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(Für die Bearbeitung im Unterricht im Layout verändert, FS, 09.2007)
Die Verdoppelung der USA
DIE ZEIT 18/2003 (24.04.03), 1/4
Mit dem Kauf der spanisch-französischen Kolonie Louisiana vor 200 Jahren begann der Aufstieg der
Vereinigten Staaten zur Großmacht
Von Ronald D. Gerste
Der französische Finanzminister liebte Amerika. François de Barbé-Marbois war sechs Jahre seines Lebens
Sekretär der Pariser Gesandtschaft in den USA gewesen und schätzte seither die politischen Institutionen
sowie die individuelle Freiheit dort. Mit zwei zukünftigen Präsidenten hatte er damals eine Freundschaft
angeknüpft, und auch die Tatsache, dass er eine gleichermaßen hübsche wie wohlhabende junge Dame aus
Philadelphia ehelichte, dürfte zu seinem günstigen Amerika-Bild nicht wenig beigetragen haben.
Für einen Vertreter der politischen Klasse des Alten Europas war es im Frühjahr 1803 noch leicht, Amerika zu
lieben. Die junge Nation jenseits des Atlantiks, gerade mal 20 Jahre alt, stellte im internationalen Kräftespiel nur
eine Größe zweiter Ordnung dar und verfügte über eine Militärmacht von 3000 Soldaten inklusive Kapelle. Ihr
Präsident Thomas Jefferson erfreute sich diesseits des Atlantiks großer Sympathie. Er galt als Intellektueller
und Mann von Welt, der einst als amerikanischer Gesandter in Paris die Lebensart der ersten Nation Europas
zu schätzen gelernt und bei einer Reise entlang des Rheines auch an Deutschland Gefallen gefunden hatte.
Zudem hielt sich Amerika aus allen internationalen Konflikten heraus, während Frankreich just dem Zenit seiner
imperialen Entfaltung entgegen strebte – an seiner Spitze stand, damals noch als Erster Konsul, Napoleon
Bonaparte.
Doch selbst die innige Zuneigung François de Barbé-Marbois’ zu den Vereinigten Staaten konnte kaum
erklären, warum der Finanzminister am Abend des 13. April 1803 so buchstäblich vom diplomatischen Weg
abwich. Als er bei einem Spaziergang am Haus der amerikanischen Gesandtschaft „zufällig“ vorbeikam, betrat
er deren Gelände, ging aber keineswegs auf das Portal zu, sondern stiefelte zielstrebig durch die Blumenbeete
hindurch, um am Fenster des Speisezimmers zu spionieren. Ein Bediensteter entdeckte den Voyeur, der von
den Diplomaten, die an der Tafel versammelt waren, auch sofort erkannt wurde. Man bat Barbé-Marbois herein,
der ein wenig Verlegenheit heuchelte, dann aber das Angebot, doch auf einen Cognac zu bleiben, freudig
annahm. Binnen kurzem saß er mit dem amerikanischen Gesandten, Robert Livingston, und dem gerade erst in
Paris eingetroffenen Sonderbotschafter Präsident Jeffersons, James Monroe, zusammen. Ein Wort machte die
Runde, das auf die Männer eine ebenso vitalisierende Wirkung ausübte wie die geisthaltigen Getränke in ihren
Gläsern: Louisiana.
Napoleon plant am Mississippi ein Neues Frankreich
Schon seit Tagen ging es um nichts anderes mehr zwischen den USA und Frankreich. Louisiana, das große
Land im Westen und Südwesten der jungen Republik westlich des Mississippis und rund um das Delta des
gewaltigen Stroms, war zum Tor Amerikas in die Zukunft geworden, und Frankreich hatte den Schlüssel dazu.
