Positionen und Organisationsmodelle spiegeln den gegenwärtigen Entwicklungsstand: In einer Studie des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) schlagen die Autoren Klieme und Radisch vor, ganztägige schulische Organisationsformen anhand der zeitlichen Bindung der Schüler an die Schule zu kategorisieren. Sie nennen dafür vier Formen: 1. die reine Halbtagsschule mit Unterricht am Vormittag 2. die offene Halbtagsschule mit Unterricht am Vormittag und fakultativen Nachmittagsangeboten 3. die erweiterte Halbtagsschule: Unterricht am Vormittag und wahlobligatorische Angebote am Nachmittag – Anwesenheitspflicht ganztägig 4. Ganztagsschule mit Unterricht und nicht direkt unterrichtsbezogenen Angeboten, rhythmisiert verteilt über den ganzen Tag – Anwesenheitspflicht ganztägig.4 3 4 Vgl. den ersten „Bericht über die allgemein bildenden Schulen in Ganztagsform in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland – Schuljahr 2002/2003“ der Kultusministerkonferenz vom 2.1.2004 (www.kmk.org) sowie die zusammenfassende Darstellung des Ganztagsschulverbands zum Stand der Ganztagsschulentwicklung www. ganztagsschulverband.de im Januar 2004, auch in: Appel, Stefan/ Ludwig, Harald/ Rother, Ulrich/ Rutz, Georg (Hg.): Jahrbuch Ganztagsschule 2004. Schwalbach/Ts. 2003, S. 61-70. Klieme, Eckhard/ Radisch, Falk: Wirkung ganztägiger Schulorganisation. Bilanzierung der Forschungslage, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main 2003, S. 9. Pädagogische Standards der Ausgestaltung Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung 6 Ganztagsschulverband Der Ganztagsschulverband (GGT e.V.) beschreibt seine Kriterien nicht nur nach zeitlichen, sondern auch nach inhaltlichen Qualitätsmerkmalen für die rhythmisierte, voll ausgebaute Form. Zur Ganztagsschule gehört demnach, „dass – allen Schülerinnen und Schülern ein durchgehend strukturiertes Angebot in der Schule an mindestens vier Wochentagen und mindestens sieben Zeitstunden angeboten wird, – Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler am Vormittag und am Nachmittag in einem konzeptionellen Zusammenhang stehen, – erweiterte Lernangebote, individuelle Fördermaßnahmen und Hausaufgaben/ Schulaufgaben in die Konzeption eingebunden sind, – die gemeinsame und individuelle Freizeitgestaltung der Schülerinnen und Schüler als pädagogische Aufgabe im Konzept enthalten ist, – ihre Angebote altersgerechte Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen fördernd aufgreifen, – alternative Unterrichtsformen wie z. B. Projektarbeit ermöglicht werden, – das soziale Lernen begünstigt wird, – die Schule den Schülerinnen und Schülern an allen Schultagen ein warmes Mittagessen anbietet, – eine ausreichende Ausstattung mit zusätzlichem pädagogischen Personal, mit einem erweiterten Raumangebot und mit zusätzlichen Lehr- und Lernmitteln vorhanden ist, – die Organisation aller Angebote unter der Aufsicht und Verantwortung der Schule steht.“ Zwei Formen werden unterschieden: die gebundene und die offene. In gebundenen Ganztagsschulen sind Schülerinnen und Schüler „verpflichtet, sowohl vormittags als auch nachmittags am Unterricht und den Angeboten der Schule teilzunehmen. Demgegenüber bietet die offene Ganztagsschule vormittags verbindlichen Unterricht an, während die Nachmittagsangebote auf freiwilliger Basis stattfinden.“5 Kultusminister der Länder Die Kultusminister der Länder haben sich auf folgende gemeinsame Definition verständigt.6 Ganztagsschulen sind danach „Schulen, bei denen im Primar- und Sekundarbereich I Mindestens drei Tage Mindestens sieben Zeitstunden – über den vormittäglichen Unterricht hinaus an mindestens drei Tagen in der Woche ein ganztägiges Angebot für die Schülerinnen und Schüler bereitgestellt wird, das täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst, Mittagessen – an allen Tagen des Ganztagsbetriebs den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern ein Mittagessen bereit gestellt wird, – die nachmittäglichen Angebote unter der Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung organisiert, in enger Kooperation mit der Schulleitung durchgeführt werden und in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem vormittäglichen Unterricht stehen.“ Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung 5 6 www.ganztagsschulverband.de Schulausschuss der Kultusministerkonferenz 27./28.3.2003 www.kmk.org. Je nach Definition gibt es unterschiedliche länderspezifische Statistiken und Qualitätsstandards über Ganztagesprojekte in den Bundesländern. 7 Die Konferenz der Kultusminister KMK unterscheidet grundsätzlich drei Formen: die voll gebundene, die teilweise gebundene und die offene Form der Ganztagsschule. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung formulierte seine Vorstellungen von Ganztagsschule in Form „pädagogischer Leitziele“. Diese Leitziele geben Auskunft über die Intentionen, die mit dem Investitionsprogramm verfolgt werden. Die Leitziele gehen auf Fragen zurück, unter denen bestehende Praxisbeispiele durch das Institut für Schulentwicklungsforschung an der Universität Dortmund untersucht wurden:7 „Das pädagogische Konzept einer Ganztagsschule sollte sich an folgenden Leitzielen orientieren: Bundesministerium für Bildung und Forschung 1. Individuelle Förderung und Eröffnen von Lernchancen durch eine Pädagogik der Vielfalt, die konsequent die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, wie zum Beispiel Begabungen, Lernhaltung, die Lernumgebung im Elternhaus und Vorwissen aus der Lebenswelt. Individuelle Förderung und Eröffnen von Lernchancen 2. Veränderung von Unterricht und Lernkultur durch Verknüpfung von Unterricht, Zusatzangeboten und Freizeit über Vor- und Nachmittag, zum Beispiel Lösung vom 45-Minuten Takt, Raum für freien Unterricht und für Projekte. Verknüpfung von Unterricht, Zusatzangeboten und Freizeit 3. Soziales Lernen über verschiedene Altersgruppen hinweg durch Angebote, die das Leben und Lernen in Gemeinschaft, respektvollen Umgang miteinander und soziale Kompetenz fördern. Soziales Lernen 4. Partizipation durch verbesserte Möglichkeiten der Mitentscheidung, Mitgestaltung und Mitverantwortung von Eltern, Schülerinnen und Schülern. Partizipation 5. Öffnung von Schule durch Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe, sozialen und kulturellen Einrichtungen und mit Betrieben vor Ort. Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe 6. Kreative Freizeitgestaltung durch Einbeziehung außerschulischer Angebote, zum Beispiel von Jugendhilfe, Musikschulen, Sportvereinen. Freizeitgestaltung 7. Qualifizierung des Personals durch entsprechende Weiterbildungen für Schulleitung, Lehrkräfte, pädagogisches Personal und außerschulische Partner.“8 Qualifizierung Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterscheidet, ähnlich dem Ganztagsschulverband, die gebundene und die offene Form. In offenen Ganztagsschulen haben Schülerinnen und Schüler am Vormittag Unterricht. Nach dem Mittagessen stehen Hausaufgabenbetreuung, Förderangebote und Freizeitaktivitäten auf dem Programm – freiwillig. In einer gebundenen Ganztagsschule ist der Unterricht auf Vor- und Nachmittag verteilt. Stunden im Klassenverband und offene Angebote, Konzentrations- und Entspannungsphasen wechseln sich ab. Der Tagesablauf ist rhythmisiert, die Teilnahme verbindlich. Kommentar zu den Organisationsmodellen Die Unterscheidung von „offenen“ und „gebundenen“ Formen könnte gegenwärtig ein Argument sein, die Akzeptanz von Ganztagsschulen zu sichern und Entwicklungsspielräume zu eröffnen. Offene Formen sind entwicklungs- und entscheidungsoffen, lassen vielfältige Formen der individuellen Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz, aber auch der institutionellen Beteiligung und Ausgestaltung zu. Das Moment der Wahlfreiheit zwischen Angeboten erleichtert die Zustimmung. Offene Formen sind zudem kostengünstig 7 Holtappels, Heinz Günter/Schnetzer, Thomas: Analyse beispielhafter Schulkonzepte von Schulen in Ganztagsform. Institut für Schulentwicklungsforschung, Dortmund, 2003. 8 www.ganztagsschulen.org Offene Formen 8 Gebundene Formen oder auch kostenneutral zu realisieren. Das pädagogische Konzept ist allerdings additiv, bruchstückhaft und in weiten Teilen diskontinuierlich. Es könnte sein, dass die Schule so bleibt, wie sie ist, ohne spürbare Veränderung der pädagogischen Gestalt. Gebundene Formen legen alle Beteiligten stärker fest. Das setzt ein gesichertes pädagogisches Konzept voraus, das es erst zu entwickeln und zu erproben gilt. Gebundene Formen haben als „Nebenwirkung“ die Veränderung von Familiensystemen und Freizeiteinrichtungen zur Folge. Sie sind zweifellos teurer, weil sie auch bauliche Veränderungen und einen intensiveren Personaleinsatz erfordern. Die gegenwärtig bevorzugte Errichtung von offenen Ganztagsschulen muss deshalb nicht nur ein Zugeständnis an die Sparsamkeit der Schulträger sein, sondern sie ist möglicherweise in der gegebenen gesellschaftlichen Situation auch ein realisierbares Übergangsmodell, das die Weiterentwicklung zu einer – konzeptionell zweifellos besseren – gebundenen Ganztagsschule offen hält. 3. Zur Geschichte ganztägiger Schulen in West und Ost Halbtagsschule ist im internationalen Vergleich nicht normal Gesamtschulen als Ganztagsschulen Der Ruf nach Ausweitung ganztägiger Schulangebote ist sehr alt. Die Gründe dafür waren schon in den 1920er Jahren deutlich sozialpolitisch geprägt. Später kamen wirtschaftliche (Stärkung des Wirtschaftsstandorts durch Berufstätigkeit von Frauen und Männern), familien- und frauenpolitische sowie bildungspolitisch-pädagogische Argumente hinzu. Neu ist eine europäische Perspektive, in der die ‚normale‘ deutsche Halbtagsschule eine exotische Form ist. Die in Deutschland dominierende Organisationsform der Halbtagsschule ist im internationalen Vergleich eher unüblich.9 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stellte eine ganztägige, den Vor- und Nachmittag umfassende Schulorganisation durchaus noch die Normalform dar. Der Unterricht war auf den Vor- und Nachmittag verteilt, unterbrochen von einer zweistündigen Pause. Die Gründe, weshalb man – im Unterschied etwa zu den angelsächsischen Ländern oder Frankreich – gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland zur Halbtagsschule überging, sind noch nicht hinlänglich erforscht. Eine Veränderung des ganztägigen Schulwesens setzte zunächst bei den höheren Schulen wegen des weiten Schulwegs ein. Der Wandel der Volksschule zur Halbtagsschule hatte seine Ursachen zum einen in dem Erfordernis, dass die Kinder – insbesondere auf dem Land – am Nachmittag in Landwirtschaft und Gewerbe mitarbeiten mussten, zum anderen aber auch in den begrenzten räumlichen (Schulgebäude) und personellen (Lehrkräfte) Ressourcen, die ein „Zweischichtsystem“ in der Beschulung erforderlich machten.10 Allerdings gab es seit Herausbildung der Halbtagsschule auch immer gegenläufige Reformbestrebungen in Richtung ganztägiger Schulformen. Im Zusammenhang mit den Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates von 1968/1969 kam es zu einer Verknüpfung der favorisierten Gesamtschule mit ganztä9 10 Vgl. auch den Überblick in: Klieme/Radisch, a.a.O. (s. Anm. 4). Eine ausführliche historische Darstellung findet sich bei Ludwig, Harald: Entstehung und Entwicklung der modernen Ganztagsschule in Deutschland. 2 Bände (Studien und Dokumentationen zur deutschen Bildungsgeschichte 51), Köln u.a. 1993. Siehe auch Ludwig, Harald: Moderne Ganztagsschule als Leitmodell von Schulreform im 20. Jahrhundert. Historische Entwicklung und reformpädagogische Ursprünge der heutigen Ganztagsschule, in: Appel, Stefan u.a., a.a.O. (s. Anm. 3), S. 25-41. Appel, Stefan: Handbuch Ganztagsschule. 3. überarb. Aufl., Schwalbach/Ts. 2003, S. 17. 9 gigen Konzepten. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurden alle neuen Gesamtschulen als Ganztagsschulen errichtet. Seit dieser Zeit wurden in Modellversuchen auch Formen der Kooperation zwischen Lehrkräften und Sozialpädagoginnen im Raum der Schule entwickelt und erprobt.11 In den 1990er Jahren gewannen Ganztagsschulen als Bedingung der Möglichkeit gleichberechtigter Lebens- und Berufsentwicklungen insbesondere in familien- und frauenpolitischen Zusammenhängen an Bedeutung. Zunehmend mehr Familien wünschten sich eine ganztägige Schule auch aus pädagogisch-erzieherischen Gründen, damit Einzelkinder nicht isoliert in Klein- und Kleinstfamilien, sondern gemeinsam mit anderen Kindern aufwachsen. Der familienpolitische Widerstand des klassisch-konservativen Bürgertums hat sich erst in den späten 1990er Jahren aufgeweicht, seit auch die CDU die Forderung nach Ganztagsschulen unterstützen kann. Die Veröffentlichung des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) im Jahr 1992 unter dem Titel „Die Zeit wird knapp. Jugendarbeit und Ganztagsschule – Kooperation oder Konkurrenz?“12 macht auf die Fortsetzung der Diskussion im jugendpolitischen Bereich aufmerksam. Gegenwärtig sprechen sich in einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Schulentwicklungsforschung Dortmund (2004) 56% der Befragten für eine Ganztagsschule aus. Den Eltern sind die fachliche Unterstützung zur Förderung der Schulleistungen, die Gemeinschaftserfahrungen und das soziale Lernen dabei am wichtigsten.13 Familienpolitischer Widerstand 2004: 56% der Befragten für eine Ganztagsschule Tagesschule in der DDR In der ehemaligen DDR sollten um das Jahr 1960 flächendeckend „Tagesschulen“ eingeführt werden. Schon seit 1952 gab es intensive Bemühungen, eine ganztägige Erziehung aufzubauen. Dies hatte neben wirtschaftlichen (Arbeitskräftegewinnung durch Berufstätigkeit von Männern und Frauen) auch klare ideologische Hintergründe. Nachdem zunächst verstärkt Hausaufgaben- und Hortangebote eingerichtet und Ende der 1950er Jahre der polytechnische Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler und die zehnklassige Polytechnische Oberschule als Regelschule eingeführt wurden, forcierte Walter Ulbricht, 1. Sekretär des Zentralkomitees der SED, seit 1959 das Modell der Tagesschule. Aufgrund zentraler Anweisungen an Schulparteiorganisationen gab es engagierte Debatten etwa in der Lehrerzeitung, und Modellschulen wurden gegründet. Gleichzeitig formierte sich Widerstand in Kreisen der Kirchen und der Ärzteschaft. Den Höhepunkt der Entwicklung bildete eine Beschlussvorlage „über die Einführung der ganztägigen Bildung und Erziehung“ zur Sitzung des 11 12 13 Vgl. Tillmann, Klaus Jürgen: Schulsozialarbeit. Problemfelder und Erfahrungen aus der Praxis, München 1982; Raab, Erich/Rademacker, Hermann: Handbuch Schulsozialarbeit. Konzeption und Praxis sozialpädagogischer Förderung von Schülern, München 1987; Frommann, Anne u.a. Erfahrungen mit Schulsozialarbeit. Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Sozialpädagogik und Schule, München 1987; Fatke, Reinhard/Valtin, Renate (Hg.): Sozialpädagogik in der Grundschule. Handlungsfelder und Modelle, Frankfurt/Main: Arbeitskreis Schule 1997; Olk, Thomas u.a.: Jugendhilfe und Schule: empirische Befunde und theoretische Reflexionen zur Schulsozialarbeit, Weinheim/München 2000; Deinet, Ulrich (Hg.): Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Ein Handbuch für die Praxis, Opladen 2001; Otto, Hans-Uwe/Coelen, Thomas (Hg.): Grundbegriffe der Ganztagsbildung. Beiträge zu einem neuen Bildungsverständnis in der Wissensgesellschaft, Wiesbaden 2004. Die Zeit wird knapp. Jugendarbeit und Ganztagsschule, Schriftenreihe des Deutschen Bundesjugendrings Nr. 21, Bonn 1992. Das Heft enthält unter anderem ein „Positionspapier Jugendverbände und Ganztagsbetreuung“, beschlossen von der 64. Vollversammlung am 6./7.11.1991 mit Argumenten, die auch in der gegenwärtigen Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Kanders, Michael: Kinder sollen länger gemeinsam lernen. 