2tes Eheversprechen - maxi-serv

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2tes Eheversprechen - maxi-serv
Reportage
24 - Mittwoch, 20. August 2014
Gelnhäuser Neue Zeitung
Weithin sichtbar und ein echter Hingucker: Der Pilsumer Leuchtturm.
Der „Schlosspark“ am Leuchtturm.
(Fotos: Hoppe)
Zweites Eheversprechen im „Otto-Turm“
Im ostfriesischen Pilsum können langjährig Verheiratete sich erneut ihrer Liebe versichern und zugleich ein äußeres Zeichen setzen
Von Barbara Hoppe
P i l s u m / O s t f r i e s l a n d . Wer nach einigen Jahren Ehe
sein Treuegelübde ein weiteres Mal bekunden möchte, weiß –
anders als bei der ersten Eheschließung – genau, worauf er sich
einlässt. Im Pilsumer Leuchtturm, gemeinhin als „Otto-Turm“
bekannt, können sowohl die erste Eheschließung als auch das
zweite Eheversprechen abgelegt werden. Mehr als 200 nationale und internationale Eheschließungen belegen, wie beliebt der
Ort mit dem weiten Blick über das Wattenmeer und die Krummhörn ist. Vor zehn Jahren haben die Frankfurter Cora und Frank
Galahn-Schenk in Frankfurt geheiratet. Auf den Tag genau haben sie nun im Pilsumer Turm das zweite Versprechen abgelegt.
Der Turm hat eine lange Geschichte. Um die Einfahrt in
den Emder Hafen sicherer zu
machen, wurde 1866 gemeinsam mit den Niederlanden beschlossen, fünf Leuchttürme
zu errichten, die den Schiffen
den Weg weisen sollten. 1891
wurden die Leuchttürme in Pilsum, in Campen, auf Borkum
und zwei weitere auf dem Gebiet der Niederlande in Betrieb
genommen. Mit Kriegsbeginn
1914 sollte verhindert werden,
dass feindliche Kriegsschiffe
nach Emden kamen, weshalb
die Leuchttürme außer Betrieb
gestellt wurden. Im Jahr nach
Kriegsende war 1919 die Fahrrinne so ausgebaut, dass endgültig keine Leuchttürme mehr
erforderlich waren.
In den 60er Jahren sollte der
Pilsumer Turm abgerissen werden. Zwar war der Turm mit
seinem damaligen rotbraunen
Anstrich in der Tat nicht gerade eine Augenweide, doch
glücklicherweise überließ der
Eigentümer, das Land Niedersachsen, den ungeliebten
Turm der Deichacht. Die suchte einen Sponsor für den Turm,
und mit der Firma Cordes und
Graefe aus Emden wurde sie
fündig. Die Firma wollte ihre
Farben auf dem Turm haben,
weshalb er seinen heutigen
lustigen und einzigartigen Anstrich erhielt. Echte Berühmtheit erlangte der Turm 1989 im
Film „Otto – der Außerfriesische“ von und mit dem ostfriesischen Urgestein Otto Waalkes. Noch heute ist er für die
meisten Leute deshalb nur der
„Otto-Turm“.
Später kam in der Gemeinde
Krummhörn die Idee auf, den
Pilsumer Leuchtturm als Hochzeitsturm zu verwenden. 2004
stand die erste Trauung an,
diese wurde sogar auf Ebay
versteigert. Zwei Verwandte,
die dort beide jeweils als Erste
heiraten wollten, schaukelten
sich bei den Geboten hoch.
Lag das Gebot freitags noch bei
700 Euro, waren es zum Ende
der Auktion am Samstagnachmittag um 17 Uhr sogar stolze
2 150 Euro. Dafür gab es dann
auch Otto Waalkes als ersten
Gratulanten inklusive.
Mittlerweile genießt das
Heiraten im Otto-Turm gerade-
Feierliche Zeremonie (von links): Timon, Cora, Frank und Silas Galahn-Schenk.
zu Kultstatus, wie die Zahl von
mehr als 200 Eheschließungen
pro Jahr eindrucksvoll belegt.