Denn seit der Unabhängigkeit waren Tausende Europäer in die Western Territories jenseits des AppalachenGebirges eingewandert und hatten dort neue Staaten gegründet, zunächst Kentucky (1792) und Tennessee
(1796), in jenem Jahr 1803 Ohio. Um mit ihren Produkten die großen Märkte diesseits und jenseits des Atlantiks
zu erreichen, war der Mississippi für die Farmer und Fallensteller, für die Manufakturen und Brennereien in
dieser Region essenziell. Beherrscht wurde das Gebiet von New Orleans aus. Die französisch geprägte Stadt
und mit ihr die gesamte Kolonie Louisiana waren 1762 vom bourbonischen Frankreich zwar an Spanien
abgetreten worden, doch hegten die Amerikaner zu Beginn des Jahrhunderts die Vermutung, das neue
Frankreich könne auf eine Revision drängen. Mit dem schwächelnden Spanien als westlichem Nachbarn war
man gut ausgekommen, doch das napoleonische Reich an seine Stelle treten zu sehen war für amerikanische
Staatsmänner eine eher beunruhigende Aussicht. Selbst der durch und durch frankophile Thomas Jefferson sah
eine solche Entwicklung mit Schrecken: „Es gibt auf dem Globus einen einzigen Fleck, dessen Besitzer unser
natürlicher Feind ist. Es ist New Orleans, das die Produkte von drei Achtel unseres Territoriums auf dem Weg
zu den Märkten passieren müssen. Wenn Frankreich sich in diese Tür stellt, löst dies bei uns das Gefühl der
Abwehr aus.“
Was die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Ihre Befürchtungen waren längst Wirklichkeit
geworden. Am 1. Oktober 1800 hatte Frankreich „die Kolonie oder Provinz Louisiana“ inklusive New Orleans,
der einzigen nennenswerten Stadt auf dem riesigen Territorium, in einer geheimen Zusatzklausel zum Vertrag
von San Ildefonso von Spanien erworben. Napoleons Plan: Nach der Niederschlagung des Aufstandes in der
französischen Kolonie auf Haiti (wo der Freiheitskämpfer Toussaint L’Ouverture als erster Lateinamerikaner das
Joch der Sklaverei und der Kolonisation abschütteln wollte) sollte das dorthin entsandte, 20000 Mann starke
Expeditions-Corps unter Napoleons Schwager General Charles Leclerc aufs amerikanische Festland
Die Verdoppelung der USA - DIE ZEIT 18/2003 (24.04.03), 2/4
übersetzen. Leclerc hatte den Auftrag, Louisiana auch militärisch für Paris in Besitz zu nehmen und dort eine
lebensfähige Nouvelle France zu errichten.
Dass den USA dieses Unternehmen erspart blieb, verdankte es einem kleinen Verbündeten, auf den eigentlich,
wie der Historiker Thomas Fleming einmal schrieb, an jedem 4.Juli ein Toast ausgebracht werden sollte: Aedes
aegypti. Die Stechmücke überträgt das Gelbfieber, welches die französische Armee auf der Karibikinsel
gnadenlos dezimierte. Auch Leclerc sah die Heimat nie wieder. Napoleons kolonialer Enthusiasmus ließ rapide
nach: „Verdammter Zucker! Verdammter Kaffee! Verdammte Kolonien!“
Dennoch erschien Jefferson und seinem Außenminister James Madison – sie hatten Anfang 1802 vom
spanisch-französischen Geheimabkommen erfahren – ein radikaler Kurswechsel der amerikanischen
Außenpolitik erwägenswert. Der Isolationismus der ersten Jahre und das Misstrauen gegen ein stehendes Heer
konnten angesichts der potenziellen Bedrohung fatale Folgen haben. Jefferson, lange Jahre ein erbitterter
Gegner Großbritanniens, sinnierte plötzlich laut vernehmbar, dass man sich möglicherweise mit der „englischen
Nation und Flotte verheiraten“ müsse. An Botschafter Livingston in Paris erging die Anweisung, mehr als nur
subtil eine Aussöhnung der USA mit dem einstigen Mutterland anzudeuten, gleichzeitig aber herauszufinden, ob
man den Franzosen nicht New Orleans und sein (in der Ausdehnung nicht definiertes) Umland abkaufen
könnte.