13. IFS-Studie: Was die Bürger über Bildung denken, in: Erziehung und Wissenschaft 7-8/2004. Ausführlicher in: Höhmann, Katrin/Holtappels, Heinz Günter/Schnetzer, Thomas: Ganztagsschule. Konzeptionen, Forschungsbefunde, aktuelle Entwicklungen, in: Holtappels, Heinz Günter, u.a. (Hg.): Jahrbuch der Schulentwicklung. Daten, Beispiele und Perspektiven, Eine Veröffentlichung des Instituts für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund, Band 13, Weinheim/München 2004, S. 253-289. „Tagesschulen“ 10 Politbüros des Zentralkomitees der SED am 17. Mai 1960. Zur Behandlung dieser Vorlage ist es allerdings nie gekommen. Das Programm verschwand stillschweigend in der Versenkung, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen. Die Tagesschule fand kaum noch Erwähnung, umso mehr aber der Anspruch auf ganztägige kollektive Erziehung. Für die ersten vier Schuljahre wurden flächendeckend Horte eingerichtet, und für alle Altersstufen schuf man dichte Angebotsnetze der Pionierorganisation, der FDJ, anderer staatlicher Massenorganisationen sowie Arbeits- und Sportgemeinschaften mit umfassendem, ganzheitlichem ideologischen Anspruch.14 Ost-West-Unterschiede Bis heute wirken sich diese Entwicklungen aus, etwa bei den ost-westdeutschen Unterschieden im schulischen Mittagessenangebot, viel signifikanter aber noch bei der Frage nach der Rolle der Familie und der Berufstätigkeit der Mütter/beider Elternteile. In den Schulen der neuen Bundesländer ist es bis heute selbstverständlich, dass ein Mittagessen angeboten wird. Bauliche Veränderungen für Küchen und Mensen in den Schulen werden frag- und problemlos eingeplant. In Ostdeutschland besuchen zwei Drittel der 8- bis 9-Jährigen eine Ganztagsschule bzw. Schule und Hort; nur knapp ein Drittel der 8- bis 9-Jährigen geht ausschließlich vormittags in die Schule. In Westdeutschland geht zurzeit nur jedes siebte Kind dieser Altersgruppe in eine Ganztagsschule, mehr als drei Viertel besuchen ausschließlich vormittags die Schule. Ähnlich sieht es bei den 5- bis 6-Jährigen aus: Im Westen besuchen zwei Drittel von ihnen einen traditionellen Vormittagskindergarten ohne Mittagessen, nur ein Fünftel nutzt ein Ganztagsangebot. Dagegen nehmen drei Viertel dieser Altersgruppe im Osten ein ganztägiges Angebot mit Mittagessen in Anspruch.15 4. Gute Ganztagsschulen Kriterien des Gelingens Wie kann der Aufbau ganztägiger Schulkonzepte gelingen? Die pädagogische Qualität der einzelnen Schule und ihre Lern-, Erziehungs- und Organisationskultur werden nie nur durch einzelne Faktoren, sondern durch ein „Ensemble zusammenhängender Einflussvariablen“ bestimmt. Heinz Günter Holtappels warnt davor, sich ohne Konzept ins Abenteuer der Schulentwicklung zu stürzen. In Auswertung empirisch ermittelter Erfahrungen mit Ganztagsschulen formuliert er folgende förderliche Gelingensbedingungen für den erfolgreichen Aufbau ganztägiger Schulkonzepte wie für die Öffnung von Schule überhaupt: „1. Erfolgreiche Schulen kennzeichnet ein bereits bestehendes Sockelniveau der Lernkultur im Schulleben in didaktisch-methodischer und organisatorischer Schulqualität; es zeigen sich Anfänge eines Schulkonzepts mit differenzierter Lernorganisation. Lernkultur im Schulleben 14 15 Die Ganztagsschulbemühungen der DDR sind bisher kaum erforscht. Vgl. Gebhardt, Birgit: Die Tagesschule der DDR, in: Zeitschrift für Pädagogik, 39. Jg. 1993, Nr. 6, S. 993-1006; vgl. auch: Entstehung von ‚Tagesheimschulen’ und ‚Tageschulen’ in der DDR, in: Ludwig, Harald, a.a.O. (s. Anm. 9), S. 514-516; Geißler, Gert: Ganztagsschule in der DDR, in: Appel, Stefan/Ludwig, Harald/Rother, Ulrich/Rutz, Georg (Hg.): Jahrbuch Ganztagsschule 2005. Schwalbach/Ts. 2004, S. 160-170. DJI-Kinderpanel. Wie wachsen Kinder auf (2001-2005). DJI Bulletin 67, Sommer 2004, S. 4-7. 11 2. Initiierende und steuernde Schulleitung, die mit hoher Organisationskompetenz und Integrität im Gemeinwesen sorgfältige pädagogisch-organisatorische Vorbereitung leistet, das Vorhaben nach außen vertritt, nach innen Transparenz und geduldig Freiräume gewährt und die Innovation beständig weitertreibt. Initiierende und steuernde Schulleitung 3. Innovationsbereitschaft im Kollegium, zumindest aber Stützung des Ansatzes durch tragende Kräfte, aus innovativ orientierten Lehrerinnen und Lehrern mit treibender Kraft. Innovationsbereitschaft im Kollegium 4. Institutionalisierung von Öffnungselementen durch zeitlich-räumliche Platzierung und inhaltlich-organisatorische Einplanung in den Wochen- oder Jahresablauf sowie durch personelle Abdeckung von Öffnungsaktivitäten. Öffnungselemente 5. Materielle Unterstützung durch Schulträger: Vorhaben werden vom Schulträger befürwortet und aktiv gestützt, die Schule erhält planerisch-organisatorische Beratung; der Schulträger leistet Unterstützung durch schulräumliche Maßnahmen, Sachmittel für Einrichtung und Material. Materielle Unterstützung 6. Die Steuerung und Koordination des Öffnungsprozesses übernehmen schulbzw. institutionenübergreifende Steuerungs- und Koordinierungsgremien, die Anbahnung und Intensivierung von Kooperationsbeziehungen mit dem Ziel der Vernetzung benötigen unterstützende Organisationsstrukturen (z.B. durch Stadtteilarbeitskreise oder Kulturbüros), die den Kooperationspartnern auch Impulse von außen geben. Steuerungs- und Koordinationsgremien 7. Kontinuität und Stabilität symmetrischer Kooperationsbeziehungen: Nur auf Kontinuität setzende und dauerhaft angelegte stabile Kooperationsbeziehungen mit Anfängen von Vernetzung versprechen förderliche Wirkungen für die Umsetzung des Öffnungskonzepts, dabei sind Kooperationen nur dann von Dauer, wenn sie als symbiotische Beziehungen in beiderseitigem Interesse liegen, während einseitige und asymmetrische Formen (z.B. reine Raumnutzung) selten pädagogisch nützlich sind. Symmetrische Kooperationsbeziehungen 8. Projektentwicklung und Angebotssysteme: Die Entwicklung gemeinwesenbezogener und institutionenübergreifender Projekte und Angebotsformen (etwa Unterrichtsreihen, Gestaltungsprojekte im Schulleben, AG-Angebote, Wettbewerbe, Aufführungen, Material- und Requisitenverleih) durch Arbeitskreise, Lernwerkstätten etc. scheinen am ehesten geeignet, Impulse von außen zu geben, Unterricht und Schulleben schrittweise zu öffnen, gemeinwesenorientierte Vernetzungen zu stiften.“16 Projektentwicklung 5. Pädagogische Gestaltung einer Ganztags-Grundschule Es ist sinnvoll, zwischen Ganztagsschulen für Kinder im Alter von 6 bis 10 oder 11 Jahren und solchen für die 12- bis 16-jährigen Jugendlichen zu unterscheiden. Jüngere Kinder haben einen anderen, zeitlich dichteren Betreuungsbedarf als ältere Kinder oder Jugendliche. Ältere Kinder regeln ihre Sozialkontakte selbstständiger als jüngere. Die Entwicklung von Selbstständigkeit und eigenen Gestaltungsspielräumen ist für Kinder und Jugendliche gleich wichtig und auch eine pädagogische Aufgabe, die je nach Alter unterschiedlich zu handhaben ist. 16 Holtappels, Heinz Günter: Ganztagsschule und Schulöffnung als Rahmen pädagogischer Schulreform, in: Appel, Stefan u.a., a.a.O. (s. Anm. 3), S. 164-187, 182-184. 12 Wer braucht eine Ganztags-Grundschule? Familien Alleinerziehende Aufwachsen mit Gleichaltrigen Bessere pädagogische Förderung Vereinbarkeit von Familie und Beruf 70 % wünschen Ganztagsschulen Ganztags-Grundschulen als Stadtteil-Schulen Es sind nicht nur die sozial schwachen Familien oder Alleinerziehende, deren Kinder auf eine verlässliche Betreuung und erzieherische Unterstützung angewiesen sind. Zwar gilt das für die 17 % der Kinder unter 18 Jahren, die in Ein-Eltern-Familien aufwachsen, in besonderer Weise. Es gilt jedoch auch für die Familien, in denen beide Eltern erwerbstätig sind, und um Vätern und Müttern in gleicher Weise die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit zu ermöglichen, sind ganztägige Formen der Kinderbetreuung unabdingbar. Es gibt jedoch noch weitere Gründe: weil Kinder häufig ohne oder mit nur einem Geschwisterkind aufwachsen, weil dadurch ihre täglichen sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen eingeschränkt sein können, weil das soziale und räumliche Wohnumfeld es häufig erschwert, Kontakte zu Gleichaltrigen in der Nachbarschaft aufzunehmen und zu leben, weil außerschulische Lern- und Freizeitangebote die Kindheit weitgehend „verinseln“, deshalb gewinnen verlässliche Organisationsformen an Bedeutung, in denen kontinuierliche soziale Kontakte gestiftet und gepflegt werden, in denen soziales, interkulturelles und interreligiöses Lernen ermöglicht wird, in denen Lern- und Freizeitangebote in räumlicher Nähe und personeller Kontinuität zugänglich gemacht werden. In einer repräsentativen Befragung von Eltern durch Infratest-dimap im Mai 2004 halten 86 % der Befragten „eine bessere pädagogische Förderung z.B. durch interessante zusätzliche Kurse bzw. Hausaufgabenbetreuung“ für wichtig und sehr wichtig, für 75 % ist „eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ein wichtiger und sehr wichtiger Grund für Ganztagsschulen. Von den Befragten würden 28 % ihr eigenes Kind „auf jeden Fall“ auf eine Ganztagsschule schicken und weitere 44 % „unter Umständen“. Den verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen würden 70 % persönlich begrüßen. Man kann nach diesen Daten nicht mehr davon ausgehen, dass Ganztagsschulen nur für eine Minderheit von Kindern bzw. Eltern gebraucht werden. Die Einschränkung „unter Umständen“ ist an ein attraktives pädagogisches Konzept gebunden. Ganztagsschulen vor allem für Kinder aus sozial schwachen und bildungsarmen Familien oder in sozialen Brennpunkten würden nicht nur eine soziale Isolation der Kinder befördern, sondern den allgemeinen Elternbedarf ignorieren. Lernchancen durch Integration würden für alle reduziert. Ganztags-Grundschulen müssen StadtteilSchulen sein: offen für alle Kinder in einem heterogenen Wohn- und Lebensbereich. Als Nachbarschaftsschulen können sie ihre pädagogische Arbeit auf den sozialen Raum beziehen, in dem die Kinder leben. Pädagogische Öffnung der Schule Öffnung der Lernformen Öffnung der Inhalte Öffnung der Institution Die pädagogische Öffnung der Schule ist dreifach zu entwickeln: als Öffnung der Lernformen zu mehr selbstbestimmten, partizipativen und komplexen, anspruchsvollen Methoden, als Öffnung der Inhalte zu den Lebenslagen und Sinnfragen der Kinder sowie als Öffnung der Institution zu Lern- und Erfahrungsräumen im Stadtteil unter Einbeziehung der Partner und Anbieter von Kultur und Sport, Freizeit und Musik, Gemeinschaft und Kunst. Die Öffnung von Methoden und Inhalten schulischen Lernens und die institutionelle Öffnung bedeuten, dass ein Schultag, eine Schulwoche und das Schuljahr rhythmisch zu gliedern sind: Zeiten zum Erfahrungen machen, Lernen, Arbeiten, Spielen, Feiern, Ausruhen, Üben, Sich-Bewegen, Sich-Besinnen und für den Klassenrat sind sorgfältig in Planungen einzubeziehen, Räume dafür bereitzustellen. 13 Rhythmisierung und Individualisierung Der rhythmisierte Tageslauf bedeutet den Wechsel von Phasen der Anspannung und Entspannung, von individueller Arbeit und gemeinsamem Lernen in der Gruppe, von angeleiteter fachlicher Spezialisierung und selbstständiger Problembearbeitung, von Phasen anregender Stimulierung und kontemplativer Ruhe, von strukturiertem und informellem Lernen. Der Tageslauf der Kinder ist nicht vollständig verplant, sondern lässt Raum für Unerwartetes, das den Kindern begegnet und auf das sie sich in Ruhe und mit genügend Zeit einlassen können. Ein rhythmisierter Tageslauf gibt den Lehrkräften, Sozialpädagog/innen und Lernhelfern Gelegenheit, Lernbedürfnisse und -fortschritte der Kinder zu beobachten, zu „diagnostizieren“ und individuelle Angebote der Förderung und Herausforderung zu entwickeln. Mehr Zeit für Kinder an Ganztagsschulen bedeutet mehr Chancen für individuelle Diagnose und Förderung von Schwächen und Stärken. Darüber hinaus lässt die stärkere Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und -interessen, Motivationen und Begabungen der einzelnen Kinder auch eher zu, Kinder mit Behinderungen zu integrieren. Es hat sich gezeigt, dass Schulen mit individualisierenden Unterrichtsformen (z.B. Wochenplan, Freiarbeit, Projektlernen) eher in der Lage sind, differenzierte Lernangebote zu machen. Rhythmisierter Tageslauf Individuelle Angebote der Förderung und Herausforderung Integration und Differenzierung Elternarbeit Wenn Eltern skeptisch gegenüber Ganztagsschulen sind, dann hat das verschiedene Gründe: Sie übertragen ihre eigenen Schulerfahrungen oder die aktuellen Halbtagsschulerfahrungen ihrer Kinder auf eine ganztägige Schule mit der Vorstellung, dass die Schule sich nicht pädagogisch verändert, sondern lediglich mehr Zeit der Kinder beansprucht. Oder sie befürchten den Verlust von Kontrolle über die Lernprozesse ihrer Kinder; sie glauben oft, dass ihre Hilfe bei Hausaufgaben, das tägliche Nachhalten eines Lernpensums unverzichtbar seien. Andere Eltern empfinden gerade diese Beanspruchung durch die Schule als eine Belastung, die ihr Verhältnis zum eigenen Kind funktionalisiert und verstört. Der Kontrollverlust ist nicht von der Hand zu weisen. Deshalb sind in der Ganztagsschule neue Formen der Information, Beteiligung und Mitwirkung durch die Eltern zu entwickeln, die Eltern direkt teilhaben lassen an Entwicklungs- und Lernprozessen und Lernergebnissen der Kinder. Dazu gehören regelmäßige Informationen in Wort und Schrift, Einladungen zu Präsentationen der Kinder, zu Ausstellungen, Vorführungen, Lesenachmittagen, Konzerten. Eltern sollen sich aktiv beteiligen können mit Angeboten von Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag, als Hausaufgabenhelfer und Übungsleiterinnen, als Experten für Berufsfelder und für Hobbys. Die Ganztagsschule muss auch für Eltern eine einladende Schule sein und Eltern ermuntern, nicht nur mit dem eigenen Kind beispielsweise Flöte zu üben oder ein Gedicht auswendig zu lernen, sondern mit zwei oder drei Kindern zugleich. Skepsis Beteiligung und Mitwirkung durch die Eltern Teilhabe lernen Die Ganztagsschule blendet die Lebensprobleme der Kinder nicht aus, sondern bezieht sie ein: das Leben und Lernen geschieht in der Gemeinschaft der vielen, es muss vereinbart, verhandelt, gestaltet und auch zusammen gefeiert werden. Die Kinder lernen, wie sie ihre Probleme miteinander lösen können. Sie können dabei nach Bedarf die Unterstützung von Erwachsenen nutzen. Die Kinder können – bei anderen Formen der Lernorganisation – besser lernen, im Team zusammen zu arbeiten, dabei auch Selbstdisziplin und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu erwerben. Sie können soziale Kompetenzen in den alltäglichen Herausforderungen Probleme miteinander lösen Soziale Kompetenzen 14 Partizipation und Teilhabe entwickeln und werden dabei nicht allein gelassen. Sie merken, dass ihre Urteilsfähigkeit gefragt ist und zur Problemlösung beiträgt. Unter der Zielsetzung verstärkter Partizipation und Teilhabe sollten außerschulische Kooperationspartner ihre Kompetenzen nachdrücklich in die Ganztagsschule einbringen und ihre Lern- und Erfahrungsangebote „von den Kindern her“ arrangieren. Das Schulleben ist ein breites Feld für aktive Mitbestimmung und soziale Verantwortung, für das Erleben von Gemeinschaft und Solidarität. Religion in der Ganztags-Grundschule Auseinandersetzung mit Religion Begegnung unterschiedlicher Konfessionen und Religionen Feste und Feiern im Schulleben Für den Religionsunterricht ergeben sich in der Ganztagsschule neue Herausforderungen und Chancen. So ist mit zunehmender Pluralität und religiöser Heterogenität zu rechnen, so dass die Erfahrung von und Auseinandersetzung mit Religion in vielfältiger Hinsicht komplexer werden kann, weil sie nicht nur auf den Fachunterricht konzentriert wird. Die Begegnung mit Kindern und Erwachsenen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen kann im außerunterrichtlichen Bereich, in Arbeitsgemeinschaften, Projektgruppen, Veranstaltungen sowie an anderen Lernorten usw. aufgenommen werden. Angebote von Gemeindepastorinnen, Bibliothekaren, Diakoniemitarbeiterinnen und Kirchenmusikern sind im außerunterrichtlichen Bereich problemlos möglich. Dort können Kinder neue Erfahrungen machen und Fragen entdecken, deren vertiefende Bearbeitung anschließend auch im gebundenen Fachunterricht möglich ist. Feste und Feiern im Schulleben müssen nicht „religionsneutral“ gestaltet werden, damit alle Kinder gemeinsam daran teilnehmen können: ein gestärktes Bewusstsein für Unterschiede der religiösen Herkunft lässt Kinder und Erwachsene achtsam mit Differenzen umgehen und nach Formen der Teilhabe suchen, die allen gerecht werden. 