Nach den ersten sehr gut angenommenen „richtigen“ Eheschließungen durch hauptamtliche Standesbeamte kamen
zahlreiche Nachfragen nach
der Möglichkeit des „zweiten
Eheversprechens“. Langjährig
verheiratete Paare wollen sich
damit gegenseitig ihrer Liebe
versichern und zugleich ein
äußeres Zeichen setzen.
Diese zweiten Eheversprechen wurden bis zu seiner Ernennung zum Bürgermeister
der Gemeinde Krummhörn von
Frank Baumann vorgenommen. Seit April dieses Jahres
ist nun Heinz Richter „Partner
des zweiten Eheversprechens“,
wie er es selbst beschreibt. Er
nimmt seine Aufgabe sehr
ernst und sieht sich auch als
Vermittler des Wissens über
den kleinsten Leuchtturm
Deutschlands.
Nach zehn Jahren
sind endlich auch
die Kinder dabei
„Diese einzige Glühlampe
beispielsweise leuchtete durch
die Prismen bis nach Borkum“,
erklärt und demonstriert er.
Karten wie die von den Küstenabschnitten und der Deichführung vermitteln Kenntnisse
über die regionale Besonderheit. Beim Blick aus den rundumliegenden Fenstern kann
Dieses Licht leuchtete bis nach Borkum.
man sehen, ob Wasser da ist
oder nicht – tolle Aussicht auf
das Wattenmeer bis nach Holland oder bis zur Schleuse Leysiel inklusive. In der anderen
Richtung kann man weit über
das Land hinter dem Deich sehen, auf dem die ostfriesischen
vierbeinigen Rasenmäher fleißig und unermüdlich ihrer Arbeit nachgehen.
Eine ähnlich starke Symbolik wie das zweite Eheversprechen hat auch der neben dem
Turm befindliche „Schlosspark“. Dort ketten Paare Sicherheitsschlösser an; als Zeichen ihrer unverbrüchlichen
Verbundenheit wird dann der
Schlüssel
weggeschmissen.
Wobei Richter im Gespräch mit
der GNZ relativiert: „Natürlich
werden die Schlüssel nicht einfach in die Landschaft geschmissen, sondern mir zur
späteren Entsorgung über-
reicht“. Eine Besonderheit, die
bei der ersten Eheschließung
eher selten der Fall ist, sind anwesende Kinder. Das war auch
bei den Eheleuten Cora und
Frank Galahn-Schenck aus
Frankfurt so. Ihre drei Söhne
Hendrik (neun), Silas (sechs)
und Timon (drei) waren dabei,
als sich ihre Eltern auf den Tag
genau zehn Jahre nach ihrer
Trauung in Frankfurt nun im
Leuchtturm das zweite Eheversprechen gaben. Die Zeremonie verlief durchaus feierlich,
und nach ihrem „Ja-Wort“ durfte auch ein Kuss ausgetauscht
werden. Die Eheleute bekamen
als Beleg für das zweite Eheversprechen von Heinz Richter feierlich eine Urkunde übereicht,
auf der ihr persönlicher
Spruch (Prediger, 4. Vers 9-12)
aufgeführt ist. Auch ein Prösterchen am Fuße des Heiratsturms mit Kindern, Verwandten und dem „Partner des zweiten Eheversprechens“ durfte
nicht fehlen.
Zur Autorin
Barbara Hoppe berichtete bis 2013 viele
Jahre als freie Mitarbeiterin für die GNZ – insbesondere über die Vogelsberg-Region – und
betreute die Reihe
„Medizin in der Region“. Dann zog es die „rasende Reporterin“ mit ihrem
Mann von Brachttal in den
hohen Norden. In Südbrook-
merland kauften sich
die beiden ein Haus
und genießen die Ruhe
und Weite Ostfrieslands.
Für die GNZ berichtet
Barbara Hoppe in loser
Folge aus ihrer neuen
Heimat. Ein Kontakt zur
Autorin ist über die E-MailAdresse [email protected] möglich.
(re)