Unterdessen breitete sich in den USA Unruhe aus. Die Spanier, die offiziell noch immer New Orleans
verwalteten, hatten plötzlich das Niederlassungsrecht für amerikanische Waren aufgehoben. Daraufhin wurde in
den westlichen US-Staaten und bei deren Vertretern im Kongress die Forderung nach gewaltsamer Einnahme
der Stadt laut. Im März 1803 beantragte ein Senator aus Pennsylvania die Aufstellung einer Streitmacht von
50000 Mann – die Franzosen wurden nervös.
Napoleon, der in seinem Kampf gegen England keine weitere Front in Übersee brauchen konnte, zeigte sich
kompromissbereit. US-Botschafter Livingston, ein schwerhöriger New Yorker, der mehr als ein
Vierteljahrhundert zuvor zusammen mit Jefferson und drei weiteren Männern die Unabhängigkeitserklärung
verfasst hatte, nahm die Verhandlungen auf. Sein Gegenüber waren zwei der engsten Vertrauten Napoleons.
Neben Finanzminister Barbé-Marbois hatte er es vor allem mit Außenminister Charles-Maurice de TalleyrandPérigord zu tun. Auch dieser kannte Amerika aus eigener Anschauung, doch im Gegensatz zu seinem
Kabinettskollegen hatte er keinen sonderlichen Gefallen an dem Land gefunden. Er sah in den USA eine
aufstrebende Macht, deren Ambitionen es – zur Not im Zusammenwirken mit England – Grenzen zu setzen
galt. Auch die Tatsache, dass sich Livingston gegen Talleyrands Forderung nach einer Verhandlungs-„Gebühr“
von rund 250000 Dollar für die Privatschatulle des Ministers als besonders taub erwies, trug nicht gerade dazu
bei, das Amerika-Bild des Franzosen aufzuhellen. Napoleon mochte seine Gründe gehabt haben, als er
Talleyrand „ein Stück Scheiße in Seidenstrümpfen“ nannte.
Der rasanteste Wertverfall der Weltgeschichte
Die Gespräche verliefen zunächst schwerfällig, was auch daran lag, dass der Amerikaner keine konkrete
Summe zu nennen vermochte, die seiner Regierung für den Kauf von New Orleans anzulegen gedachte. Dem
Gesandten verdarb jedoch etwas anderes die Stimmung: die bevorstehende Ankunft von James Monroe.
Livingstons Verhältnis zu den beiden ihm vorgesetzten Virginiern Jefferson und Monroe war ohnehin nicht das
beste. Das Auftauchen dieses „Außerordentlichen Gesandten“ sah er als Versuch an, ihm die Geschäfte aus
der Hand zu nehmen. Monroe war ein Jefferson-Intimus und früher schon einmal Gesandter in Paris gewesen,
wobei er nicht die glücklichste Figur gemacht hatte. Eingeladen, vor dem Konvent zu sprechen, war er dem Sog
der eigenen Freiheitsrhetorik erlegen und hatte vor den jubelnden Revolutionären die Geistesverwandtschaft
Frankreichs mit den USA beschworen – was wenig zur strikt neutralen Haltung seines Landes passte. Nur die
schützende Hand Jeffersons hatte damals eine Abberufung in Schande verhindert.
Livingston wollte sich beeilen, wollte die Verhandlungen auf den Weg gebracht haben, bevor Monroe Paris
erreichte. Und es war kein Geringerer als der Erste Konsul selber, der ihm diesen Herzenswunsch erfüllte. Am
10.April demonstrierte Napoleon plötzlich Pragmatismus. „Ich kann kaum sagen, dass ich es an die Amerikaner
abtrete“, erklärte der Korse Finanzminister Barbé-Marbois mit Blick auf das de facto nicht in Besitz genommene
Louisiana, „weil wir darüber gar nicht verfügen. Sie fragen nur nach einer Stadt in Louisiana, aber ich betrachte
bereits die ganze Kolonie als verloren. Und es erscheint mir, dass es in den Händen einer aufstrebenden Macht
nützlicher für Frankreich und seinen Handel sein kann, als wenn ich versuchen würde, es zu behalten.“
Am nächsten Tag bekräftigte er seinen Entschluss und gab Barbé-Marbois die Anweisung: „Schlagen Sie 50
Millionen Franc vor, nicht weniger. Ich brauche das Geld für den Krieg mit England.“ Kurz zuvor hatte Napoleon
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noch von 100 Millionen gesprochen. Das sei, so kommentierte Talleyrand spitz, der rasanteste Verfall eines
Immobilienwerts in der Geschichte.