6. Pädagogische Konzeption einer Ganztagsschule der Sekundarstufe I Fördern und Fordern Intensivierung und Optimierung von Lernchancen Begleitung der Lernentwicklung Arrangements zum selbstständigen Lernen Auch in Ganztagsschulen der Sekundarstufe I (für Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 16 Jahren) steht die Intensivierung und Optimierung von Lernchancen an erster Stelle. Zusätzliche Zeit ist für Förderunterricht, für Übung, Wiederholung und Vertiefung zu nutzen, wobei die Bindung an den Fachunterricht und die Unterstützung durch Fachlehrkräfte gegeben ist. Eine intensive Begleitung der Lernentwicklung der einzelnen Schülerinnen und Schüler – möglichst mit Diagnosen und Förderplänen – ist grundsätzlich in Ganztagsschulen eher möglich als in Halbtagsschulen. Allerdings bedarf es der Weiterentwicklung und Differenzierung von Lehr-Lernformen des Unterrichts und Arrangements zum selbstständigen Lernen. Im Bereich von Arbeitsgemeinschaften sind insbesondere auch für Hochbegabte Angebote zur Entwicklung ihrer Talente vorzuhalten. Lernkultur entwickeln Denken in Zusammenhängen Teamfähigkeit Die veränderten Anforderungen an schulisches Lernen, zu denen vor allem höhere Qualifikationen für den Berufseinstieg gehören, aber auch komplexe Fähigkeiten zum Denken in Zusammenhängen, metakognitive Kompetenzen, Teamfähigkeit 15 und kommunikative Kompetenzen, erfordern vielfältige und komplexe Lernarrangements, die den lehrergelenkten Unterricht ergänzen. Selbsttätiges und erfahrungsbezogenes Lernen braucht mehr an Zeit und Gelegenheit, aber auch altersgemäße Formen der Unterstützung, Förderung und Begleitung. Kinder und Jugendliche in Schulen der Sekundarstufe I müssen wählen können zwischen unterschiedlichen Angeboten im Bereich von Arbeitsgemeinschaften und Schulprojekten, an denen sie ihre Fähigkeiten und Interessen entdecken, erproben und entwickeln. Eine Kultur der Anerkennung, regelmäßiges Feedback und individuelle Beratung unterstützen die Entwicklung selbstständigen Lernens. vielfältige Lernarrangements erfahrungsbezogenes Lernen Kultur der Anerkennung Freizeit und Schulleben Im Freizeitbereich muss es Möglichkeiten zu Spiel, Sport, Bewegung und Ruhe geben mit entsprechenden Räumen. Es ist wichtig, Bereiche in der Schule offen zu halten, die nicht pädagogisiert sind. Daneben gibt es gerade für Jugendliche vielfältige Gelegenheiten im Schulleben, in denen sie Pflichten und Verantwortung für die Freizeitgestaltung übernehmen: als Betreiber von Kiosk oder Cafeteria, als Pfleger für Außenanlagen, Teich und Garten, als Hausaufgabenhelfer/innen oder Übungsleiter im Sport. Spiel, Sport, Bewegung und Ruhe Verantwortung für die Freizeitgestaltung Soziales, interkulturelles und interreligiöses Lernen Die Verantwortung für Cafeteria und Teestube, für die Gestaltung von Festen und Feiern, Ausstellungen und Kooperationsprojekten stellt sich nicht als Ergebnis angeleiteter Instruktionsprozesse ein, sondern wird im tätigen Umgang mit den Anlässen, in den Handlungsräumen, in der Begegnung miteinander entwickelt. Ein vielfältiges Schulleben schafft die Möglichkeit zur Identifikation mit der Schulgemeinschaft, und die Gelegenheiten des sozialen und interkulturellen Lernens sind eine Chance Partnerschaft, Solidarität und Toleranz zu erfahren bzw. zu erproben. Die Möglichkeiten interreligiösen Lernens sind erweitert, weil sich die Kinder und Jugendlichen am Ort der Schule begegnen und Gemeinsamkeiten wie Unterschiede der in Festen und Feiern gelebten Religionen entdecken und reflektieren können. Identifikation mit der Schulgemeinschaft Möglichkeiten interreligiösen Lernens Schulleben als „Gerechte Gemeinschaft“ Das Zusammenleben in der Schule als „polis“ (Hartmut von Hentig), als von den Beteiligten nach Regeln zu verhandelnder, mit Hilfe von Ritualen öffentlich zu gestaltender Lebens- und Erfahrungsraum, bedarf vielfältiger Formen der Konfliktregelung. Die Einstellungen und Werthaltungen, die im demokratischen Zusammenleben der Verschiedenen gelten sollen, werden nicht durch direkte Instruktion erworben, sondern nur aufgrund von Erfahrungen mit Lebenssituationen, in denen diese Werte ihre Gültigkeit erwiesen haben. Die Erfahrung, dass Schule eine „gerechte“ Gemeinschaft ist, in der die Lebens- und Lernbedürfnisse aller Beteiligten ihre Berechtigung haben und im Konfliktfall verhandelbar sind, wird entscheidend zur Entwicklung prosozialer Werthaltungen beitragen. Formen der Konfliktregelung Schule als „Gerechte Gemeinschaft“ 16 7. Kooperation Ganztagsschule und Jugendarbeit Zum Verhältnis von Erziehung und Unterricht Seit Weimarer Republik Arbeitsteilung zwischen Schule und Jugendarbeit Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (1922/24) Kinder- und Jugendhilfegesetz (1991) Außerschulische Bildungsarbeit an erster Stelle „Erziehender Untericht“ Schule und Jugendarbeit sind in Deutschland durch eine bis in das 19. Jahrhundert zurückgehende Tradition getrennt. Das preußische Volksschulwesen entwickelte sich zur staatlich verwalteten und beaufsichtigten Anstalt, in der unmittelbar verwertbares und beruflich relevantes Wissen unter Einbeziehung von Sekundärtugenden (Gehorsam, Disziplin, Pünktlichkeit usw.) vermittelt wurde. Erziehung als Vermittlung reflexiver und sozialer Kompetenzen geschah informell in der Familie oder blieb der entstehenden Jugendarbeit überlassen. In der Zeit der Weimarer Republik zeichnete sich eine deutliche Arbeitsteilung zwischen schulischer Bildung und außerschulischer Erziehung ab, die im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (1922/24) durch die formal-rechtliche Etablierung der Jugendhilfe ihren Ausdruck fand. Seither wurde Schule der Bildungsauftrag zugewiesen, Erziehung war Aufgabe der Familie und der Jugendarbeit, und die Jugendhilfe hatte kurative und Defizit ausgleichende Funktionen. Jugendarbeit war, außer in den Zeiten der totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts, eigenständig und allenfalls als Gegenüber zur Schule verfasst. Formal galt in Westdeutschland die im Jugendwohlfahrtsgesetz festgeschriebene klare Trennung zwischen Schule und Jugendarbeit noch bis 1990. Praktisch ergaben sich Veränderungen allerdings seit den 1970er Jahren im Zuge der Bildungsreform: Mit der Professionalisierung in der Sozial- und Jugendarbeit ging der Aufbau des Arbeitsfeldes der außerschulischen Jugendbildung einher. Mit der Einführung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG 1991), das das Jugendwohlfahrtsgesetz ablöste, erfolgte auch formal eine Neubewertung. § 11 KJHG nennt außerschulische Bildungsarbeit an erster Stelle als Schwerpunkt der Jugendarbeit, und auch arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Aufgaben der Jugendarbeit werden ausdrücklich genannt. Für den Bildungsauftrag der Schule hat sich die Trennung von Bildung und Erziehung theoretisch wie praktisch nicht halten lassen. Schon Johann Friedrich Herbart (1776-1841) spricht von „erziehendem Unterricht“. Unterricht sei immer dann erziehend, wenn ein Schüler durch die Auseinandersetzung mit Lerngegenständen die Einsicht ausbildet, auch das zu wollen, was er als richtig erkannt hat. Ausdrücklich sind Unterrichten und Erziehen, Beraten und Beurteilen, Organisieren und Innovieren die Grundaufgaben von Lehrkräften, wie sie beispielsweise der Strukturplan des Deutschen Bildungsrates 1970 versteht. Die Ausweitung der Schule zu einem Ort des Lernens und Lebens ist seit den 1970er Jahren unumstritten. Es gibt jedoch auch einige wenige Gegenstimmen, die die Schule auf strukturiertes Unterrichten begrenzen und Lehrkräfte von Erziehungsaufgaben entlasten wollen.17 Dessen ungeachtet besteht eine formale Trennung zwischen Schule und Jugendarbeit fort, was sich in den Ressortzuschnitten der meisten Landesregierungen wie den Dezernaten und Ausschüssen der Kommunen niederschlägt: Schule gehört zu Kultus, Jugend zu Soziales.18 17 18 Giesecke, Hermann: Wozu ist die Schule da?, in: Fauser, Peter (Hg.): Wozu die Schule da ist. Eine Streitschrift. Seelze 1996, S.5-16. In einzelnen Bundesländern sind Jugendarbeit und Schule inzwischen in einem Ministerium zusammen geführt. In Bremen läuft derzeit ein Modellversuch, Kindertagesstätten und Grundschulen unter wissenschaftlicher Begleitung enger aufeinander zu beziehen. 17 Berufsbiografische Differenzen Das Verhältnis von Jugendarbeit und Schule wird auch geprägt durch die biografischen Momente ihrer Akteure und die jeweiligen Fachkulturen. So haben viele Lehrerinnen und Lehrer kaum eigene Erfahrung mit Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit und den darin geltenden Handlungsprinzipien Partizipation, Selbstorganisation und Freiwilligkeit. Sozial- und Gemeindepädagoginnen und -pädagogen wiederum haben sich teilweise sogar aufgrund ihrer eigenen Schul- und Jugendarbeitserfahrungen für einen pädagogischen Beruf außerhalb der Schule entschieden. Die einen haben von den jeweils anderen kaum Kenntnis genommen und dennoch feste Meinungen, Projektionen und Bilder voneinander. Schule wird von den einen als Zwangsinstitution zur Reglementierung von Lebenschancen gesehen; Sozialpädagogik von den anderen als Ort beliebigen und gänzlich unstrukturierten Treibens oder als Reparaturbetrieb für problematische Biografien. In dieser Differenz liegt wohl auch ein Grund dafür, dass Jugendarbeit sich zwar zu einer Vielzahl von gesellschaftspolitischen Themen zu Wort meldet, im Blick auf schulische Bildungsfragen und Bildungspolitik jedoch als weitgehend abstinent erlebt wird.19 Schule als Zwangsinstitution Sozialpädagogik als Reparaturbetrieb Kinder in der außerschulischen Bildung Außerschulische Jugendbildungsarbeit lässt gemäß den meisten landesspezifischen Richtlinien die Kinder im Grundschulalter völlig außer Acht. Bildungsarbeit der Jugendverbände und anderer freier und öffentlicher Träger der Jugendhilfe beginnt meist erst im Alter von 12 oder 14 Jahren. Kinder der Primarstufe haben außerschulisch keine dem Jugendalter entsprechenden Strukturen, die ihnen Partizipation, Selbstorganisation und politische Vertretung ermöglichen. Sie werden als Beteiligte von Selbstaneignungsprozessen im Kontext von Jugendbildungsarbeit der Jugendverbände schlichtweg ausgeblendet. Hier besteht dringender Klärungsbedarf. Strukturelle Differenzen Insgesamt gilt, wenn wir über Kooperation von Schule und Jugendarbeit nachdenken und nach Arbeitsansätzen suchen, die Feststellung, dass es – historisch gesehen – um sich deutlich voneinander unterscheidende Systeme handelt. Folgende Merkmale verdeutlichen dies: Schule 19 Jugendarbeit Schulwesen ist staatliche Aufgabe, private/freie Trägerschaft ist Ausnahme Subsidiarität, Pluralität der Träger, überwiegend freiwillige kommunale Aufgabe Gesetzliche Schulpflicht Freiwilligkeit der Teilnahme Keine ehrenamtliche Arbeit, Partizipation und Mitbestimmung nicht im Kernbereich Prinzipien Ehrenamtlichkeit, Selbstorganisation und Partizipation Pädagogische Fachkräfte: i.d.R. Beamte, akademische Ausbildung mit entsprechender Besoldung Pädagogische Fachkräfte: meist nicht akademische Ausbildung, Angestellte, teilweise instabile Rahmenbedingungen, Beschäftigungsverhältnisse projektorientiert (oder) auf Zeit Nörber, Martin: PISA und die Jugend(bildungs)arbeit, in: deutsche jugend, 50. Jg. 2002, H. 7/8, S. 306-312. Strukturelle Unterschiede 18 Schule Legitimation gegenüber Schulverwaltung/Administration Gesellschaftliche Aufgaben Jugendarbeit Legitimation gegenüber Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Öffentlichkeit, kommunalen Verwaltungen und politischen Verantwortungsträgern Den strukturellen Unterschieden entsprechen unterschiedliche gesellschaftliche Aufgaben. Während der Schule die allgemeine Bildung mit abschließender Qualifikation, die Vermittlung fachspezifischer Ausbildung und die Zuteilung entsprechender Berechtigungen (Allokationsfunktion) zugewiesen wird, hat die Jugendarbeit neben der Sozialisation die Aufgabe informeller Bildung im Sinn von Anregung, Förderung und Unterstützung selbsttätiger Aneignung von Welt und eigen gesteuerten Lernens sowie Begleitung beim Herausbilden eigenständiger individueller und sozialer Kompetenzen. Systemische Reformen Schule und Jugendhilfe auf Kooperationen angewiesen Öffnungstendenzen Entwicklungschancen für Ganztagsschulen Schulentwicklung in Zukunft Einzelschulentwicklung Der Druck zu Reformen sowohl in Schule als auch in Jugendarbeit ist massiv geworden, die Ressourcen zu notwendigen Innovationen sind jedoch begrenzt. Schule und Jugendhilfe sind auf je eigene Weise auf Kooperationen angewiesen. Die institutionelle, inhaltliche und methodische Öffnung von Schule zum gesellschaftlichen Umfeld und zum Lebensumfeld von Kindern, Jugendlichen und Familien gewinnt durch Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und durch Inszenierungen von Lernarrangements auch an nichtschulischen Orten eine neue Dynamik.20 Schulverwaltungen gestehen den einzelnen Schulen zunehmend stärkere Gestaltungsautonomie und Eigenständigkeit zu. Diese Öffnungstendenzen sind auch besondere Entwicklungschancen für Ganztagsschulen. Auf dem Feld der Schulentwicklung ist ein Perspektiven- und weitergehend ein „Systemwechsel“ eingeleitet. Wurde das Bildungswesen in Deutschland bisher vor allem durch staatliche Vorgaben und Vorschriften, d.h. durch detailreiche staatliche „Inputs“ gesteuert, werden zunehmend Steuerungsfunktionen dezentral auf die Ebene der einzelnen Schule verlagert, die für die zu erreichenden Lernergebnisse, den „Output“, rechenschaftspflichtig wird. Was Schülerinnen und Schüler gelernt haben und auch können zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Schullaufbahn, dafür wird der einzelnen Schule Verantwortung zugewiesen.21 Schulentwicklung wird in Zukunft Einzelschulentwicklung sein. Schulprogramme orientieren sich stärker als bisher an den regionalen, örtlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten. Mögliche Kooperationen zwischen Schule und Jugendarbeit werden daher ganz unterschiedliche Formen finden. Vor allem durch die Streitschrift zur Bildungsverantwortung des Bundesjugendkuratoriums und die so genannten Leipziger Thesen22 wurde für den Bereich der Jugendhilfe ein Prozess angestoßen, der in Richtung eines umfassenden Bildungsverständnisses und einer komplexen Bildungsmitverantwortung der Jugendarbeit 20 21 22 Das Programm „Gestaltung und Öffnung der Schule GÖS“ in Nordrhein-Westfalen unterstützt die Entwicklung der Einzelschule zum schulischen Umfeld seit 1985. Vgl. Elsenbast, Volker/Fischer, Dietlind/Schreiner, Peter: Zur Entwicklung von Bildungsstandards. Münster 2004. Vgl. Streitschrift „Zukunftsfähigkeit sichern! - Für ein neues Verhältnis von Bildung und Jugendhilfe“, Bundesjugendkuratorium, Berlin 2002; Leipziger Thesen zur aktuellen bildungspolitischen Debatte. Gemeinsame Erklärung des Bundesjugendkuratoriums, der Sachverständigenkommission für den Elften Kinder- und Jugendbericht und der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Bonn, Berlin, Leipzig 2002, in: Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) (Hg): Jugendhilfe und Schule, 2. Aufl. Berlin 2003. 19 geht. Dabei formuliert die Jugendhilfe ihre Bildungsverantwortung nicht mehr nur allein für den Bereich der außerschulischen Jugend(bildungs)arbeit, sondern viel stärker als Mitverantwortung für das formale, informelle und nichtformelle Lernen von Jugendlichen. Bildung ist nicht auf den schulischen Wissenserwerb beschränkt. Das bedeutet für die Jugendarbeit, zum Gelingen von Bildungsbiografien von Schülerinnen und Schülern beizutragen, indem sie zur Selbstbildung motiviert und die familialen und weiteren Handlungsfelder, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen, bei der Gestaltung einer das Lernen und die Bildung befördernden Kultur unterstützt. Es geht zukünftig darum, einen umfassenden Bildungsauftrag „auf mehrere Schultern zu verteilen“.23 Die Jugendministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben im Frühsommer 2004 einen gemeinsamen Beschluss zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe gefasst. Darin werden konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule, bei der Entwicklung und dem Ausbau ganztägiger Förderung und Betreuung an Schulen und bei der Unterstützung der Kinder und Jugendlichen mit Lernproblemen und sozialen Benachteiligungen gemacht.24 Die praktische Umsetzung dieser Vorschläge in den Ländern wird zeigen, was dieser Beschluss wert ist. Zielvereinbarungen in Vertragsform und eine konkrete Vereinbarung der Partner am Ort der Schule sind Wege der Konkretisierung. Daran sind auch die evangelischen Kirchen, Gemeinden, Verbände und Werke als Träger der Jugendhilfe beteiligt. Mitverantwortung für das formale, informelle und nichtformelle Lernen Gemeinsamer Beschluss zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe 8. Vorteile einer Kooperation von Sozial- und Schulpädagogik Vorteile für Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche können durch die Einbeziehung sozial- und freizeitpädagogischer Kompetenzen Schule als einen anspruchsvollen Lebensraum erleben und gestalten: Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen spielt in allen Fächern im Unterricht eine nachgeordnete Rolle. Sozialpädagogische Arbeitsansätze ermöglichen es Schülerinnen und Schülern, ihre alltagsbezogenen Interessen, Erfahrungen und Kompetenzen in das Leben der Schule und in die schulischen Bildungsprozesse einzubeziehen. Übergänge, Brüche, Krisen bedürfen der Begleitung und Ritualisierung. Kinderund jugendgemäße, ästhetisch ansprechende und sinnbezogene Inszenierungen im schulischen Kontext bieten Kindern Bewältigungsmuster als Gelegenheiten der Persönlichkeitsbildung. Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ist in eine Vielfalt von Systemen eingebunden, die oftmals kaum etwas miteinander zu tun haben. Kooperation zwischen Schule und Sozialpädagogik eröffnen Optionen für weitere Vernetzungen und Kooperationen, etwa durch die Entwicklung einer Ganztagsgrundschule zum Stadtteilzentrum mit Angeboten der Familienbildung, der Gesundheitsprophylaxe, der 23 24 Deinet, Ulrich: Schule und Jugendarbeit – von der Kooperation zur freundlichen Übernahme?, in: deutsche jugend, 50. Jg. 2002, H. 7/8, S. 327-335, 332 Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zur „Stärkung und Weiterentwicklung des Gesamtzusammenhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung“. Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004. Lebenswelt einbeziehen Übergänge gestalten Vernetzungen und Kooperationen 20 Eigene Ressourcen und Kompetenzen stützen Selbststeuerung und Selbsttätigkeit fördern Arbeitswelt, der Begegnung und Beratung, mit Räumen für Feste, Familienfeiern, intergenerationelle Arbeit, kommunale und kirchliche Ereignisse. Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Gleichaltrigen, Jungen und Mädchen, Schülern und Schülerinnen und Lehrerinnen und Lehrern, aber auch ganz persönliche Krisen brechen im Kontext Schule auf. Sozialpädagogische Kompetenzen und Einflussnahme an diesem Ort ermöglichen eine direkte Bearbeitung. Dazu zählen neben Beratung und Seelsorge auch Angebote der Sucht- und Gewaltprävention, Mediation, Friedenspädagogik und des sozialen Lernens. Persönlichkeitsbildung vollzieht sich komplex und mehrdimensional. Angebote des Sports, musisch-kulturelle Projekte, Gesundheitserziehung und politische Bildung können Kinder und Jugendliche dabei unterstützen. Wenn Kinder und Jugendliche eigene Ressourcen und Kompetenzen auch im außerunterrichtlichen Bereich einbringen können, wird ihr Selbstvertrauen gestärkt und die Persönlichkeit stabilisiert. Selbststeuerung und Selbsttätigkeit spielen für Kinder eine herausragende Rolle. Schule kann durch Kooperationen mit Sozialpädagogik dafür Betätigungsfelder einrichten, indem Engagementformen unterschiedlicher Art – durch Musik, Kunst, Kultur, Tanz, entwicklungspolitische Aktivitäten bis hin zu sozialer Arbeit – entwickelt werden. Vorteile für die Schule Für die Schule bedeutet eine Zusammenarbeit mit außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit einen wichtigen Beitrag zu ihrer pädagogischen Weiterentwicklung. Bezug zu Lebenswelten Lernen am anderen Ort Mitwirkung und Mitbestimmung Schule öffnen Aufgrund der Anreicherung mit sozialpädagogischen und/oder gemeindepädagogischen Kompetenzen kann der Bezug zu Lebenswelten und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen auf neue Weise Bestandteil eines Schulkonzepts werden. Das hat Auswirkungen auf das Schulklima insgesamt, auf die Atmosphäre und die Ästhetik etwa der Räume, auf Umgangsformen und Rituale, auf das Lernen und die Lerneinstellung von Kindern, Jugendlichen und Lehrern. Jugendarbeit in der Schule regt an, andere Lernarrangements zu nutzen und Unterricht bzw. Lernen am anderen Ort zu ermöglichen, zum Beispiel in Räumen der Kinder- und Jugendarbeit, der Kirchen, Sportvereine, Beratungsstellen, sozialen, kirchlichen und kommunalen Einrichtungen oder anderen Lernorten. Jugendverbandliche Handlungsprinzipien wie Ehrenamtlichkeit, Partizipation und Mitwirkung und Mitbestimmung als Prinzipien schulischer Arbeit demokratisieren die Schule von innen.25 Die Mitarbeit außerschulischer Akteure in der Schule setzt Kräfte frei, die Schule zu öffnen und sie im Gemeinwesen zu vernetzen. Dies kann zum Beispiel durch sozialräumlich orientierte Projekte erfolgen, aber auch Schulen zu kulturellen Stadtteiloder Dorfzentren werden lassen, in denen Familien unterstützende Angebote oder auch Angebote für Menschen anderer Generationen und unterschiedlicher Lebenssituationen gemacht werden. Bei solchen offenen Arbeitsansätzen hat die Jugendarbeit traditionell einen Kompetenzvorsprung gegenüber der Schulpädagogik. 25 Vgl. das BLK-Programm „Demokratie lernen & leben. Schule in der Zivilgesellschaft“, www.blk-demokratie. de. In niederländischen Schulen werden Lehrkräfte seit längerem dabei ausgebildet, im Team mit nichtlehrendem Personal zum Wohl der Kinder zu arbeiten. Vgl. z.B. Projekt „Teamonderwijs op Maat“ des Schulbegleitungsdienstes MHR-Bodegraven/NL. www.teamonderwijs.nl. 21 Durch die Vernetzung der verschiedenen Arbeitsbereiche sozialpädagogischer oder gemeindepädagogischer Partner mit der Schule wird diese zu einem Ort der Begegnung und des Miteinander-Lernens unterschiedlicher Generationen und von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen (Integration). Die Mitarbeit mehrerer freier Träger in einer Schule kann dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler auch in der Schule mit Pluralität und eigener Entscheidung zwischen unterschiedlichen Angeboten zu konfrontieren.26 Miteinander-Lernen unterschiedlicher Generationen Pluralität Vorteile für die Kinder- und Jugendarbeit Die Zusammenarbeit mit Schule bedeutet für die Kinder- und Jugendarbeit einen erheblichen Kompetenzgewinn und das Erschließen neuer Aufgabenfelder: Jugendarbeit ist präsent an dem Lebensort von Kindern und Jugendlichen, an dem sie sehr viel Zeit verbringen. Das gibt ihr die Möglichkeit, bekannter zu werden, ansprechbar und erlebbar zu sein sowie Kinder und Jugendliche in dem Lebensort Schule unmittelbar selbst wahrzunehmen und zu erleben. Kinder- und Jugendarbeit hat in der Schule Zugang auch zu den Kindern und Jugendlichen, die von den Angeboten außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit bisher nicht erreicht wurden, d.h. zu neuen Zielgruppen. Traditionell sind etwa 10 % der Jugendlichen Mitglieder in Jugendverbänden bzw. kirchlicher Jugendarbeit; weitere 10 % nehmen Angebote von Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit punktuell in Anspruch. Die Teilnehmer/innen und Mitglieder in der Jugendarbeit werden tendenziell immer jünger. Sie kommen – insbesondere in der kirchlichen Jugendarbeit – bisher überwiegend aus der sozialen Mittelschicht. Kooperation mit der Schule ermöglicht der Kinder- und Jugendarbeit auch den Zugang zu den Kindern und Jugendlichen, die der Herkunft nach eher zu den Benachteiligten gehören, etwa auch zu Migrantinnen und Hauptschülern. Mitarbeit in Schule bietet der Jugendarbeit die Möglichkeit, ihre Arbeit an einem ihr bisher fremden Ort zu gestalten und aus dieser Verfremdung kreatives Potential zu schöpfen für ihre weitere Profilbildung und Konzeptionsentwicklung. Sie kann dadurch ihr eigenes Profil klarer herausarbeiten und darstellen. Die Kooperation mit der Schule ermöglicht es der Jugendarbeit, Arbeitsformen zu entwickeln mit einem hohen Grad an Verbindlichkeit der Teilnahme und unter Rahmenbedingungen, die dem Referenzsystem der Schule unterliegen. Dies eröffnet neue und andere Möglichkeiten von projektorientierten Arbeitsansätzen sowie des sozialen Lernens und der Begleitung und Aufarbeitung von Übergängen. Die Kooperation mit der Schule ermöglicht der Jugendarbeit, Institutionen und Arbeitsfelder im Gemeinwesen zu vernetzen, Synergien zu erreichen und neue Arbeitsformen zu entwickeln. Chancen ergeben sich insbesondere für die kinder- und jugendpolitische Kompetenz im Ort/in der Region. Arbeit in der Schule eröffnet der Jugendarbeit Möglichkeiten, finanzielle Ressourcen für Personal und weitere Aufwendungen durch Refinanzierung zu erschließen und in Zusammenarbeit mit der Schule alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu entdecken. 26 Das Land Brandenburg stellt im Blick auf die Beteiligung von Schulen am Ganztagsschulprogramm unter anderem die Bedingung, dass sie mit mindestens drei außerschulischen Trägern Kooperationsvereinbarungen treffen. Präsenz am Lebensort Neue Zielgruppen Zugang zu Benachteiligten Eigenes Profil Begleitung und Aufarbeitung von Übergängen 22 Bürgerschaftliches Engagement Die Kinder- und Jugendarbeit kann bürgerschaftliches Engagement auch im schulischen Kontext entwickeln, dieses Kinder, Eltern und Lehrkräfte erleben lassen und in die eigenen Bezüge wie in die Öffentlichkeit einbinden. 9. Formen der Zusammenarbeit Es gibt inzwischen eine Reihe von Arbeitshilfen mit Beispielen aus der Praxis der Zusammenarbeit von Schule und Jugendarbeit.27 Im Folgenden werden unterschiedliche Ansätze aufgezeigt und idealtypisch systematisiert. Die hier vorgestellten Praxisansätze werden zunächst nicht nach Schulstufen differenziert und beziehen sich vor allem auf offene oder teilweise gebundene Formen. Themenspezifische Angebote zu konkreten Anlässen Themenspezifische Projekte Strukturelle Anlässe Thematisch-inhaltliche Anlässe Schule und Kinder- und Jugendarbeit bzw. gemeindepädagogische Arbeit können in Teilbereichen schon auf langjährige intensive Erfahrungen miteinander zurückblicken. Die Evangelische Schüler/innenarbeit und die Evangelischen Akademien, Jugendbildungsstätten und Kirchenkreisjugenddienste, einzelne gemeinde- und sozialpädagogische Mitarbeiter/innen in Kirchengemeinden und Verbänden sowie die Diakonie sind seit langem Partner von Schulen. Dabei handelt es sich meist um konkrete, themenspezifische Kooperationsprojekte, die sowohl strukturelle als auch inhaltliche Anlässe haben. Strukturelle Anlässe sind Projektwochen, Exkursionen oder Landschulwochen, die die Schule bzw. einzelne Klassen durchführen und zu deren Gestaltung nichtschulische Partner/innen einbezogen werden. Andere strukturelle Anlässe können auch Angebote von Jugendverbänden oder freien Trägern der Kinderund Jugendbildung sein, die sie Schulen unterbreiten, etwa Tage ethischer/religiöser Orientierung, religionsphilosophische Schulwochen28, erlebnis- oder kulturpädagogische Projekte. Thematisch-inhaltliche Anlässe können sowohl schulspezifisch als auch lebensweltbezogen sein, z.B. Gewalt an der Schule, das Klassenklima, Fragen nach Geschlecht und Sexualität, Weltreligionen; die Frage nach dem Lebenssinn; ethnische, religiöse oder kulturelle Konflikte, gesellschaftspolitische Fragestellungen wie Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit, entwicklungspolitische 27 Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Hg.): Wege zur Kooperation. Evangelische Kinder- und Jugendarbeit und Ganztagsschule, aej Hanover 2004, www. evangelische-jugend.de; Arbeitsgemeinschaft Ev. Schülerinnen- und Schülerarbeit (Hg.): Jugendarbeit und Schule. Schulbezogene Arbeitsformen in den Evangelischen Schülerinnen- und Schülerarbeiten. AES Berlin 2004, www.aes.schuelerinnenarbeit.de; Forker, Heike/Schwendemann, Wilhelm: Kooperation von Schule, Jugendarbeit und Sozialarbeit. Wunschtraum oder Realität? Freiburg, Kontaktstelle für praxisorientierte Forschung an der Evang. Fachhochschule Freiburg, 1999; Cordes, Martin/Filbir, Jürgen/Petersen, Inge (Hg.): Schule – Jugendarbeit – Kirche. Konzepte und Projekte, Evangelische Fachhochschule Hannover, Blumhardt Verlag 2003; Fachbereich Kinder- und Jugendarbeit im Zentrum für Bildung der EKHN (Hg.): Grenzgang zwischen Jugendarbeit, Schule und Seelsorge. Schulseelsorge in der EKHN, Darmstadt o.J., www.ev-jugend.de/ekhn; Stadtjugendring Halle/Saale (Hg.): Schulbezogene Jugendarbeit. Angebote der Jugendarbeit für Schulen und Berufsschulen, Villa Jühling e.V. Halle 2004, www.villajuehling.de. Evangelische Schülerinnen- und Schülerarbeit (Hg.): Kooperation von Kirche und Schule in Nordelbien. Hamburg, Plön o.J. (2004), www.koppelsberg.de. Vgl. auch die Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung, www.ganztagschulen.org; Ideen für mehr! Ganztägig lernen. – Das Ganztagsschulportal der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Begleitprogramm zum IZBB, www.ganztaegig-lernen.de. 28 Zu den Tagen der ethischen Orientierung vgl. beispielsweise das TEO-Projekt in Mecklenburg-Vorpommern: TEO Leitfaden. Modell schulkooperativer Bildungs- und Erziehungsarbeit von Schulen und Kirchen in MecklenburgVorpommern, Amt für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, o.O. (Schwerin) o.J. (2004), www.teoinmv.de; zum Modell der religionsphilosophischen Schulwochen: Dorgerloh, Stephan/ Höck, Dorothea/ Waldmann, Klaus (Hg.): Alles bleibt anders. Politische Jugendbildung in Ostdeutschland - Ansprüche, Wirkungen, Alternativen. Schwalbach/Ts.: Wochenschauverlag 2003; Reich, Christian: Religionen aller Länder… Religionsphilosophische Schulprojektwochen, in: Arbeitsgemeinschaft Ev. Schülerinnen- und Schülerarbeit (Hg.): Jugendarbeit und Schule, Berlin 2004, S. 45-47. 