Noch am gleichen Tag wurde Livingston zu Talleyrand gerufen. Wie viel würden, so fragte ihn der
Außenminister, die Vereinigten Staaten für ganz Louisiana zahlen? Livingston glaubte, wieder einmal sehr
schlecht gehört zu haben. Nach einem Moment der Besinnung sagte er (obwohl darüber mit Jefferson nichts
abgemacht war): „Zwanzig Millionen Franc.“ Völlig inakzeptabel, erklärte Talleyrand. Livingston solle das
Angebot überdenken und am anderen Tag wieder kommen.
Wie Livingston kannte auch James Monroe, inzwischen in Paris eingetroffen, keine konkreten Zahlen, wohl
auch, weil niemand in Washington mit einem solchen Angebot gerechnet hatte. Als am Abend des 13. April
Livingston, Monroe und Überraschungsgast Barbé-Marbois zusammensaßen (dass der Franzose zeitweilig mit
seinem Freund Livingston unter vier Augen zu sprechen wünschte, erfüllte den New Yorker mit kaum
verhohlener Befriedigung, während Monroe nur mit Mühe Gleichmut zur Schau stellte), kam man schnell
überein, dass bei einem so sprunghaften Menschen wie Napoleon (dem nun doch wieder 100 Millionen
vorschwebten) das Angebot eine Chance darstellte, die vielleicht nie wiederkäme.
Die Amerikaner handelten, rasch – und auf eigene Faust. Einen Kongressausschuss um Erlaubnis zu ersuchen
war in einer Zeit, da eine Depesche nach Washington und deren Antwort nach Paris vier Monate brauchten,
nicht möglich. Immerhin hatte Jefferson seinem Vertrauten Monroe einen Wink mit auf die Reise nach Europa
gegeben. Sollte sich eine Möglichkeit andeuten, die Navigationsrechte auf dem Mississippi und das zu Spanien
gehörende Florida zu erwerben, so waren nach des Präsidenten Vorgabe 50 Millionen Franc nicht zu viel.
Livingston wusste, dass es um ein Gebiet ging, über dessen wahre Größe ebenso wenig bekannt war wie über
dessen Grenzen. Auch Monroe hatte keine Ahnung, um wie viele Quadratmeilen es sich handelte. Eines aber
stand fest: Man würde im Erfolgsfall die Fläche der USA mit einer Unterschrift mindestens verdoppeln.
Am Samstag, dem 27. April, traten Livingston, Monroe und Barbé-Marbois in die entscheidende
Verhandlungsrunde ein, nachdem wenige Tage zuvor Napoleon ein amerikanisches Angebot von 50 Millionen
Franc als unzureichend abgelehnt hatte. Als das arbeitsreiche Wochenende sich seinem Ende entgegenneigte,
vertraute ein ermüdeter, aber auch erleichterter Monroe seinem Tagebuch an: „Barbé-Marbois erklärte, … nach
seinem Verständnis hätte der Consul [Napoleon] seine Einwilligung gegeben. Wir stimmten darauf seinem
Vorschlag von 80Millionen zu.“
Frankreich würde 60 Millionen Franc von den USA erhalten, 20 Millionen wurden gegen Forderungen von USBürgern an Frankreich (meist für aufgebrachte Schiffe und beschlagnahmte Waren) aufgerechnet. In
amerikanischer Währung handelte es sich um eine Gesamtsumme von rund 15 Millionen Dollar. Ging man von
einem Gebiet aus, dass sich über 900000 Quadratmeilen erstreckte, so bedeutete dies – das hatten die beiden
Amerikaner schnell errechnet – einen Spottpreis von vier Cent für jeden Acre (1 Acre = circa 4000
Quadratmeter). Am Dienstag, dem 30.April 1803, unterzeichneten Barbé-Marbois und die beiden Amerikaner
den Vertrag, der als Louisiana Purchase zu den Meilensteinen der amerikanischen Geschichte gehört.