23 Themen, interreligiöser oder interkultureller Dialog usw. Meist suchen Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Schülerinnen und Schüler nach geeigneten Wegen, derartige Fragestellungen mit anderen als den üblichen schulisch-unterrichtlichen Methoden zu bearbeiten. Dabei treten sie an sozial- und gemeindepädagogische kirchliche Mitarbeiterinnen oder an Träger der außerschulischen Jugendbildung heran mit dem Ziel einer punktuellen Kooperation in gemeinsamen Bildungsprojekten, oft über mehrere Tage an einem nichtschulischen Ort. Chancen liegen darin, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern durch Einbeziehung verschiedener Arbeitsansätze in der Verschränkung von Erlebnis-, Gruppen-, Religions-, Kultur- und Sozialpädagogik in relativ kurzer Zeit mit einem überschaubaren Aufwand intensive Erfahrungen machen und aufarbeiten können. Derartige Arbeitsformen sind natürlich nicht an ganztägige Schulkonzepte gebunden, aber eine Grundlage für weitergehende Schritte der Kooperation. Ergänzende Angebote und Arbeitsgemeinschaften Offene Ganztagsschulen suchen zunehmend Partner zur Ausgestaltung der außerunterrichtlichen Freizeitbetreuung, der Förderangebote und von Arbeitsgemeinschaften. Konkret kann das heißen, einmal oder mehrmals wöchentlich am Nachmittag in der Ganztagsschule AGs oder Projekte anzubieten, die von den Schülerinnen gewählt werden können. Gemeindepädagoginnen und Sozialpädagogen können Themenvorstellungen unterbreiten oder auch mit Schülerinnen und Schülern gemeinsam Themen und Aufgabenstellungen erarbeiten. In solchen Arbeitsformen können über einen klar definierten Zeitraum (z.B. ein Schulhalbjahr) unter verbindlicher Teilnahme Produkte erarbeitet und abschließend auch präsentiert werden. Es bieten sich musikalische und schauspielerische Projekte wie Theater und Musical ebenso an wie die Erarbeitung von Ausstellungen und Vernissagen zu entsprechenden Themenbereichen. Geeignet sind auch soziale Projekte, etwa in Kooperation mit einem Senioren- oder Pflegeheim oder mit einer Kindertageseinrichtung am Ort. Ebenso kommen entwicklungspolitische oder ökumenische Themen und Projekte in Betracht.29 Inhaltliche Anknüpfungspunkte bieten zum Beispiel Ereignisse, die in der Öffentlichkeit ohnehin anstehen und bei denen das Engagement von Kirche und Schule gleichermaßen erwartet oder ermöglicht wird. Das können Dorf-, Stadt-, Kirchenoder Klosterjubiläen sein, Geschichts- oder Spurensucheprojekte anlässlich von Gedenktagen mit dem Ziel einer Ausstellung, die Erarbeitung einer Schüler- oder Stadtteil- bzw. Ortskinderzeitung, Video- oder Internetprojekte oder die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern zu „Fremdenführern“ des Ortes, aber auch Park- oder Spielplatzgestaltungen, die kontinuierliche Begleitung einer Kindergartengruppe beim Englischlernen oder der Aufbau von Partnerschaften mit Wohngruppen in Behinderteneinrichtungen. Konkrete Projekte können sich auch ausgewählten Ländern, Nationalitäten, Kulturen, Religionen oder auch Zukunftsthemen widmen. Sehr interessant sind Angebote, bei denen die Teilnehmer/innen in dem Kurs oder der AG zusätzliche Zertifikate erwerben. So bieten etwa Hilfsorganisationen Babysitterkurse und Erste-Hilfe-Lehrgänge an Ganztagsschulen an.30 Für die evangelische Kinder- und Jugendarbeit sind Mitarbeiterschulungen zur Vorbereitung 29 30 Vgl. Führing, Giesla/Mané, Albert Martin (Hg.): Globales Lernen im Schulalltag. Beiträge zu einem Wettbewerb, Münster u.a., 2001; Führing, Gisela (Hg.): Das globale Klassenzimmer. Beiträge zu einem Wettbewerb, Münster u.a., 2003. Vgl. Bildungsangebote der Hilfsgesellschaften für Ganztagsschulen in Niedersachsen, http://cdl.niedersachsen. de; www.mk.niedersachsen.de. Partner für Freizeitbetreuung und Förderung Definierter Zeitrahmen Verbindliche Teilnahme Inhaltliche Anknüpfungspunkte Mitarbeiterschulungen 24 konkreter sich daran anschließender Maßnahmen, Trainings für Gruppenleiter in der Arbeit mit Kindern oder die Gruppenleiterschulung mit Erwerb der Jugendleitercard denkbar.31 Natürlich sollten sich solche Kurse nicht allein auf den schulischen Kontext beschränken, sondern außerschulische Praxisfelder mit einbeziehen. Aber der Grundstock kann durchaus in der Schule gelegt werden. Komplettangebot Betreuung, Freizeit und Förderung Konzept für die Nachmittagsbetreuung Leistungsvereinbarung Fachpersonal Vereinbarung über Standards Während beispielsweise im Land Brandenburg die schulischen Nachmittagsangebote von mehreren unterschiedlichen Trägern durchgeführt werden sollen, werden in offenen Ganztagsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen auch „Komplettanbieter“ für den Nachmittag gesucht. Dieses ist die dritte Kategorie des Engagements von Kirche, evangelischer Kinder- und Jugendarbeit oder Diakonie in der Schule: Ein freier Träger erarbeitet ein Konzept für die Nachmittagsbetreuung einschließlich oder unabhängig von der Mittagessenversorgung. Zu dem Konzept gehören die Betreuung in der Freizeit, bei Spiel und Spaß sowie Sport-, Kreativ- und andere Bildungsangebote über den Zeitraum vom Unterrichtsschluss bis zu einem festgelegten Endpunkt (z.B. 16.00 Uhr), eventuell auch eine Morgenbetreuung vor dem Unterrichtsbeginn. Die Schule hat damit im Sinne einer Leistungsvereinbarung die Verantwortung für die Koordination und Organisation des Nachmittagsangebots einem Dritten übertragen. Der freie Träger kann im Rahmen schulischer Regeln eigenverantwortlich arbeiten. Das schließt die Anstellung entsprechenden Fachpersonals durch den Träger und die entsprechende Refinanzierung durch die Schule ein. Derartige Modelle werden in unterschiedlichen Bundesländern bereits seit einigen Jahren erprobt. Freie Träger sind etwa Kirchenkreisjugenddienste, Jugendverbände wie der CVJM oder die Diakonie.32 Für die Kirche oder den Verband bedeutet dies eine erhebliche Verantwortung und Herausforderung, und bietet zugleich die Chance, das eigene Profil in Schule einzubringen, aber auch andere Träger zu Einzelangeboten und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen einzubeziehen. Bedingung für diese Arbeitsform ist eine detaillierte Kooperationsvereinbarung, die den finanziellen Rahmen, fachliche, personelle und inhaltliche Standards festlegt und den Zeitraum der Kooperation enthält. Außerdem muss der Träger über die entsprechende Logistik der Personalverwaltung und -führung verfügen. 31 32 Vgl. z.B. das Schülermentor/innen-Programm des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg, in: Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Hg.), a.a.O. (s. Anm. 27), S. 56-59; Smap – Weil’s um mehr geht. Schülermentorinnen- und Schülermentoren-Ausbildungsprogramm der Ev. Jugendarbeit Kirchenkreis Burgdorf, in: Cordes/ Filbir/ Petersen, a.a.O. (s. Anm. 27), S. 165-170. Beipielsweise hat in Hannover im Schulzentrum Bemerode der CVJM das gesamte Nachmittagsprogramm übernommen: www.schulzentrum-bemerode.de; vgl. auch den Schülertreff des CVJM Adlerbrücke in Wuppertal, der im CVJM-Haus in Nachbarschaft zur Schule den Schülertreff einer Ganztags-Gesamtschule gestaltet, in: Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Hg.), a.a.O. (s. Anm. 27), S. 33-36, www.cvjm-adlerbrücke.de. Vgl. auch das Ökumenische Schüler(innen)-Café Hassfurt in gemeinsamer Trägerschaft des Ev.-luth. Dekanats Rügheim und der Diözese Würzburg, das am Schulzentrum Hassfurt (Hauptschule, Realschule und Gymnasium) einen Offenen Treff mit Spiel- und Gruppenangeboten, Ganztagsbetreuung mit Mittagsverpflegung und Hausaufgabenbetreuung sowie Streitschlichterprogramme und Tage der Orientierung anbietet, in: Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Hg.), a.a.O. (s. Anm 27), S. 45-47. In Nordrhein-Westfalen hat das Diakonische Werk der Westfälischen Kirche eine praxisorientierte Arbeitshilfe zur Ausgestaltung der Rahmenbedingungen eines Nachmittags-Betreuungs-, Freizeit- und Bildungsangebotes an Ganztagsgrundschulen herausgegeben: Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen/Evangelischer Fachverband für Erziehungshilfen; Amt für Jugendarbeit/Evangelischer Fachverband der Tageseinrichtungen für Kinder in den Diakonischen Werken Westfalen und Lippe (Hg.): Wir gestalten mit! Kooperation mit der Offenen Ganztagsgrundschule NRW. Informationen zur Beteiligung für evangelische und diakonische Träger, o.O. (Münster) o.J. (2004). 25 Sozialraumorientierte Betreuungs-, Bildungs- und Beratungsarbeit Schulen eröffnen aufgrund ihrer logistischen Ressourcen (Räume und Sozialstruktur in zentraler Lage eines Stadtteils oder einer Region) Möglichkeiten, über den engeren schulischen Rahmen hinaus auch für andere sozialraumorientierte Beratungs-, Begegnungs- und Bildungsangebote genutzt zu werden. Ganztagsschulen können damit zu regionalen Begegnungs- und Beratungszentren, Nachbarschafts- oder Stadtteilzentren33 werden. Auch hierfür können eine evangelische Kirchengemeinde, ein Jugendverband oder die Diakonie die Trägerschaft übernehmen. Beispielsweise gibt es Schulen, die ihr Mittagessenangebot und ihre Mensa Menschen aus dem örtlichen Umfeld zugänglich machen und/oder mit einer Kindertageseinrichtung kooperieren. Sozialarbeiter/innen bieten in Schulen Begegnungsmöglichkeiten für Migrantinnen und Beratung oder Bildungskurse für Familien an. Die Räume der Schule werden als Begegnungsstätte auch für Familienfeiern, Sitzungen, Bildungskurse, Feste und Feiern genutzt. Schulische Sport- und Freizeiteinrichtungen stehen anderen Gruppen und Sportvereinen offen. Der Schulhof wird zum Stadtteil-Spiel-, Sport-, Abenteuer- und Begegnungsplatz umgestaltet. Die Mittagessenversorgung und das Schülercafe werden in Form eines Jugendsozialprojekts durch arbeitslose Jugendliche betrieben. Die Schule kooperiert eng auch mit ortsansässigen Firmen, die Schülerinnen und Schülern Einblicke in die Arbeitswelt und Unterstützung der beruflichen Orientierung bieten, die Informationsmöglichkeiten der Schule als Jobbörse nutzen und sich selbst in die Gestaltung des Schullebens einbringen. Die Schule kann sozialer Dreh- und Angelpunkt des Gemeinwesens werden und dadurch wesentlich zur Lebensqualität des Umfelds beitragen. Als Nachbarschaftsoder Stadtteilzentrum ermöglicht sie Schülerinnen und Schülern, unmittelbar soziales und bürgerschaftliches Engagement zu erleben. Nachbarschafts- oder Stadtteilzentren Begegnungsmöglichkeiten für Migrantinnen Bildungskurse für Familien Jugendsozialprojekt durch arbeitslose Jugendliche Übergang Schule - Beruf Soziales und bürgerschaftliches Engagement Stadtteilkonferenzen oder regionale Arbeitskreise Eine andere Form des Engagements evangelischer Kirche in der Schule und der Kooperation von Ganztagsschule mit anderen Trägern bezieht sich auf das Wohnumfeld und seine Bedingungen insgesamt. Schulentwicklung und -öffnung sind ebenso wie kirchliche und verbandliche Kinder- und Jugendarbeit darauf angewiesen, in ein Gemeinwesen eingebunden zu sein und sich darin zu engagieren. Regionale Arbeitskreise, soziale Foren oder Stadtteilkonferenzen sind Formen, in denen die regionalen Verhältnisse und Bildungschancen zur Sprache kommen. Sie sind eine Plattform, auf der jenseits formalisierter parlamentarischer oder verbandlicher Strukturen die Belange von Kindern, Jugendlichen und Familien in den Blick kommen und die Arbeit mit ihnen in Schule, Kommune und Kinder- und Jugendarbeit vernetzt werden kann. Schule und Kirche engagieren sich zunächst unabhängig von ihren institutionellen Sichtweisen, können aber ihre jeweiligen Ressourcen wechselseitig einbeziehen und nutzen. Dazu bietet sich eine Ganztagsschule, die auch am Nachmittag oder bis in die Abendstunden offen ist, eher an als die Halbtagsschule, die mittags schließt. 33 In Hamburg wird im Rahmen des BLK-Projekts „Demokratie leben und lernen. Schule in der Zivilgesellschaft“ (www.blk-demokratie.de) am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg das Projekt „Projektlernen, Stadtteilarbeit“ mit dem Schwerpunkt Ganztagsschulen entwickelt, www.li-hamburg.de. Zur Einbeziehung einer Schule in die gesamte Stadtteilentwicklung siehe z.B. die Hamburger Schule Altonaer Straße; vgl. Schanze Quartiers-Management Nr. 6/11.2001, Hamburg 2001, www.schanzen.info.de. Als Beispiel einer Stadtteilorientierung aus schulischer Perspektive siehe die Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck in Trägerschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, die sich unter dem Kürzel „F E L S“ als Familienschule, Erziehungsschule, Lebensschule und Stadtteilschule versteht, www.e-g-g.de. Gemeinwesen Regionale Arbeitskreise Stadtteilkonferenzen 26 Was in Kooperationsprozessen nützlich ist Für eine Erfolg versprechende Kooperation von Schule und außerschulischen Trägern der Kinder- und Jugendarbeit sollten folgende Schritte beachtet werden: 1. Am Ort der einzelnen Schule nennen die Beteiligten aus Schule und Jugendarbeit ihre Ziele, arbeiten gemeinsame Ziele heraus und vereinbaren ein konkretes Projekt, um Erfahrungen mit der Zusammenarbeit zu sammeln. Gemeinsame Ziele Kooperation aktiv gestalten 2. Die Kooperation ist von beiden Seiten aus aktiv zu gestalten, indem Rollen geklärt, Verantwortlichkeiten deutlich übertragen und übernommen werden. Auch sind die einzelnen Arbeitsschritte transparent zu planen und Vorhaben abzusprechen. Schließlich ist von Anfang an einzuplanen, dass Prozesse und Ergebnisse regelmäßig überprüft und reflektiert werden. Partner des lokalen Netzwerks „Bildung“ 3. Wichtig für die Ganztagsschule ist es, möglichst alle Beteiligten des schulischen Umfelds in die Entwicklungsprozesse mit einzubeziehen: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Schulträger, kommunale, kirchliche und andere Partner des lokalen Netzwerks „Bildung“. Kompetenzpartnerschaft 4. Kompetenzpartnerschaft ist ein wichtiges Schlagwort: Die soziale, kulturelle, bildnerische oder sportliche Fachkompetenz der Kooperationspartner ist anzuerkennen, einzubeziehen und zu stärken. Erprobungsphase 5. Ein Schutz vor Überforderung ist die Vereinbarung einer Erprobungsphase. Die Kooperation kann in überschaubaren Schritten ausprobiert und von allen Beteiligten ausgewertet werden. 6. Die Erprobung der Kooperationen sollte dann auch systematisch evaluiert werden: Qualitätsmanagement ist das entsprechende Schlagwort. Die kontinuierliche Reflexion und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit an einer Ganztagsschule stützt die Entwicklung von Professionalität der Schul- und SozialpädagogInnen. Sie bringen ihre je eigenen Perspektiven ein und beziehen sie aufeinander. Qualitätsmanagement Professionalität 7. Aus der Kooperation erwächst ein neuer Bedarf an Fortbildung, die für Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen/Gemeindepädagogen gemeinsam zu organisieren sein wird. Bedarf an Fortbildung 10. Was hat die evangelische Kirche mit Ganztagsschulen zu tun? Herausforderung Ganztagsschule Bildungsdiskurs der Gesellschaft Soziale Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheit Es gehört zum Selbstverständnis der evangelischen Kirche, sich am Bildungsdiskurs der Gesellschaft mit den eigenen Sichtweisen des Menschen und eigenen Begründungen der Verantwortung für Bildung zu beteiligen.34 Dies gilt insbesondere auch in der gegenwärtigen Situation, in der soziale Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheit im deutschen Schulsystem nicht ausgeglichen werden, sondern ein hoher Anteil von 34 Kirchenamt der EKD (Hg.): Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissensund Lerngesellschaft, Denkschrift des Rates der EKD, Gütersloh 2003; Kirchenamt der EKD (Hg.): Perspektiven für Jugendliche mit schlechteren Startchancen. Stellungnahme des Rates der EKD, Hannover 2003; Kirchenamt der EKD (Hg.): Ganztagsschule – in guter Form! Stellungnahme des Rates der EKD, Hannover 2004. 