Auf dem erworbenen Territorium, das sich vom Golf von Mexiko bis zu den Rocky Mountains erstreckte,
entstanden im Laufe des 19.Jahrhunderts genauso viel Bundesstaaten (ganz oder zumindest teilweise), wie die
USA einst bei ihrer Gründung aufwiesen: 13. Auf den Louisiana Purchase gehen die heutigen Staaten
Louisiana, Arkansas, Missouri, Iowa, North Dakota, South Dakota, Nebraska, Kansas, Wyoming, Minnesota,
Oklahoma, Colorado und Montana zurück.
Auch der Erste Konsul war zufrieden: Am Tag nach der Unterzeichnung durften die beiden Amerikaner mit ihm
im Louvre speisen. Wie er die 60 Millionen Franc zu investieren gedachte, stand für den Diktator außer Frage:
in den Krieg gegen England. Darüber hinaus erfreute eine langfristige Perspektive Napoleons Herz: „Ich habe
England einen maritimen Rivalen gegeben, der früher oder später seinen Stolz demütigen wird.“
Die Nachricht von dem diplomatischen Erfolg erreichte die Vereinigten Staaten am 3. Juli, dem Vorabend des
Unabhängigkeitstages. In die Freude mischte sich bei Präsident Jefferson die Erkenntnis, dass er und seine
Diplomaten mit der Verdopplung der Staatsfläche ohne Konsultation der gewählten Repräsentanten der
Bevölkerung „die Verfassung bis zum Zerbrechen gedehnt“ hatten. Die Volksvertreter trugen es der Regierung
nicht nach. Der Senat stimmte dem Louisiana Purchase im Oktober mit 24 zu 7 Stimmen, das
Repräsentantenhaus mit 89 und 23 Stimmen zu.
Die Verdoppelung der USA - DIE ZEIT 18/2003 (24.04.03), 4/4
Der Kauf Louisianas, so schreibt der Historiker Charles A. Cerami in seinem gerade erschienen Buch
Jefferson’s Great Gamble, signalisierte der Welt, dass es den USA offenbar bestimmt sei, sich über den
gesamten Kontinent auszudehnen. Der Vertrag war die Grundlage für jenes atemberaubende demografische
und wirtschaftliche Wachstum, das Amerikas Entwicklung im damals noch jungen 19.Jahrhundert
kennzeichnete. Doch der Kauf hatte auch seine dunkle Seite. Die Kultur der Indianer westlich des Mississippis,
die schon von 1804 an in der legendären Expedition von Lewis und Clark erkundet wurde, war genauso wie
jede andere Gesellschaftsform der amerikanischen Ureinwohner seit dem Eintreffen der ersten Weißen zum
Untergang verurteilt.
Gott beschützt die Narren, die Säufer und die USA
Zudem breitete sich jetzt die Sklaverei weiter aus. Bei fast jedem neuen Staat westlich der alten Grenze würde
es in den nächsten 50 Jahren bittere Debatten über den Zustand geben, ob free, ob slave state, Debatten, die
schließlich, 1861, in einem der grausigsten Bürgerkriege der Neuzeit eskalieren sollten.
In New Orleans indessen hält sich bis heute die Legende, dass hier 1821 eine Gruppe exilierter französischer
Offiziere die Befreiung Napoleons aus britischem Gewahrsam auf St.Helena plante und ihn in die Stadt zu
bringen hoffte. Der Tod des Kaisers im selben Jahr habe den Plan zunichte gemacht, doch der für ihn
bestimmte Altersruhesitz im Französischen Viertel gilt noch heute als Napoleon House (und beherbergt
natürlich eine Bar). Wäre der Plan in die Tat umgesetzt worden, hätte sich der alternde Despot vom Gedeihen
eines einstmals französischen Landes unter einem demokratischen System überzeugen können. Und vielleicht
hätte er dann einer Weisheit zugestimmt, die zu seinen Lebzeiten vor allem von missgünstigen Engländern gern
verbreitet wurde: „Der liebe Gott beschützt Narren, Trunkenbolde und die Vereinigten Staaten von Amerika.“
Der Autor ist Arzt und Historiker und lebt zurzeit in Washington, D. C.
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