27 Kindern und Jugendlichen durch mangelhafte Lernerfolge keine Berufschancen und dadurch nur eingeschränkte Lebensperspektiven und Teilhabemöglichkeiten erhält und insbesondere die Integration von Menschen mit besonderen Förderbedürfnissen wie Migrantinnen und Migranten nur ansatzweise gelingt. Das Thema Ganztagsschule bedeutet für die evangelische Kirche darüber hinaus konkret eine Reihe von Herausforderungen: – Ganztagsmodelle der Schulen verändern die verfügbare Zeit von Kindern und Menschen mit besonderen Förderbedürfnissen Verfügbare Zeit Jugendlichen und damit auch die Zeiten für Kinder- und Jugendarbeit. – Ganztagsmodelle verändern den Unterricht und die Zeitstruktur des Schultags, auch mit Auswirkungen auf das schulische Unterrichtsfach Evangelische Religion und seine Lehrkräfte. – Ganztagskonzepte gibt es auch bei allgemeinbildenden evangelischen Schulen in freier Trägerschaft mit der Tendenz, diese Schulform auszubauen und weiter zu profilieren. – Ganztagsmodelle sind eine Reaktion auf familien-, frauen- und sozialpolitische Erfordernisse mit Auswirkungen auf die familialen und sozialen Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen, die auch die kirchliche Arbeit und kirchliches Engagement betreffen. – Kirchengemeinden und andere Träger evangelischer Kinder- und Jugendarbeit sowie die Diakonischen Werke sind mögliche Kooperationspartner der Ganztagsschule. Bezüglich ihrer Angebote kann an vielfältige Erfahrungen in der schulbezogenen Arbeit angeknüpft werden. Es müssen aber auch neue Formen entwickelt und ausgebaut werden. Dazu zählen sozialraumorientierte Familienarbeit sowie generationenübergreifende und integrative Projekte. – Schulbezogene Arbeitsformen bedeuten ein verändertes Berufsprofil und Veränderungen in der Ausbildung von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Pfarrerinnen und Pfarrer. Diese Herausforderungen verunsichern zunächst und lassen hin und wieder die Befürchtung aufkommen, dass die Ganztagsschule den Familien und den Gemeinden die Kinder und Jugendlichen „wegnimmt“. Es könnte in Wirklichkeit aber auch umgekehrt sein: das gemeindliche Angebot des Kinder-Gospel-Chors oder der Theatergruppe in den Räumen der Schule könnte die Kinder ansprechen, die bisher keine Beziehung zur kirchlichen Kinderarbeit hatten. Der Schule werden die aus der Sozialarbeit eingebrachten Prinzipien von Partizipation und Freiwilligkeit sicher nützen, und wer in der Schule ehrenamtliche Tätigkeit lernen darf, wird sich vermutlich auch außerhalb der Schule danach umsehen. Ganztagsschulen sind eine Chance für kirchliche Kinder- und Jugendarbeit!35 In Rheinland-Pfalz sind die evangelischen Landeskirchen gegenwärtig der größte Kooperationspartner von offenen Ganztagsschulen; unter den elf kooperierenden Verbänden stellen sie 45 % der pädagogischen Angebote. Unterrichtsfach Evangelische Religion Allgemeinbildende evangelische Schulen Familien-, Frauen-, und sozialpolitische Erfordernisse Kirchengemeinden Kinder- und Jugendarbeit Kooperationspartner Verändertes Berufsprofil Gemeindepädagog/innen Chance für kirchliche Arbeit Evangelische Schulen Viele Evangelische Schulen in freier Trägerschaft haben langjährige Erfahrungen mit ganztägigen Konzepten. Das trifft in besonderer Weise zu für die Internatsschulen, aber auch für eine Reihe von Schulen, die als Ganztagsschulen mit reformpädagogischen Konzepten arbeiten sowie die meisten der neu gegründeten Grundschulen 35 Vgl. Lübking, Hans-Martin: Die Jugend ist in der Schule. Ganztagsschule und Evangelische Kirche, in: Loccumer Pelikan Heft o.J. (2004), H. 1, S.31-37. Erfahrungen mit ganztägigen Konzepten 28 Internatsschulen In den neuen Bundesländern Ausbau eines ganztägigen Schulkonzepts in den neuen Bundesländern. Evangelische Schulen als Internatsschulen wurden häufig in Gebieten der Diaspora oder in ländlichen Regionen mit einer begrenzten Anzahl an Internatsplätzen gegründet. Für die Internatsschülerinnen und -schüler ist Schule „ganztägig“, für die „externen“ Schülerinnen und Schüler, häufig die Mehrheit, ist dieselbe Schule dagegen halbtägig. Allerdings haben sich die Bedingungen und Konzepte im Laufe der Zeit dahingehend verändert, dass die Internate verkleinert, in eigene Trägerschaft gestellt, aus Kostengründen aufgelöst oder in „Tagesinternate“ für einen Teil der Schülerinnen und Schüler umgewandelt wurden. Eine genaue Aussage über die Anzahl evangelischer Schulen in offener, teilweise gebundener oder gebundener Ganztagsform ist kaum möglich. Ebenso besteht derzeit kein Überblick darüber, in welchem Umfang die Internate eigene, separate Einrichtungen oder Teil eines pädagogischen Gesamtkonzepts der Schule sind. Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Schulbünde e.V. zählt im Jahr 2002 36 evangelische Internate unter ihren Mitgliedern, darunter je eins an einer berufsbildenden und sonderpädagogischen Schule.36 Einige evangelische Schulen bezeichnen sich ausdrücklich als Ganztagsschule (z.B. CJD-Christophorusschule Braunschweig, Internat Gymnasium Weierhof in Bolanden, Ev. Schulzentrum Michelbach). Sie haben zusätzlich für einen Teil der Schülerinnen und Schüler auch ein Internat. Ein Landschulheim hat die Schüler /innen ausschließlich ganztägig im Haus. Das evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Schweich bei Trier wurde 1999 als Ganztagsschule in gebundener Form gegründet. In den neuen Bundesländern bieten nahezu alle evangelischen Schulen ein Mittagessen an, viele sind als „offene“ Ganztagsschule konzipiert, d.h. mit freiwilligem Nachmittagsangebot oder angegliedertem Hort. Die meisten Schulen streben den Ausbau eines ganztägigen Schulkonzepts an, eine ganze Reihe beteiligt sich an dem Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung der Bundesregierung.37 Evangelische Schulen mit Internaten und anderen ganztägigen Formen haben auch Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, mit Sozialpädagogik, mit anderen Partnern wie Sportvereinen und Musikschulen. Allerdings hat die institutionelle Trennung von Schule und Internat eher parallele Entwicklungen gestützt und nur in seltenen Fällen ein abgestimmtes und aufeinander bezogenes pädagogisches Konzept der Einrichtungen ermöglicht. Die Zusammenarbeit von Schul- und Sozialpädagogen hat sich vor allem als arbeitsteilig getrennte entwickelt. Gemeinsame schulinterne Fortbildungen von Lehrkräften und Sozialpädagogen mit dem Ziel der kooperativen Weiterentwicklung ist noch kaum entwickelt, zeichnet sich aber als Bedarf ab. Dies wird von einigen Einrichtungen ausdrücklich artikuliert. Bei den aktuellen Bestrebungen, auch evangelische Schulen zu Ganztagsschulen zu machen, haben Schulen mit (ehemaligen) Internaten durch die räumlichen Bedingungen (Küche, Mensa, Aufenthaltsräume für Schülerinnen und Schüler, Werkräume) begünstigende Bedingungen und ausbaufähige Vorteile für die weitere Entwicklung. 36 37 Korrespondenzblatt Evangelischer Schulen und Internate (Hg.): Evangelische Internate in Deutschland. Versuch einer Standortbeschreibung. Redaktion: Ulrich Klemens. Bielefeld 2002. Im Schulverzeichnis der Evangelischen Schulstiftung in Bayern (2001) werden 13 als Schulen mit Schülerheimen oder Internaten geführt (nur 7 von diesen tauchen im Verzeichnis der AG Ev. Schulbünde auf). Das Schulverzeichnis des Ev. Schulbundes Südwestdeutschland (ca. 1995) benennt an 13 seiner Schulen Internate. Von den 10 allgemeinbildenden Schulen in Trägerschaft der Ev. Kirche im Rheinland (1996) führen 5 ein Internat. Im Bereich der Ev. Kirche von BerlinBrandenburg gibt es nur ein Gymnasium mit Internat und eine Grundschule mit angegliedertem Hort. Vgl. Hallwirth, Uta: Ganztagsschule – in guter Form. Ergebnisse einer Befragung allgemeinbildender Schulen in evangelischer Trägerschaft zu ihrem Ganztagsangebot, 2004, www.evangelische-schulen-in-deutschland.de. 29 Spezialfall Konfirmandenarbeit „Die Konfirmandenarbeit orientiert sich an einer bestimmten Kirchengemeinde. Sie muss darum eigenständig bleiben und allein von der Kirche verantwortet werden.“ So wie in der Stellungnahme des Rates der EKD zur Ganztagsschule (Juni 2004) scheint weithin Einvernehmen darin zu bestehen, dass Konfirmandenarbeit nicht als Bestandteil ganztägiger Schulangebote durchgeführt werden soll.38 Der Rat der EKD betont in dieser Stellungnahme die integrative Funktion der Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden und fordert, auch in ganztägigen Schulmodellen den Teilnehmenden zeitliche Freiräume zu sichern. Bisher wird es in vielen Fällen so praktiziert, an Ganztagsschulen der Sekundarstufe I einen Nachmittag für Konferenzen der Lehrkräfte vor und von Angeboten für Schülerinnen und Schüler freizuhalten. An diesem Nachmittag ist Zeit für die Konfirmandenarbeit der Kirchengemeinden. In einigen Bundesländern ist der erforderliche Freiraum im Rahmen eines Erlasses des Kultusministeriums geregelt.39 Die Praxis wird zeigen, ob diese strikte Trennung in jedem Fall realisiert werden kann oder sinnvoll ist. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen für außerschulische Arbeit, wozu auch die Veränderung der Schule gehört, müssen zum Anlass genommen werden, auch kirchliche Konzeptionen zu überprüfen. Die demografische Entwicklung in vielen Regionen mit dem Umbau sozialer Infrastrukturen, die Vergrößerung der Einzugsbereiche für Schulen in der Sekundarstufe I, die Verkürzung der Abiturszeit auf acht Jahre mit der Ausweitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl und die verstärkte Entwicklung ganztägiger Schulkonzepte führen auch zu Veränderungen der übrigen Bildungslandschaft und haben Auswirkungen auf die Familien. Schulen sind oft die einzige zentrale Sozialisationsagentur und kultureller Mittelpunkt in einer ausdifferenzierten Lebenswelt. Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule. Auch kirchliche Strukturen verändern sich, und neue Formen der Arbeitsorganisation müssen entwickelt werden: Pfarrbereiche werden vergrößert und zentralisiert; die Struktur kirchlicher Jugendarbeit wird schwächer. Die Frage, ob nicht Konfirmandenarbeit am Ort der Ganztagsschule als ein Projektangebot oder eine AG angeboten werden sollte, wird sich künftig mit der Zunahme von Ganztagsschulen im Sekundarbereich vermehrt stellen. In den Landeskirchen wird inzwischen konstruktiv, wenn auch durchaus unterschiedlich auf die Herausforderungen ganztägiger Schule reagiert. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers genannt. Konfirmandenarbeit von der Kirche verantwortet Zeit für die Konfirmandenarbeit Kirchliche Konzeptionen überprüfen Demografische Entwicklung Ausweitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl Auswirkungen auf die Familien Konfirmandenarbeit am Ort der Ganztagsschule Beispiel: Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche In Nordelbien wurde vom Pädagogisch-Theologischen Institut in Hamburg eine Handreichung erarbeitet, die sich an die Kirchengemeinden wendet. Die Handreichung enthält „Hinweise zur Organisation der Konfirmandenarbeit unter den Bedingungen von Ganztagsschulen“. Die Gemeinden werden ermutigt, ihre Konzeption der Konfirmandenarbeit zu überarbeiten. Dabei wird auf feste Vorgaben verzichtet; stattdessen werden den Gemeinden unterschiedliche Organisationsmodelle vorgestellt. Eine Checkliste soll helfen, Vor- und Nachteile des jeweiligen Systems zu erkennen und abzuwägen. Ganz im Sinn der EKD-Stellungnahme ist aber die 38 Vgl. auch: Lübking, Hans-Martin, a.a.O. (s. Anm. 35), S. 37: „Der Konfirmandenunterricht ist eine Veranstaltung der Gemeinde und muss auch in der Gemeinde stattfinden.“ 39 So heißt es im Runderlass „Die Arbeit in der öffentlichen Ganztagsschule“ des niedersächsischen Ministeriums für Kultur vom 16.03.2004 in Punkt 2.8.: „Auf die dem kirchlichen Unterricht vorbehaltenen Nachmittage ist bei der Planung des Ganztagsbetriebes Rücksicht zu nehmen. Schülerinnen und Schüler einer teilweise offenen Ganztagsschule …, die den kirchlichen Unterricht besuchen, werden für diesen Zeitraum von der Teilnahmeverpflichtung an Ganztagsangeboten … befreit.“ Schulverwaltungsblatt 5/2004, S. 219-222, 220. Konfirmandenarbeit unter den Bedingungen von Ganztagsschulen 30 Grundentscheidung klar: Konfirmandenarbeit ist kein Projekt der Ganztagsschule, sondern der Kirchengemeinde. Gleichermaßen liegt in der Veränderung von Schule die Chance und die Aufgabe, das eigene Konzept zu überprüfen. Beispiel: Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers Schnittmengen Kirche und Ganztagsschulen Konfirmandenarbeit als ein Baustein Konzeptionelle Konsequenzen Sache der Gemeinden In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers ist gemeinsam vom Landesjugendpfarramt Hannover und dem Religionspädagogischen Institut Loccum eine Handreichung unter dem Thema „Schnittmengen Kirche und Ganztagsschulen“ herausgegeben worden. Ausgehend von der Erlasslage in Niedersachsen wird darin in einem ersten Teil die Kooperation aus Sicht der Schule und der Gemeinde wechselseitig in den Blick genommen. Daran anschließend werden Perspektiven der Kooperation vorgestellt. Als eine der Konkretionen dient das Verhältnis Konfirmandenarbeit und Ganztagsschule. Seitens der Landeskirche steht eindeutig fest: Konfirmandenarbeit soll nicht im Rahmen des Ganztagsschulangebotes stattfinden. Hauptbeweggrund ist die Gefahr der Verschulung, die auf dem Hintergrund der Innovationen der letzten Jahre im Bereich der Konfirmandenarbeit ein Rückschritt wäre. Außerdem wird der Gemeindebezug betont. Diese Vorgabe der Landeskirche wird in der Handreichung kritisch relativiert. Die Autoren ermutigen vielmehr dazu, sich in den Kirchengemeinden grundsätzlich über die gewünschte Nähe oder Distanz von Schule und Konfirmandenarbeit zu verständigen: Soll die Konfirmandenarbeit wie bisher völlig unabhängig von der Ganztagsschule in den verbleibenden zeitlichen Nischen stattfinden (später Nachmittag oder einziger freier Nachmittag, Wochenenden etc.), oder sucht man die Nähe zur Schule, indem Konfirmandenarbeit als ein Baustein in den Angeboten der Ganztagsschule neben anderen Arbeitsgemeinschaften und Projekten – bei Wahrung inhaltlicher (und räumlicher) Eigenverantwortlichkeit der Träger – durchgeführt wird? Beide Möglichkeiten werden in Erwägung gezogen, jede Entscheidung hat konzeptionelle Konsequenzen. Es soll Sache der Gemeinden sein, sich in Abwägung der konkreten Möglichkeiten zu entscheiden. Passt Konfirmandenunterricht in die Ganztagsschule? Verhältnis der Konfirmandenarbeit zur Schule Die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden ist derzeit konzeptionell sehr differenziert zu erleben mit unterrichtlichen, sozial- und gemeindepädagogischen, erlebnis-, kultur- und gruppenpädagogischen sowie seelsorgerlichen und kasualpraktischen Anteilen. Entsprechend beinhalten viele Konzeptionen unterschiedliche Module, die aufeinander bezogen werden. Unter den Bedingungen von Ganztagsschule stellt sich die Frage nach einer Flexibilisierung des Verhältnisses der Konfirmandenarbeit zur Schule in neuer Zuspitzung. In der Praxis sind verschiedene Modelle denkbar: Zeitliches Fenster 1. Die Schule lässt ein zeitliches Fenster für traditionelle Konfirmandenarbeit an einem festgelegten Nachmittag in der Woche, so wie dies die Erlasslage in vielen Bundesländern vorsieht. Zeiten außerhalb und unabhängig von Schule 2. Konfirmandenarbeit weicht mit ihren Angeboten aus auf die Zeiten außerhalb und unabhängig von Schule: Abende in der Woche, Sonnabende, ausgewählte Nachmittage, Wochenenden, Freizeiten und Bildungsangebote in den Ferien, Camps. Unterschiedliche Module 3. Konfirmandenarbeit und Schule lassen sich teilweise aufeinander ein. Voraussetzung dafür ist ein kirchengemeindliches/regionales Konzept der Konfirmandenarbeit, das unterschiedliche Module beinhaltet: Unterricht, Freizeiten und Camps für Erlebnis und Gemeinschaft, Projekte, Gottesdienste und Praktika in kirchengemeindlichen und diakonischen Feldern. Konfirmandinnen und 31 Konfirmanden sind gehalten, durch die Teilnahme an den Modulen Zertifikate zu erwerben, die zur Konfirmation berechtigen. In diesem Modell könnte ein Besuch des Konfirmandenunterrichts in der Ganztagsschule, beispielsweise über ein Schulhalbjahr, ein solches Modul sein. Analog zu Schulzentren könnten auch kirchengemeinde-übergreifende Konfirmandenarbeits-Zentren gebildet werden. Der Ortsgemeindebezug würde durch entsprechende Projekte wie Gemeindepraktika, Gottesdienstgestaltungen u.ä. hergestellt.40 Wenn Schule und Kirche sich für unkonventionelle neue Wege der Zusammenarbeit öffnen und Pfarrbereiche kooperieren, kommt es letztlich den Kindern und Jugendlichen und dem Anliegen der „Kommunikation des Evangeliums“ in der Alltagswelt junger Menschen zugute. Kirchliche Angebote in öffentlichen Schulen durchzuführen, eröffnet missionarische Chancen und fordert die Kirche heraus, sich der Pluralität und dem Wettbewerb zu stellen. Bisherige Erfahrungen machen Mut zu derartigen Schritten, nicht zuletzt eröffnen sie Kontakte zu Kindern und Jugendlichen, die in den herkömmlichen Kommunikationsstrukturen außen vor bleiben. Schulzentren KonfirmandenarbeitsZentren Missionarische Chancen Ganztagsschule – in guter Form! Zur gegenwärtigen Ganztagsschuldiskussion hat sich die Evangelische Kirche in Deutschland im Juni 2004 mit der bereits erwähnten Stellungnahme „Ganztagsschule – in guter Form!“ geäußert.41 Darin werden Initiativen zur Verbesserung von Schule, Erziehung und Bildung nachdrücklich begrüßt und die Bereitschaft der Evangelischen Kirche, sich dabei zu engagieren, ausdrücklich unterstrichen. Gleichfalls wird angemahnt, pädagogische Anliegen in den Mittelpunkt zu stellen. Vorrangig sind das Fragen nach den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen, nach der Qualität von Schule, nach der Bedeutung von Reformmaßnahmen für Eltern und Familien, nach der Entwicklung der Schule in der Demokratie sowie nach der konstitutiven Bedeutung außerschulischer Bildungsgelegenheiten, beispielsweise in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit. Im Blick auf Wirkungen ganztägiger Schulkonzepte wird weitere Grundlagenforschung gefordert. „Gute Schule braucht mehr als veränderte Strukturen. Zielgenaue Reformen, die eine wirksame Förderung aller Kinder und Jugendlichen – sowohl leistungsschwacher als auch leistungsstarker Schülerinnen und Schüler – ermöglichen, sind ohne weitere Ursachenforschung nicht zu haben“, heißt es in der Stellungnahme (S. 4). Sie schließt mit zwölf zusammenfassenden Thesen: Ganztagsschule – in guter Form! Pädagogische Anliegen in den Mittelpunkt stellen Schule in der Demokratie Grundlagenforschung „Anforderungen an Ganztagsschule in guter Form 1. Initiativen zur Verbesserung von Unterricht und Schule, Erziehung und Bildung sind aus evangelischer Sicht nachdrücklich zu begrüßen. Die Kirche ist bereit, sich in ihren eigenen Schulen und pädagogischen Einrichtungen daran zu beteiligen und als Partner das staatliche Bildungswesen zu unterstützen. 2. Reformen von Schule sind zuerst an der Frage auszurichten, was Kinder und Jugendliche heute für ihr Aufwachsen brauchen. Schulen müssen bereit und in der Lage sein, sich auf die Vielfalt von Lebenslagen im Prozess des Aufwachsens angesichts zunehmender sozialer und kultureller Pluralität, von Multikulturalität und Multireligiosität, von Migration, Internationalisierung und Globalisierung konstruktiv einzulassen. 40 41 Erste Erfahrungen mit einem Kurs Konfirmandenarbeit in der evangelischen Ganztagsschule gibt es am DietrichBonhoeffer-Gymnasium Schweich (Kontakt: [email protected]). Vgl. dazu: Maly, Volker: Schule, Religionsunterricht und Konfirmandenarbeit, in: Comenius-Institut (Hg.): Handbuch für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden, herausgegeben vom Comenius-Institut in Verbindung mit dem Verein KU-Praxis, Gütersloh 1998, S. 355-368. S. Anm. 34. Verbesserung von Unterricht und Schule, Erziehung und Bildung Vielfalt von Lebenslagen im Prozess des Aufwachsens 32 Qualität von Schule 3. Verbesserungen sind an der Qualität von Schule zu bemessen. Dabei muss die Schule als Stätte des unterrichtlichen Lernens ebenso im Blick sein wie die Schule als Ort des gemeinsamen Lebens. Wirksame Förderung Einzelner 4. Die Ergebnisse internationaler Untersuchungen zum Vergleich von Schulleistungen verweisen auf Defizite innerhalb und außerhalb des Bildungswesens. Die bislang vorliegenden Befunde geben allerdings wenig Aufschluss über eine wirksame Förderung der einzelnen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schule und darüber hinaus. Weitere Ursachenforschung, die sich nicht mit bloßen Leistungsvergleichen begnügt, ist dringend erforderlich. Familienergänzende Funktion Sozialraumorientierte Familienarbeit Demokratischer Trägerpluralismus Selbstgesteuerte individuelle Bildungsprozesse 5. Die Ausgestaltung von Ganztagsschulen sollte auch die Bedürfnisse von Eltern und Familien berücksichtigen. Deren Situation sieht von Ort zu Ort anders aus, und unterschiedliche regionale Traditionen und Prägungen spielen eine Rolle. Ganztagsangebote nehmen eine familienergänzende Funktion wahr und müssen auf die zeitlichen Belastungen beispielsweise von berufstätigen Müttern und Vätern eingestellt sein. Außerdem sollten flankierende Maßnahmen unter anderem der Eltern- und Familienbildung und sozialraumorientierter Familienarbeit die Erziehungskraft des Elternhauses stützen. Darin läge zugleich ein Beitrag zu größerer Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. 6. Bei der Einrichtung und Förderung von Ganztagsschulen ist sorgsam darauf zu achten, dass ein demokratischer Trägerpluralismus zum Tragen kommt. Auch bei Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen muss daher im Sinne einer demokratisch verstandenen Subsidiarität freien Trägern breiter Raum gegeben werden. 7. In Ganztagsschulen gewinnen die erzieherischen Aufgaben an Gewicht, und bei den Bildungsangeboten muss selbstgesteuerten individuellen Bildungsprozessen stärker Rechnung getragen werden, als dies bislang in der Schule häufig der Fall ist. Je weiter sich Schule zeitlich ausdehnt, desto größer wird auch ihre Verantwortung für eine umfassende Persönlichkeitsbildung. Partnerschaften 8. Ganztagsschulen brauchen vielfältige Partnerschaften – mit Eltern, mit Gemeinde und Gemeinwesen sowie mit Vereinen und Verbänden. Andere Methoden und Kompetenzen etwa aus der Jugendarbeit müssen den herkömmlichen Unterricht ergänzen und verändern. Die evangelische Kirche verfügt hier über vielfältige Erfahrungen und ist bereit, verstärkt mit Ganztagsschulen zusammenzuarbeiten. Für eine Zusammenarbeit zwischen Schule und anderen gesellschaftlichen Gruppen und Trägern sind geeignete rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen. Konkurrenzsituationen, wie zum Beispiel im Blick auf den Konfirmandenunterricht, sind möglichst zu vermeiden, fordern die Konfirmandenarbeit konzeptionell aber auch zu neuen Angebotsformen heraus. Fortbildungsmöglichkeiten Beratung Evaluation 9. Ganztagsschulen brauchen ebenso Erwachsene, die nicht zum Lehrerkollegium gehören: Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie andere pädagogische Fachkräfte, Psychologinnen und Psychologen, bis hin zu hauswirtschaftlichem Personal. Der Einsatz pädagogisch nicht ausgebildeten Personals muss die Ausnahme bleiben. Für die neuen Formen der Arbeit und Zusammenarbeit in der Schule sind spezielle Fortbildungsmöglichkeiten sowie begleitende Beratung beziehungsweise Evaluation erforderlich. Raumangebot 10. Das Raumangebot in den Schulen muss verändert und vergrößert werden. Neben Küchen und Speiseräumen werden zum Beispiel Werkstätten, Spielflächen, kinder- und jugendgerechte Rückzugsmöglichkeiten und Arbeitsplätze für an der Schule Beschäftigte erforderlich. 33 11. Ganztagsschule ist ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht zu realisieren. Einmalige Investitionszuschüsse des Bundes reichen nicht aus. Damit Länder, Kommunen und andere Träger die erhöhten Kosten für die pädagogische Ausgestaltung von Ganztagsschulen aufbringen können, müssen sie unterstützt oder an anderer Stelle entlastet werden. Zusätzliche finanzielle Mittel 12. Ganztagsschule braucht ein pädagogisches Konzept. Angebote außerhalb des Unterrichts müssen als Chance begriffen werden, das Bildungs- und Lernspektrum der Schule zu erweitern und neue Formen zu praktizieren. Sie sollten zum Unterricht nicht in einem bloß additiven Verhältnis stehen, sondern ihren Ort im Rahmen eines insgesamt rhythmisierten Schultages finden. Neben der Förderung leistungsschwächerer Kinder und Jugendlicher hat hier auch die Förderung besonderer Begabungen ihren Platz. Dazu ist in Zusammenarbeit aller Partner ein verbindliches Konzept zu erarbeiten und periodisch zu überprüfen. Ganztagsschule in guter Form muss eine sich immer wieder pädagogisch erneuernde Schule sein.“ (S. 9.f.) Pädagogisches Konzept 11. Zusammenfassung: Thesen – An Ganztagsschulen werden hohe Erwartungen gestellt. Sie sind eine Chance für verändertes, wirksames Lernen und Leben am Ort der Schule. Voraussetzung dafür ist ein pädagogisches Konzept, das sich an den Lernbedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientiert. Orientierung an Lernbedürfnissen – Ganztagsschulen sind auf methodische, inhaltliche und institutionelle Öffnung der Schule angewiesen. Die am Ort der Schule verbrachte Zeit ist durch anspruchsvolle Aufgaben, Angebote, Handlungs- und Gestaltungsräume zu qualifizieren. Eine anregungsreiche Lernumgebung fördert und stützt die Verantwortung der Kinder und Jugendlichen für ihren eigenen Lernprozess. Öffnung der Schule – Ganztagsschulen bieten die Möglichkeit, im sozialen Raum der Schülerinnen und Schüler als Stadtteil- und Nachbarschaftsschulen ein Mittelpunkt des sozialen Gemeinwesens zu werden. Nachbarschaftsschule – Ganztagsschulen brauchen Räume zum Lernen und Arbeiten, Spielen und Feiern, für Bewegung und Kontemplation, für Aktionen und für individuellen Rückzug der Schülerinnen und Schüler. Räume – Ganztagsschulen verändern den Unterricht und die Zeitstruktur. Der Schultag, die Schulwoche, das Schuljahr sind rhythmisiert. Es gibt Zeiten für formales und informelles Lernen, Projekte und Lehrgänge, individuelles und kooperatives Lernen, problemlösende und problematisierende Tätigkeiten, Kommunikation, Reflexion, Spiel und Feier, Präsentation und Evaluation. Rhythmisierung – Ganztagsschulen bedeuten mehr Zeit für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen. Das entlastet auch die Familien von Übungs- und Schulaufgaben. Ganztagsschulen erweitern für bildungsferne Kinder den Zugang zu außerunterrichtlichen bildenden Erfahrungen. Sie erhöhen dadurch die Chancengleichheit. Chancengleichheit – Die Kooperation im Verbund von Schule und außerschulischen Partnern wie Musikschule, Handwerkskammer, Sportvereinen, Kirchlicher Kinder- und Jugendarbeit, Feuerwehr, Bibliothek, Kunstschulen und örtlichen Firmen muss Kooperation im Bildungsnetzwerk 34 Teil des pädagogischen Konzepts sein. Ganztagsschulen sind kooperierende Schulen in einem Bildungsnetzwerk. Beteiligung von Eltern – Für die Partizipation von Eltern sind – neben formalen Mitwirkungsrechten – neue Formen aktiver Beteiligung und Information zu entwickeln. Die Ganztagsschule muss auch für Eltern als ein Kultur- und Nachbarschaftszentrum zu nutzen sein. Ganztagsschulen sind einladende Schulen. Arbeitsplatz für Lehrende – Ganztagsschulen verändern den Beruf und die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern. Ihr Arbeitsplatz ist ganztägig an der Schule. Für Lehrkräfte und das andere pädagogische Personal sind entsprechende Arbeitsräume zu schaffen. Rhythmisierung, individuelle Förderung und die verstärkte Einbeziehung des örtlichen, sozialen und familialen Lebensumfelds von Schülerinnen und Schülern erfordern entsprechende Qualifizierungen. Fortbildung – Für das pädagogische und nicht-pädagogische Personal sind Beratungs- und Fortbildungsangebote vorzuhalten, die die Entwicklung begleiten und unterstützen können. Dazu gehören auch solche, in denen Organisation, Management, Kooperation und Teamarbeit gelernt und erprobt werden können. „Runde Tische“ mit allen Beteiligten sind eine erste Form der Zusammenarbeit. Pädagogisierung – Ganztagsschulen sind auch eine Chance für die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit. Als ein Angebot „für alle“ kann sie die Prinzipien von Partizipation und Selbstständigkeit in die Schule einbringen und Prozesse der Pädagogisierung im Interesse der Kinder dort unterstützen, wo es nötig ist. 12. Literatur – Links – Empfehlungen Ganztagsschulen. Zeit für mehr. Die Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) www.ganztagsschulen.org. Diese offizielle Homepage zum IZBB enthält vielfältige Informationen zu aktuellen Entwicklungen, Anregungen zur Konzeptionsentwicklung, Praxisbeispiele sowie Kommentierungen und Beiträge aus dem nationalen und internationalen fachlichen Kontext. Ideen für mehr! Ganztägig lernen. Das Ganztagsschulportal der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Begleitprogramm zum IZBB, www.ganztaegig-lernen.de. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung bietet mit dem Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ in enger Zusammenarbeit mit Bund und Ländern ab Herbst 2004 ein Unterstützungssystem für alle Schulen an, die ganztägige Bildungsangebote entwickeln oder bereits bestehende Angebote ausbauen und qualitativ verbessern wollen. Mit dem Programm werden Schulen dabei unterstützt, ihre eigenen Entwicklungsaufgaben zu lösen. Stefan Appel in Zusammenarbeit mit Georg Rutz: Handbuch Ganztagsschule. Praxis, Konzepte, Handreichungen. Wochenschau Verlag Schwalbach/Ts., 3. überarb. Auflage 2003. 35 In dem neu überarbeiteten Handbuch findet sich Grundlagenwissen über die historische Entwicklung wie auch über vielfältige pädagogische Ansätze. Der Autor, Stefan Appel, ist Vorsitzender des Ganztagsschulverbandes und Schulleiter. Stichworte aus dem Inhalt: – Die Konzeption der Ganztagsschule – Begründungen und historische Hintergründe für Schulen mit ganztägigen Konzepten – Die Umsetzung des Konzepts in die Praxis – Entwicklung ganztägiger Konzeptionen – Strukturen und Konzeptionsmerkmale – Formen ganztägig arbeitender Schulen – Arbeits-, Erziehungs- und Gestaltungsschwerpunkte – Freizeitpädagogik, Hausaufgaben, Projektunterricht, Schulatmosphäre und Lebenswelt – Tagesgestaltung – Rhythmisierung, zeitliche Gestaltung – Rahmenbedingungen: Personal – Raum- und Sachausstattung – Mittagessen. Das Handbuch stellt ein Standardwerk für diejenigen dar, die konzeptionell und praktisch mit dem Aufbau von Ganztagsschulen befasst sind. Stefan Appel/Harald Ludwig/Ulrich Rother/Georg Rutz (Hg.): Jahrbuch Ganztagsschule. Wochenschau Verlag Schwalbach/Ts. 2004. Das Jahrbuch Ganztagsschule ist mit der Ausgabe 2004 zum ersten Mal erschienen. Es berichtet über wichtige neue Schwerpunktthemen aus der Forschung und gibt innovative Anregungen für die Praxis, ergänzt durch wichtige Quellen und Dokumente zur Ganztagsschule. Das Jahrbuch Ganztagsschule 2004 hat das Thema „Neue Chancen für die Bildung“. Neben einigen grundlegenden Beiträgen aus historischer, psychologischer und pädagogischer Perspektive enthält der Band einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern, Beiträge zur Praxis z.B. Verpflegung, Lehrerbildung und Schulöffnung, sowie vergleichende Beiträge aus dem Ausland. Außerdem werden eine Reihe von Stellungnahmen von Verbänden und Institutionen zur gegenwärtigen Entwicklung abgedruckt. Das Jahrbuch Ganztagsschule 2005 mit dem Titel „Investitionen in die Zukunft“ bringt Texte über weitere Realisierungsansätze und Berichte aus Einzelbereichen der Forschung. Ökonomische und pädagogische Grundlagen, Schularchitektur, Raumplanung und Medieneinsatz sind Stichworte zu den Themenbereichen. Außerdem enthält der Band weitere Stellungnahmen von Verbänden und Institutionen zur Ganztagsschulentwicklung, eine Synopse ganztägiger Bildungssysteme in Frankreich, Finnland und den Niederlanden sowie einen Beitrag zur Ganztagsschule in der DDR. Das Jahrbuch Ganztagsschule ist eine wichtige, aktualisierende Ergänzung zum Handbuch Ganztagsschule. Falk Radisch/Eckhard Klieme: Wirkung ganztägiger Schulorganisation. Bilanzierung der Forschungslage Literaturbericht im Rahmen „Bildung Plus“. Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt am Main 2003. Die Studie gibt einen Überblick über den Stand empirischer Forschung und fasst die Ergebnisse zusammen. Dazu werden zunächst Begriffsklärungen vorgenommen sowie verschiedene Ziele der Ausweitung ganztägiger schulischer Angebote aus der öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskussion systematisiert. Ein historischer Diskurs versucht zudem die Hintergründe für die unterschiedlichen 36 Entwicklungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen zu klären. Der Kern der Studie ist die Zusammenfassung einschlägiger Forschungsbefunde aus dem In- und Ausland. Die Verfasser stellen zusammenfassend fest, dass die bisherigen Forschungen keine klare Bewertung über Wirkungen ganztägiger Schulorganisation zulassen. Stattdessen werden drei Hypothesen formuliert: Hypothese 1: Mit Hilfe von Ganztagsorganisationen können Schulen positive Veränderungen im Bereich der sozialen Integration und des Schulklimas erreichen. Hypothese 2: Die Ganztagsorganisation als solche hat keine Auswirkungen auf das Leistungsniveau der Schulen. Hypothese 3: Die Auswirkungen unterscheiden sich je nach Schulform beispielsweise hinsichtlich des sozialen Lernens oder des Leistungsbereichs (S. 38). Die unsichere Forschungslage erfordert dringend weitere empirische Forschung. Dazu benennen die Verfasser abschließend Felder und Themen. Heinz Günter Holtappels/Thomas Schnetzer: Analyse beispielhafter Schulkonzepte von Schulen in Ganztagsform. Im Auftrag und mit Förderung des BMBF. Universität Dortmund: Institut für Schulentwicklungsforschung, August 2003 (83 S.). Die Analyse skizziert grundlegende Ziele und Begründungen für Schulen in Ganztagsform und beschreibt konzeptionelle Merkmale und Gestaltungselemente von Ganztagsschulen auf der Grundlage von Forschungserkenntnissen und etablierten Praxismodellen. Es werden bisherige empirische Forschungsbefunde zu Ganztagsschulen sowie aus Studien zur Schulqualität und zu veränderter Zeitorganisation in Schulen referiert. Der dritte Teil enthält eine dokumentarische Auswertung „guter Beispiele“ von Schulen mit ganztägiger Konzeption nach vorgegebenen Merkmalen und Kriterien. Grundlage der Auswertung sind Selbstdarstellungen des pädagogischen Konzepts von Schulen, die von den Kultusministerien der Länder benannt wurden. Katrin Höhmann/Heinz Günter Holtappels/Thomas Schnetzer: Ganztagsschule. Konzeptionen, Forschungsbefunde, aktuelle Entwicklungen. In: Holtappels, H. G. u. a. (Hg.): Jahrbuch der Schulentwicklung, Bd. 13. Weinheim/München 2004, S. 253-289. Wer wenig Zeit zum Lesen hat, sollte sich diesen Artikel besorgen: das ist die aktuelle Bestandsaufnahme zur Entwicklung von Ganztagsschulen. Sie schließt empirische Forschungsbefunde ein zur Akzeptanz von Ganztagsschulen bei Eltern, Studien zu Organisationskonzepten, zu Strukturdaten und Formen der Schulentwicklungsarbeit aus einer Schulleiterbefragung. Die Autoren markieren abschließend in Thesen die Ambivalenzen der bildungspolitischen Maßgaben. Rosemarie Portmann: Modell Ganztagsschule. Auf den Punkt gebracht. München: Don Bosco Verlag 2004 (63 S.). Die Broschüre widmet sich den Grundfragen zum Thema Ganztagsschulen und enthält wichtige Informationen für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen. Fragen nach den Auswirkungen der Verbindung von Unterricht und Freizeitgestaltung auf schulische Leistungen und die individuelle Entwicklung von Kindern, den Folgerungen für Familien und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie auch die Mitarbeit von Trägern außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit in Ganztagsschulen werden unter Einbeziehung von pädagogischen, sozialpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beantwortet. Fundierte Informationen und Übersichten geben einen schnellen Einblick in die unterschiedlichen Themenfelder und bieten Anregungen für weitere Diskussionen. 37 Wege zur Kooperation. Evangelische Kinder- und Jugendarbeit und Ganztagsschule. Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland in Kooperation mit dem Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit Josefstal, aej Hannover 2004 (97 S.), www.evangelische-jugend.de. Evangelische Kinder- und Jugendarbeit kann auf vielfältige Erfahrungen unterschiedlicher Formen der Zusammenarbeit mit Schule zurückgreifen. Das Heft „Wege der Kooperation“ stellt 19 Projekte aus ganz Deutschland vor und bietet damit Anregungen für eigene Projektentwicklungen, Ansprechpartner und Vernetzung an und beschreibt Chancen, Grenzen und Rahmenbedingungen für eine Kooperation. Eine „Orientierungshilfe“ bietet methodische Schritte zur „Planung einer Zusammenarbeit mit einer Ganztagsschule“. Wir gestalten mit! Kooperation mit der Offenen Ganztagsgrundschule NRW. Informationen zur Beteiligung für evangelische und diakonische Träger Herausgeber: Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen; Evangelischer Fachverband für Erziehungshilfen; Amt für Jugendarbeit; Evangelischer Fachverband der Tageseinrichtungen für Kinder in den Diakonischen Werken Westfalen und Lippe. O.O. (Münster) o.J. 2004 (76 S.), www.diakonie-westfalen.de. Die Arbeitshilfe enthält wichtige Informationen zur Beteiligung evangelischer und diakonischer Träger an der Gestaltung der Offenen Ganztagsgrundschule in NRW. Der erste Teil informiert über den aktuellen Sachstand, über Beteiligungsformen, Fragen der Qualität der Angebote, des Personals, der Gebäude und Räumlichkeiten sowie Finanzen. Detailliert werden Handlungsschritte für unterschiedliche Träger (Kindertagesstätte/Hort; Erziehungshilfe; Jugendarbeit) zur Erarbeitung von Kooperationsvereinbarungen vorgestellt. Im umfangreichen und sehr konkret-praktischen Anhang befinden sich neben den einzelnen Erlasstexten und Formularen eine Checkliste zur Antragstellung und drei konkrete Beispiele von Kooperationen. Diese Beispiele enthalten Vertragstexte über Ziele und Rahmenbedingungen der Kooperation und auch genaue Personalkostenaufschlüsselungen. Für Praktiker/innen in der konkreten Konzeptionsentwicklung ist diese Arbeitshilfe auch wegen ihrer Transparenz ausgesprochen hilfreich. Offene Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen. Informationen, Entscheidungshilfen und Praxisbeispiele für Kirchenkreise und Kirchengemeinden, Handreichung, Düsseldorf 2005. Bezug: Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt Abteilung IV (Erziehung und Bildung), Tel. 0211/4562-634, Fax 0211/4562-694, [email protected], www. ekir.de. Diese Handreichung der Evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen mit Beiträgen vom Amt für Jugendarbeit, dem rheinischen Verband für Kindertageseinrichtungen, dem Landeskirchenmusikdirektor, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kirchenkreisen sowie einer Grundschule richtet sich an Kirchenkreise, Gemeinden und diakonische Einrichtungen. Sie enthält Informationen zur offenen Ganztagsschule, Entscheidungshilfen zu Fragen der Kooperationen mit Grundschulen und Hinweise zur Gestaltung der Kooperationsverträge. In einem ausführlichen Anhang sind unter anderem enthalten: – Rahmenvereinbarung der evangelischen Landeskirchen, der diakonischen Werke, der katholischen Bistümer und der Caritasverbände mit dem Land NordrheinWestfalen zur Offenen Ganztagsschule 38 – Der Erlass zur „Offenen Ganztagsschule“ vom 12.2.2003 – Erlass über Zuwendungen für die Durchführung außerunterrichtlicher Angebote – Gesetzlicher Unfallschutz für SchülerInnen und Personal im Rahmen der – – – – Offenen Ganztagsschule im Primarbereich – Rechtliche Klärung von Zuständigkeiten Finanzierungsmodellrechnungen und Praxisbeispiele Die Stellungnahme der drei Landeskirchen zum staatlichen Erlassentwurf Ganztagsschule in guter Form – eine Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Auszüge aus der Bildungsdenkschrift der EKD „Maße des Menschlichen“ Kirche und Ganztagsschule: Chancen der Zusammenarbeit Herausgegeben vom Gesamtkirchlichen Ausschuss für den Religionsunterricht der EKHN, April 2003 (24 S.). Der Gesamtkirchliche Ausschuss für den Religionsunterricht der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau wendet sich mit dieser Arbeitshilfe an die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher der Kirchengemeinden. Ihnen soll Mut gemacht werden, „sich auf die Beschäftigung mit den Ganztagsschulen einzulassen“, weil Ganztagsschulen eine deutliche Veränderung der verfügbaren Zeit von Schülerinnen und Schülern nach sich ziehen. Im ersten Teil wird über pädagogische Gesichtspunkte und Formen informiert. Der zweite Teil ist eine „Orientierungshilfe“ für Kirchenvorstände. Sie enthält methodisches Handwerkszeug für erste Schritte einer Kooperation zwischen Kirchengemeinde und Schule. Die Kirchenvorstände sollen eine Bestandsaufnahme von Schulen im eigenen Bereich und deren Angebote machen, um dann Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Hilfreich ist dazu der abschließende Informationsteil mit wichtigen Literaturangaben und Anschriften von Ansprechpartnern, die zur Beratung und Begleitung zur Verfügung stehen. Die Orientierungshilfe ist in zwei gesonderten Ausgaben für die Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz erschienen. Der Ansatz, die Kirchenvorsteher/innen direkt in ihrer Bildungsverantwortung anzusprechen, verdient Beachtung und Nachahmung. Es ist zu wünschen, dass die Wirkung der Orientierungshilfe reflektiert und evaluiert wird. Schnittmengen – Kirche und Ganztagsschulen Herausgeber: Landesjugendpfarramt Hannover und Religionspädagogisches Institut Loccum. Konzept und Redaktion: Ute Beyer-Henneberger, Ralf Drewes, Thomas Ringelmann, o.J. (37 S.). Bezugsadresse: Religionspädagogisches Institut der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, Uhlhornweg 10-12, 31547 Rehburg-Loccum. Die Handreichung soll Mitarbeitende in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anregen, die „Chancen einer Mitwirkung in einem sich verändernden Schulsystem“ zu prüfen, Möglichkeiten einer „Beteiligung an der Diskussion um Bildungsinhalte und -methoden benennen“ und dazu anregen, „Kinder und Jugendliche an ihrem Lernort Schule aufzusuchen“ und Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Ausgehend vom Erlass des Kultusministeriums in Niedersachsen (Die Arbeit an der öffentlichen Ganztagsschule, RdErl. d. MK v. 16.3.2004) werden in einem ersten grundlegenden Abschnitt Dimensionen der Kooperation beschrieben – jeweils aus dem Blickwinkel der Kirche (Bernhard Dressler) und der Schule (Ulrich Gräbig). 39 Im zweiten Hauptteil werden Perspektiven aufgezeigt a) für Jugendarbeit und Schule b) aus der Evangelischen Schülerinnen- und Schülerarbeit c) für Konfirmandenarbeit und Ganztagsschule. Konkretisiert wird das Thema Konfirmandenarbeit durch ein Beispiel aus dem Kirchenkreis Lüneburg. Den Abschluss bildet ein kurzes, übersichtliches Adressen- und Literaturverzeichnis. Die „Schnittmengen“ sind anregend und hilfreich, weil sie dazu ermutigen, auch einmal vertraute Wege zu verlassen und Grenzen zwischen Schule und Kirchengemeinde zu überschreiten. Handreichung Organisationsmöglichkeiten der Konfirmandenzeit unter den Bedingungen von Ganztagsschulen Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Arbeitsstätte Hamburg 2003 (16 S.), www.pti-hamburg.de In einem Brief wenden sich der Direktor des PTI Hamburg und der Beauftragte der Nordelbischen Kirche für Konfirmandenarbeit an die Kirchenvorstände in Hamburg, um auf die Ganztagsschulentwicklung und deren Folgen für die kirchliche Arbeit aufmerksam zu machen. Besonders geht es ihnen wegen des veränderten Zeitbudgets um die Konsequenzen für die Konfirmandenarbeit. Sie ermutigen die Kirchengemeinden, die Konzeption ihrer Konfirmandenarbeit angesichts des konkreten Bedingungsgefüges zu überprüfen. Sie stellen dazu in der Handreichung verschiedene Modelle vor und informieren über die jeweiligen Vor- und Nachteile. Diese Handreichung ist auch ohne den aktuellen Anlass Ganztagsschule gut geeignet, in Kirchengemeinden die Konzeption der Konfirmandenarbeit weiter zu entwickeln. Brücken bauen – Ganztagsschulen als Chance kirchlichen Handelns Herausgeber: Pädagogisch-Theologisches Zentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Stuttgart 2004 (48 S.), www.ptz-stuttgart.de Die Arbeitshilfe des PTZ Stuttgart bietet in den ersten drei Abschnitten Grundinformationen zur Ganztagsschule und zum Verhältnis Kirche und Ganztagsschule. Daran schließen sich unter der Überschrift „Konkretionen“ eine Orientierungshilfe zur Klärung von Kooperationschancen sowie Musterformulare für einen Dienstleistungsvertrag und eine Vereinbarung über Kostenerstattung als Praxishilfen an. 40 Aktuelle Veröffentlichungen des Comenius-Instituts Martin Rothgangel/Dietlind Fischer: Standards für religiöse Bildung? Zur Reformdiskussion in Schule und Lehrerbildung. Schriften aus dem Comenius-Institut, Bd. 13. Münster: LIT-Verlag 2004. 248 S., br. ISBN 3-8258-8135-0. 19,90 Euro Im Rahmen der jüngsten bildungspolitischen Reformbemühungen geraten auch Verantwortliche für den Religionsunterricht zusehends unter Druck, Standards für religiöse Bildung zu formulieren. Die Ambivalenz dieser Thematik verlangt nach gründlicher Auseinandersetzung. Der vorliegende Band stellt eine religionspädagogische Zwischenbilanz der Debatte um religiöse Standards und Kompetenzen dar und zeigt Facetten der Problematik aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf. Dietlind Fischer: Evangelische Schulen beraten und begleiten. Anregungen zur Schulentwicklung. Münster: Comenius-Institut 2003. 160 S., br. ISBN 3-924804-56-7. 10,- Euro. Das Buch thematisiert Erfahrungen aus Projekten, die in den letzten zehn Jahren durch das Comenius-Institut geleitet wurden, sowie aus einem Fortbildungsprojekt für Schulleitungen evangelischer Schulen in Trägerschaft des Evangelischen Schulbunds. Die Beiträge zeigen praktische Szenarien schulentwickelnder, moderatorengestützter Arbeit. Die eigene Schule aktiv und aus christlichem Engagement voranzubringen und sich gezielt geeignete Unterstützung zu holen, wenn sie gebraucht wird, dazu will dieser Band anregen und ermutigen. Matthias Spenn: Seminarraum Ganztagsschule in: www.rpi-virtuell.de – Die religionspädagogische Plattform im Internet (ein Projekt der Evangelischen Kirche in Deutschland) Im Seminarraum Ganztagsschule werden laufend aktuelle Informationen und Dokumente bereitgestellt zu den Themen Ganztagsschulentwicklung, Kooperation Ganztagsschule und außerschulische Partner, Ganztagsschule und Kirchengemeinde sowie evangelische Kinder- und Jugendarbeit, Berichte von Konferenzen und Fachtagungen, Informationen zu Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern. Volker Elsenbast/Dietlind Fischer/Peter Schreiner: Zur Entwicklung von Bildungsstandards. Positionen, Anmerkungen, Fragen, Perspektiven für kirchliches Bildungshandeln. Comenius-Institut Münster, Februar 2004, 32 S., 2,- Euro. Die Broschüre fasst die aktuelle Diskussion zu Standards für die schulische Bildung zusammen, referiert deren Bedeutung für die Verbesserung des Schulsystems und des Unterrichts, und erörtert die Notwendigkeit eines gemeinsamen Referenzrahmens für den Religionsunterricht in der Schule. Eine Übersicht über Arbeiten an Kompetenzmodellen für den Religionsunterricht macht die erforderliche Weiterentwicklung in Theorie und Praxis deutlich. Bezugsadresse Comenius-Institut Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft Schreiberstr. 12, 48149 Münster; Tel. 0251/98101-0; Fax 0251/98101-50 e-mail: [email protected]; Internet: http://www.comenius.de © Comenius-Institut Münster, 2005 Schutzgebühr € 3,— Bezugsadresse Comenius-Institut Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e. V. Schreiberstr. 12, D - 48149 Münster; Tel. 0251/9 81 01- 0; Fax 0251/9 81 01- 50 e-mail: [email protected], Internet. http//www.comenius.de Matthias Spenn, Dietlind Fischer Ganztagsschulen eröffnen neue Möglichkeiten für eine bessere Schule. Es kommt aber darauf an, welches pädagogische Konzept sie verwirklichen. Wie sollte eine „gute“ Form von Ganztagsschule aussehen? Lehrerinnen und Lehrer sind in ihren pädagogischen und sozial-kooperativen Möglichkeiten herausgefordert. Sozialpädagogen, Gemeindepädagoginnen, Pfarrerinnen oder Jugendreferenten sind damit konfrontiert, dass sich durch Entwicklungen der Schule auch ihre Arbeitsmöglichkeiten in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ändern. Gleichzeitig werden sie von Schulen angefragt, ob und wie sie sich kooperativ in die Gestaltung von offenen Ganztagsangeboten einbringen. Das alles hat Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Agierenden und auf Konzeptionen der Arbeit in Schule, Gemeinde und Sozialpädagogik. Die Aus- und Fortbildung von pädagogisch arbeitendem Personal muss solche Entwicklungen unterstützen; Schulleitungen und Träger der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung müssen sich neuen Gestaltungsaufgaben stellen. Institutionelle Grenzen sind zu öffnen und gemeinsame Arbeitsansätze der Kinderund Jugendarbeit zusammen mit Schulen zu entwickeln, die sich an Lebenslagen und Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien orientieren. Ganztagsschulen gemeinsam entwickeln Ein Beitrag zur evangelischen Bildungsverantwortung Uns ist es ein Anliegen, über Sachstände und Hintergründe der Diskussion zu Ganztagsschulen in zusammenfassender Form zu informieren, Begriffe zu klären, Begründungen und Trends zu markieren; an kirchliche Entscheidungsträger, Verbände, Gruppen, Bildungsinstitutionen u.a. Anregungen zur Beteiligung an der Diskussion zu geben und diese strukturierend zu unterstützen; Vorschläge und Empfehlungen zu geben, in welcher Weise insbesondere Ganztagsschulen zu entwickeln und Kooperationen aufzubauen sind. Dietlind Fischer, Dipl. Päd., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Comenius-Institut seit 1979, Arbeitsbereich Schule Matthias Spenn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Comenius-Institut seit 2003, Arbeitsbereich Gemeindepädagogik/Arbeit mit Kindern Comenius-Institut Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e. V.